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Keule Konserenzbeginn in Paris. Paris, 11. Febr. Das Komitee der unabhängigen Finanzsachverständigen hält heute nachmittag 2 Ühr seine erste offizielle Sitzung ab. Im letzten Augenblick wurde das Hotel „Georg V." zum Tagungsort ausge wählt, da das Hotel „Astoria" nicht rechtzeitig zur Ver fügung gestellt werden konnte. Das Komitee dürfte zunächst seinen Vorsitzenden wählen, und zwar voraussichtlich den amerikanischen Delegierten OwenPoung. Die Hauptschwterigkeit. die die Sachverständigen zu lösen haben, wird, wie „Excelsior" schreibt, sich auf die vorläu- figenBestimmungen des Dawesplanes erstrecken, die noch über den kommerziellen Charakter der deutschenSchuld eine Unsicher heit lassen. Die dornigste Klausel, so schreibt das Blatt sei die Transferklausel. Es sei vorauszusehen, dass die deutsche Delegation, wenn sie aus ihrer ersten Verteidigungslinie, dem Ersuchen um Neuschätzung der Zahlungsfähigkeit des Reiches, verdrängt sei, sich hinter die Transfer-Klausel verschanzen würde. Nach Rege lung dieser Frage könnten dann die rein technischen Ar beiten des Komitees und seiner etwaigen Kommissionen und Unterkommissionen ziemlich rasch geführt werden. Paris, 11. Febr. Am Tage des Beginns der Pa riser Sachverständigenkonferenz schickt ein grosser Teil der Pariser Morgenpresse den Konferenzarbeiten eine Vorbetrachtunq voraus. Im „Petit Parisien" schreibt Iacgues Seydoux: Die Zahl und die Höhe der deutschen Jahresraten sei davon abhängig, in welchem Maste sie den Bedürfnissen der Gläubiger Deutschlands genüge, ohne die Zahlungsfähigkeit des Reiches zu übersteigen. Niemand könne Frankreich allein damit belasten, die von Deutschland verursachten Verwüstungen wiederherzu stellen. Das „Journal" erklärt, die Beratungen könnten nicht zum Nachteil Frankreichs ausschlagen, da mangels einer besseren Lösung es immer noch das Mittel habe, bei den Bestimmungen des Dawesplanes zu bleiben. Der „Figaro" bezeichnet als die conditio sine qua non die Zustimmung Frankreichs zu den Beschlüssen des Sachverständigen-Ausschusses und dieUeberweisunq von Summen an Frankreich, die die verausgabten Gelder für den Wiederaufbau und die Schuldenzahlungen an Amerika decken. Die Aussichten seien gut, wenn die Vertreter Deutschlands sich weniger streitsüchtig zeigten als gewisse ihrer Vorgänger, die die Handelsvertrags verhandlungen so heikel gestaltet hätten. Allerlei heikle Fragen Die Zeitdauer der Zahlungen. London, 11. Febr. Zu Beginn der heutigen Ver handlungen der Sachverständigen in Paris, bringt ein Teil der Morgenblätter Leitartikel, in denen die Auf gaben der Sachverständigen noch einmal beleuchtet werden. Den entscheidenden Punkt der bevorstehenden Verhandlungen berührt der diplomatische Korrespon dent des „Daily Telegraph". In einer besonderen Ab handlung, in der es heisst, dass sich bei der Liquidierung des Dawesplanes, zugunsten eines endgültigen Ab kommens die heikle Frage ergebe, was an die Stelle der Erträgnisse aus den Eisenbahn- und Industrie-Bons treten solle, wenn diese nach 37 Jahren abgelaufen seien. Von deutscher Seite werde die Lage zweifellos auf das entschiedenste ausgenutzt werden. Es sei all gemein angenommen worden, dass die Reparations zahlungen sich auf die gleiche Anzahl von Jahren er strecken würden, wie die alliierten Schuldenzahlungen an Amerika, d. h. 82 Jahre. In diesem Falle werde sich die Frage ergeben, ob ein Teil der deutschen Jahres zahlungen aus den für die betreffenden Zahlungen be sonders abgetrennten Einnahmequellen oder den all gemeinen Haushaltmitteln des Reiches entzogen werden sollen. Mit der geplanten Beseitigung der ausländischen Aufsicht über die Finanzen des Reiches würde etwa die Hälfte der gegenwärtigen Reparationsquellen ver siegen. Die deutschen Sachverständigen beriefen sich darauf, dass für die Reparationszahlungen vom Friedensver trag eine Zeitdauer von 