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Chinesische Hartnäckigkeit in Genf. Genf, 29. April. Die Vorbereitende Abrüstungs konferenz behandelte in der Montagssitzung den Antrag der chinesischen Regierung auf Abschaffung der allge meinen Wehrpflicht. Der Präsident ersuchte die Chine sen, den Antrag zurückzuziehen, da die bisherigen Ver handlungen bereits dis völlige Aussichtslosigkeit dieses Antrags gezeigt hätten. Der chinesische Abordnungs führer bestand jedoch auf Eröffnung der Aussprache. Der kanadische Vertreter erklärte, die kanadische Regierung halte den Grundsatz der allgemeinen Wehrpflicht für den besten Weg zu einer moralischen und praktischen Ab rüstung zu gelangen. Kanada sei jedoch zu dem Zuge ständnis bereit, daß die Entscheidung über den chinesi schen Antrag der kommenden Abrüstungskonferenz über lassen bleiben müsse. Die Chinesen forderten jedoch eindeutige Stellung nahme der einzelnen Regierungen zu ihrem Antrag. Graf Bernstorff schloß sich voll und ganz dem chinesi schen Antrag an und betonte, daß dis Negierungen zu der allgemeinen Wehrpflicht fetzt unumwunden Stellung nehmen müßten. Er habe bisher verzichtet, die gleichen Forderungen zu stellen, um gegenüber der Mehrheit der Kommission ein gewisses Ent gegenkommen zu zeigen. Deutschland habe einen besonderen Grund, dies zu fordern, da die Abschaf fung der allgemeinen Wehrpflicht das System der Friedensverträge bilde. Von neuem versuchte der Präsident, die Erörterung des für die Mehrheit der Kommission höchst unerwünsch ten chinesischen Antrags dadurch unmöglich zu machen, das; er neue Formulierung des chinesischen Antrags für die weitere Erörterung vorschlug. Der Führer der Chi-> nesen lehnte jedoch auch dies ab und erklärte, f die chinesische Negierung wolle fetzt endlich ein praktisches Ergebnis sehen. Nach längeren Verhandlungen wurde beschlossen, den chinesischen Antrag dem Bericht anzugliedern, wobei je doch sich der chinesische Vertreter die volle Handlungs freiheit vorbehielt, den Antrag von neuem in die Kon ferenz einzubringen und eine endgültige Stellungnahme erst einzunehmen, sobald er von seiner Regierung end gültige Anweisungen erhalten habe. Neue Flottenkonferenz erst nach den englischen Wahlen. London, 29. April. Die günstige Aufnahme der Flottenabrüstungsvorschläge Gibsons in Genf durch die europäischen Mächte hat nach Meldungen aus Washing ton dort große Befriedigung ausgelöst. Die Hoffnun gen, datz es zur Einberufung einer neuen Flottenabrüstungskonferenz noch vor 1931 kommt, sind im Augenblick wieder grotz, wer den aber durch Staatssekretär Stimson nicht begünstigt. Stimson wies darauf hin, datz es zu früh sei, bereits jetzt einen bestimmten Schritt der Vereinigten Staaten für die Durchführung der Flottenabrüstung zu erwar ten. Dagegen erwartet die amerikanische Regierung, datz die an der Frage interessierten europäischen Haupt mächte nach den englischen Wahlen auf diplomatischen Wege vorbereitende Schritte unternehmen würden, um die Aussichten für neue offizielle Besprechungen zu för dern. Mit der Einberufung einer Konferenz bereits in diesem Jahre wird indessen nicht mehr gerechnet und die Berichte, wonach Washington eine Sonderkonferenz der fünf Flottenmächte im Sommer oder Herbst dieses Jahres für möglich halte, werden nicht bestätigt. Brarr-Katastrophen und Unglückssülle Eine Front von 10 Häusern in Flammen. Amsterdam, 28. April. In der vergangenen Nacht ist in einem Möbelmagazin in Rotterdam ein Niesen- brand ausqebrochen, wie ihn Rotterdam seit Jahren nicht erlebt hat. Ein Passant bemerkte das Feuer in den Geschäftsräumen. Im letzten Augenblick konnte sich der Eigentümer mit seinen Kindern aus dem brennen den Gebäude retten. Gleich darauf war das vierstöckige Haus ein Flammenmeer, und das Feuer griff mit un erhörter Geschwindigkeit auf die Nachbarhäuser, alte Schulen und alte Häuser, die gleichfalls größtenteils als Lager dienten, über, so datz bald die ganze Stratzeneite mit ungefähr zehn Häusern über eine Länge von 70 Meter in Brand stand. Die Fensterscheiben der gegen überliegenden Geschäfte sprangen, große Stücke glühen den Holzes flogen durch die Luft. Giebel stürzten ein. Viele Personen flüchteten über die Dächer aus den Häu sern. Ganz Rotterdam war auf den Beinen. Der Brand war bis Delft sichtbar. Die Feuerwehren waren macht los und konnten sich nur auf den Schutz der weiter ent fernten Häuser und auf die Abwehr der unmittelbaren Gefahr durch Einsturz beschränken. Gegen 3 Uhr war der Brand einigermaßen bezwungen. Der Schaden ist noch nicht festzustellen. Die Abtei von Tongerloo zerstört. Brüssel, 28. April. Am Sonntag nachmittag zer störte ein Brand die berühmte Abtei von Tongerloo, einer Ortschaft in Flandern. Die Abtei ist im 13. Jahr hundert von Mönchen des St. Norbertordens errichtet worden. Sie war bisher eine der schönsten und ältesten belgischen Abteien und enthielt geschichtliche Denkmäler von unschätzbarem Wert. Der Brand hat drei Flügel des Hauptgebäudes zerstört, die Kirche steht noch in Flammen. Es gelang den Mönchen, den Kirchenschatz zu retten, im Kloster selbst sind noch viele Kostbarkeiten den Flammen zum Opfer gefallen. * Im brennenden Großkraftwagen eingeschlossen. London, 28. April. Zwischen Knowles Hill und Twyford in der Nähe von Maidenhead fing ein mit 26 Personen besetzter Großkraftwagen Feuer und über schlug sich. Ein Teil der Insassen wurde durch die bren nenden Trümmer eingeschlossen und konnte trotz aller Anstrengungen der zahlreichen, auf der Straße ver kehrenden Ausflügler nicht gerettet werden. Fünf Per sonen kamen in den Flammen um, fünf weitere sind mit schweren Brandwunden in die Krankenhäuser eingelie fert. Das Befinden von zweien gibt zu ernsten Besorg nissen Anlaß. Ein Augenzeuge erklärt, daß das Fahr zeug, als es stand, wie eine mit Petroleum begossene Holzmasse lichterloh brannte. Der Führer rettete mehrere Personen aus den Flammen. Ein polnisches Dorf in Asche. Warschau, 28. April. Am Sonnabend ist das ganze Dorf Kamsonka in der Woiwodschaft Vialystok durch ein Erotzfeuer zerstört worden. Den Flammen fielen 56 Gehöfte zum Opfer. Der Tod im Bergwerk. Sturz in die Tiefe. Bochum, 27. April. Im unterirdischen Betriebe der Zeche Hannibal stürzte ein Steinwagen in die Tiefe und riß zwei Bergleute mit sich. Der eine von ihnen wurde getötet, während der andere gerettet werden konnte. Auf der gleichen Zeche gerieten zwei weitere Bergleute unter herabstürzende Gesteinsmassen. Es be steht wenig Aussicht, die Verunglückten zu bergen. Eine Kiste mit Dynamit explodiert. Kattowitz, 27. April. Auf der Nadzionkaugrube find zwei Bergleute, die eine Kiste mit Dynamit fort schafften, unter Tage verunglückt. Einer der Arbeiter ließ die Kiste fallen, wodurch das Dynamit erxplodierte und den Arbeiter in Stücke ritz. Ein zweiter Arbeiter, der sich in der Nähe befand, kam ebenfalls ums Leben. Der eine der verunglückten Arbeiter hinterlätzt acht un versorgte Kinder. WM WUM bei mmMWM-BslW' Wen. Zwei Tote, ein Schwerverletzter. Stendal, 28. April. Bei dem am Sonntag vom Automobil- und Motorradklub Stendal veranstalteten dritten Stendaler Kilometerprüfungsfahren für Auto mobile und Motorräder, ereignete sich ein schwerer Un- glückssall, der zwei Tote und zwei Verletzte forderte. Einer der schweren Wagen, der das Ziel bereits durch fahren hatte, geriet aus bisher noch nicht festgestellter Ursache ins Schleudern und fuhr, nachdem er zuerst quer über der Stratze gestanden hatte, gegen einen Chaussee stein. Er verletzte hierbei einen Radfahrer, der eine Quetschung des Oberschenkels davontrug. Durch diesen Anprall wurde der Wagen nach rechts geworfen und er- faßte noch einen weiteren Zuschauer, der auf der Stelle getötet wurde. Durch diesen erneuten Anprall wurde der