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„Graf Zeppelin" auf der Amerikasahrt Friedrichshafen, 16. Mai. Das Luftschiff „Graf Zeppelin" ist 5.38 Uhr glatt zu seiner zweiten Amerika fahrt gestartet. Es ist trübes, stark bewölktes Wetter und fast still, so da« der Start imkerst kurz und ohne jede Schwierigkeit vor sich gehen konnte. Das innen reich mit Blumen geschmückte Luftschiff setzte sich punkt U6 Uhr aus der Halle in Marsch. Bereits nach einer Viertel Stunde konnte das Kommando „Schiff frei" ge geben werden. Während die Arbeiter vereinzelt zur Werft eilten, umlagerten schon viele Menschen den Platz des Zeppelin geländes und je näher der Zeitpunkt des Startes rückte, desto mehr Zuschauer sammelten sich an. Alle wollten dem „Graf Zeppelin" zu seiner Fahrt nach Amerika einen letzten Eruk entbieten. Die Passagiere waren alle pünktlich zur Stelle. Nachdem das Schiff noch einer kurzen Besichtigung unterzogen war, wurde es 5.49 Uhr durch das westliche Tor aus der Halle gezogen. Nachdem es gewendet war, ertönte um 5.54 Uhr das Kommando „Marsch". Nach einer kurzen Schleife über Friedrichs hafen, verschwand es in westlicher Richtung im Nebel. Das Wetter in Friedrichshafen war zur Zeit des Ab fluges regnerisch. Amerika in Erwartung. Friedrichshafen. 16. Mai. Seit 5 Uhr morgens herrschte in der großen Luftschiffhalle starker Betrieb. Das Luftschiff wird zum Start klar gemacht. Die großen Flllgeltore der Halle werden aufgewunden, Ballastsäcke fallen einer nach dem anderen herab und um K6 Uhr wird der „Graf Zeppelin" in Marsch gesetzt, um vielleicht am Sonnabend, spätestens aber im Laufe des Sonntags auf dem amerikanischen Kontinent in Lakehurst ein zutreffen. Draußen ist ein wolkenverhangener, trüber Frühlingsmorgen, fast windstill — ein vorzügliches Startwetter. Die Kabinen sind festlich geschmückt. Ueberall stehen Blumen. Für jeden Passagier sind vier große Pralinenschachteln bereitgestellt, dazu eine Packung Keks für den ersten Morgenkaffee in den Lüf ten, den der Koch schon bereitsetzt. 10 Minuten vor 6 Uhr ist dann das Luftschiff völlig klar. Langsam lenkt die Spitze bei schwachem Winde nach Süden zu. Ueber Konstanz und Basel. Basel, 16. Mai. Das Luftschiff hat von Friedrichs hafen kommend, alsbald Konstanz erreicht, nahm dann Kurs auf Basel und überflog die Stadt um 7.20 Uhr. Ueber Lyon. Friedrichshafen. 16. Mai. „Graf Zeppelin" er reichte um 10.10 Uhr Lyon. Die Hapaqschiffe in drahtloser Verbindung mit dem Luftschiff. Hamburg, 16. Mai. Die Hamburg-Amerika-Linie hat ihre sämtlichen, gegenwärtig auf dem Nordatlantik befindlichen Schiffe angewiesen, dem „Graf Zeppelin" während seiner Amerikareise in jeder Beziehung behilf lich zu sein. Die jeweils in der Nähe weilenden Hapag- schiffe werden mit dem Luftschiff in drahtlosen Verkehr treten und ihn bei Ortspeilungen und drahtlosen An fragen jeder Zeit mit Angaben dienen. Neuqork in Erwartung. Neuqork, 16. Mai. In Amerika werden die Nach richten über den Flug des „Graf Zeppelin" mit großer Erregung erwartet. In Lakehurst werden alle Vor bereitungen getroffen, um dem Massenandrang der Neu- yorker am Tage der Landung des deutschen Luftschiffes gerecht zu werden. Jedenfalls ist auch der zweite Amerikaflug des „Graf Zeppelin" für die sportbegeister ten Amerikaner wieder die allergrößte Sensation. Abbruch der Amerikafahrt des Graf Zeppelin Friedrichshafen, 16. Mai. Ein Funkspruch vom Grafen Zeppelin besagt, daß die Amerikafahrt plötzlich abgebrochen wurde, da die Maschinen Unregelmäßigkeiten zeigten, die es nicht wünschenswert erscheinen lassen, die Fahrt über den