Volltext Seite (XML)
Polens Min-erhettenvffensive. Der Kampf gegen das Deutschtum in Polen und Polnisch-Oberschlesien ist in ein neues akutes Stadium getreten. Der schlesische Sejm, der gewissermaßen die „Autonomie" Oberschlesiens repräsentierte, ist aufgelöst, und der Abgeordnete Ulrtz, der Führer des Deutschen Volksbundes, seiner Immunität entledigt, verhaftet. Hiermit hat die polnische Regierung das erreicht, was sie seit Jahren vergeblich anstrebte: eines der tüchtigsten Vorkämpfer für das Deutschtum in Polen habhaft zu werden. Schon vor zwei Jahren wurde der Abgeordnete Ulitz des Landesverrates beschuldigt, weil er angeblich polnischen Militärpflichtigen das Entkommen nach Deutschland ermöglicht haben soll. Diese Beschuldi gungen der Beihilfe zur Fahnenflucht erwiesen sich als unbegründet, jedoch hat die Staatsanwaltschaft einen Antrag über seine Verhaftung dem schlesischen Sejm vorgelegt. Die Auslieferung des Abgeordneten Ulitz wurde aber damals vom schlesischen Sejm abgelehnt. Es ist dabei zu berücksichtigen, daß dieser Sejm aus 34 pol nischen und nur 14 deutschen Abgeordneten bestand, so daß der Beschluß des Sejms mit polnischer Mehrheit gefaßt wurde! Aber die Regierung in Warschau und in Kattowitz ruhte nicht. Nachdem es bei der letzten Völkerbundstagung zwischen Zaleski und Stresemann zu einer heftigen Auseinandersetzung kam, gingen die Polen zum Angriff über. Die Tätigkeit des Deutschen Volksbundes wurde systematisch untergraben. Zu den Verfolgungen gegen die deutschen Lehrer gesellte sich eine von dem schlesischen Wojewoden Dr. Erazynski angeordnete Untersuchung der Tätigkeit des Deutschen Volksbundes, und jetzt holten die Polen zu dem großen Schlag aus, indem sie den Abgeordneten Ulitz unschäd lich machten. Die Verhaftung des Abgeordneten Ulitz ist gerade in diesem Augenblick von ungeheurer Bedeutung an gesichts der in wenigen Wochen in Genf stattfindenden Minderheitendebatte. Der deutsche Außenminister Dr. Stresemann hat die seinerseits in Genf von ihm ange kündigte Aufrollung der Minderheitenfrage nunmehr in die Tat umgesetzt, indem er eine ausführliche Ein gabe an das Völkerbundssekretariat machte und die Ein ¬ setzung des Minderheitenproblems aus die nächste Tagesordnung der nächsten Völkerbundsratszusammen kunft, die bekanntlich Anfang März stattfindet, forderte. Die Verhaftung von Ulitz ist ein schwerer Schlag für die augenblicklichen Vorbereitungen für diese Völkerbunds tagung. Denn Ulitz ist als Führer des Deutschen Volks bundes dabei ganz unersetzlich. Außerdem gilt er mit Recht als ein genauer Kenner des Genfer Abkommens über die deutsche Minderheit in Polen und ist im Besitz der größten Erfahrung über die praktische Auswirkung dieses Abkommens. Die Aktion der polnischen Regie rung ist gewissermaßen eine Antwort Polens auf die Eingabe Dr. Stresemanns in Genf. Es ist die offene Erklärung eines Minderheitenkrieges, eines Krieges, der mit gehässigen Mitteln geführt wird. Der Protest -es Deut chen Dolksbundes beim Völkerbund. Dringlichkeitsverfahren angewandt. Genf, 14. Febr. Der Generalsekretär des Völker bundes hat Donnerstag abend die Entscheidung ge troffen. daß der telegraphische Protest des Deutschen Volksbundes in Oberschlesien unverzüglich sämtlichen Mitgliedern des Bölkerbundsrates sowie insbesondere der polnischen Negierung übermittelt und der Fall auf die Tagesordnung der Märztagung des Rates gesetzt werden soll. Für den Protest wird somit nach der Ent scheidung des Generalsekretärs das Dringlichkeitsvsr- fahren angewandt, das für besonders wichtige Fälle eine sofortige Entscheidung des Völkerbundsrates auf der nächstliegenden Tagung vorsieht. Die Donnerstag-Ausgaben der deutschen Zeitungen in Ostoberschlesicn beschlagnahmt. Kattowitz, 14. Febr. Die Donnerstag-Ausgaben der deutschen Zeitungen