Wagen dann herumgeworfen, er überschlug sich mehrmals und ritz noch eine Anzahl von Chausseesteinen um und geriet dann in Flammen. Der Beifahrer wurde zwanzig Meter weit ins Feld geschleudert und war ebenfalls auf der Stelle tot. Nach weiteren zwanzig Metern kam der Wagen zum Stehen. Der Fahrer, Baron von Wentzel, der noch am Steuer satz, wurde schwer verletzt aus dem Wagen geholt. Er hatte schwere Brandwunden am Rücken davongetragen und wurde so fort ins Krankenhaus eingeliefert. Die Veranstaltung wurde daraufhin sofort abgebrochen. Ein Kraftwagen mit 38 Insassen umgestürzt. Zeitz, 29. April. Der nationalsozialistische Bezirks tag, der am Sonntag in Zeitz stattsand, fand einen be dauerlichen Abschluß. Kurz vor 16 Uhr hatten die Leip ziger Teilnehmer in zwei Lastkraftwagen die Heimfahrt angetreten. An der Ecke der Weißenfelser und Leipziger Straße, wo die Straße eine scharfe Kurve macht, kamen die Wagen plötzlich ins Rutschen. Während der Zug wagen schon um die Ecke gefahren war, wurde der An hängerwagen an die Bordkante geschlagen, und zwar mit so starker Heftigkeit, daß der Wagen mit ungeheurer Ge walt umkippte und die zahlreichen Teilnehmer auf den Bürgersteig schleuderte. In dem Wagen standen 38 Na tionalsozialisten aus Leipzig, die in einem wirren Knäuel auf den Bürgersteig stürzten. Eine Anzahl von ihnen konnte sich wieder erheben, während einige bewußtlos liegen blieben. Herbeigerufene Aerzte veranlaßten als dann die Ueberführung der Verunglückten in das Kran kenhaus. Insgesamt waren zwölf Teilnehmer verletzt, darunter zwei schwer. Nach Anlegung der ersten Verbände wurden zehn Verletzte wieder entlassen, während die übri gen zwei im Krankenhaus verbleiben mußten. Ein schweres Brandunqlück in Vaden. Schönau im Wiesenthal, 29. April. In der Nacht zum Sonntag brannten in dem Weiler Kastel, eine halbe Stunde von Schönau entfernt, drei ältere stroh bedachte Scharzwaldhäuser innerhalb kurzer Zeit nie der. Dabei wurden zwei ältere Leute durch Einsturz getötet, zwei weitere erlitten schwere Brandverletzun gen. Eine große Menge Vieh kam in den Flammen um. Es wird Brandstiftung vermutet. Der Hartmannsweilerkopf in Flammen. Paris, 29. April. Ein schwerer Waldbrand ist im Elsaß am Hartmannsweilerkopf ausqe brochen. Das ganze Gebirgsmassiv zwischen dem Tal von Tanne und dem von Gebweiler steht in Flammen. Durch den Brand sind Tausende von alten Blind qängern und vergessenen Handgranaten zur Explosion gebracht worden. Trotz verzweifelter An strengung gelang es nicht, das Feuer, das in zehn Kilo meter breiter Front mit rasender Geschwindigkeit um sich greift, einzudämmen. Die Soldatenfriedhöfe von Molkenrain und Silberloch sind bereits von den Flam- men erreicht worden. Man befürchtet, daß auch einige ! der nächstgelegenen Ortschaften bedroht werden könnten. Während der Nacht war der Feuerschein im ganzen Oberclsatz sichtbar, sogar bis zum Schwarzwald muß er gesehen worden sein, denn in Mühlhausen trafen zahl reiche Telephonrufe aus Vaden ein, die nähere Nach richten über das Brandunglllck erbaten. Drei Personen bei einem Flugzeug-Absturz getötet. London, 29. April. Bei dem Absturz eines Flug zeuges in Los Angeles kamen am Sonntag drei Perso nen ums Leben. Das Flugzeug war wahrscheinlich in folge einer Explosion in Brand geraten und der Pilot sowie zwei Insassen konnten nur noch als verkohlte Lei chen geborgen werden. Brand eines Eisenbahnzuges in Rußland. Kowno, 29. April. Wie aus Moskau gemeldet wird, ist Sonntag auf der Eisenbahnstrecke Saratow— Rtitschewo in einem D-Zug ein Brand ausgebrochen. Zwei Wagen wurden eingeäschert. Zur Löschung des Brandes wurden sofort Hilfszüge herbeigerufen. Es steht noch nicht fest, ob Personen ums Leben gekommen sind. Nach amtlichen Angaben sind 14 Personen schwer verletzt worden. Die Hilfsarbeiten sind noch nicht be endet. Fünf Todesopfer bei einem Autozusammenstotz. London, 29. April. Bei einem Zusammenstoß zwi schen einem Auto und einem Omnibus in der Nähe von Elkhart in Kansas wurden fünf Personen getötet und elf verletzt. Schiffs» nglllck bei Manila. Neuyork, 29. April. Wie aus Manila gemeldet wird, ist der zwischen den Philippinen-Inseln verkeh rende Dampfer „Viking" infolge einer Gasexplosion bis zur Wasserlinie verbrannt. Ein Teil der Besatzung wurde durch die Explosion über Bord geworfen. Atmos phärische Störungen verhinderten die Aussendung von 8O8.