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Die „Bremen" über -em Ozean. 15. August 1927 In den unermeßlichen Aether, in das ungeheure Luftmeer haben sich deutsche Flieger erhoben, um den Versuch zu machen, zum ersten Male in einem non-stop- Fluge von Europa nach Amerika zu fliegen. Was seiner zeit, als die ersten Flieger von Amerika nach Europa herüberkamen, niemand zu hoffen wagte, daß zum Eegen- flug als erste deutsche Flieger aufsteigen würden, ist zur Wirklichkeit geworden. Das Problem eines transatlan tischen Flugverkehrs ist für uns ja nicht neu und wäre das von der ganzen Welt mit so ungeheurer Begeisterung aufgenommene Wettfliegen über den Ozean in diesem Jahre nicht eingetreten, so hätten wir mit Bestimmtheit darauf rechnen können, daß deutsche Flugwerften, nament lich die Junkerswerke, Flugmaschinen von so großen Dimensionen in Ruhe in den kommenden Jahren her- gestellt hätten, bei denen das Eefahrenmoment außer ordentlich herabgemindert werden und entsprechend der Sicherheitskoeffizient gesteigert wird. In der normalen Entwicklung des Flugzeugbaues liegt es, daß mit der ständig und rasch fortschreitenden Vervollkommnung der Technik immer größere Apparate gebaut werden können, an die ganz andere Ansprüche und Anforderungen zu stellen sind, als an die bisher ver wandten Typen. Aber die ruhige Entwicklung ist durch den Unternehmungsgeist kühner Menschen unterbrochen, zugleich aber auch in starkem Maße gesteigert worden, so daß heute allerdings mehr aus Propaganda, denn aus praktischen Gründen die Ozeanüberquerung mit dem vorhandenen zu diesem Zwecke ausgerüsteten Flugzeugen durch geführt wird. Ungleich schwerer als in voraussichtlich wenigen Jahren ist heute die Ueberfliegung des Ozeans im Flug zeug, weil in der Ueberlastung der Maschinen ein Ee fahrenmoment ruht, das später bei größeren Apparaten ausgeschaltet sein wird. Zwar werden die meteoro logischen Schwierigkeiten eines Europa—Amerika-Fluges, auf die schon oft hingewiesen wurde, die gleichen bleiben, aber man wird neue Mittel finden, sie zu bekämpfen. Unvergessen ist das Schicksal von Nungesser und Coli, die als erste noch vor Lindbergh den Ozeanflug wagten. Der „Weiße Vogel" ist verschollen, man hat die Hoffnung aufgegeben, je etwas von den Fliegern wie- derzufinden. Aber demgegenüber stehen die Erfolge von Lindbergh, Chamberlin, Byrd, die bewiesen, baß ein Dauerflug von 30 bis 40 Stunden selbst im Kampf gegen widrige Windverhältnisse bei der großen Prä zision, mit der heute die Flugmotoren arbeiten, durchführ bar ist. Allerdings haben alle drei darauf verzichtet, den Rückflug in umgekehrter Richtung anzuireten. Allein Levine, der Begleiter und Finanzmann Chamberlins, ist nicht von dem Projekt zurückgetreten und hat sich nach dem Ausscheiden Chamberlins einen französischen Piloten verpflichtet. Man muß bedenken, daß dieser nicht die Erfahrungen der drei amerikanischen Flieger hat und daher — wagemutiger als sie, zu dem kühnen Unter nehmen bereit ist. Daraus geht aber zugleich hervor, mit welchem Mut und welcher Entschlossenheit die deutschen Flieger die lange Lustreise antreten. Der schwierigste Teil des Fluges ist und bleibt im mer noch der Start, denn nur sehr schwer kann sich die überlastete Maschine vom Poden erheben. Deswegen hatte man ja auch in Dessau eigens eine Startbahn von 750 Meter Länge gebaut, die ein Gefälle von 2 Meter hat und aus einem 10 Meter breiten Beton streifen be steht, da auf dem vorhandenen Startplatz nicht an ein Aufsteigen des Flugzeuges zu denken war. *Zu den 750 Meter der neu erbauten Startbahn kommt noch erbe weitere Strecke von 750 Meter hinzu, aber beren Be nutzung mußte von den Fliegern möglichst vermieden werden, weil sie sonst in Gefahr gerieten. Aus dem Flugplatz selbst hatten sich nicht nur "Tau sende und Abertausende der begeisterten