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0' Schacht macht Gegenvorschläge. Paris, 16. April. In der Dienstag-Nachmittag- Sitzung der Sachverständigen wurde die Aussprache über die deutsche Zahlungsfähigkeit fortgesetzt. In seiner ausgedehnten zum Teil wesentlich begründeten Antwort wies D r. Schacht auf die erheblichen Be denken und Gründe hin, die es Deu t sch l and un möglich machten, die Auffassung der Alliierten über die deutsche Lei st ungs- fähigkeit zu teilen. Auf eine Anregung der alliierten Sachverständigen hin erklärten sich die Deutschen bereit, innerhalb 24 Stunden, zu der auf Mittwoch nachmittag an beraumten Vollsitzung eine wirtschaftliche Denk schrift, die mit Zahlen versehen sein soll, vorzulegen. Die Zahlen der deutschen Denkschrift werden den Zahlen der Denkschrift der Alliierten entgegen gestellt werden. Die Ausarbeitung -er deutschen Gegenvorschläge. Paris, 17. April. Die der deutschen Sachverstän digenabordnung beigegebenen Hilfsarbeiter haben am Dienstag abend zusammen mit D r. Schacht und Bögler und Melchior begonnen, das; Memoran dum mit den deutschen Gegenvorschlägen auszuarbeiten, das in der Mittwoch-Nachmittag-Sitzung der Sachver ständigen überreicht werden soll. Die Arbeiten werden auch den heutigen Vormittag noch in Anspruch nehmen. Während der gleichen Zeit werden die Gläubigerabord nungen eine gemeinsame Sitzung abhalten, um die Ver treter Serbiens, Rumäniens, Griechenlands und Por tugals in der Frage der deutschen Kriegsentschädigung über die Frage der Zugeständnisse der kleinen Mächte anzuhören. In Pariser politischen Kreisen sieht man mit ge spanntem Interesse der Vollsitzung des Sachverständigen ausschusses vom Mittwöch nachmittag entgegen, die, wie bekannt, die Ucberreichung der deutschen Gegenvor schläge bringen soll. Man hat in alliierten Kreisen den Eindruck, daß die deutsche Abordnung sich auch weiter hin weigern wird, über 37 Jahre hinaus zu zahlen. Paris in Erwartung -er -rutschen Iahten Paris, 16. April. Die Pariser Presse ergeht sich in Vermutungen über den Inhalt der deutschen Denkschrift und die Höhe der Gegenvorschläge, die Dr. Schacht der Vollsitzung des Sachverstündigenausschusses am Mitt woch nachmittag unterbreiten wird. Man gibt sich in Paris natürlich keinem Zweifel darüber hin, daß die deutsche Eegenaufstellung über das, was das Reich wirklich zahlen könne, wesentlich anders aussehen werde, als die Aufstellung der alliierten Forderungen. Es mutz aber schon jetzt darauf hingewiesen werden, datz die von der Pariser Presse vermutete Höhe des deutschen Angebotes bei weitem das übersteigt, was Dr. Schacht unter Einsetzung seines Rufes als Sachverständiger den Alliierten anbieten dürfte. In letzter Stunde wirft man nun, unverkennbar auf ein Höherenorts aus- gegebenes Stichwort, den Begriff des „konstanten Jahreswertes" der deutschen Zahlungen in die Debatte. „Avenir" behauptet, wenn das deutsche Angebot nicht mit diesem Werte, der mit 2,2 Milliarden Goldmark angegeben wird, übereinstimme, würde der deutsche Vorschlag von der Sachverständigenkonferenz zurückgewiesen werden. Allgemein ist die Meinung in Paris verbreitet, die Alliierten würden kaum noch von ihren Forderungen abgehen. Der „Excelsior" fragt, ob die deutsche Abordnung angesichts der Tatsache, datz die Alliierten freiwillig bis zu den äutzersten Grenzen der möglichen Zugeständnisse gegangen seien, nicht ihrer Re gierung vorschlagen werde, ob Ausgleiche, die auf finanziellem Gebiete schwer zu erreichen seien, nicht auf wirtschaftlichem oder sogar politischem Gebiete erzielt werden könnten? Das Rätselraten um Schachts Angebot. Neuqork, 17. April. Nach Meldungen des „Uni versal" aus Paris wird Dr. Schacht bei seinen Gegen vorschlägen folgendes anbieten: 1. Höchstjahreszahlun- gcn unter 500 Millionen Dollar, d. h. 2,1 Milliarden Mark. 2. Zahlungsdauer nicht länger als 37 Jahre und 3. ansteigende Zahlungen. Faschistenkurs in Polen. Die Schlacht ist