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Neueste Nachrichten. Die Bedrückung der Deutschen in Polen. Warschau, 6. März. Im Rahmen der Haushalls aussprache im polnischen Senat ergriff der deutsche Senator Spickermann am Dienstag das Wort und er klärte u. a., daß die Regierung durch übermäßige Aus gaben für unproduktive Zwecke Raubbau treibe. Die deutsche Minderheit in Polen habe erwartet, daß die Regierung der starken Hand den Deutschen gegenüber gerecht vorgehen werde. Leider habe sie sich jedoch ge täuscht. Die kulturelle Bedrückung der deut schen Bevölkerung habe seit dem Mai-Umsturz nicht nachgelassen, sondem sei vielleicht noch schlimmer geworden. Welcher Mittel die Regie rung sich dabei bediene, beweise u. a. die Verhaftung des Abgeordneten Ulitz in Oberschlesien. Die deutsche Bevölkerung gehöre zu den besten Zahlern des polnischen Staates, sei ruhig und erfülle ihre Pflichten, ohne jedoch dafür den Dank in Form einer Unterstützung ihrer be rechtigten Wünsche zu finden. Zum Schluß erklärte Spickermann, daß er aus diesen Gründen mit seinen Freunden nicht für den Haushalt stimmen könne. Die Eisschwierigkeiten in den dänischen Gewässern. Kopenhagen, 6. MÄz. Immer schwieriger werden die Eisverhältnisse in den dänischen Gewässern. Wäh rend auf der Strecke Gjedser—Warnemünde die dänische Fähre Dienstag vormittag Warnemünde in 51/2 Stunden erreichen konnte, dauerte die Rückfahrt etwa IIH2 Stun den. Um die Mittagszeit hatte die Fähre mit dem auf der Rückreise befindlichen dänischen Königspaar Warne münde verlassen, um etwa vier Stunden später auf halbem Wege stecken zu bleiben. Da die Versuche, frei zukommen, längere Zeit in Anspruch nahmen, wurde der auf dem Kopenhagener Hauptbahnhof geplante Emp fang des Königspaares abgesagt. Erst um 1 Uhr mor gens erreichte die Fähre Gjedser. Das Königspaar über nachtete in einem Schlafwagen aus dem Bahnhof in Gjedser. Ein Abrüstungsvorschlag der englischen Arbeiter partei. London, 6. März. Die Arbeiterpartei wird bei der Beratung des Luftfahrtshaushalts im Unterhaus am heutigen Mittwoch einen Abrüstungsantrag einbringen, der unter anderem besagt: Im Hinblick auf die wachsende Beunruhigung über die Entwicklung der Luftkriegsmittel gibt das Haus dem Bedauern Aus druck, daß die britische Regierung es bisher unterlassen hat, Vorschläge für ein internationales Abkommen in der Frage der Abrüstung zur Luft zu machen und for dert sie auf, ein Programm für die Abschaffung der Land- und Flottenstreitkrüfte und für die Errichtung einer internationalen Kontrolle der Zivil-Luftfahrt auszuarbeiten. Scharfe Schüsse auf Streikende in Griechenland. Berlin, 6. März. Nach einer Meldung Berliner Blätter aus Athen, ist in Eleusis ein Streik ausge brochen. Die Polizei hat 14 Verhaftungen vorgenom men. Daraus zogen die Aufständischen vor die Polizei und verlangten die sofortige Freilassung der Verhaf teten. Als der Polizeichef sich weigerte, dem Verlangen nachzukommen, unternahmen die Streikenden einen An griff auf die Polizei, wobei die Beamten mit Steinen beworfen wurden. Die Polizei schoß in die Menge. Da bei wurden zwei Personen getötet und acht verwundet. Auch von der Polizei wurden mehrere verletzt. Der Führer der japanischen Arbeiterpartei ermordet. Tokio, 6. März. Am Dienstag wurde der Vor sitzende der japanischen Arbeiterpartei, Zamamoto, aus der Straße niedergeschossen. Der Täter stellte sich der Polizei und erklärte, er habe Jamamoto getötet, weil dieser Kommunist sei und versucht habe, die japanische Monarchie zu stürzen. Präsident Hoover und die Vorgänge in Meriko. Berlin, 6. März. Nach einer Meldung Berliner- Blätter aus Washington besprach Präsident Hoover mit Kellogg die Lage in Meriko. Es gilt als wahrscheinlich, daß Hoover die Bemühungen des Präsidenten Portesdil, den Aufruhr zu unterdrücken, mit Sympathie verfolgen wird. Aus aller Well. * Einer, der unbedingt ins Gefängnis will. Im Dresdner Justizgebäude für Strafsachen am Münchner Platz war am Dienstag kurz nach Mittag in einer der Geschäftsstellen des Amtsgerichts, Abteilung IV, ein Arbeiter erschienen, um sich gemäß der ergangenen Vor ladung zum Antritt einer Freiheitsstrafe zu stellen. Der betreffende Mann war aber offenbar stark angeheitert, weshalb er wieder weqgeschickt wurde. Damit war sel biger nicht einverstanden, sondern beharrte darauf, ein gesperrt zu werden. Dem konnte nach den geltenden Be stimmungen infolgedessen nicht entsprochen werden. Da sich der in den mittleren Jahren stehende Arbeiter trotz Zuredens nicht aus der im dritten Stockwerk gelegenen Geschäftsstelle und dem Gerichtsgebäude entfernte, son dern laut herumskandalierte, wurde er gewaltsam die Treppen hinab und nach teilweise heftigem Wider stande ins Freie befördert. Er kam aber wieder in das Gebäude herein und bestand auf seiner Dabehaltung. Fortgesetzt betonte er, ein Angehöriger von „Rot- Front" zu sein und gebrauchte dazwischenhinein alle möglichen Schimpfworte gröblichster Natur, die sich gar nicht anführen und wiedergeben lassen. Vom Justiz- hauptwachtmeister Matzke schließlich energisch gefaßt und erneut zum Eerichtsgebäude hinausbefördert, machte der Abgewiescne noch auf dem Münchener Platz seinem Herzen Luft, um sich dann doch zu entfernen. " Angekündigter Einbruch. Bei der Kriminal polizei in Frankfurt a. M. lief am Sonnabend ein Brief mit der Mitteilung ein, daß der Briefschreiber am Montag bei einem Frankfurter Juwelier einbrechen werde, da er in Not sei und verhaftet werden wolle. Die Polizei benachrichtigte hierauf vorsichtshalber die Ju weliere. Tatsächlich hat der Verfasser des Briefes am Montag gegen 12.30 Uhr mit einem feststehenden Messer die Erkerscheibe eines Juweliergeschäfts am Eoetheplatz eingeschlagen. Ein Einbruch wurde aber nicht verübt, sondern der Täter blieb vor dem Laden stehen und ließ sich von dem Ueberfallkommando, das von dem Geschäftsinhaber alarmiert wurde, festnehmen. Es handelt sich um einen 34 Jahre alten erwerbslosen Mann namens Lehmann, der seinen Zweck, ins Gefäng nis zu kommen, durch diese Tat erreicht hat. " Schwere Bluttat eines Fünfzehnjährigen. In der Skalitzer Straße in Berlin schlug der 15jührige Elasschleiferlehrling Willi Brenner den 14 Jahre alten Sohn seines Lehrherrn mit einem Beil nieder. Der Schwerverletzte, der mehrere Hiebe am Kopfe davon getragen hat, wurde bewußtlos in das Krankenhaus Bethanien gebracht. Er wird mit dem Leben wohl kaum davonkommen. Der junge Täter floh zuerst, stellte sich dann aber der Polizei. Zwischen den beiden Jungen soll Zwietracht geherrscht haben. Der junge Brenner glaubte, daß der Sohn des Lehrherrn ihn schikanieren wollte. * Kommunistische Lumultszenen im hessischen Landtag. Im hessischen Landtage, der am Dienstag seine Beratungen wieder aufnahm, kam es zu wüsten Tumultszenen. Die Kommunisten hatten einen Antrag zur Erwerbslosenfrage gestellt und seine sofortige Be ratung verlangt. Als das Haus auf Vorschlag des Präsidenten dafür stimmte, den Antrag bei der Erledi gung des Haushalts zu behandeln, entstand ein bis da hin in der Geschichte des hessischen Parlaments nicht gekannter von der Tribüne aus eingeleiteter Tumult. Rufe, wie Schieber, Lumpen und andere durch den ohrenbetäubenden Lärm nicht zu verstehende Ausdrücke und ein wüstes Geschrei machten es dem Präsidenten unmöglich, sich durchzusetzcn, so daß er gezwungen war. die Sitzung zu unterbrechen und die Tribünen räumen zu lassen, was nicht ohne Widerspruch geschah. Auch die Ansammlung im Hof des Landtagsgebäudes konnte dann ohne Zwischenfälle auseinandergetrieben werden. Nach einer Pause von etwa einer Stunde konnte die Sitzung wieder eröffnet werden. Der Präsident schloß hierauf den kommunistischen Abgeordneten Eumpf von der Sitzung aus. - Auf der Mistgabel ausqespießt. In der Nähe von Dijon stürzte ein 14jähriges Mädchen so unglücklich von dem Heuboden auf den Stiel einer Mistgabel, daß es förmlich aufgespießt wurde. Es starb mehrere Mi nuten nach der Einlieferung in das Krankenhaus. - Verhaftungen in Dublin. Im Anschluß an die Rede des Präsidenten des Irischen Freistaates am Montag, wonach die Regierung Schritte gegen alle Per sonen ergreifen werde, die der gegenwärtigen Staats- und Gesellschaftsordnung in Süd-Irland feindlich ge sinnt seien, sind am Dienstag in Dublin bereits eine große Anzahl von Häusern durchsucht und 40 junge Leute verhaftet worden. Bis zum Augenblick ist noch nicht bekannt, welche Anklagen gegen sie erhoben werden. Der Brand in Woolwich noch nicht gelöscht. Der Brand im Arsenal in Woolwich ist noch nicht völlig ge löscht. Von den Behörden wird völliges Stillschweigen gewahrt und jede Auskunft über die Vorgänge abge lehnt. Vom Kriegsministerium wird bekannt gegeben, daß in einem der Herstellungsräume für Zünder sich eine Explosion ereignet hat. deren Ursachen noch nicht feststehen. * Eine Lawine verursacht ein schweres Eisenbahn unglück. Im amerikanischen Staate Montana ereignete sich nach Berichten aus Spekane ein schweres Eisenbahn unglück. Durch eine Lawine wurden sechs Wagen eines Postzuges kurz vor der Einfahrt in einen Tunnel eine 70 Meter hohe Böschung herabgedrückt. Drei Männer wurden getötet, vier weitere Personen schwer verletzt. Ein Bild von der technischen Messe in Leipzig: Die kleinste Schnellzugs-Lokomotive der Welt, die später auch zur Weltausstellung nach Bac- , celona gehen soll. Josephas Töchter Roman von Lola Stein. Lis (Nachdruck verboten.) «Trennung? Kannst du denn nicht in Hamburg studieren?" fragte Lily. „Nicht so, wie ich es möchte." „Aber doch hier in Berlin, Lonny." „Hier gewiß. Aber ich — will nach München, Lily." „Nach München? Du? Ganz allein? Warum fort von Mutti, und mir? Warum in diese fremde Stadt?" „Weil ich dort künstlerisch die größten Möglichkeiten habe. Auch der Professor riet mir dringend zu München. Und dann — weil ich selbständig werden will- Auch inner lich. Weil ich mich freimachen will und muß von dieser Traurigkeit, die in mir steckt und die nur Selbstsucht ist. Weil du mit deinem Mann allein sein sollst, Lily, und Mutti mit dem ihren. Weil ich nicht in deine Ehe gehöre — nnd auch nicht in ihre." „Ich glaube, Lonny, du redest dich in eine Verbitte rung hinein, die schrecklich und ungerecht ist." „Nein, nein, ich bin nicht verbittert. Und ich will es vor allem nicht werden. Darum will ich arbeiten, ein nützliches Mitglied der Gesellschaft werden. Mich nicht mehr überflüssig fühlen, Lily, wie in dieser letzten Zeit." „Man kann niemals überflüssig sein, solange man liebe Menschen hat, Lonny." Das junge Mädchen schwieg. „Ich glaube auch nicht, daß Mutti dich allein nach München lassen wird." „Sie wird mir meinen Wunsch erfüllen, wenn ich ihr sage, daß mir ungeheuer viel daran liegt, Lily." „Und daß du ihr weh damit tun wirst, Lonny, be denkst du nicht?" Da rief sie leidenschaftlich: „Aber ich will ihr und dir und mir selbk- nur gut tun, Lily. Das mutzt du doch begreifen " Aber sie fühlte: die Schwester verstand sie und ihren Entschlutz nicht. Sie stand ihm fassungslos gegenüber. Vieles, was Lonny gesagt hatte, war die Wahrheit. Aber daß sie in Zukunft allein ihren Weg gehen wollte, beun ruhigte Lily tief. Zum erstenmal empfand auch sie ganz klar, daß es nicht mehr wie einst war zwischen Lonny und ihr. Ihr Mann stand zwischen ihnen. Und in dem Ge danken an ihn, an seinen Wunsch nach einem Alleinsein in seiner jungen Ehe, sprach Lily der Schwester nun auch nicht länger zu, zu bleiben. Aber sie trennten sich am nächsten Tage doch mit sehr wehen Herzen voneinander. Viertes Kapitel. Lonny blieb, bis die Kunstausstellung geschloffen wurde. Es war schon das dritte Mal, daß sie versunken vor dem neuen, großen Gemälde Ralph Allwarts stand und Zeit und Raum und sich selbst über dem Schauen vergaß. Er hatte nur dieses eine Bild zur Ausstellung geschickt. Ohne Gruß und Wort an seine Freunde. Es war aus Athen gekommen. Weiter wußte man auch in München, wo er die meisten Freunde besaß und sich auch der größten Beliebtheit ersreute, nichts von ihm. Er nannte das Bild „Trauer", aber eigentlich war es wieder ein Selbstbildnis des jungen Künstlers. Es zeigte einen Mann, der in ver sunkener Stellung dasaß, mit grübelnden Zügen, die die Züge des Malers waren, von abgründiger Traurigkeit. Zerwühlt, förmlich verstört war das schöne junge Gesicht von einem tiefen inneren Gram. Es gab Kenntnis von einer zerrissenen, kämpfenden Seele, die sich aufbäumte unter der Last eines großen Leides. Was war mit Ralph Allwart geschehen? Warum litt er? Was war der Grund seines unerklärlichen Verschwindens, was der Grund seines Schmerzes? Von der Trauer um den Tod seiner Mutter, der ihn sehr tief betroffen, hatte er sich damals freigemacht, als er das große Porträt von ihr schuf. Das wußten seine Freunde. Was war ihm nun also geschehen? War es eine Liebesaffäre, die ihn seelisch so zermürbt hatte? Aber auch Trotz und Zorn klagten aus seinen leiden schaftlichen Augen, ja, je länger man das Bild betrachtete, desto mehr schien es Groll zu sein und nicht Gram, was aus diesen zerwühlten, glühenden Zügen sprach. Es wurde in Münchener Künstlerkreisen lebhaft über das Bild Ralph Allwarts diskutiert. Viel wurde auch über seine künstlerische und menschliche Persönlichkeit ge sprochen. Und manche dieser Gespräche hatte Lonny mit angehört, da sie ja nun auch in diesen Kreisen verkehrte. Sie selbst glaubte zu wissen, in welcher Stimmung das Bild, das sie so ungeheuer fesselte, entstanden war. Aus Schmerz und Groll zugleich war es geboren, damals, als Ralph Allwart sich zornig und trotzig und lummer- voll von seinem Vater abwandte, weil er das Bündnis mit einer neuen Frau schloß. Nun litt er unter diesem Zerwürfnis, denn er liebte ja nicht nur die Tote, in deren Seele er sich gekränkt gefühlt hatte durch seines Vaters Tat, er liebte auch diesen Vater. Und nur sein maßloser Trotz verwehrte es ihm, sich ihm wieder zu nahen. So wurde das Gemälde geschaffen. Es gab Kurve von Ralph Mwarts Seelenverfaffung. Er tat Lonny unend- lich leid. Immer wieder ertappte sie sich auf dem Wunsche, ihm zu helfen. Ihm und natürlich auch dem Stiefvater. Aber sie konnte es nicht. Sie kannte Ralph Allwart ja nicht einmal, sie bewunderte ihn nur entzückt als Künstler. Und da er verschollen war und Deutschland offensichtlich mied, so würde sie ihn wohl nie kennenlernen. Sie hatte keinem Menschen ein Wort gesagt, oaß sie die Stieftochter Ernst Allwarts sei. Sie war ja natürlich nur als Fräulein Werkhagen in München bekanntgewor den. Von der zweiten Ehe ihrer Mutter hatte sie nie mals gesprochen. Wen ging das auch etwas an? Der Papa wollte keinen Klatsch, und hier, wo in ihren jetzigen Kreisen jeder Ralph Allwart kannte, wäre doch natürlich über ihn und sie und ihre Eltern viel gesprochen.worden, sobald man erfuhr, in welchem Verhältnis Lonny Werk Hagen zu der Familie Allwart stand. (Fortsetzung folgt.)