Einwohner Des saus versammelt, sondern außer den Hunderten von Ehrengästen waren aus dem Reich viele Fremde ein gelrossen, die schon seit längerer Zeit alle Hotelzimmer bestellt hatten, um nicht ohne Quartier zu sein, falls sich der Start verzögerte. Die Aufregung unter ihnen aber wurde übertroffen von der Nervosität der Journalisten, die nun schon über eine Woche in Dessau sind und jeden Schritt der Flieger überwachten. Galt es doch, jede Veränderung in den Dispositionen sofort weiterzu geben und sich durch nichts von der Nachrichtenjagd ab schrecken zu lassen. Argwöhnisch beobachtete der eine den anderen, ob ihm auch niemand zuvorkäme. Und dann, als sich die Flugzeuge erhoben hatten, sandte Draht, Telephon und Rundfunk die Mel dung von dem glücklichen Start in die ganze Welt hinaus. Gleichzeitig gedenken wir auch des Fliegers Kön necke, der von Köln aus seinen Ozeanflug antritt. Es gibt wohl nur wenige Deutsche, die nicht mit brennendem Interesse das Schicksal der deutschen Amerikaslieger ver folgen. Aber zweimal wird die Sonne auf- und unter gehen, ehe mit ihrer Landung jenseits des Weltmeeres zu rechnen ist. Viele Stunden werden vergehen, in denen wir um das Schicksal der Flugzeugführer und ihrer Begleiter bangen. Wir werden nicht ohne Nachricht von ihnen bleiben; denn es ist anzunehmen, daß sie unterwegs öfters Schiffe begegnen, von denen wir Nachrichten über den Verlaus des Fluges erhalten. Die Junkersflieger haben keine Sendestation mitgenommen, sondern haben nur einen Dreiröhrenempfangsapparak bei sich, mit dem sie die auf Welle 900 gesandten Wetter- und Orien- tierungsnachrichten aufnehmen können. Wenn der Starter aus der Rennbahn das Nudel der Pferde abgelassen hat, geht durch die Menge der Ruf: Ab! Fast so war es auch bei dem Aufstieg der Amerika-Flugzeuge. Jetzt schon schweben 7ie weit weg von Deutschland. Wir vertrauen auf die Leistungsfähig keit der Maschinen und den zähen, unbeugsamen Willen der Flugzeugführer, auf den Willen zum Sieg. Ab! Glückliche Fahrt, Euch, Ihr Ozeanflieger! * Das Wetter über -em Ozean. Die deutsche Seewarte gibt über die augenblick lichen Wetterverhältnisse über dem Atlantik folgenden Be richt heraus. Der Kern des Tiefs, der den Flug zu nächst verzögerte, läuft bei 55 Grad nördlicher Breite und 7 Grad Westlängen. Unter seinem Einfluß ist in Ir land und England starker böiger Südwest- bis Nord westwind. In Schottland herrscht westliche Luftströmung von 15 bis 20 Kilometer die Stunde. Diese Witte rungsverhältnisse herrschen bis 12 Grad Westlänge. Zwi schen 12. und 13. Grad ist eine außerordentliche Nord west-Luftströmung eingetreten, die Regenschauer mit sich bringt. Noch weiter westlich dreht der Wind aus Nord und Nordwest. Dessau, 14. August. Die „Bremen" startete heute um K.21V2 Uhr nachmittags mit Loose, von Hühnefeld und Koehl, und war 6.22 Uhr in der Luft. Der Start ging glatt vonstatten und die Maschine verschwand sehr schnell in westlicher Richtung über einem Walde. Die „Europa" setzte sich um 6.25 Uhr in Bewegung und erhob sich nach 30 Sekunden vom Erdboden. Eine Minute lang war die Maschine noch zu sehen, dann verschwand auch sie über dem westlichen Walde. Man sah, daß beide Maschinen bei der starken Belastung schwer zu kämpfen hatten, doch vollzog sich der Start bei beiden Maschinen glatt. Die Lotsen maschine O 31 war Punkt 6 Uhr gestartet. Vorzeitige Landung -er „Europa". Hannover, 14. August. Die deutsche Lufthansa teilt uns mit: Die „Europa" ist um 22.55 Uhr in Bremen gelandet. Bei der Landung ist die Maschine am Fahrgestell beschädigt worden; desgleichen brach ein Propeller. Personen wurden nicht verletzt. Die Landung dürfte durch die starken Nebel und Eewitterbildungen über der Küste verursacht worden sein. An Bord der „Europa" befanden sich die Piloten Risticz, Edzard und Mister