38 Jahren festgesetzt sei. Die Vereinbarung der Jahreszahlungen über diesen Zeitpunkt hinaus, könne daher nur als ein besonderes Abkommen angesehen werden, das üb er den Rah men des Friedensvertrages hinaus- ginqe und auf die Rückzahlungen der alliierten Schulden an Amerika beschränkt sein müsse. Aus diesem Grunde könnten die deutschen Sachverständigen ver langen, dass die Jahreszahlungen Deutschlands während der letzten 25 Jahre, also für die ganze Zeit der alli ierten Schuldenzahlungen an Amerika geringer wären als während der eigentlichen Vertragszeit. Auf der anderen Seite seien gerade die alliierten Verpflich tungen an Amerika in den letzten zwei Jahren am höchsten. Die „Times" berichten über die Festsetzung der deutschen Eesamtverpflichtunqen und die Höhe der Jahreszahlungen. Deutschland werde aufgefordert werden, eine Summe zu zahlen, die der Ge samthöhe der alliierten Kriegsschulden an die Ver einigten Staaten entspreche, d. h. einen Kapitalwert von 44 Milliarden Mark ohne Zinsen. Daneben aber werde eine gewisse Entschädigung für die verwüsteten Gebiete Frankreichs verlangt werden. Noch zeige sich das amerikanische Schatzamt nicht bereit, an der Lösung praktisch mitzuarbeiten, aber es scheine dass diePolitik der Vereinigten Staaten sich langsam aber sicher in dieser Richtung bewege. — Im „Daily Express" wird ein allgemeiner Üeberblick über die Entwicklung der Re parationsfrage seit dem Dawesplane gegeben. Da mit einer endgültigen Reparationsregelung die Aussichten auf eine baldige Räumung des Rhrinlandes verbunden seien, müsse man hoffen, dass Europa nicht länger die Erleichterung vorenthalten werde, die eine Lösung dieser entscheidenden Nachkriegsfrage mit sich bringen würde. — Die „Daily Mail" legt ausschliess lich auf die b r i t i s ch e n Forderungen Nachdruck und verlangt, dass jeder Versuch, den britischen Anteil zu verkürzen mit der äussersten Entschlossenheit zurück gewiesen werde, da die Besteuerung in Erossbritan- nien pro Kops heute bereits dreimal so hoch sei als in Deutschland. Sibirische Kälte überall. Die Meldungen aus asten Teilen Deutschlands lassen erkennen, dass sich die neue Kältewelle, die am Sonnabend aus Nordrutzland hereinbrach, noch wett stärker auswirkt, als die vorhergegangene. Die tiefsten Temperaturen werden von dem schlesischen Berge ge meldet. Dort wurden an vielen Stellen 35—38 Grad unter Null gemessen. Ganz ähnlich lauten die Berichte aus den östlichen Grenzgebieten. Schönlanke meldet 35 Grad unter Null. Der Schaden, den der unge wöhnlich starke Frost anrichtete, ist sehr gross. In Schneidemühl waren ganze Stratzenzüge infolge von Wasserrohrbrüchen lange Zeit ohne Wasser, lleber- all führt die Vereisung der Strassen zu Unfall en. In vielen Otten des östlichen Grenzgebietes mussten die Schulen bereits am Sonnabend ge schlossen werden, da die Heizung einfach nicht mehr ausreicht, die Räume durchzuwärmen. Das Vieh er friert in den Ställen. Das Wild kommt in den tief verschneiten Wäldern durch Frost und Hunger um. Einem Radfahrer, der sich nicht genügend geschützt hatte, er froren beide Hände, so dass sie ihm abgenommen wer den mussten. Auch aus Ostpreussen werden Temperaturen bis zu 34 Grad unter Null gemeldet. Im Eisenbahn- und Fernsprechverkehr verursacht die strenge Kälte erhebliche Störungen. Besonders die Züge aus dem Norden und Süden hatten Verspä tungen aufzuweisen. Der Drahtverkehr Paris—Berlin musste umgeleitet werden. Auch auf den Linien nach Südosteuropa waren Umleitunaen notwendig, da viele Drähte infolge des Frostes zerrissen. In der Berliner Innenstadt wurden am Sonntag abend um 23 Uhr 28 Grad unter Null ge messen. Die Berliner Feuerwehr hat wieder einen arbeitsreichen Tag hinter sich. Etwa in hundert Fällen musste sie infolge von Wasserrohrbrüchen Hilfe leisten. Auch aus Mitteldeutschland werden sehr tiefe Temperaturen gemeldet. In Leipzig wurden am Sonntag früh 25 Grad unter