geschlagen. Polen hat seine neue Negierung. Das ist die Regierung des offenen Kampfes gegen das Parlament, die Regierung der Obersten, der Pilsudski'schen Clique, die Vertreter des radikalsten, ausgesprochen faschistischen Kurses. An der Spitze der neuen Regierung, deren Geist Pilsudski bleibt, steht offiziell Casimir Switalski, Unterrichtsminister im zu rückgetretenen Kabinett Bartel, der berüchtigte „Wahl macher" Polens, der Ideologe der rücksichtslosen Dik tatur, die Kreatur der nunmehr offen regierenden Obersten. Jetzt kann es losgehen. Man weitz endlich, was Pilsudski mit dem grandiosen Schmühartikel be zweckte, den er vor wenigen Tagen durch die polnische Presse gehen lietz und dessen Inhalt wegen so mancher Verstötze gegen die guten Sitten nicht gut wieder gegeben werden kann. Was bezweckt der neue kleine Staatsstreich Pil- sudskis? Die Antwort darauf geben die Namen der Männer, die in die neue Regierung eingezogen sind und die ihr das Gepräge geben. Die vier Obersten, die zu Ministern ernannt wurden, sind keine einfachen Ober sten, sie sind ein Programm. Bis zuletzt hielten sie sich im Hintergrund, als die treue Gefolgschaft Pilsudskis sind sie auf der Bildfläche erschienen, weil es nunmehr gilt, den Kampf zu beginnen. Den Kampf wider den Sejm, die rücksichtslose Diktatur. Mr die „bessere" Zu kunft Polens. Dr. Casimir Switalski ist ihr treuer Diener. Das Dekorum zu der schönen Parade, die jetzt beginnt, geben ab die schwere wirtschaftliche Krise, die Zerrüttung der Finanzen und die unbesiegbare Korrup tion der Staatsmaschine. Wird es zur Auflösung des Sejms kommen? Da die neue Regierung die Regierung des Kampfes ist, ist der Kampf unvermeidlich. Das polnische Parlament, das zwar energische Worte sagt, das sogar den ehe maligen Finanzminister Tscherchowitz wegen Ueber- tretung des Budgets vor den Staatsgerichtshof zerrte, das aber selbst das übertretene Budget gutgeheitzen hat, und jede wirkliche Tai verleugnete, wird sich nunmehr endweder endgültig kuschen müssen oder sein Leben ein- blltzen. Die Energie der neuen Männer steht autzer Frage. Pilsudski ist krank, was morgen mit ihm sein wird, ist ungewitz, die Zukunft der Diktatur mutz ge sichert werden. Das ist die Aufgabe der Obersten. Sie werden sie schon in ihrer Art erfüllen. EineGeneral-Obersten-Majoren-AusgaLe Warschau. 15. April. Das Pilsudski-Blatt „Glos Prawda", das dem neuen Kabinett als Sprachrohr der Oberstengruppe am nächsten steht, üutzert sich in seinem Begrützungsartikel u. a.: Oberst M a t u s z e w f k i sei seit 11 Jahren einer der nächsten und fähigsten Mit arbeiter des Kommandanten Pilsudski. Die verfassungs- mätzige Stärke und rechtmässige Grundlage der neuen Regierung sei das Vertrauen des Staats präsidenten. Die Beteiligung Pilsudskis biete Ge währ dafür, datz sich militärisch und autzenpolitisch die Richtung nicht ändere. Das Blatt der Nationaldemo kraten „Gazeta Warszawaka" nennt die neue Regierung in der Ueberschrift „Das Kabinett der starken Hand" und führt u. a. aus, datz das neue Regime durch die Obersten Matuszewski. Prystor und Börner sein be sonderes Gepräge erhalte. Die Leitung des Finanz ministeriums sei in die Hände des Spitzenführers der wider-parlamentarischen Richtung gelegt worden. Die Ernennung des Obersten Prystor sei gegen die polnische sozialistische Partei gerichtet und bedeute zweifellos eine Stärkung der diktatorischen Eesamt- richtung. Man habe jetzt die letzte Reserve des herr schenden Systems ins Treffen geführt und wenn diese Leute versagen sollten, dann gebe es niemanden mehr, der. das System selbst vertreten könne. An der Spitze ständen Männer, die sich dessen rühmten, kein eigenes Programm zu besitzen, sondern höchste Befehle auszuführen. Letzten Endes sei aber dies nur eine Zwischenlösung. Die endgültige Lösung könne /mr mit einer Liquidierung des gegenwärtigen Regie rungssystems eintreten. — Der sozialdemokratische „Ro- botnik erklärt, datz er zu dieser