-Rufen, doch bemerkte der „Delhi" die Flammen, leistete die ganze Nacht über Hilfe und rettete elf Mann der Besatzung, während 17 Mann ums Leben kamen. Schweres Gasunglück in Tokio. London, 29. April. Wie aus Tokio gemeldet wird, sind in einer Armee-Munitionsfabrik heute vormittag große Mengen giftiger Gase entwichen, durch die Tau sende von Wohnungen in einem der Vororte der Stadt unbrauchbar wurden. Im Augenblick steht noch nicht fest, ob die Easentweichung auch zu Todesfällen geführt hat. Die Zahl der Schwererkrankten ist bereits hoch. Nur hmüüsMM MWM der Umm MM W MMHMnslV. London, 29. April. Zu dem heutigen Zusammen tritt des Dreier-Ausschusses für die Behandlung der Minderheitenfrage bestehend aus Chamberlain, dem japanischen Botschafter Adatschi und dem spanischen Botschafter Quinones de Leon veröffentlicht der diplo matische Mitarbeiter des „Daily Telegraph" Auszüge aus der Denkschrift, die die Kleine Entente im Ausschuß andieVorschlägeStresemanns und des kana dischen Senators Dandurands dem Völkerbund über reicht hat. Die Denkschrift, die in der Form von Beob achtungen gehalten ist, zeigt, mit welcher Rücksichtslosig keit von diesen Staaten über die Bedürfnisse der Min derheiten hinweggegangen wird. Der wichtigste Teil der Denkschrift besagt, daß keine der gegenwärtig in An wendung befindlichen Regeln für die Behandlung von Minderheitenangelegenheiten durch den Völkerbund ohne die Zustimmung der beteiligten Länder geändert werden könne. Die Vorschläge der Vertreter Kanadas und Deutschlands werden als unannehmbar bezeichnet. Die zweite Hälfte der Denkschrift sucht die „Nutzlosigkeit oder Gefahr der vorgeschlagenen Reformen" nachzuweisen und wendet sich insbesondere gegen eine Vertretung der unmittelbar interessierten Mächte im Ausschuß. Weiter wird gegen die Forderung Dandurands auf größere Oeffentlichkeit für alle die Minderheiten angehenden Fragen Stellung genommen. Der diplomatische Mitarbeiter des „Daily Telegraph" schreibt hierzu, in dieser Angelegenheit müsse die Entscheidung des in London zusammentreten den Dreier-Ausschusses tatsächlich mit großer Spannung erwartet werden. Der herausfordernde Charakter der Denkschrift der Kleinen Entente habe sicherlich nicht dazu boigetragen, daß die Londoner Verhandlungen hinter verschlossenen Türen stattfinden. Das unruhige Indien. Neue Reliqionskämpfe. London, 29. April. In Bombay ist es zu neuen Zusammenstöße zwischen Hindus und Moslems ge kommen. Ein religiöser Umzug von Hindus wurde von Moslems angegriffen und die begleitenden Polizei mannschaften mit Steinen beworfen. Darauf kam es zu Kämpfen, in denen ein Hindu getötet und 16 Per sonen verletzt wurden. Wenige Stunden später griffen in einem anderen Statdteil mit Stöcken bewaffnete Hin dus eine Anzahl Moslems an. Einer der Moslems wurde getötet, mehrere wurden schwer verletzt. 120 000 Streikende in Bombay. London, 29. April. Von den Baumwollspinnereien in Bombay sind nunmehr 34 völlig stillgelegt. Mit der Schließung auch der restlichen Betriebe wird in den näch sten Tagen gerechnet. Insgesamt werden von dem Streik entweder in den Baumwollspinnereien direkt oder den davon mitbetroffenen verwandten Industrie zweigen 120 000 Personen erfaßt. Zwischenfall an -er vslerreichisch- sü-slawischen Grenze. Graz, 29. April. Am Sonntag früh ereignete sich an der südslawischen Grenze, eineinhalbe Stunde von