Null, am Sonntag abend 26 Grad unter Null gemeldet. Infolge der Kälte mussten die meisten für Sonntag anqesetzten Sportwett kämpfe abgesagt werden. In Thüringen ging das Thermometer auch in den Mittagsstunden nicht unter 20 Grad zurück. Wie aus Wien gemeldet wird, herrscht auch in ganz Oesterreich ungewöhnlich strenger Frost. Bei der Wiener Reichsbrücke ist der Wasserstand infolge Eis stauungen um zwei Meter gestiegen. Ein plötzliches Eintreten von Tauwetter würde schwere Gefahr mit sich bringen. Meldungen aus Belgrad zufolge, wurden am Sonntag in vielen Orten Südslawiens 30 Grad Kälte gemessen. Auf Anordnung des Unterrichtsministers sind alle Schulen geschlossen worden. Auch hier sind grosse Störungen im Eisenbahnverkehr zu verzeichnen. Der Agramer Schnellzug hatte fünf Stunden Verspä tung. Der Wien—Budapester Schnellzug drei Stunden Verspätung. Schliesslich sei noch eine Meldung aus Brüssel erwähnt, die besagt, dass auch in Belgien sehr strenger Frost herrscht. Bei Dinant ist die Maas zugefroren. Ein seltenes Ereignis. Große SchVierlakellen -er Schiffahrt auf -er E be. Hamburg, 11. Febr. Durch den anhaltenden starken Ostwind ist der Wasserstand der Elbe so niedrig ge worden, dass die Seeschiffahrt in die schwersten Bedräng nisse geraten ist. Grössere Schiffe haben Schwierigkeiten an die Schuppen heranzukommen. Auch das Verholen und das Dooken der Seeschiffe stösst auf grosse Schwierig keiten. Der Afrikadampfer „Tanganyka" hat seine Aus reise aufgeben müssen. Mit dem Auto über das zugefrorene Meer. Nach Meldungen aus Husum wird dieAutover- bindung vomFestlandüber dasWatten- meer nach der Insel Nordstrand stark benutzt. Die Autobusse sind häufig so besetzt, dass weitere Wagen ein gesetzt werden müssen. Von Brodtstedt konnte ein mit zwei Personen besetztes Automobil über das Eis nach der Hamburger Hallig fahren. Nach kurzem Aufenthalt ging die Fahrt auf dem gleichen Weg nach dem Festland zurück. Es ist das erste Mal, dass ein Kraftwagen die Hallig aufsuchte. 48 eingeschlossene Schiffe in der Lübecker und Mecklen burger Bucht. Hamburg, 10. Febr. Wie die Dienststelle der Ham burger Marineleitung mitteilt, sind in der Lübecker und Mecklenburger Bucht etwa 40 Schiffe vom Eis einge schlossen, zu deren Befreiung die beiden Linienschiffe „Schleswig-Holstein" und „Elsass" ausgelaufen sind. Immer mehr eingefrorene Schiffe. — Ein grosser Eis brecher beschädigt. Malmö, 10. Febr. Der grosse schwedische Eisbrecher der von Stockholm nach dem Oeresund gesandt wurde. um dort eingefrorenen Dampfern Hilfe zu leisten, ist am Sonnabend abend bei Trelleborg auf Grund ge raten und schwer beschädigt worden, so dass er von einem Bergungsdampfer in eine Werft gebracht werden musste. Für die vielen eingefrorenen Fahrzeuge im Oeresund bedeutet dies ein schweres Missgeschick. Bei Falsterboe liegen zehn eingefrorene Fahrzeuge, die der Eisbrecher durch den Sund führen sollte. Weiter nörd lich liegt ebenfalls eine Anzahl von Fahrzeugen im Eis fest. Nordwestlich von Altholm sind zwei norwegische Dampfer eingefroren. Sechs Menschen auf der treibenden Eisscholle. Kopenhagen, 10. Febr. Nach Meldungen aus Sonderburg war Sonnabend nachmittag eine Anzahl Leute auf dem Eis mit Dorschstechen beschäftigt, als plötzlich das Eis aufbrach und eine grosse Eisscholle mit sechs Personen nach Norden abzutreiben begann. Man versuchte ihnen mit einem Boot zu Hilfe zu kommen, das jedoch wegen des Eises nicht vorwärts kam. Auf der Scholle wurde die Lage recht gefährlich, da starke Nebel einsetzten und die Scholle ausserdem Risse bekam. Schliesslich wurde sie doch wieder an die zusammen hängende Eisfläche getrieben, so dass die sechs Leute sich retten konnten. Sie hatten etwa zwei Stunden auf dem Meere getrieben. Wölfe überfallen ein Dorf und töten 22 Menschen. London, 18. Febr. In den griechischen Grenzge bieten find nach Meldungen aus Athen zahlreiche Dörfer von der Hungersnot