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Handelsvertrags - Unterzeichnung. 19. August 1927 Die Unterzeichnung des deutsch-französischen Han delsvertrages durch den deutschen Botschafter von Hoesch und den französischen Archenminister Briand dürfte nach dem heutigen Ministerrat statt finden. Die Veröffentlichung der Tariflisten und der Kontingente soll wie es heisst, erst einige Tage vor dem Inkrafttreten des Vertrags am 6. September 1927 er folgen. Der Präsident -er französischen Kandels- Kammer für den Vertrag. 19. August 1927 Der Präsident der Pariser französischen Handels kammer erklärte, die Abmachung des deutsch-französi schen Handelsvertrags, wonach für den Fall, daß bis zum 15. Dezember 1928 die französische Zollreform nicht durchgeführt sein sollte, Deutschland die volle Meist begünstigung eingeräumt werde, als sehr ver nünftig. Die Abgeordneten dürften infolge der be vorstehenden Wahlen vielleicht nicht die Zeit finden, sich niit der Zollreform zu beschäftigen. Die Interessen der beiden Länder erforderten es aber, daß die Han delsbeziehungen zwischen Deutschland und Frankreich erleichtert würden. Weitere Urteile über den Vertrag. 19. August 192. In einem längeren Aufsatz nimmt heute Sey doux im „Petit Parisien" zum deutsch-französischen Handelsvertrag Stellung. Nach seiner Meinung ist der Vertrag gut, obwohl er einen Artikel des Versailler Vertrags beseitigt, nämlich den berühmten Art. 18, nach dem das deutsche Eigentum für die Reparationszahlun gen das Reich haftet. Das Vertrauen zum Handel mit Frankreich sei damit wieder hsrgestellt. Bei den sehr lehrreichen Pariser Wirtschaftsverhandlungen habe es sich gezeigt, daßFrankreich von Deutsch land, das die neuen wirtschaftlichen Bedürfnisse am besten begreife, viel lernen könne. Zu dem Handelsabkommen bemerkt Pertinax im „Daily Telegraph", daß dis Aufenthalts frage in Marokko für die Deutschen noch nicht geklärt sei. Ein Briefwechsel zwischen Briand und dem deutschen Botschafter sei über die Klärung dieser Frage noch nötig. Pertinax will von maßgebender Seite erfahren haben, daß sich die fran zösische Negierung vorbehalten habe, über die einzelnen Fälle des 'Aufenthaltes Deutscher in Marokko selbst zu entscheiden. Doch sollen die Deutschen in Marokko keiner weiteren Sonderbehandlung ausgesetzt sein. Polnische Sozialisten fürchten einen -eulsch- sranzösischen Krieg gegen Polen. 19. August 1927 Unter dem Eindruck des deutsch-französischen Han delsvertrages sieht der sozialistische „Robatnik" in der deutsch-französischen Politik wiederum neue Gefahren für Polen. Der Handelsvertrag, so schreibt das Blatt, ! soll ein erster Schritt zu einer deutsch-französischen Ver ständigung darstellen, die die Grundlage zu einem Krieg Deutschlands und Frankreichs geen Polen bildet s!P Die an dem deutsch-französischen Handelsabkommen in teressierten deutschen Wirtschaftskreise hätten an Frank reich bereits die Aufforderung gerichtet, einen gemein samen Kreuzzug gegen Polen (!Z zu unternehmen. Durch den Abschluß des Handelsvertrages wolle man in Deutschland die Aufmerksamkeit der Oeffentlichkeit von den Strömungen ablenken, die einen Krieg mit Polen verlangten und sich darauf vorbereiteten. Man könne nur hoffen, daß diese zweigleisige deutsche Politik, die auf Frieden im Westen und Krieg im Osten aus gehe, nicht gelingen werde. Mit einer gewissen Ner vosität wird sodann in dem gleichen Artikel darauf hin gewiesen, daß die deutschen landwirtschaftlichen Kreise einen gleichen Handelsvertrag mit Polen verhindert hätten. Könneckes Ozeanflug gesichert. 