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Die unmöglichen Kriegslribule. Eine Rede Hugenbergs. Herford, 5. Mai. Zu dem auf Sonntag 2 Uhr ein berufenen Parteitage seines Wahlkreises war auch der Führer der Deutschnationalen Volkspartei Dr. Hugen berg erschienen. Er führte u. a. folgendes aus: Wir haben auf die Dauer keine gesicherte Währung, weil der Dawesagent das Dawesabkommen vertrags widrig handhabt. Das hat das deutsche Auswärtige Amt und das deutsche Reichswirtschastsministerium sich aus Angst und aus Rücksichten aus die Sozialdemokratie leider gefallen lassen und damit die deutsche Stellung geschwächt. Das ist die schlimmste der vielen Be lastungen, mit denen die deutschen Unterhändler in die Pariser Verhandlungen hineingegangen sind. Aber es hilft nichts, in diesem Punkte liegt der Schlüssel der Lage. Ein jeder, der seinerzeit für den Dawesvertrag gewesen ist — und in diesem Punkte schließt sich die alte Kluft zwischen Ja- und Neinsagern, muß ganz besonderen Wert darauf legen, daß zunächst einmal diese vertrags widrige Handhabung des Dawesplanes eingestanden wird. Ohne dieses Zugeständnis ist eine für Deutschland trag bare Neuordnung unerreichbar. Auf der Grundlage dieses Zugeständnisses ergibt sich auch, daß wir selbst die jenigen, 1650 Millionen nicht zahlen können, die unter verschiedenen bisher nicht erfüllten anderen Voraus setzungen in Paris angeboten sind. Jede Million, um die unsere Auslandsschulden wachsen, und jede Zusam- menschrumpsung unseres volkseigenen Kapitals durch Uebergang unseres früher werbenden Produktionsver mögens in ausländische Hand ist ein weiterer Schritt zur Gefährdung unserer Währung, ein Verstoß gegen den Dawesplan und ein Beweis, daß wir im inter nationalen Handelsverkehr weniger zahlungsfähig wer den. Die Garantien des Dawesvertrages sind hierfür international verantwortlich. Für die Lösung unserer Tributfrage, für das Problem der Neparationspolitik ist die volle und ungeschminkte Erkenntnis der gefähr deten Lage unserer Währung und Wirtschaft erste Vor aussetzung. Flensburg, 5. Mai. Reichsarbeitsminister Wissell sprach am Sonntag auf der sozialdemokra tischen Bezirkskonserenz im Flensburger Gewerkschafts- Hause über das Reparationsproblem. Er führte aus, daß der von der deutschen Nationalversammlung seinerzeit mit großer Mehrheit angenommene Versailler Friedensverlrag ein regelrechter Diktatsfrieden gewesen sei, der eine Häu fung der Willkür und Ungerechtigkeit sei. Die Deutsch land auferlegte Reparationsverpflichtung begrenzte sich keineswegs aus die Wiedergutmachung der Kriegsschäden, sondern sei eine Quelle von Abgabenleistungen aller mög lichen und unmöglichen Arten geworden. Mühselig und dornenvoll sei der weitere Entwicklungsweg bis zum Dawesabkommen mit seinen hohen und dehnbaren Repa rationslasten gewesen. Ihre bisherige Aufbringung sei nur durch die Aufnahme von Ausländsanleihen möglich gewesen. Es sei dann eine Scheinkonjunktur gefolgt. Auf die Pariser Verhandlungen eingehend, führte der Red ner äus, daß seiner Ansicht nach das Zustandekommen einer tragbaren Einigung für das deutsche Wirtschafts leben vorteilhafter sei, als ein negatives Verhandlungs ergebnis, das sich auf die Kreditgewährung an Deutsch land und aus seine wirtschaftlichen Verhältnisse ungünstig auswirken könne. Die Entpolitisierung der Reparaiions- srage durch die Sachverständigen bedeute immerhin einen Fortschritt aus dem Wege des Völkersriedens. Die Festigkeit der deutschen Währung bleibe jedoch in jedem Falle unbedingt gesichert. Die deutsche Arbeiterschaft hoffe, daß die gegenwärtigen und späteren Verhandlungen in der Reparationssrage zu einer Lösung führen mögen, die für das deutsche Volk tragbar erscheine und die die Lebenshaltung des deutschen Volkes nicht wesentlich unter die derL anderen Kulturvölker herabdrücke. Aus aller Well. * Die Lage in Neukölln und am Wedding. Zu der Lage in den Berliner Aufruhrbezirken in Neukölln und am Wedding teilt das Polizeipräsidium am Sonn tag abend folgendes mit: „Die letzte Nacht und auch der heutige Tag sind in den Unruhezentren Neukölln und Wedding ruhig verlaufen. Die Milderungen, die in der Handhabung des polizeilichen Schutzdienstes schon im Laufe des gestrigen Tages eingetreten sind, konnten des halb noch erweitert werden. Die im Dienst noch be findlichen Beamten wurden durch andere ausgeruhte Beamte ersetzt, und hatten schon gestern die Anweisung im Gebrauch der Schußwaffe äußerste Zurückhaltung zu üben. Wo noch vereinzelt Schüsse von Aufrührern ab gegeben wurden, ist nicht mit sofortigem Feuer geant wortet worden, sondern die Polizei ist gegen die letzten Aufrührer mit Durchsuchung der Häuser, die die ganze Nacht offengehalten werden müssen, zu Leibe gegangen. * Beschädigung des Naab-Katzenstein-Luftschiffes am Ankermast. Das von den Raab-Katzensteinwerken gebaute Kleinluftschiff K. K. 27, das Sonnabend nach mittag von 6.05 bis 6.55 Uhr eine gelungene Probe fahrt gemacht hatte, wurde Sonntag nachmittag, als es auf dem Flugplatz Waldau verankert lag, beschädigt. Während das Wetter der vorangegangenen Tage die Arbeiten am Luftschiff und die ersten Fahrten äußerst begünstigte, hatte sich in der Nacht zum Sonntag ein heftiger Südwind erhoben, der das wenig bewachte Schiff heftig hin und her warf. Als gegen Mittag auch Böen auftraten, die das Schiff vom Boden ab hoben und mit großer Wucht wieder auf den Boden warfen, sah man sich gezwungen, das Schiff zu entleeren. Infolge des heftigen Sturmes wurde dabei die Kiel spitze abgebrochen und das Leitwerk beschädigt. Man hofft, daß das Schiff am nächsten Sonntag wieder fahr bereit sein wird. * Zusammenstöße zwischen Nationalsozialisten und Kommunisten. Im Verlaufe einer nationalsozialistischen Versammlung in einem Lokal in Ehrenbreitenstein kam es am Freitag abend zu Zusammenstößen zwischen Kom munisten und Nationalsozialisten, in deren Verlauf eine Reihe von Personen Verletzungen erlitten. Die ge samten Polizeikräfte der Bürgermeisterei Ehrenbreiten stein sowie eine Verstärkung aus Koblenz mußten her angezogen werden, um die Ordnung wiederherzustellen. Der Streit war dadurch entstanden, daß ein in die na tionalsozialistische Kundgebung eingedrungener starker Trupp Kommunisten während einer Rede einen Stuhl in die vorderen Reihen der Nationalsozialisten warf. * Ein Freiballon ohne Passagiere gelandet. Am Sonntag nachmittag landete, wie der „Montag" be richtet, hinter dem Dorfe Karolinenhordt bei Stargard der Ballon „Eule", der in Bitterfeld aufgesttegen war, ohne Besatzung. In der Gondel fand man einen Herren- und einen Damenmantel, sowie eine Handtasche, photo graphische Apparate und Lebensmittel. Auch die Pa ¬ piere der Insassen wurden gefunden. Es handelt sich um einen Major Heinrich Beitzke sowie dessen Tochter Loni. Nach dem Fahrtenbuch ist der Ballon morgens in Bitterfeld aufgestiegen. Da die Reisleine bisher noch nicht gezogen war und auch noch keine Nachricht von beiden Insassen vorliegt, wird vermutet, daß ihnen ein Unglück zugestoßen ist. * Großer Waldbrand im Landkreis Hagen. — 25 Morgen Wald vernichtet. In dem zum Landkreis Hagen gehörenden Amt Breckerfeld entstand am Sonn tag bei der Station Priorei ein Waldbrand, der bei dem herrschenden starken Wind, rasend schnell um sich griff. Die Hagener Berufsfeuerwehr, das Ueberfallkommando der Schutzpolizei und sämtliche freiwilligen Feuerwehren der umliegenden Ortschaften mußten zur Hilfe gerufen werden. Da der Wind das Feuer auf die Orte Priorei und Dahl zutrieb, wurde das Reichswehrkommando Münster telephonisch gebeten zwei Kommandos Reichs wehr auf Abruf in Alarmbereitschaft zu halten. Gün stige Wasserverhältnisse machten es möglich, das Feuer 75 Meter hinter der Häuserreihe von Priorei abzu riegeln, so daß die Abrufung der Reichswehr nicht zu erfolgen brauchte. Gegen 20.00 Uhr war der Brand gelöscht. Der angerichtete Schaden ist sehr groß. 250 Morgen Wald sind dem Feuer zum Opfer gefallen. * Der Gastod aus Not. In Gelsenkirchen wurde am Sonntag morgen aus einer Wohnung heraus Gas geruch wahrgenommen. Die sofort benachrichtigte Polizei öffnete gewaltsam die nicht verschlossenen Türen und fand ein Elternpaar mit seinen zwei Kindern be wußtlos in den Betten auf. Alle vier Personen wurden sofort dem Krankenhaus zugeführt, wo sie bald nach ihrer Einlieferung verstürben. * Bei Fluqzeuqübungen abgestürzt. — Drei Tote. Bei Flugzeugübungen stießen Sonnabend vormittag bei der slowakischen Gemeinde Rarbot zwei Uebungs- flugzeuge zusammen. Das Unglück ereignete sich da durch, daß das verfolgte Flugzeug wendete und dabei mit dem angreifenden zusammenstieß. Der Zusammen stoß ereignete sich in ungefähr 400 Meter Höhe. Aus den Trümmern der Flugzeuge wurden drei Flieger als Leichen hervorgezogen. * Der Kanal auch von einer Frau auf dem Wasser rad überquert. Die 22jährige Französin Pfaner hat am Sonnabend den Kanal von Calais nach Dover auf einem Wasserrad in 9.19 Stunden überquert. Bei der Ueberfahrt hatte sie mit starkem Gegenwind und stark bewegter See zu kämpfen. Bei der Ankunft in Dover war sie ihrem Zusammenbruch nahe. Ihr Trainer hatte vor zwei Tagen auf demselben Wasserrad ebenfalls den Kanal überquert. Der 1. Mai in Paris. Massenverhaftungen von Kommunisten. Auch in Paris waren umfangreiche Vorsichtsmaß nahmen für den 1. Mai getroffen. Da sich die Polizei als unzureichend erwies, wurde auch Militär in Feld ausrüstung aufgcboten. Tausende von Personen wurden zwangsgestellt, von denen allerdings der größte Teil wie der entlassen wurde. Im Gegensatz zur Reichshauptstadt wurden in Paris jegliche Zwischenfälle vermieden. Unser Bild zeigt Militär auf einem Pariser Boule vard am 1. Mai. Josephas Töchter Roman von Lola Stein. 57s (Nachdruck verboten.) Es war eine verwandelte Lonny, die da in lässiger Grazie in dem großen kostbaren Stuhl lehnte und nach allen Seiten hin plauderte mit einem konventionellen Lächeln um den kleinen Mund, dessen Gequältheit Frem den entgehen mochte, die Ralph aber deutlich sah über einem gleißenden Unterkleid aus Goldlame trug sie eine Nobe aus Goldspitzen von erlesener Kostbarkeit und Schönheit, goldene Schuhe an den Füßen, ein Brillant diadem in dem schimmernden braunen Haar, Brillant- reifen um die nackten Arme gelegt und um den Hals eine Kette aus sehr großen, mattweißen Perlen ge schlungen, die hinten, der herrschenden Mode folgend, tief auf den entblößten Rücken und noch aus das Kleid hernieverhing. Einen wundervollen Rahmen für ihre holdselige Schönheit hatte Hubert Gerling seiner jungen Braut ge schaffen. Aber er hatte nicht vermocht, ein Lächeln des Glückes auf ihre Lippen und in ihre Augen zu zaubern. „So versunken, lieber Ralph? Darf ich Sie mit meinem Vater und meinem Bruder bekannt machen?" Es war Theo Bargfelt, der an Ralph herangetreten war Ralph sah Alex Bargfelt forschend an Er war etwas ernster, reifer geworden Nicht mehr der spiele rische Knabe von früher. Das furchtbare Erlebnis hatte ihn gebessert. Die Angst jener Tage, als er fürchtete, vor den Untersuchungsrichter zu kommen, hatte einen anderen Menschen aus ihm gemacht Der also war es, Vieser junge, hübsche, gleichgültige Mensch, dieser Tunichtgut, um den Lonny sich opfern mußte? Denn wenn sie es auch für ihre Schwester getan hatte, letzten Endes ging es doch um diesen Jüngling, dessen verbrecherischer Leichtsinn eine ganze Familie in Schande und Unglück gestürzt hatte. Ralph wechselte einige Worte mit dem liebenswür digen alten Herrn