neuen „Eeneral-Ober- sten-Majoren-Ausgabe" der Regierung Pilsudskis noch in nächster Zeit Stellung nehmen werde. Die Sozialisten zur neuen Regierung. Warschau, 16. April. Das sozialistische Parteiorgan „Robotnik" nimmt erneut am Dienstag zu der neuen Regierung Stellung und sagt u. a.: Datz die geheim nisvolle Macht, die bisher hinter den Kulissen wirkte, jetzt das Staatsruder und die offizielle Verantwortung übernommen habe. Das Kabinett der Obersten sei zur Tatsache geworden. Switalski, Matuszewski und Pry stor stellten eine Gruppe von Leuten dar, die die Staats- geschäfte im Namen des Marschalls Pilsudski besorgen würden. Matuszewski sei nach eigenen klaren Aeuße- rungen zu schließen, ein entschiedener und über zeugter Faschist. Das polnische demokratische Lager mit der sozialistischen Partei an der Spitze, blicke mit Ruhe in die Zukunft. Die Antwort der Demo kratie werde ein engerer Zusammen- schlutz aller demokratischen Kräfte im Lande sein. Die erste Ausgabe des „Robotnik" ist wegen der Wiedergabe einer Entschließung des Zentralaus schusses der sozialistischen Jugendverbände beschlagnahmt worden. ' ZK stWWW MliWUMWU Genf, 17. April. Der vorbereitende Abrüstungs ausschutz hat nunmehr nach der ausgedehnten Eeschäfts- ordnungsaussprache der ersten Tage die sachlichen Be ratungen mit der Erörterung des russischen Vor schlages begonnen. Der sowjetrussische Militärsachverständige Divi - sionschef Langowoi, begründete in einer aus gedehnten Rede die wesentlichen Bestimmungen des russischen Vorschlages, die dahingehen, datz Heere über 200 000 Mann und Flotten über 200 000 Tonnen auf die Hälfte, Heere bis 40 000 Mann und Flotten mit 40 000 Tonnen auf ein Drittel herabgesetzt werden sollen. Die Heere und Flotten der infolge des Welt krieges völlig abgeriisteten Staaten sollen durch die Ab rüstungskonferenz festgesetzt werden. Weiter wird verlangt Vernichtung aller Kriegsmittel chemischer und bakterioligischer Art, Vernichtung der Easapparate, Tanks usw., ferner die Vernichtung aller Kampfmittel, Lie in einem Kriege gegen die Zivilbevölkerung Ver wendung finden können. Am Schlüsse wird die Einsetzung einer ständigen internationalen Kontroll kommission gefordert, die über die Durchführung der Be schlüsse der Kommission wachen soll. Graf Bernstorff wird eine Erklärung im Namen der deutschen Regierung abgeben, in der die russischen Vor schläge als ein Mittel zur Herbeiführung einer allge meinen Abrüstung angesehen werden. Es wird allgemein angenommen, datz die russischen Vorschläge von der Kommission abgelehnt werden. Verschärfung -er Wiener Krise. Wien, 16. April. In den Verhandlungen zur Ent wirrung der Regierungskrise ist am Dienstag eine über raschende Verschärfung eingetreten. Im Laufe des Nach mittags tagten gleichzeitig der sogenannte große Club der Christlich-Sozialen und daneben der überparteiliche Verhandlungsausschuß, der zwischen den Bürgerlichen und Sozialdemokraten das gemeinsame Arbeitsprogramm schaffen will. Die Verhandlungen gestalteten sich immer und zwar, wie von bürgerlicher Seite mitgeteilt wurde, infolge plötzlicher Unnachgiebigkeit der Sozialdemokraten. Angesichts dieser Tatsache verzichtete der christlich-soziale Club darauf, die für den heutigen Dienstag vorgesehene Benennung eines Anwärters auf den Kanzlerposten vor zunehmen und beschloß, daran festzuhalten, daß zuerst das Arbeitsprogramm des Parlaments sichergestellt sein müsse, bevor die neue Regierung ausgestellt werden könne. Im Einigungsausschuß sahen sich später die christlich-sozialen Unterhändler genötigt, die Verhand lungen abzubrechen, da jede Verständigungsmöglichkeil fehlte. Eine neue Sitzung ist nicht vereinbart worden. Die Unterhändler werden am Mittwoch ihren Fraktionen Bericht erstatten. In christlich-sozialen Kreisen verlautet, daß der mehrfach genannte Vorarlberger Landeshaupt mann Dr. Ender als Verständigungskanzler gedacht war. Sollten nun die Parieioerhandlungen endgültig