19. August 1927 Die Tatsache, daß die erste Ueberquerung des Atlantischen Ozeans in der Richtung Ost-West durch einen deutschen Flieger von Köln aus beabsichtigt ist, hat die Kölner Stadtverwaltung und die Inter nationale Pressausstellung veranlaßt, den Flug Kön neckes auch ihrerseits zu unterstützen. Der Flieger wird eine Anzahl Briefe des Reichskommissars und des Präsidenten der Pressa an führende Persönlichkeiten der Vereinigten Staaten, die an der Kölner Pressa inter essiert sind, mit nach drüben nehmen und außerdem dem Vorsitzenden des vorbereitenden amerikanischen Aus schusses John Clyde Oswald in Neuyork persönlich Grüße des Präsidiums der Pressa überbringen. Er soll ferner Begrüßungsschreiben der Kölner Stadtverord neten an die Bürgermeister von Philadelphia und Neu york übermitteln. Das Flugzeug Könneckes wird bei seiner Landung in Amerika und bei seinem Nund- slug in den Vereinigten Staaten die Wimpel der Stadt Köln und der Pressa tragen. Diese Verlautbarung der Stadt, bzw. der Aus stellungsleitung bedeutet, daß die Verhandlungen über eine finanzielle Unterstützung des Ozeanfluges zu einem Ergebnis geführt haben. Die Stadt Köln wird Kön necke einen Betrag zu seinem Unternehmen zuschießen, der die bisher noch unbestätigte Versicherung des Flug zeuges und der Flieger möglich macht. Morgen wird ein Vertreter von Lloyd in London hier eintreffen, um die Versicherung für Flugzeug und Besatzung abzuschließen. Direktor Moll von den Casparwerken in Travemünde erklärte, daß als Be gleiter Könneckes nur noch zwei Funker in die engere Wahl kommen. Im Laufe des Nachmittags traf aus Heddernheim der neue Propeller für das Ozeanslug zeug hier ein. Er wurde sofort eingebaut, damit mor gen vormittag die letzten Probeflüge unternommen werden können. Vor Sonnabend nachmittag kann nicht mit dem Start Könneckes gerechnet werden. Gerüchte über einen neuen Ozeanstug. Eine Richtigstellung der Junkerswerke. Eines der Flugzeuge vom Typ der Ozeanmaschinea ist seit den frühen Morgenstunden in der Luft und unternimmt Pendelflüge zwischen Dessau und Witten berg. In diesen Flügen wollen übereifrige Leute Vor bereitungen für eine in Kürze bevorstehende Wieder holung des Ozeanfluges erblicken. Demgegenüber wird von den Junkerswerken darauf hingewiesen, daß die Flüge mit den Maschinen dieses Types nichts Unge wöhnliches sind und in der nächsten Zeit wohl täglich wiederholt werden. Die Tatsache, daß bei dem Pendel flug Ozeanpiloten am Steuer sitzen, kann natürlich ebensowenig im Sinne neuer Ozeanflug-Vorbereitun gen gedeutet werden. Die Frage, ob in nächster Zeit eine Wiederholung des S t a r t e s z u m F l u g e n a ch Amerika erfolgt, kann nicht im Handumdrehen ge löst werden. Inzwischen aber können selbstverständlich die Flugversuche die für Dessau alltäglich sind, nicht eingestellt werden. Die Vorbereitungen der Rvhrbach- werke zum Ozeanflng. Die Vorbereitungen der Rohrbachwerke für einen Ozeanflug, für den man mit dem FliegerUdet in Verhandlungen getreten war, sind nun so weit ge diehen, daß für die nächste Zeit das für das Unternehmen bestimmte dreimotorige Landflugzeug von Type Rohrbach-Roland von Staken nach dem Flug platz Schkeuditz überführt werden wird, um von hier aus dis Probeflüge mit hoher Belastung durchzuführen. Der Rohrbach-Roland ist be reits für den Ozeanflug entsprechend hergerichtet worden. Der Führersitz ist genau wie bei den Junkerswerken. Die Vorbauten der Motore sind in ihrer Form abgeändert, um den Luft widerstand möglichst zu verringern. Die Tragkabel von den Tragflächen zum Rumpfe haben eine Blechverklei dung erhalten und schließlich sind die Fensteröffnungen der Kabine durch dünnes Furnier verschalt worden. In der Kabine sind