bedroht, da sie infolge der riesigen Schneemassen von der Aussenwelt abqeschnitten find. Ein Nudel von 188 hungrigen Wölsen überfiel nach Berichten aus Janina den Ort Zoryzco und tötete 16 Kinder, vier Soldaten und zwei Polizisten. Die Zahl der an Erschöpfung gestorbenen ist gross. Was wir zahlen müssen. Die in ausländischer Währung vorgenom menen Transfers belaufen sich auf 500798 911,14 (106 074158,79 Reichsmark). Durch Zahlungen in Reichs mark erfolgte für Sachlieferungen, Besatzungstruppen, Kosten der Interalliierten Kommissionen usw. ein Trans fer in Höhe von 399 279 903,20 (73 733124,96 Reichs mark). Insgesamt betrugen die Transfers also 900078 814,34 (179 807 283,75 Reichsmark). Der Saldo per 31. Januar 1929 beläuft sich also auf 205 499 929,81 Reichsmark. Die vorgenommenen Transfers verteilen sich auf die grösseren Gläubigermächte wie folgt: Frankreich 456 689 314,54 Reichsmark (92 211195,17), Britisches Reich 203 868 803,41 Reichsmark (39 520 627,96), Ita lien 66096774,72 (12 274 838,35 Reichsmark), Belgien 46 398 010,85 Reichsmark (9 665 848,85). Die Eesam 1 - summe der Transfers an die Mächte betrug 860652364,03 Reichsmark (171523725,26). Das Büro des Reparationsagenten veröffentlicht soeben die llebersicht über die im fünften Annuitätsjahr bis zum 31. Januar 1929 vorgenommenen Transfers und über die verfügbaren Gelder. Danach ergibt sich an verfügbaren Geldern auf Bargrundlage und um- gerechnet in Goldmark ein Saldo per 31. August 1928 189488 944,86 Reichsmark. Die Einnahmen auf Rech nung der fünften Annuität bestehen hauptsächlich aus dem Haushalibeittag von 520 833 333,33 Reichsmark (im Monat Januar 1929 104166 666,66 Reichsmark). Aus der Beförderungssteuer von 96 666 666,64 Reichs mark (24166 666,66 Reichsmark), und aus der Verzin sung und Tilgung der Reichsbahn-Reparationsschuld verschreibungen von 220 Millionen (55 000000 Reichs mark). Unter Berücksichtigung einiger kleiner Posten er gibt sich danach für das fünfte Annuitätsjahr bis zum 31. Januar 1929 ein Gesamtbetrag von 1105578 744,15 Reichsmatt (183 081072,63 Reichsmark). M »MMomIe MHMwW gM HiWiM MeiMe. Der Mittelstandsausschuss der Deutschnationalen Volkspartei hat in einer in Dresden abgehaltenen Sitzung Stellung zu wirtschaftspolitischen Tagesfragen und besonders zu den Hilferdingschen Steuerplänen ge nommen und nach eingehender Beratung folgende Ent schliessung gefasst: „Nach übereinstimmenden Berichten von Handels und mittelständischen Verufskammern hat die deutsche Wirtschaft seit April 1928 einen allgemeinen, teilweise katastrophalen Rückgang zu verzeichnen. Im Hinblick auf diese Entwicklung erkennt der Mittelstandsausschuss der Deutschnationalen Volkspattei in den Steuer plänen des Reichsfinanzministers Dr. Hilferding eine neue nicht mehr tragbare Belastung der deutschen Ee- samtwirtschaft. Ihre Folgen würden unabsehbar sein und nur einen weiteren Schritt zur Versklavung des deutschen Volkes bedeuten, zumal bei dem heutigen Re- aierungssystem nicht vorhergesehen werden kann, ob diese Steuerpläne den Staatshaushalt endgültig in Ordnung bringen. Der schwer um seine Existenz ringende Mittelstand würde im Rahmen der deutschen Volkswirtschaft ganz besonders hart betroffen, insbe sondere, da die Durchführung der Hilferdingschen Steuerentwürfe Rückwirkungen auf die deutsche Wirt schaft zeitigen muss, die bei den einzelnen Gesetzen weit über den Kreis der zunächst Betroffenen hinausgehen. Der Mittelstandsausschuss fordert deshalb von den ge setzgebenden Körperschaften die Ablehnung der Hilfer- dinascben Steuerpläne." M Metz gegen „ZmMii" md EmW. Zwei Angeklagte zu fünf und zehn Monaten Gefängnis verurteilt, die übrigen freiqesprochen. Im „Jmmertreu"-Prozess verkündete unter allge meiner Spannung nach dreistündiger Beratung Amts gerichtsrat Sponer folgendes Urteil des Schöffenge richts: Unter Auferlegung der sie betreffenden Kosten de» Verfahrens werden verurteilt: