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Krieg in Südamerika? Berlin, 9. Dezember. Wie aus London gemeldet wird, sind zwischen Paraguay und Bolivien offene Feindseligkeiten ausgebroche». Es ist bereits zu Schie- siereien längs der Grenze gekommen, die Vorposten in dem strittigen Gebiet El Chaco nördlich des Bahia- Negro, eines Nebenflusses des Paraguay, sind in Gefechte verwickelt. Beide Parteien haben Verluste an Toten und Verwundeten zu verzeichnen. Zn Bolivien ist Mobilmachung be fohlen worden und man er wartet stündlich die gleichen Maßnahmen in Paraguay. Es ist zu befürchten, daß auch andere südamerikanische Staaten in die Streitigkeiten ver wickelt werden können, da das Gebiet El Chaco ein Grenzgebiet zwischen Argentinien. Brasilien und Paraguay ist. Es verlautet gerüchtweise, daß äußere Beeinflussungen Boliviens für den Ausbruch der Feindseligkeiten verantwortlich sind. „Chicago Tribune" meldet, dasi die bolivischen Truppen das Fort Wanguardia wieder eingenommen hätten, wo sich die Paraguayer festgesetzt hatten. Aus La Paz wird dagegen gemeldet, dasi die Paraguayer später mit Verstärkungen zurückgekehrt seien. Die Ur sache des Konfliktes ist in d e n alten Meinungs verschiedenheiten zwischen den beiden Staaten über die Grenzziehung zu erblicken. Abbruch -er -tpkomatt chen Beziehungen La Paz (Bolivien), 9. Dezember. Auf die Nach richt von der Usberschreitunq der Grenze Boliviens durch paraguayische Truppen hat der Minister des Aeusieren dem Geschäftsträger Paraguays, Elias Ayala, seine Pässe überreicht. Ayala wurde am Nach mittag unter Bewachung an die Grenze geleitet. Wie zu den Gefechten an der Grenze ergänzend gemeldet wird, hat die 300 Mann starke Abteilung para guayischer Truppen die 25 Mann zählende Besatzung des bolivianischen Forts getötet. Grosze Erregung. Neuysrk, lO. Dezember. Wie aus La Paz in Boli vien gemeldet wird, herrscht in der bolivianischen Hauptstadt angesichts des Abbruches der diplomatischen Beziehungen zwischen Bolivien und Paraguay wegen der Grenzstreitigkeiten grosie Nervosität. Die Be völkerung glaubt, dasi der Krieg vor der Tür steh e. Durch die Weigerung der bolivianischen Negierung, den Erenzstreit einem Schiedsgericht zu überweisen, ist die Lage ausierordentlich verschärft word en. Andererseits hat die Aus händigung der Pässe an den paraguayischen Geschäfts träger in La Paz in Paraguay ausierordentlich ver ärgert. Auch in Asunzion rechnet man damit, dasi es zum Ausbruch von Feindseligkeiten kommen wird. Der Krieg unvermeidlich. Neuyork, 10. Dezember. Wie aus La Paz gemeldet wird, fanden in allen Orten Kriegsdemonstra- tionen statt. Der Präsident Boliviens erklärte vor einer Niesenmenge: Wir werden alle in den Krieg gehen, wenn es notwendig ist. Dem Geschäftsträger Paraguays wurden die Pässe und eine Note zuqestellt, worin Bolivien Paraguay alle Schuld an diesem Kon flikt zuschreibt. Paraguay nennt diese Note unverschämt und unzutreffend. Es stellt außerdem fest, dasi bereits bolivianische Truppen auf paraguayisches Gebiet über gehen und somit die Verantwortung Bolivien zufalle. Ans Washington wird gemeldet, dasi nunmehr auch Paraguay die Beziehungen zu Bolivien abgebrochen habe. Die amerikanische Negierung erklärt sich bereit, alles zu tun, um die Lösung des Zwischenfalles herbei zuführen. Paraguays Berichterstatter in Washington. Dr. Namires, hält den Krieg mit Bolivien unvermeid lich, da Bolivien jede freie friedliche Auseinandersetzung verhindere. Der Auftakt in Lugano. Die diplomatischen Besuche haben am Sonntag abend begonnen. Der französische Ausienminister Briand stattete als erster Dr. Stresemann in dem Palace-Hotel einen Besuch ab, der 1/« Stunde dauerte. Anschliessend begab sich Briand zu Chamberlain, der gleichfalls im Palace-Hotel abgestiegen ist. Die Unter redung zwischen Briand und Chamberlain war fedoch nur von kurzer Dauer. Ferner suchte der italienische Staatssekretär des Aeusisrn, Grandi, in Begleitung des italienischen Untergeneralsekretärs des Völkerbundes, Paulucci, den Generalsekretär des Völkerbundes. Sir Eric Drummond, im Palace-Hotel auf. lieber den Besuch Briands bei Dr. Stresemann wird folgendes mitgeteilt: Die beiden Minister haben in freundschaftlichem Ton einige auf der Tagesordnung des Völkerbundsrales stehende Fragen, sowie einige politische Fragen erörtert und sind zu der Auffassung gelangt, dasi weitere anschließende Aussprachen im Laufe dieser Tagung des Völkerbundsrates notwendig sind. Deutschlands Recht auf Räumung. London, 10. Dezember. In offiziellen Kreisen in London wird erklärt, dasi Sir Austen Chamber lain nach Lugano achgereist sei o h n e d i e A b s i ch t, dort das Reparationsproblemzu er örtern. Die britische Ansicht gehe dahin, dasi die Verhandlungen in dieser Frage ganz in den Händen der alliierten Regierungen bleiben solle und in dieser Hinsicht bestehe volle Uebereinstimmung zwischen dem britischen und dem deutschen Ausienminister. Dagegen nimmt man in London an, dasi Briand gewillt oder vielleicht sogar bemüht ist, die Reparationsfrage in ihren Rückwirkungen ans eine frühere Räumung des Rhsinlandes zu erörtern. Der deutsche Ausienminister hat demgegenüber, wie der diplomatische Korrespondent des „Daily Telegraph" betont, endgültige Instruktio nen, die Frage der Rheinlandrüumung nicht aufzuwer fen oder, wenn sie von irgendeiner anderen Seite ausge rollt werden sollte, auf das Bestimmteste darauf hinzu weisen. dasi Deutschland keine weiteren Verpflichtungen zu übernehmen bereit sei. Wenn die Befugnisse des vorgcschlagenen Feststsllunqs- und Nusqleichskomitees auf die gesamte entmilitarisierte Zone ausgedehnt wer den sollten, winde das tatsächlich die Errichtung einer Auslandskontrolie über Bezirke auf der rechten Seite des Nheinlandes bedeuten, die niemals besetzt wurden und die gleichfalls auf Grund des Versailler Vertrages niemals für die Besetzung vorgesehen waren. Es sei nun klar, so meint der Korrespondent weiter, dasi die französischen Forderungen und die Auslegung des Artikels 431 des Versailler Vertrages durch den bri tischen Ausienminister die deutsche Haltung in der Räu mungsfrage versteift hätten, die ohnehin vorher schon ziemlich fest war. Darüber hinaus müsse aber immer wieder daran erinnert werden, dasi selbst einige der Rechtsberater der britischen Regie rung im Zahre 1922, als die Frage des Eintrittes Deutschlands in den Völkerbund sich noch in den ersten Erwägungen befand, der Ansicht waren, dasi die Zulassung in den Bund Deutschland berechtigen würde, die Rhsinlandraumunq zu verlangen, da diese Zulassung den englisch-französisch-amerikani- : schen Garantieverträgen von 1919 automatisch ein Ende mache, selbst wenn sie durch Amerika ratifiziert s worden wären. Die heutigen Besprechungen in Lugano. ! Lugano, 10. Dezember. Die am Sonntag abend aufgenommenen diplomatischen Besuche sind heute vor- i mittag weiter fortgeführt worden. Um 10 Uhr erschien im Palasthotel Biandin Begleitung des französischen Generalkonsuls in E e n f, um die gestrige Aus sprache mit Chamberlain weiter sortzusetzen. Ferner suchte der italienische Staatssekretär Grandi im Palasthotel den rumänischen Gesandten Titu- lescu auf. Die verschiedenen Besprechungen wurden um 1l Uhr abgebrochen, da sich die Mitglieder des Völ- lerbundsratos zur Eröffnung der Rats tagung in oen Kursaal begaben. Heute nachmittag werden weitereBesprechungen Dr. Strese manns mit den a l l i i e r i e n A u ß e n m i n i - st e r n erwartet. In Delegationskreisen verlautet gerüchtweise, dasi der spanische Botschafter in Paris, Quinon es de Leon am Sonntag abend in einer Unterredung mit dem Generalsekretär des Völkerbundes, Drummond, die sem die Einladung der spanischen Regierung an den Völkerbundsrat übergeben hat, nach der der Rat aufge- sordert wird, seine nächste Tagung im März in Madrid abzuhalten. Eine Bestätigung dieser Gerüchte war bis her noch nicht zu erhalten. Eröffnung -er 53. Tagung -es Völkerbun-srates. Lugano, 10. Dezember. Der Völkerbundsrat hat heute vormittag um 11 Uhr mit einer Eeheimsitzung die gegenwärtige 53. Tagung des Rates eröffnet. Sämtliche 14 Ratsmitglieder mit Stresemann, Cham berlain, Briand, Titulescu, Adacchi und Zaleski sind anwesend. Ebenso sämtliche Generalsekretäre des Völ kerbundes. Die Tagung findet im Kursaal von Lugano statt. Die Verlegung der Tagung nach Lugano hat zu nächst zur Folge gehabt, dasi die Beteiligung der Presse und der gesamten Oeffentlichkeit ausierordentlich lebhaft ist. Der Kursaal zeigt ein bewegtes Bild. Die inter nationale Presse, insbesondere die italienische ist dies mal weit stärker als sonst der den Genfer Ratstagungen vertreten. Eine gewisse Spannung und erhöhtes Inter esse an den kommenden Verhandlungen sind unverkenn bar. Im Mittelpunkte der Tagung stehen naturgemäss die bereits aufgenommenen diplomatischen Verhand lungen zwischen den Aussenministern. Im Hinblick auf die diplomatischen Aussprachen werden die Sitzungen des Rates nur einmal täglich stattfinden und von kur zer Dauer sein.. Lugano, 10. Dezember. Der Völkerbundsrat hielt heute eine kurze öffentliche Sitzung ab. Briand, der gegenwärtige Ratsprüsident. gab der Genugtuung Aus druck, dasi es der Gesundheitszustand Dr. Stresemanns, Chamberlains und Titulescus erlauben werde, wieder von neuem ihre wertvolle Mitarbeit dem Rate zur Ver fügung zu stellen 'Rach Dankesworten Chamberlains an Briand, dankte Dr. Stresemann Briand. Er dankt besonders auch den Ratsmitgliedern und dem General sekretär des Völkerbundes dafür, dasi sie mit der Ver legung der Tagung nach Lugano einverstanden waren, da ein ärztliches Verbot ihm die Teilnahme an einer Genfer Ratstagung unmöglich gemacht hätte. Mit kur zen Worten dankte auch Titulescu für die Worte Briands. Briand brachte sodann den Dank des Völker- bundsrates an die Stadt Lugano und ihre Behörden zum Ausdruck. Coolidge und die Ratifizierung des Kelloggpaktes. London, 10. Dezember. Von amtlicher amerika nischer Seite wird erklärt, dasi Präsident Coolidges Wunsch für eine schnelle Ratifizierung des Kelloggpak tes durch den amerikanischen Senat vom grössten Teil der amerikanischen Oefentlichkeit unterstützt werde. Präsident Coolidge sprach am Sonntag gegenüber Be- - suchern im Weisien Haus die Hoffnung aus, dasi der Kriegsverzichtsvertrag in dieser Session vom Senat ' ohne Vorbehalt ratifiziert werde. Dadurch werde sein größter Wunsch erfüllt werden, bevor er das Weisse Haus verlasse. Staatssekretär Kellogg glaubt, wie die ihm nahestehenden Kreise versichern, dasi er mit seinen letzten Erklärungen, die von einer Reihe von Senatoren gehegten Zweifel beseitigt habe, dasi der Kelloggpakt zu einer neuen Verwicklung Amerikas in die europäischen Angelegenheiten führen könnte. Aman AUah -er Sieger. Der Führer der aufständischen Afghanen erschossen. Konstantinopel, 9. Dezember. Wie aus Kabul ge meldet wird, haben die Regierungstruppen den Führer des aufständischen Stammes Kudejali gefangen genom men. Er wurde dem Militärgericht übermittelt und sofort erschossen. Die Kämpfe zwischen den Regierungs truppen und den Aufständischen sind noch nicht beendet. Dschellalabad soll halb abgebrannt und die Bevölkerung nach Kabul geflüchtet sein. Die Kämpfe werden weiter fortgesetzt und die Regierungstruppen hoffen, im Laufe der nächsten Woche in Afghanistan die Ruhe wieder Herstellen zu können. Die auMändischen Afghanen ergeben sich. London, 10. Dezember. Vierzig Führer der auf ständischen Stamme haben sich, nach Berichten aus Kabul, nunmehr den Regierungstruppen ergeben. Zn Dschellalabad werden von den Regierungstruppen Bom benflugzeuge bereit gehalten für den Fall, dasi der Nest der Aufständischen trotz der im Gange befindlichen Frie- densverhandlungen die Kämpfe fortsetzen sollte. Ein anderer Bericht will dagegen wissen, dasi Teile der Stadt Dschellalabad sich noch in den Händen der Auf ständischen befinden. Die Verluste der Aufständischen. London, 10. Dezember. Die afghanische Gesandt schaft in London hat eine Mitteilung erhalten, die eine offizielle Bestätigung der schweren Kämpfe bei Dschella labad darstellt. Danach siind bei diesen Kämpfen 300 Aufständische getötet und 200 gefangen genommen wor den. Die Shinwaris füllen nach der gleichen Mitteilung inzwischen um Einleitung von Friedensverhandlungen gebeten haben, die gegenwärtig noch im Gange sind. Die Unruhen erstrecken sich nicht allein auf die Shin waris, sondern auch auf andere Stämme, die fedoch, wie man hofft, die Waffen stxeckcn werden, sobald es zu einer Beilegung der Unruhen mit den Shinwaris kommt. Die britische Negierung verfolgt die Vorgänge mit größter Aufmerksamkeit im Hinblick auf die Mög lichkeit des Uebertrittes von Aufständischen auf indisches Gebiet. Die passive Resistenz der österreichischen Postbeamten abgebrochen. Wien, 10. Dezember. Wie gemeldet wird, ist die Eeneraldirektion der Post mit den Vertretern der An gestelltenorganisationen am Freitag zu Vereinbarungen gekommen. Am Sonnabend nachmLiaa hielten sämt liche Organisationen der Posiaoaestellten n Wien und in den Landeshauptstädten Ventauensmannervel- sammlungen ab. Die Vereinbarungen wurden zur Kenntnis genommen und beschlossen, sofort die passive Resistenz abzubrechen und mit der Ausarbeitung der Rückstände zu beginnen Heute früh wird die rückstän dige Post im ganzen Bundesgebiet zugestelU werden. Von morgen an wird die Post wieder tadellos funktio nieren. Massenverhaftungen von Ukrainern in Lemberg. Warschau, 10. Dezember. Wie aus Lemberg ge meldet wird, haben die polnischen Behörden im Zusam menhang mit den angeblich von ukrainischer Seite aus gehenden Bombenanschlägen auf die beiden polnischen Zeitungen Massenverhaftungen unter der Bevölkerung vorgenommen. Unter anderem wurden im ukrainischen Studentenheim nicht weniger als 50 studierende Ukrai ner verhaftet. Der Zustand des englischen Königs besorgniserregend. London, 10. Dezember. Die beiden Sonntagsbe richte über das Befinden des Königs werden als wenig befriedigend angesehen. Die Erschöpfung, die nach 19tägiger Krankheit folgt, im Zusammenhang mit dem anhaltenden Fieder, geben Anlaß zu Besorgnis. Ebenso wird in den Kreisen, die über den Verlauf der Krank heit des Königs unterrichtet sind, trotz der Bezugnahme der beiden letzten Berichte auf den Pulsschlaq, der als ein befriedigender bezeichnet wurde, angenommen, dasi die Aerzte anzeigsn wollen, dasi der Puls zwar gleich mäßig ist, aber trotzdem eine gewisse Sorge besteht. Während der vergangenen Nacht ist wiederum einer der Aerzte im Palast geblieben, und vor dem Vucking- Ham-Palast hatte sich am Sonntag trotz der Kälte eine größere Menschenmenge angesammelt, als das sonst der Fall war. Einfturz -er neuen «siegbrücke bei Lrois-orf. Ein Toter, fünf Schwerverletzte Ans Siegburg wird gemeldet: Vorgestern abend stürzte plötzlich die im Neubau befindliche Sieg-Brücke, die zur neuen Autostraße Köln—Frankfurt a. M. ge hört, aus bisher unbekannter Ursache zu sammen. Cs handelt sich um eine Betonbrücke aus zwei größeren Vogen. Der eine Vogen überbrückt die Sieg, der zweite ein Vorflutgelände. Da Tag und Nacht an der Brücke gearbeitet wurde, sind mehrere Arbeiter verunglückt. Nach den bisher vorliegenden Meldungen ist ein Ar beiter ums Leben gekommen, der noch vermißt wird. Weitere fünf wurden schwer verletzt. Die erste Hilfe leistete die Fabrikfensrwehr der Manstädt-Werke in Troisdorf, die die Nacht über an der Unfallstelle mit Peckfackeln Bergungsarbeiten vornahm.