Neservebenzintanks eingebaut worden. Bei den bisherigen Probeflllgen hat die mit 3 8. IV. Motoren von insgesamt 750 88 ausgerüstete Maschine eine Geschwindigkeit von mehr als 216 Stun- den-Kilometer entwickelt. Von dem Ergebnis der Höchstbelastung und den Probeflügen, bei denen der Rohrbach-Roland wie bisher vom Chefpiloten Stein dorff gesteuert werden wird, wird es abhängen, wann die Maschine endgültig für den Ozeanflug bereitgestellt wird. Wiederholung des Alpenfluges am Sonnabend. l9. August 1927 Gestern nachmittag wurde bekannt gegeben, daß der internationale Alpenrundflug am Sonnabend wie derholt werden wird. Diejenigen Piloten, die Not landungen infolge Motordefekts vornehmen mußten, scheiden aus der Konkurrenz aus. Im Laufe des Abends ist noch ein jugoslawischer Pilot nach Ueber- fliegung der Alpen zurückgekehrt. Auch der Alpenslug der Verkehrsflugzeuge wird am Sonnabend noch ein- mat stattfinden, obwohl der Deutsche Roeder, der ein zige Konkurrent sein wird. Die Teilnahme Mittel holzers hängt davon ab, ob er Passagiere findet. Die Brcguetmaschine kommt infolge Defektes der Oelleitung nicht mehr in Betracht. Roeder hat sich durch sein um sichtiges Vorgehen und durch seine Ruhe, mit der er sein mit drei Tonnen belastetes Flugzeug nach Lausanne führte, große Sympathien erworben. Russische Wühlerei m Marokko. Deutschs Offiziere im Spiel? 19. August 1927 Der „Matin" veröffentlicht heute in großer Auf machung im Auszuge Schriftstücke, die zwischen dem militärischen Mitglied der russischen Vertretung in Paris Wolkor und dem russischen Botschaf ter in Berlin Krestinski gewechselt sein sollen. Aus ihnen soll hervorgehen, daß die russische Negierung und die Dritte Internationale daran arbeiten, das französische Kolonialreich zu untergraben. In einem vom 4. Januar 1927 aus Paris datierten Briefe heißt cs, daß eine deutsche Reederei-Vertretung in London mit Waren-Transporten für die Rifleute beauftragt worden sei. Ein Brief Kre stinskis vom 16. Januar an Wolkow besage, daß die notwendigen deutschen Offiziere für das Hilfs komitee der Rifleute gefunden worden seien, und zwar seien es der Major Jürgens und der Haupt mann Engelhardt. Am 31. Januar 1927 schreibt Kamenew aus Moskau an einen Spanier in Paris, in dem von einem festgelegten Plan einer Auf standsbewegung ausgehend von dem spanischen Marokko die Rede ist. Das Blatt kündigt weitere Ver öffentlichungen an. FmWm Mr-MßnMi. Das Erdbeben in Sibirien. — Die Wal-- brände in Südfrankreich. 19. August 1927 Das Erdbeben im Bezirk Namangan in russisch Mittelasien hält noch immer an. In der vorletzten Nacht erfolgte ein außergewöhnlich starker Erdstoß, der neue schwere Verwüstungen anrichtete. Die Erde weist zahllose, meteebreite Spalten auf. Die Zahl der Toten hat sich noch erhöht. Die Bevölkerung befindet sich in einer völlig verzweifelten Stimmung. Gleichzeitig wird bekannt, daß die Wolkenbrüche und Taifune in der Gegend von Wladiwostok eine Naturkatastrophe darstellen, die von noch furchtbarerem Ausmaß ist als die im Be zirk von Namangan. 22 Dörfer sind in der Umgegend von Wladiwostok vernichtet, und Zehntausende von Bauern und Arbei tern sind obdachlos. Der größte Teil des Viehbestandes ist ertrunken. Das gerettete Vieh ist ohne Futter und bereits von Seuchen befallen. Ein Teil der Bevölkerung ist in größter Panik auf die Anhöhen geflohen, wo die Flücht linge ohne Nahrungsmittel, von der Außenwelt völlig abgeschnitten sind, und seit zwei Tagen hungern. Bei Aussuri wurden rund 4000 Häuser vernichtet und die Saaten weggeschwemmt. Die dortigen Kohlenbergwerke haben ebenfalls schwer gelitten. Der Eisenbahnverkehr ruht vollkommen. Die telegraphischen Verbindungen sind unterbrochen. Auch von den anderen Gegenden werden schwerste Un wetter gemeldet. So wurden in der Gegend von Schmakow allein 30 Menschen getötet und 2000 sind ohne Obdach. Der ganze Umfang der schweren Natur katastrophe ist noch nicht zu erkennen. Die Gegend bietet ein Bild grauenhafter Verwüstung. Rund 60 Dörfer sind in den Fluten versunken! über sie hinweg fahren Schiffe, um die Flüchtlinge aus den Anhöhen zu retten. 20 000 Menschen infolge Ueberschwemmung obdachlos. Wie aus Wladiwostok gemeldet wird, sind durch die Ueberschwemmung der Ufer des Flusses Ussuri 20 000 Menschen obdachlos geworden. 29 Personen sind in den Fluten umgekommen. Vor einer Hungersnot. Wie aus Moskau berichtet wird, ist in dem unte ren und mittleren Wolga-Gebiet die Ernte über Er warten schlecht ausgefallen. Aus Mittelrüßland fehlen noch Angaben über den Ernteverlauf, was den Bauern des Wolgagebietes Veranlassung gibt, Eetreideverkäuse sehr zurückhaltend vorzunehmen. Die staatlichen An kaufsstellen haben die Anweisung aus Moskau erhalten, selbst vor höheren Preisen nicht haltzumachen, um die nötigen Eetreidemengen bereitzustellen. Bei Zaryzin ist es in dem Dorfe Eumrak zu Zu sammenstößen zwischen Bauern und Beamten gekom men. Letztere verlangten den Verkauf von Getreide vorräten und drohten mit bewaffneter Gewalt, falls die Bauern den Verkauf verweigern sollten. Die Bauern haben trotzdem unter Hinweis auf die zu nied rigen Preise der Kommission das Getreide nicht ver kauft. Nachdem die Bauern eine drohende Haltung eingenommen und die Beamten mit Mistgabeln be droht hatten, zogen die Beamten unverrichteter Sache ab. Die Wal-bränöe wüten weiter. Die Waldbrände in der Provence und auf Korsika wüten weiter. Tausende von Hektar Wald sind dem Feuer zum Opfer gefallen. Das Massiv von Chero" und der Wald von Baine in den Seealpen sind völlig vernichtet. Ueber die großen Waldbrände an der Riviera wird weiter berichtet: Nach oberflächlichen Schätzungen sind jetzt bereits 8000 Hektar Fichtenwaldungen den Flammen zum Opfer gefallen. Fünf Bewohner des Dorfes Tanneron werden vermißt. Ein neuer Brand herd hat sich in den Cheiron-Vergen, etwa 15 Kilo meter nördlich von Grasse, gebildet. Auch in dec Gegend von Saint Ouban an den Westabhängen der Cheiron-Berge werden mehrere Waldbründe gemeldet 600 Soldaten, die zurzeit an Manövern in der Nübe von Nizza teilnehmen, sind sofort an die hauptsächlich sten Brandstellen entsandt worden. Neue Brände wer den auch im Walde von Royuebrun bei Frcjus. ferner nördlich von Hyeres bei Toulon und in den Wäldern von Tavalaire, 30 Kilometer östlich von Hyeres ge meldet. Alle verfügbaren Truppen aus Toulon »nd Hyeres sind an die bedrobten Wälder entsandt worden. Noch größer scheint das Unglück auf der Insel Korsika zu sein. Man schätzt den bisher angerichteten Schaden auf etwa zehn Millionen Franken. Schweres Unwetter in Vaden. Karlsruhe, 19. August. Funkspr.) 3" den gestrigen späten Nachmittagsstunden ging über ganz Mittel-Baden ein außerordentlich schweres Un wetter verbunden mit wolkenbruchartigem Regen und starken Gewittern nieder. Am schwersten betrafst" wurde dabei der westliche Teil des Murg-Tals, wo einc Windhose ungeheuren Schaden an Häusern, Fluren und Obstbäumen anrichtete. Während des Unwetters herrschte totale Finsternis, so daß sich der Leute eine große Angst bemächtigte. Der Schaden wird auf Hnnderttausende geschätzt. In den dicht an das Murgtal anschließenden Wäldern wurde ein spazieren gehendes Ehepaar vom Unwetter überrascht. Es geriet unter einen umstürzenden Baum. Die Frau wurde ge tötet, der Mann leicht verletzt.