Knickerbocker. Die genauen Startzeiten. Die amtlich bekannt gegebenen genauen Start zeiten sind „Bremen" um 18.20 Uhr, 47 Sekunden, „Europa" 18.25 Uhr, 13 Sekunden. Die „Bremen" über der Oslküsle Irlands. Berlin, 15. August, 8 Uhr vorm. Nach Mel dungen aus London hat die „Bremen" um 5.15 Uhr Kingstown passiert. Kingstown liegt etwa fünf englische Meilen süd östlich von Dublin. Danach scheint die „Bremen" von ihrem Kurs in südlicher Richtung abgewichen zu sein. Der Grund dafür dürfte wohl in den schweren Niederschlägen und ungünsti gen Windverhältnissen zu suchen sein, die über Nordirland herrschen. Nach den Zeitangaben fliegt die „Bremen" mit einer durchschnittlichen Stunden geschwindigkeit von etwa 140 Kilometern. Die „Europa" schwer beschädigt. Bremen, 15. August, 8.45 Uhr. Die genaue Untersuchung der „Europa" hat ergeben, daß das Flug zeug beim Landen auf dem hiesigen Flugplatz doch schwereren Schaden erlitten hat, als zunächst angenommen wurde. Der Propeller ist völlig unbrauchbar geworden. Ebenso ist das Fahrgestell nicht mehr zu gebrauchen. Die „Europa" ist gänzlich zusammengeklappt und liegt auf der Erde. Der Schwanz ist völlig abgebrochen, so daß man mit Bestimmtheit annehmen kann, daß das Flugzeug vorerst nicht wieder flug fertig gemacht werden kann. Zur Landung der „Europa". Die Telegraphen-Union erführt zu der Notlandung der „Europa" in Bremen noch folgendes: Nachdem die „Europa" bereits etwa eine halbe Stunde über der Nordsee flog, trat aus bisher unaufgeklärten Gründen eine Motorstörung ein, die den Flugzeugführer ver anlaßte, in der Richtung nach Bremen zurückzukehren. Nachdem das Flugzeug noch eine weitere halbe Stunde über dem Bremer Flughafen gekreuzt war, ging es um 2 2.55 Uhr nieder. Infolge der starken Belastung der Maschine kam das Fahrgestell und der Propeller zu Bruch. Die „Europa" hatte bereits in der Gegend von Magdeburg die Fühlung mit der „Bremen" ver loren. Die „Europa" für einen Ozeanflug unbrauchbar. Bremen, 15. Aug., 13.3V Uhr. Funkspr.) Wie die Besichtigung der Europa an der Notlandungs stelle ergeben hat, ist das Flugzeug für einen weiteren Ozeanflug auf keinen Fall mehr zu gebrauchen. Die „Europa" ist so stark beschädigt worden, daß es mehrerer Wochen bedürfen wird, uni sie wieder in Ordnung zu bringen. Wie einwandfrei festgestellt wurde, ist die Not landung eine sogenannte Schwanzlandung gewesen, bei der das Flugzeug mit dem Sporn auf einer geraden Kante so heftig geschlagen ist, daß der Schwanz sofort abbrach und nur an einigen Drähten mitgeschleift wurde. Wenige Sekunden spater rannte das Flugzeug, dessen Fahrgestell bei dem Anprall wegbrach, mit dem linken Flügel an einen 20—30 Zentimeter dicken Pfahl und drehte sich mit ungeheurer Wucht, etwa einen Meter über der Erde schwebend, fast völlig rechts herum, so daß es fetzt in entgegengesetzter Richtung zur Landungsrichtung liegt. Bei dem Aufschlagen auf den Boden ist der rechte Flügel zur Hälfte durchgebrochen. Der Propeller ist bei der Landung in zwei Stücke gebrochen, von denen eines etwa einen Meter vom Flugplatz entfernt in der Erdt steckt. O 31 fliegt nach Dessau zurück. Bremen, 15. August, 9.15 Uhr. Funkspr.) Das Presseflugzeug O 31 wird um 12 Uhr zum Rück flug nach Dessau starten. Die Piloten Risticz und Edzard fliegen mit. Auch das Ehepaar Knickerbocker wird an der Fahrt teilnehmen. Der Motor des Ozcanflugzeugs soll im O 31 mit nach Dessau genommen werden. Wie er neut bestätigt wird, ist die Notlandung der „Europa" auf das Versagen der Drosselklappe des Motors und das plötzlich auftretende Gewitter zu- rückzufllhren. Vorläufig kein Start der dritten Junkersmaschine. Dessau, 15. Aug, 11.45 Uhr. Funkspr.) Die Nachricht von der Notlandung der „Europa" in Bremen ist hier allgemein mit großem Bedauern ausgenommen worden. Ueber die weiteren Pläne der Ozeanflieger und einem evtl. Start der dritten Junkers maschine verlautet noch nicht s. Direktor Sach senberg erklärte, daß dies nicht außer dem Bereich der Möglichkeit liege, vorläufig werde jedoch noch nicht daran gedacht. Sollte der Start jedoch tatsächlich beschlossen werden, so dürfte die Besatzung des Flugzeugs die gleiche wie die der „Europa "sein. New-Bork in Erwartung -er „Bremen". Chamberlin will entgegen fliegen. Neuyork, 15. August, 10.45 Uhr. Funkspr.) Die Presse bringt die Meldungen über die deutschen Ozeanflieger mit großer Aufmachung. Einmütig wird das Bedauern über die Notlandung der „Europa" und die Verschiebung des Abfluges von Könnecke aus gesprochen. Auch die Wetterberichte werden in Fettdruck gebracht. Dabei wird unterstrichen, daß die Deutschen im Gegensatz zu den Franzosen sich nicht von dem schlech ten Wetter hätten abhalten lassen. Was die Vorbereitungen für den Empfang der „Bremen" anlangt, so beabsichtigt Chamberlin, ihr bis auf den Ozean entgegen zu fliegen und nach Mitchel- field das Geleit zu geben. Es ist aber noch strittig, ob die deutschen Flieger nicht Chikago als Ziel gewählt haben. Ein englisches un- vier französische Flugzeuge zum Ozeanflug -ereil. London, 15. August. Funkspr.) Der Ozeau flug der deutschen Flieger erregt in der englischen Oeffentlichkeit außerordentliche Aufmerksamkeit. Du' Blätter lassen sich von ihren Sonderberichterstattern in Dessau ausführliche Berichte senden. Die Vorbereitun gen und der Start der beiden Flugzeuge sowie der Ver lauf des Fluges finden um so größeres Interesse, als gegenwärtig auch ein britisches Flugzeug neben vier weiteren französischen und einem deutschen Flugzeug aus den Start nach Neuyork warten. Umkehr auch -er „Bremen"? Berlin, 15. August, 2 Uhr. . Funkspr ) Nach drei soeben bei der „Deutschen Lufthansa" vom Flughafen Croydon und Palham eingegangenen Funst sprüchen ist ein deutsches Flugzeug um 11.15 Uhr in der Nähe von Pulham in ost-südöstlicher Richtung fliegend gesehen worden. Die Erkennungs zeichen waren infolge des ungünstigen Wetters nicht festznstellen. Wie die Lufthansa Hannover meldet, war die „Bremen" wahrscheinlich infolge des ungünstigen Wet ters genötigt, ihren Ozeanflug abzubrechen. Sie st' um 11.15 Uhr an der Ostkiiste Irlands in Richtung Deutschland fliegend gesichtet worden. Eine Bestätigung dieser Meldung liegt noch nicht vor, jedoch ist es immerhin möglich, daß die „Bremen" wegen des ungünstigen Wetters ihren Ozeanflug abge brochen hat. * ProbefILge Könneckes. Könnecke stieg gestern um 17.55 Uhr zu seinem ersten Probeflug auf. Seine Maschine trägt bei seinem ersten Flug eine Eesamtbelastung von 5100 Kilogramm, wovon 1204 Kilogramm VIeibelastung sind. Die An laufzeit des ersten Probefluges betrug 25 Sekunden. Er blieb acht Minuten in der Luft. Bei einem zweiten Probeflug nahm önnecke eine weitere Belastung von 400 Kilogramm mit, so daß die Maschine nunmehr ein Gesamtgewicht von 5500 Kilogramm hatte. Die An laufzeit betrug jetzt 35 Sekunden. Er stieg sofort aus 200 Meter und führte einen Rundflug von neun Minuten aus. Eine neue -euische Ozean - Kan-i-alur. Wie die Telegraphen-Union soeben erführt, haben auch dieHeinkel-Werkein Warnemünde ein bc sonderes Flugzeug für den Trans-Ozeanflug vor bereitet. Diese Maschine soll mit einer noch vollkomme neren 8T.-Einrichtung ausgestattet werden, die das Flugzeug nicht nur in die Lage versetzt, Meldungen aufzunehmen und zu senden, sondern die vor allem eure ganz eingehende Funkpeilung ermöglicht, so daß aum die Orientierung bei fast völliger Dunkelheit garan tiert erscheint. So weit bis jetzt in Erfahrung gebracht werden konnte, dürfte das Flugzeug bereits in der allernächst^ Zeit startbereit sein. Nähere Einzelheiten über die Ab sicht der Heinkel-Werke und über die Besetzung des Flugzeuges mit Piloten, fehlen zurzeit noch.