Ozean fortzusetzen. Dr. Eckener hat sich 18.35 Uhr nach Rücksprache mit den Fluggästen entschlos sen, nach Friedrichshafen zurückzukehren und die Fahrt erst nach Behebung der Störungen auszuführen. „Graf Zeppelin" will den gleichen Weg zurückfliegen. Berlin, 1. Mai. Nach Erkundigung beim Luftschiff bau Zeppelin in Friedrichshafen war eine Standortmel dung des „Graf Zeppelin" seit der Ankündigung des Rückflugs um 18.32 Uhr bisher nicht zu erhalten. Auf Grund eines Funktelegramms von Bord, will „Graf Zeppelin" den gleichen Weg nach Friedrichshafen zurück fliegen. Wie man weiter hört, sind durch den gemeldeten Maschinendefekt zwei Motoren ausgefallen und Dr. Eckener glaubte die Verantwortung dafür nicht überneh men zu können, mit diesem Motorenaussall über See zu fliegen. Im Zeitpunkt der Umkehr befand sich das Luft schiff etwa 20 Seemeilen südöstlich von Kap de la Nao (zwischen Valenzia und Alicante). Ungünstigere Witterungsverhältnisse für den Rückflug des „Graf Zeppelin" über Frankreich. Hamburg, 17. Mai. Das Seeflugreferat der deut schen Seewarte in Hamburg gibt den nachfolgenden Be ¬ richt heraus: Für die Rückfahrt des Luftschiffes „Graf Zeppelin" ist die Wetterlage nicht so günstig, wie sie sich bei der Ausfahrt gestaltet hatte. Ueber dem Nordmeer liegt ein ausgedehntes Hochdruckgebiet, das südlich bis nach Frankreich reicht, während über dem Ligurischen Meer und dem Genua-Meer ein stationäres Tiefdruck gebiet lagert. Dadurch sind die Bedingungen gegeben, daß über dem Golf von Lyon und der unteren Rhone ein kräftiger Mistral lag, gegen den das Luftschiff anfahren muß. Auch im Rhonegebiet herrschen nördliche Winde, jedoch von geringerer Stärke. Dort und in der Ober rheinebene wird das Luftschiff strichweise Wolken und leichte Regen antreffen. 80 Seemeilen südlich der Rhonemündung. Friedrichshafen, 17. Mai. Beim Luftschiffbau Zeppe lin ging von Bord des „Gras Zeppelin" gegen 2.00 Uhr früh folgende Funkmeldung ein: „1.30 Uhr 80 Seemeilen südlich Rhonemündung. Kommen wegen Mistral lang sam vorwärts." Der Abbruch der Amerikafahrt. Berlin, 17. Mai. Das Mißgeschick, das „Graf Zeppelin" vor der Ausfahrt auf das freie Meer zur Um kehr veranlaßt hat, wird von den Berliner Blättern all gemein bedauert. Es wird daraus hingewiesen, daß der Entschluß, die Fahrt abzubrechen, Dr. Eckener sicher nicht leicht geworden sei. Er zeuge aber davon, in welch hohem Maße sich Dr. Eckener seiner Verantwortung gegenüber den Passagieren und der Luftschiffbesatzung bewußt sei. „Graf Zeppelin" über Südfrankreich. Große Enttäuschung in Lakehurst. London, 17. Mai. Die Nachricht von der Rückkehr des „Graf Zeppelin"hat auf dem Flugplatz in Lakehurst große Enttäuschung hervorgerufen. Hunderte von Marinesoldaten waren zur Ausübung eines besonderen Polizeidienstes nach Lakehurst entsandt worden, um den Ordnungsdienst für die erwarteten riesigen Menschen massen durchzuführen. Man hofft, daß die Reparaturen an dem Luftschiff nur kurze Zeit in Anspruch nehmen werden und der „Graf Zeppelin" dann erneut starten wird. Friedrichshafen, 17. Mai. Man beurteilt auf der Werft die Lage als durchaus nicht schlecht und meint. Dr. Eckener habe eben mit Rücksicht auf seine Ver antwortung es nicht gewagt, mit nur drei Motoren über den Ozean zu fliegen. Im übrigen seien wahrscheinlich auch die Zylinder der Motoren angegriffen worden, so daß eine alleinige Auswechslung der Kurbelwellen an Bord selbst nicht möglich sei. „Graf Zeppelin" über der Nhonemllndunq. Paris, 17. Mai. 11 Uhr. Nach den letzten Mel dungen befindet sich das Luftschiff nach wie vor an der Küste des Golfs von Lyon und kommt anscheinend nicht vorwärts. Ob an Bord Reparaturen ausgeführt wer den, oder ob das Schiff vergeblich gegen den Wind an kämpft, läßt sich nicht feststellen. Der Mistral flaut ab. Hamburg, 17. Mai. Für den Rückflug kommt fol gende neueste Meldung der Hamburger Wetterwarte in Betracht: Vom nordöstlichen Spanien an bis über den größten Teil Frankreichs hinweg, herrscht nördliche Luft strömung. Zwischen den Alpen und Pyrenäen wird sie teilweise abgelenkt und drängt mit hoher Geschwin digkeit auf das Mittelmeer vor. Die stürmischen Winde an der französischen Mittelmeerküste, besonders im unteren Rhonegebiete sind für Mistrale bekannt. Heute morgen hat jedoch über der Rhonemündung der Mi stral abzuflauen begonnen. Marseille meldet heute früh bereits geringere Winde. Am gestrigen Abend meldeten die Veobachtungsstationen an der fran zösischen Mittelmeerküste nordöstliche Winde von großer Geschwindigkeit. Durch diese Mistrale hat das Luft schiff streckenweise verhältnismäßig geringe Geschwindig keit gehabt. In der nördlichen Luftströmung herrscht jedoch größtenteils heiteres Wetter. Von der Burgun dischen Pforte bewirkt jedoch der Staub die langsame Hebung der nördlichen Luftströmung am Nordrande der Alpen und eine Verschlechterung des Wetters, so daß dort größtenteils trübes Wetter herrscht. Stellenweise ziehen die Wolken sehr niedrig über die Landschaft hin und vereinzelt fällt leichter Regen. Friedrichshafen ohne Verbindung mit dem Zeppelin. Friedrichshafen, 17. Mai. Das Luftschiff Zeppe lin bestätigt soeben die Pariser Meldung, wonach sich das Luftschiff zwischen 8 und 9 Uhr immer noch an der französischen Küste aufhielt. Wegen des Fehlens von Standortmeldungen von Bord des Luftschiffes wird be tont, daß sich die Schiffleitung gezwungen sehe, nur die allcrwichtigsten Mitteilungen durchgehen zu lassen, um die vorhandenen Kraftquellen nicht unnötig anzu spannen. Im übrigen sei man bei dem Luftschiffbau nicht beunruhigt. Ueber Avignon. Paris, 17. Mai. Nach den letzten Berichten scheint „Graf Zeppelin" wieder langsam vorwärts zu kommen. Das Schiff versucht nach wie vor, seinen Kurs den Rhonefluß aufwärts fortzusetzen, stößt dabei aber aus starke Gegenwinde, die den Flug verzögern. Das Luftschiff hat bei Nimes, wo es zuerst um 9 Uhr ge sichtet wurde, den Versuch unternommen, nach Osten aus zubiegen, um den Gegenwinden auszuweichen. Dieser Ver such scheint jedoch mißglückt zu sein, da das Luftschiff kurz vor 11 Uhr zum zweiten Malle über der Stadt erschien. Das Luftschiff kreuzte angeblich mehrfach über dem Flug platz in der Nähe der Stadt, ohne jedoch irgendwelche An stalten zu einer Landung zu machen. Etwa eine halbe Stunde soll das Luftschiff nach einer bisher noch unbestä tigten Meldung in der Nähe von Avignon gesichtet worden sein, Das Luftschiff wird somit unter allen Um ständen versuchen, seinen Heimathafen zu erreichen. Bis zur Mittagsstunde waren direkte Nachrichten von Bord des Schiffes selbst noch nicht wieder eingetroffen. Deutscher Reichstag. Der Präsident eröffnete die Donnerstag-Sitzung um 11 Uhr. In allen drei Lesungen angenommen wurden die Lustverkehrsabkommen mit den Niederlanden und mit Norwegen, sowie der Gesetzentwurf über die weitere Hin ausschiebung der Bindung der Länder und Gemeinden an die nach dem Reichsbewertungsgesetz sestgestellten Ein heitswerte. Auf der Tagesordnung standen dann Anträge des Eeschäftsordnungsausschusses, die Genehmigung zur Strafverfolgung der Abgeordneten Bertz und Florin (Kommunisten) und Strasser (Nationalsozialist) wegen Beleidigung zu erteilen, ferner in einem weiteren Falle zur Vorfüh rung des Abgeordneten Strasser. Abg. Dr. Frick (N.-S.) beantragte, die den Ab geordneten Strasser betreffenden Fälle von der Tages ordnung abzusetzen, da einmal ein Einstellungsantrag vorliege, zum andern er genötigt sei, schwere ehrenrührige Angriffe gegen den Abgeordneten Dr. Mittelmann (Deutsche Volkspartei) zu erheben und es ihm widerstrebe, diese Angriffe gegen den zurzeit erkrankten Abgeordneten vorzubringen. Abg. Pieck (Kom.) protestierte gegen die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Bertz, die wegen Beleidigung von Kriminalbeamten gelegentlich der Erwerbslosendemonstration aus der Neichstagstribüne er folgt sein soll. Abg. Dr. Frick (N.-S.) bestritt, daß der Abgeordnete Strasser die Immunität mißbraucht habe.'Als der Redner den Abgeordneten Dr. Mittelmann (DVP.) einen Lügner nannte, erhielt er einen Ordnungs ruf. Auch die Abgeordneten Dr. Göbbels und Reventlow (N.-S.) erhalten einige Ordnungsrufe. Da der Abgeord nete Dr. Frick trotz mehrmaliger Erinnerungen des Prä sidenten seine Rede weit über die Zeit ausdehnt, wurde er schließlich aufgefordert, die Tribüne zu verlassen. Der nächste Redner, Abg. Heilmann (Soz.) wurde von den Nationalsozialisten und Kommunisten mit minuten langen „Barmat"-Rusen empfangen. Die Abgeordneten Dr. Frick und Dr. Göbbels (N.-S.) werden schließlich wegen gröblicher Be schimpfungen vom Präsidenten von der Sitzung aus geschlossen. Unter großer Unruhe erklärte der Redner: Es sei ein Mißbrauch der Immunität, wenn der Abge ordnete Strasser für zehn Zeitungen verantwortlich zeichne, sich aber tatsächlich dieser Verantwortung unter dem Schutze der Immunität entziehen will. Als Abgeordneter Stöhr (N.-S.) dem Redner wiederholt zurief, er sei des Meineids verdächtig, wurde auch er von der Sitzung ausgeschlossen. Nach weiterer Aussprache wurde die Straf verfolgung der Abgeordneten Bertz, Florin und Strasser, sowie die Vorführung des Abgeordneten Strasser ge nehmigt. Neichsernährungsminister Dietrich wies darauf hin, daß die schlechte Finanzlage des Reiches es leider nicht möglich gemacht habe, noch größere Mittel für die Ost preußenhilfe zur Verfügung zu stellen. Die Vorlage wurde nach kurzer Aussprache in zweiter und dritter Beratung in der Ausschußfassung verabschiedet, ebenso der Gesetzent wurf über die Sanierung des Schichau-Unternehmens. Die Reichsregierung wird dadurch ermächtigt, einen ein maligen Barbetrag von 14. Millionen und einen laufen den Zuschuß von 2,34 Millonen aufzuwenden. Das Haus wandte sich nun der Fortsetzung der Aussprache zum Haushalt des Reichsernährungsministeriums zu. Der Reichstag vertagte sich am Donnerstag bis zum Montag, dem 3. Juni, 3 Uhr. Weiterberatung des Ernährungsetats. 1000jährige Wiederkehr des Tages dec Sorbenschlacht bei Jahna. Das kleine Dörfchen Jahna bei Ostrau (zwischen Döbeln und Riesa) war vor 1000 Jahren der Schau platz wichtiger Ereignisse. Hier stand die Sorbenseste Gana. Heinrich I. gelang es im Jahre 929 nach blu tiger Schlacht und 20tägiger harter Belagerung die Feste zu erobern und damit den Weg für die Germanisierung und Christianisierung des Landes frei zu machen. Die Markgrasschaft Meißen wurde errichtet, aus der der spätere Staat Sachsen hervorging, der jetzt somit aus ein 1000jähriges Bestehen zurückblicken kann. Zur Er innerung an diese sür Deutschland wichtigen und grund legenden Geschehnisse wird zu Pfingsten in Jahna eine Feier veranstaltet. — Auf dem Schlachtfeld bei Jahna ist zum Andenken an die Schlacht ein riesiger Findling ausgestellt worden, den unser Bild zeigt.