Bargfelt. als aber Alex sich ins Ge spräch mischte, wandte er sich brüsk ab. Er konnte nicht mit ihm sprechen. Er haßte die Lüge, auch die gesellschaft liche, so sehr, daß er sie bisher nie und nirgends mit gemacht hatte. Lily kam auf ihn zu. „Sie sehen so schrecklich finster aus, Ralph," sagte sie „Als ob Sie Furchtbares plan ten. Ich ängstige mich so sehr um Lonny und um Sie. Ralph, Sie werden doch keine Dummheiten machen?" Sie war rührend in ihrer Angst, mit diesen flehend auf ihn gerichteten großen Augen. Jetzt glich sie Lonny weit mehr als heute mittag. Nun begriff auch Ralph die Ähnlichkeit der Schwestern, die nur durch Lilys wer dende Mutterschaft verdrängt worden war. Ein weiches, liebevolles Empfinden mit der angstvollen jungen Frau erfaßte ihn. „Seien Sie unbesorgt, Lily, rch werde leine Dumm heit, wie Sie es nennen, begehen. Aber sagen Sie mir, warum ängstigen Sie sich um Lonny?" „Sie ist so starr, so verzweifelt. Ich glaube, auch sie fürchtet, daß Sie etwas Unbesonnenes tun könnten, etwas, das nichts besser, das alles nur schlimmer wer den läßt." „Sagen Sie ihr, sie soll sich nicht fürchten. Ich weiß nicht, ob ich selbst sie heute noch sprechen kann." „Haben Sie sich das Palais angesehen, Ralph? Aber — Sie wollen es wohl gar nicht sehen?" Da blitzte es auf in seinen Augen. „Ich will, Lily. Alles, was mit Hubert Gerlings Person zusammenhängt, interessiert mich stark. Führen Sie mich, bitte." Er bot ihr den Arm und sie durchquerten Vie Emp fangsräume, warfen einen Blick in ven Speisesaal, gingen in ven varan anschließenden, zauberhaft schönen Wintergarten und vurchschritten vie Gemäldegalerie, in ver Bilder von hohem Wert, viele echte Meister der nis- verländischen Schule und kostbare Bilder der neuesten Richtung hingen Ralpb schaute und staunte. „Eine wunderbare Privatgalerie Sie repräsentiert ein ungeheures Vermögen." „Wollen Sie nun Vie Zimmer im ersten und zweiten Stock auch sehen, Ralph?" Aber er schien plötzlich müde geworden zu sein, er verneinte. „Was ist geplant, wo Gerling nach seiner Hochzeit wohnen will, hier oder : . ." „Er hat eine zauberhaft schöne Villa am kleinen Wannsee, eine wahrhaft fürstliche Besitzung, und ein großes Gut in der Mark mit altem, feudalem Herrenhaus, herrlichem Park, großen Waldungen und hervorragendem Jagdgebiet. Er hat eine Segel, und eine Motorjacht, Autos, Pferde, und lech beinahe nur für seine Arbeit, hat nicht viel von seinem Reichtum." r das eigentlich alles, Reicht«« so führ, kieines „Imponieren: ich weiß es nicht. Notnrüch besticht er. Und wenn man sich sagt, daß Gerling sich das Äles selbst erworben hat, er ganz allein, ans dem Nichts kommend, so muß man doch anerkennen, daß er ein genialer Mensch, ein ganzer Mann ist. Ein Außergewöhn licher. Das sage ich mir immer wieder, um mich mit Lonnys Schicksal auszusöhne«." „Ein Außergewöhnlicher? Das wohl. Aber ich weiß nicht, ob außergewöhnlich im gute« Sinne. Ich glaube nicht, daß Sie Gerling richtig beurteilen, Seine Lily. Ich sehe einen Menschen von skrupelloser, unge- heurer Energie und eisernem Wollen, der durch kluge und geschickte Brutalisierung seiner Umwelt alles erreicht, was er will. Ein Mann mit großen Gaben, gewiß, aber nicht mit guten. Einer, der über Leichen geht, Lily, einer, dem nichts heilig ist." „Sie sehen ihn mit ven Äugen des Hasses, Ralph." „Die geschärft sind vom Haß, kleine Schwester^. Ich will diesen Menschen kennenlernen und ihn ergründen." „Man lernt Hubert Gerling nicht kennen, Ralph. Er ist undurchdringlich." „Aber er hat die Maske fallen lassen, damals, als er um Lonny warb. Da zeigte er sein wahres Gesicht. Da sah inan ihn in seinem erpresserischen Egoismus. Und viesem Manne soll Lonny ausgeliefert werden? Meine, meine Lonnb.'" (»Zorlscknnß folgl.) „Warum erzählen Sie m Lich? Imponiert Ihnen dieser Schwesterchen?"