scheitern, so würde innerhalb der Christlich-sozialen Partei der Munsch nach dem Kanzler der scharfen Tonart neuer dings hervortreten. Es würde sich dann um die Bil dung eines Kampfkabinetts handeln, das naturgemäß Gegenstand neuer Verhandlungen zwischen den Mehr heitsparteien bilden müßte. Die Thüringer Regierung zurückgelreten. Weimar, 16. April. Die Thüringer Regierung hat am Dienstag nachmittag ihren Rücktritt erklärt, nach dem die Koalitionsparteien über die Behebung des Haushaltsfehlbetrages durch Steuererhöhungen zu keiner Einigung gekommen sind. Sie forderten viel mehr von der Regierung, datz sie von dem bereits stark zusammengestrichenen Haushaltsfehlbetrag einen weiteren Millionenabstrich vornehmen sollte. Die Wirt schaftspartei, die bei der Zurückweisung der Steuer erhöhungen die treibende Kraft ist, wurde vom Land tagspräsidium aufgefordert, sofort einen Unterhändler zu stellen, der die Regierungsneubildung versuchen soll, um dadurch die drohende Landtagsauflösung zu ver meiden. Die Kabinettsneubildung in Neustrelitz. Berlin, 16. April. Wie die Nachtausgabe aus Neu strelitz meldet, fand in der Plenarsitzung des Mecklen- -burg-Strelitzschen Landtages am Dienstag nachmittag die Bildung des neuen Koalitionskabinetts statt. Der Landtagspräsident Dr. Foth ernannte zum Eeschäfts- führenden Minister den bisherigen sozialdemokratischen Staatsminister Dr. Freiherr von Reibnitz. Ein Erich der WGrWriW WI. Mi. Berlin, 16. April. Amtlich wird mitgeteilt: Das Reichskabinett hat beschlossen, den Dienst der Reichs behörden und Reichsbetriebe am 1. Mai, wie in den Vorjahren nach folgenden Richtlinien zu regeln: In den Ländern, in denen der 1. Mai als gesetzlicher Feiertag landesrechtlich anerkannt ist fd. h. in den Ländern Sachsen, Hamburg. Braunschweig, Lübeck und Schaum burg-Lippe) ist auch in den Reichsbehördcn und Reichs betrieben auf die Landesgesetzgebung Rücksicht zu nehmen. In den Ländern, in denen der 1. Mai nicht als ge setzlicher Feiertag gilt, haben Beamte, Angestellte und Arbeiter, welche zwecks Teilnahme an einer Feier am 1. Mai dem Dienste oder der Arbeit fernbleiben wollen, recht baldig bei ihren Dienstvorgesetztcn um Befreiung vom Dienste nachzusuchen. Solchen Anträgen ist grund sätzlich überall, soweit zu entsprechen, als dadurch die notwendige Fortführung des Dienstbetriebes nicht in Frage gestellt wird. Bei der Entscheidung über der artige Gesuche soll nicht engherzig verfahren werden. Die hiernach beantragte und bewilligte Freizeit ist bei Beamten und Angestellten auf den Erholungsurlaub anzurechnen. Das gleiche kann auf Wunsch bei Ar beitern geschehen. Wird von Arbeitern nicht ausdrück lich um Anrechnung auf den Erholungsurlaub nach gesucht, so wird für die Dauer der Arbeitsversäumnis Lohn nicht gewährt. Von der Anrechnung auf den Erholungsurlaub oder der Lohnkürzung kann abgesehen werden, wenn die Nachholung der versäumten Arbeitsstunden ander weitig sichergestcllt ist. In Betrieben, in denen Dienst befreiung zur Befriedigung religiöser Bedürfnisse an staatlich nicht anerkannten Feiertagen ohne Anrech nung auf den Erholungsurlaub und ohne Lohnkürzung gewährt wird, gilt das gleiche auch für die Dienst befreiung vom 1. Mai. Zur Landtagswahl. Die Kandidaten der Wirtschaftspartei in Chemnitz- Zwickau und in Leipzig. Wie wir erfahren, haben die Wirtschaftsparteiler in: Wahlkreis Chemnitz-Zwickau an erster Stelle den Finanzminister Weber, an zweiter und dritter Stelle die bisherigen Abgg. Enterlein und Hentschel aufgestellt. Im Wahlkreis Leipzig hat die Wirtschaftspartei als Spitzenkandidaten den bisherigen Abg. Kunath, an zweiter Stelle den Kaufmann Hugo Sachse (Leipzig), an dritter den Direktor Wagner vom Sächsischen Eastwirts- verband und an vierter den bisherigen Abg. Bergmann ausgestellt. Kuntzsch kandidiert nicht wieder. Wie wir von unterrichteter Seite erfahren, kandi diert der langjährige deutschnationale Landtagsabgeord nete Kuntzsch nicht wieder.