in Ostoberschlesien, der „Ober- schlestsche Kurier", die „Kattowitzer Zeitung" und der „Volkswille" sind wegen Veröffentlichung des Ve- schwerdetelegramms des Deutschen Volksbundes an den Völkerbund, betreffend die Verhaftung des Abgeord neten Ulitz, beschlagnahmt worden. Gewaltige Schneemassen. eiterhin kalt. Nom. 15. Febr. Seit vier Tagen schneit es in Mantua ununterbrochen. Der Straßenbahnverkehr der Stadt mußte eingestellt werden. Die Verbindung der Stadt mit den umliegenden Ortschaften ist unter brochen. In Mantua liegt 70 Zentimeter Schnee, in der Provinz beträgt die Schneehöhe einen Meter. In Venedig wird heute ein Eis brecher in Dienst gestellt, ein Dampfer, der mit einem Kran versehen ist und versuchen soll, das Eis im Kanal Victor Emanuel zu brechen. Grado bei Triest ist seit vier Tagen blockiert. In den Dolomiten sind 25 Grad. In Florenz wurden am Donnerstag die Theater- und Kinovorstellungen wegen der großen Kälte abgesagt. Die Wasserleitungen sind zugefroren. Auf den Märkten macht sich Nahrungsmittel mangel bemerkbar. In Ancona erreichte die Schnee decke einen Meter Höhe. Das Dach eines Kinos ist in folge der Schneelast durchgebrochen. Die Eisenbahn direktion in Bologna hat den Personenzugverkehr stark eingeschränkt. In Villa del Nevoso bei Fiume wurden zwei Kinder, die sich im Walde verirrten, von Wölfen zerrissen und aufgefresscn. Ebenfalls in der Nähe von Fiume wurden zwei Förster von Wölfen überfallen. Der eine wurde in Stücke zerrissen, der andere konnte sich auf einen Baum retten, wo er aber später erfroren aufgefunden wurde. Starke Zunahme der Arbeilslosigkeil in Oesterreich. — Velriebseinstellungen wegen Kohlenmangels Wien, 15. Febr. Die Zahl der Arbeitslosen in Oesterreich soll nach den neuesten Besprechungen eine ganz ungewöhnliche Steigerung erfahren haben. Es gibt heute in Oesterreich bereits eine ganze Reihe von Betriebe, die wegen Kohlenmangel geschlossen haben, und wenn die Kälte anhält, werden noch weitere Be triebe folgen. In der Umgebung von Wien mehrt sich die Zahl der Vetriebseinstellungen. Wien 15. Febr. Wie die Wiener Generaldirektion der österreichischen Bundesbahnen mitteilt, sind gestern aus Agram und Triest wegen großer Schneever wehungen keine Fernzüge in Wien angelangt. Die in der Richtung Budapest abgelassenen Züge mußten wieder nach Wien zurückgezogen werden. Die von Bu dapest abgelassenen Züge in der Richtung nach Wien, stehen in einigen Hauptbahnhösen der ungarischen Strecke. Am Donnerstag abend setzte in Wien wieder starkes Schneetreiben ein, das die ganze Nacht andauerte. Die Temperatur betrug minus 11 Grad. Schneeverwehungen in Ostpreußen. Königsberg, 15. Febr. Die schweren Schneever wehungen, die am Donnerstag den Eisenbahnverkehr in ganz Ostpreußen verhinderten, wirkten sich auch heute stark aus. Fast sämtliche Züge im Bezirk der Reichs bahndirektion Königsberg hatten erhebliche Verspä tungen. Der Sturm hat dagegen nachgelassen. Das Thermometer zeigte heute früh minus 10 Grad. Die Zufahrt zum Bayernwerk unter Wasser. München, 15. Febr. Durch die Eiskatastrophe bei Mach steht die Zufahrtsstraße zum Bayernwerk bei Karlsberg unter Wasser und es droht die Gefahr, daß die Kellerräume des Umspannwerkes unter Wasser ge raten. Dies Hütte katastrophale Auswirkungen für die gesamte Stromversorgung zur Folge. Die Rettungs arbeiten werden Tag und Nacht fortgesetzt. Starke Verkehrsstörungen durch Schnee fall in Dänemark. Kopenhagen, 15. Febr. Der heftige Nordoststurm der gestern im Zusammenhang mit starkem Schneefall über Dänemark tobte hat eine äußerste Verschärfung der Verkehrslage mit sich gebracht. So war auf dem Seewege am Nachmittag jegliche Verbindung einge stellt. Auf den Bahnen entstanden durch Schneever wehungen ernstliche Schwierigkeiten. Nur die wenigsten j Straßen waren fahrbar. Im Großen Belt verschlechter ten sich nach einer vorübergehenden Besserung am Vor mittag die Verhältnisse am Nachmittag so, daß fünf ! Fähren im Eise stecken blieben. Auch im Oeresund mußte die Fährverbindung zwischen Kopen hagen und Malmö eingestellt werden. In der Ostsee blieb die deutsche Fähre „Mecklenburg" im Eise stecken, konnte aber später von der dänischen Fähre befreit werden. Im Kattegat befindet sich eine Reihe von Dampfern insofern in äußerster Lage, als die Eismassen durch den Sturm immer mehr landwärts gepreßt ' werden, so daß die Dampfer in Gefahr sind, auf Grund s zu geraten oder von den Eismassen zermalmt zu werden. Was den Landverkehr angeht, so mußte auf ver schiedenen Eisenbahnstrecken Seelands und Jütlands der Verkehr gänzlich eingestellt werden. Auf den Landstraßen sind die Verhältnisse noch schlimmer. Die meisten Autobuslinien mußten den Verkehr einstellen. Unzählige Wagen stehen in Schneewehen fest. In Kopenhagen mußte eine Rationierung der Milch erfolgen. Nach Meldungen aus Malmö wurde auch Südschweden stark von dem Schnee sturm heimgc sucht, so daß große Verkehrs schwierigkeiten entstanden sind. Der Verkehr mit i Deutschland von Trelleborg aus war völlig ; unterbrochen, da keine einzige Fähre nach ! Deutschland abqelassen werden konnte. Dabei betrug die Temperatur am Donnerstag abend nur minus 4 Grad Celsius. Zehn Fischer auf einer Eisscholle abgetrieben. Kopenhagen, 15. Febr. Nach Meldungen aus Göteborg wurden am gestrigen Donnerstag zehn Fischer auf einer Eisscholle seewärts abgetrieben. Trotz ener gischer Versuche, war es nicht gelungen, ihnen bis zum : Abend Hilfe zu bringen. Es bleibt Katt. Berlin, 15. Febr. In der Lustdruckverteilung sind noch immer keine wesentlichen Aenderungen festzu stellen. Nach wie vor lagert das ungewöhnlich starke Hochdruckgebiet im Norden während tiefer Druck über dem Mittelmeer und dem Ozean liegt. Die Schneefälle haben sich inzwischen über das ganze Reich ausgedehnt. Sie sind zurückzuführen auf Randwirbel des Mittel meertiefs, die von Südeuropa nach der Nordsee ziehen. Die Temperaturverteilung ist ziemlich ungleichmäßig. In Schlesien wurden in der vergangenen Nacht 25—27 Grad unter Null gemessen. Am Morgen trat eine starke Minderung ein. Das Thermometer ging auf 15—16 Grad zurück. Hannover meldet heute 25 Grad, Aachen 13 Grad und München 25 Grad gegenüber 31 Grad in der Nacht. Nach den Angaben der Berliner Wetter dienststelle werden die Schneefälle allmählich nachlassen, doch wird es trübe und kalt bleiben. Die Kohlen not wird in Berlin immer fühlbarer. Die Kleinhändler haben fast durchweg ihren Verkauf geschlossen. Der Antransport der Kohlen ist sehr er schwert. Man sieht vor den Verkaufsständen vielfach Schlangen stehen, aber nicht nur nach Kohlen, sondern auch nach Kartoffeln. Härteste Arbeit hat nach wie vor die F e u e r w e h r zu leisten. Die Hilferufe infolge von kleineren Bränden und Wasserrohr brüchen gehen täglich in die Hunderte. Auch das Rettungsamt hat viel Arbeit, da bei der Glätte viele Unfällezu verzeichnen sind. Auch im übrigen Europa ist die Wetter lage noch unverändert. Im Westen hat die Kälte noch etwas zugenommen. In Mittel- und Ost frankreich wurden bis zu 22 Grad gemessen. London hatte heute vormittag 11 Grad. Sehr kalt ist es auch weiter in Oberitalien. Dagegen herrscht in Spitzbergen noch Tauwetter. Gegen Äilfer-ings Plane. Die Stellungnahme des organisierten deutschen Hausbesitzes. Der Reichsfinanzminister Dr. Hilferding beab sichtigt, den Fehlbetrag im Reichshaushalt von 658 Mil lionen gegen 1928, der sich aus den Netto-Mehraus gaben von 358 Millionen und dem Wegfall einmaliger Einnahmen von 300 Millionen zusammensetzt, durch Erhöhung der Biersteuer und der Branntweinsteuer, sowie durch Reform der Erbschaftssteuer und durch einen 20prozenttgen Zuschlag zur Reichsvermögenssteuer zu decken. Durch die Besteuerung des Eattenerbes mit den halben Sätzen der Besteuerung des Kindeserbes er wartet er einen Mehreingang aus der Erbschaftssteuer von 20 Millionen. 104 Millionen soll ein 20prozentiger Zuschlag zur Vermögenssteuer erbringen. Diese Pläne des Reichsfinanzministers Dr. Hilfer ding haben den Zentralverband deutscher Haus- und Grundbesitzervereine veranlaßt, in einer Eingabe an die gesetzgebenden Körperschaften gegen eine weitere Erhöhung und Ausdehnung der Vesitzsteuern Stellung zu nehmen. Der Zentralverband deutscher Haus- und Erundbesitzervereine hat den Antrag gestellt, die Vor lage auf Erhebung eines 20prozentigen Zuschlags zur Reichsvermögenssteuer, die weitere Vorlage auf Er höhung der Erbschaftssteuer durch Ausdehnung der Steuerpflicht auf das Eattenerbe sowie jede ander weitige Mehrbelastung des Hausbesitzes als untrag bar abzulehnen. Eine Senkung der Einkommensteuer bittet er als eine im gegenwärtigen Zeitpunkt verfehlte parteipolitische Maßnahme abzulehnen. Er weist mit allem Nachdruck darauf hin, daß die Vesitzsteuern bereits jetzt eine der artig eAnspannung er fahren haben, daß sie mit den Grundsätzen einer volkswirtschaftlich gesunden Steuer politik nicht mehr im Einklang stehen, welche auf die Substanzerhaltung und auf die für die deutsche Wirtschaft mehr denn je dringende Kapitalneu bildung Bedacht nehmen muß. Jede weitere Anspan nung der Steuerschraube bei den Vesitzsteuern komme vielmehr einer Substanzbesteuerung, also einer ver kappten Konfiskation gleich, und muß natur notwendig jeden volkswirtschaftlich gesunden Sparbe trieb ertöten. Dies gelte in ganz besonderem Maße für das Grundvermögen, da hier noch immer die Fest stellung der Einheitswerte und demzufolge die Heran ziehung zur Reichsvermögenssteuer, sowie zu den weiteren auf die Einheitswerte abgestellten Steuern in einer Form geschieht, die den tatsächlichen Ertrags werten bzw. gemeinen (Verkaufs-) Werten zuwider- NDNwM U Win Mik zum Ws- gmWlWntm MMt Berlin, 15. Febr. Der Reichsrat stimmte am Donnerstag dem Vorschlag der Reichsregierung zu, als Nachfolger des Reichsgerichtspräsidenten Dr. Simons, der bekanntlich zum ersten April dieses Jahres seine Versetzung in den Ruhestand erbeten hat, den Ministerialdirektor im Reichsjustizministerium. Dr. Erwin Bumke, zum Präsidenten des Reichs gerichts zu ernennen. Der Rechtsausschuß hat, wie der Berichterstatter hervorhob, diesen Vorschlag einstimmig und mit Freuden gutgeheißen. Ferner genehmigte der Reichsrat noch den Gesetz entwurf über ein Zusatzabkommen zum deutsch-schwe dischen Handels- und Schiffahrtsvertrag vom 14. Mai 1926. Wasfensunde im Gebäude der Wiener Arbeiterzettung. Wien, 14. Febr. Dem Bezirksgericht des fünften Wiener Bezirks wurde vor einigen Tagen angezeigt, daß sich in dem Gebäude der sozialdemokratischen Ar beiterzeitung große Waffen- bzw. Munitions bestände befänden. Das Bezirksgericht veranlaßte aus Ersuchen von höherer Seite eine Hausdurchsuchung, bei der festgestellt wurde, daß sich im Gebäude der Ar beiterzeitung außer der Schriftleitung noch die Zentralen des republikanischen Schutzbundes und der Arbeiter- schützcnvereins befinden. Dem Arbeiterschützenverein war vor einiger Zeit vom Magistrat der Stadt Wien eine Lizenz erteilt worden, .Scheibenschießmaterial in den Handel zu bringen. Bei der Hausdurchsuchung wurden jedoch ausgesprochene Kampfwaffen und größere Muni- tionsbestände für diese Waffen gefunden. Wie verlautet, sollen auch Maschinengewehre im zerlegten Zustand fest gestellt worden sein. Wien, 14. Febr. lieber die Hausdurchsuchung im Gelände der sozialdemokratischen Arbeiterzeitung ist noch folgendes milzuteilen: Die Hausdurchsuchung richtete sich gegen den „Arbeiterjagd- und Schützenverband", dem