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Kurze Mitteilungen. Stresemann bei Hindenburg. Berlin, 21. Dez. Reichspräsident von Hindenburg nahm heute dem Bortrag des aus Lugano zurückge kehrten Reichsminister des Auswärtigen, Dr. Strese mann, entgegen. Wie der Kulmbacher Bahnhofsräuber festgenommen wurde. Kulmbach, 21. Dez. Wie zu der Festnahme des Kulmbacher Vahnhofsräubers ergänzend gemeldet wird, gelang es am Donnerstag abend einer Streife der Landespolizei Bayreuth in der Streit'schen Mühle bei Marktschorgast Len Verbrecher aufzuspllren. Der mit geführte Polizeihund „Arco" stellte den Räuber, packte ihn und zerritz ihm die Kniee. Der Verbrecher war wie gebannt und konnte mühelos festgenommen werden. Er .ourde nach Kulmbach überführt und im Bezirksamts gebäude einem ausführlichen Verhör unterzogen. Er legte ein volles Geständnis ab. Es handelt sich um den 30jährigen Maler Werner aus Wewelsberg. Kreis Minden, der bereits mit acht Jahren Zuchthaus wegen Meuterei vorbestraft ist. Der Kampf um die Fkottcnoorlaqe und den KeÜoggpakt. Neuqork, 21. Dez. Die Kampfstimmung zwischen den Anhängern der Flottenvorlage und denen des Kelloggpaktes im Senat dauert an. Die Verhand lungen über beide Punkte wurden aus den 3. Ian. ver tagt. In politischen Kreisen ist man der Ansicht, datz die Spannung in beiden Lagern sich noch verstärken . wird. Senator Borah machte den Vorschlag, zuerst die Ratifizierung des Kelloggpaktes und dann die der Flottenvorlage vorzunehmen. Die Grunölagen Ler Einigung. Einladung an Amerika. Paris, 21. Dez. Voraussichtlich wird die Ein ladung Amerikas zurTeilnahme andcn Arbeiten des Sachverständigen aus schuss e s im Laufe des heutigen Freitag in Washing ton durch den Botschafter Englands in seiner Eigenschaft als Doyen des diplomatischen Korps im Namen der deutschen und der alliierten Regierungen erfolgen. Da das Staatsdepartement benachrichtigt wurde, rechnet man damit, das; die Antwort in Kürze erfolgen und be jahend ausfallen wird. Was die Zusammensetzung der französischen Delegation betrifft, so steht jetzt fest, datz der Gou verneur der Bank von Frankreich, Moreau, dis Dele gation führen und an Stelle des Universitätsprofessors A l l i x, der frühere Direktor für Iondsbewegung im Finanzministerium, Parmentier, treten wird. Parmentier war bereits Delegierter Frankreichs im Daweskomitee und vertritt Frankreich augenblicklich im Transferkomitee. Er ist der intimste Freund Oven Poungs. der Amerika in Genf vertrat und vielleicht auch im neuen Sachverständigenausschutz vertreten sein wird. Schwere Gasexplosion in London Am Donnerstag vormittag ereignete sich im Zen trum Londons eine furchtbare Gasexplosion. Die De tonation war so stark, das; im Umkreis von drei Kilo metern alle Gebäude erschüttert wurden. Ein Auto mobil wurde in die Luft geschleudert. Der Führer soll tot sein. Dre Zahl der Verletzten wird bis jetzt mit 13 angegeben. Unter den Verletzten befinden sich mehrere Schwerverletzte. Außerdem haben sechs Personen Eas- nergiftungen erlitten. Um 5 Uhr nachmittags, neun Stunden nach der : ersten Explosion, be'and sich noch ein grotzcr Teil der Londoner Feuerwehr an der Unfallstelle, um für so- ; fortige Hilfsmatznahmen bereit zu stehen. Die Gas-, ' Wasser und Lichtversorgung des Unglücksbezirks ist j völlig unterbrochen. Zurzeit wird an der Herstellung i einer Notwasserleitung gearbeitet. Man nimmt an. Latz das Unglück durch Kurzschlutz herbeigeführt worden i ist. An verschiedenen Punkten waren die Explo- ' sionen, die sich übrigens am Nachmittag noch fort setzten, autzerordentlich stark. Eins der Explosionen ver ursachte einen Brand in einem Gebäude, in dem sich die Geschäftsräume mehrerer Filmgesellschaften be fanden. Das Gebäude ist innerhalb kurzer Zeit zerstört worden. Die inzwischen behobene allgemeine Panik lebte infolge des Brandes wieder aus. Der Gesamt schaden wird auf mindestens drei Millionen Mark ge schätzt. Allein der Schaden, der durch das Aufreitzen des Stratzenpflasters entstanden ist, dürfte eine Million Mark betragen. Im ganzen Erplosionsgebiet darf nicht geraucht werden. Es mutet wie ein Wunder an. datz bei dem Unglück niemand ums Leben ge kommen ist. Aus aller Well. * Die Tragödie des Schulschiffes „Pommern". In der Verhandlung des Unfalles des Schulschiffes „Pom mern" vor dem Seeamt in Brake am Donnerstag wurde folgender Spruch gefällt: Der Führer des Schulschiffes kann für das Schicksal des Schiffes nicht verantwortlich gemacht werden. Das Verlassen des Schiffes war ge rechtfertigt, da mit der Strandung des Schiffes aus den der Insel Guernsey vorgelagerten Klippen und mit dem Verlust des Schiffes und der Besatzung zu rechnen war. Die umsichtigen und tatsächlichen Matznahmen des Führers zur Rettung von Schiff und Besatzung, sowie das mustergültige Verhalten der Besatzung, sind anzuer kennen. Mängel in der Bauart, der Beschaffenheit der Ausrüstung, der Beladung und der Bemannung des Schiffes sind nicht festzustellen. Hohe Anerkennung spricht das Seeamt auch dem Führer des Teeschleppers „Heros", Kapitän Reinecke, und seiner Besatzung aus, i deren Verhalten bei dem Rettungs-werk eine seemän- ! irische Glanzleistung darstellt. * Die Angelegenheit der ehemaligen Hausdame des Professors Rosen. Bekanntlich war auf Grund des Be- ! schlusses des Oberlandesgerichtes Breslau der Zivil- j prozetz zwischen Frau Neumann, der Hausdame des be- i kanntlich ermordeten Professors Rosen, und den Erben von Professor Rosen vorläufig ausgesetzt worden. Am § Mittwoch nachmittag sand nun vor der VII. Vollkam- ! mer des Landgerichts Breslau ein Verhandlungs- termin statt, in dem zu der von der Klägerin bean- j tragten Wiederaufnahme des Verfahrens Stellung ge- : nommen werden sollte. Nach kurzer Beratung wurde s der nachstehende Beschlutz verkündet: Der Beschlutz des Oberlandesgerichics in Breslau vom 13. Juli 1928 , wird als nicht mehr wirksam erachtet, weil das Land- gericht unterstellt, datz das Oberlandesgericht von der ! Voraussetzung ausgegangen ist, datz die seit langem j schwebende Voruntersuchung innerhalb eines mätzigen Zeitraumes beendet sein würde, ein solcher aber nun ¬ mehr als verstrichen angesehen werden kann. Ein neuer Termin wird erst im Jahre 1929 stattfinden. * Schwere Jungens. Die kürzlich in Amsterdam festgenommenen Bankräuber Hannak und Külsen haben nach längerem Leugnen nunmehr eingestanden, am 27. Juni den Raubüberfall auf die Filiale der westholstei nischen Bank in Hellbrock ausgefllhrt zu haben, wobei der Bankvorsteher Bienwald erschossen wurde und den Tätern etwa 5000 Mark in die Hände fielen. Bis zu ihrer Festnahme haben Hannak und Külsen nach ihrem weiteren Geständnis "mehr als hundert Einbrüche in verschiedenen Großstädten, wie Düsseldorf, Köln, Mün chen, Stuttgart, Nürnberg, Frankfurt a. M., Dresden, Leipzig und Halle ausgefllhrt. * Das Ende der Verbrecherjagd bei Kulmbach. Der eine Räuber von Kulmbach, der am Donnerstag morgen nach dem Feuergefecht auf dem Bahnhof Neuen- markt-Wirsberg geflüchtet war, konnte von einem starken Landespolizei- und Eendarmerieaufgebot mit zahlreichen Polizeihunden umstellt werden. Am Abend gelang die Festnahme des Verbrechers in Marktschor gast. Der Räuber wollte sich der Verhaftung wider setzen, wurde aber von einem Polizeihund angefallen und kam dadurch nicht mehr zum Schienen. * Mit dem Auto gegen die geschlossene Schranke. Ein Toter sechs Verletzte. Am Mittwoch morgen wurde aus dem bewachten Bahnübergang am Bahnhof Hohenbocka der Bahnstrecke Kohlfurt-Falkenberg ein Lastkraftwagen von einem Personenzug überfahren und vollständig zertrümmert. Der Wagen fuhr auf noch nicht geklärte Weise gegen die geschlossene und gut be leuchtete Schranke. Der Wagenführer und Besitzer des Autos wurde getötet und einer der Mitfahrenden schwer, der andere leicht verletzt. * Weitere Verhaftungen in der Wechsslangelegen- beit Litwinow. In der Wechselangelegenheit Litwinow sind zwei weitere Verhaftungen vorgenommen worden. Es handelt sich um den 42iührigen Berliner Bankier Marc Joffe und Len 28 Jahre alten Bochumer Hotel besitzer Willy Wiborius Gleichzeitig wurden zahlreiche Schriftstücke in russischer und deutscher Sprache beschlag nahmt. Litwinow, der mit seiner polnischen Freundin vor acht Tagen seine Hotelwohnung in Paris bezogen hat und sehr zurückgezogen lebte, hat energisch gegen seine Verhaftung protestiert. Es handelt sich bekannt lich um den Bruder des russischen Staatskommissars Litwinow. * Ueberschwemmungen in der Krim. Wie gemeldet wird, haben in der Krim seit einigen Tagen anhaltende Regengüsse und die Schneeschmelze grotze Ueberschwem mungen verursacht. Die Flüsse sind über die User ge treten und haben viele Dörfer mit ihren Obstanlagen unter Wasser gesetzt. Der bisher angerichtete Schaden ist sehr grotz. Drei Todesopfer eines Brandunglücks in Berlin. Unsere Aufnahme zeigt die Brandstätte. Die Feuer wehr hatte Alarmstufe zehn durchgegebsn, so datz sich ein Drittel der Berliner Wehren an der Brandstelle befand. Das Gebäude brannte jedoch vollkommen aus, da sich alle Wasserstrahlen der ungeheuren Hitze-gegenüber als wir kungslos erwiesen. Wolken und Sonnenschein. Roma» von Emtlie Sich«. 81) (Nachdruck verboten.) Leone wußte nicht, ob Martin Richter sie gesehen, er hatte nur einmal flüchtig nach ihrer Richtung geschaut. Als er mit dem Mädchen die Wirtschaft verlassen hatte, fühlte sie plötzlich ein so beengendes Gefühl auf der Brust. Sie entschuldigte sich mit Kopfschmerzen bei dem Vater und ging allein nach Hause. Seitdem hatte sie Maitin Richter nicht mehr gesehen, aber schon viel von ihm gehört: daß die Mädchen eifrig hinter ihm her wären, nicht allein die Sonnenheimel, auch die der umliegenden Ortschaften, und daß er sehr oft im Schwanen einkehrte. Ter Zug hielt und der Schaffner ries „Berghausen'. Es war die Station vor Sonnenheim und der Mann, der neben Martin Richter saß, erhob sich. Leone Wurf einen verstohlenen Blick auf die beiden, sah, wie sie sich die Hände schüttelten und wie Martin Richter noch einmal zum Fenster hinausgrüßte, dann wandte sie sich wieder eifrig ihrem Buche zu. Sie fühlte ein nervöses Unbe hagen und war froh, daß die Fahrt bald vollends zu Ende war. Da fuhr der Zug auch schon wieder langsamer und einige Augenblicke später hielt er: Sonnenheim. Martin Richter, der dicht bei der Türe saß, war schon draußen; Leone war froh, sie wollte ihm nicht begegnen. Sie knöpfte ganz gemächlich ihre Jacke zu und setzte den Hut auf, als habe es gar keine Eile; dann griff sie nach ihrer Reisetasche, nickte dem Manne zu, der noch im Wagen saß, und ging hinaus. Die Schalten der Abenddämmerung lagen schon über Sonnenheim und ein laues Lüstchen strich ihr sanft über die Wangen. Sie schaute sich nicht nm, ging langsam durch das Bahnhofsgebäude und die steinerne Treppe hin ab. Die Eltern wußten nicht, mit welchem Zuge sie kam, sonst hätte sie sicher jemand abgeholt. Die Hauptstraße war vom Bahnhof ab ein Stück weit von mächtigen Waiuuß- bäumen eingesäumt und als sie sich dein ersten derselben näherte, trat jemand auf sie zu. Im ersten Augenblick er schrak sie, aber sie hatte sich gleich wieder gefaßt und blieb stehen. Martin Richter zog den Hut und streckte ihr die Hand entgegen. Dabei sagte er: „Guten Abend, Fräulein Leone! Ich habe gemerkt, daß niemand Sie abholt; darf ich Sie nach Hause begleiten?' Sie hatte sich schon wieder ganz in der Gewalt und schüttelte herzlich die dargebotene Hand. Der Groll, den sie in den letzten Wochen gegen den Mann empfunden, war schon halb verflogen; aber sie wollte ihren kühlen Verstand zusammenbehalten, wollte sich nicht verraten. So sagte sie lachend: „Ich dachte schon, Sie hätten die alten Be kannten vergessen, und es freut mich, wenn dies nicht so ist.' Er gab keine Antwort darauf, sondern sagte: „Kann ich Ihre Tasche tragen?' Sie reichte ihm schweigend den kleinen Koffer, dann gingen sie weiter. Das Trottoir war ziemlich schmal und sie nahm den dargebotenen Arm des Mannes. Sie wußte, daß ihre Stimme jetzt nichts mehr von den sie bewegenden Gefühlen verriet, und fragte: „Gefällt es Ihnen wieder daheim?' Er erwiderte: „Ja, sehr gut; die Welt draußen ist wohl schön, aber doch nicht so wie die Heimat.' „Werden Sie wieder in Sonnenheim bleiben?' „Ich weiß noch nicht !' Er schwieg eine Weile, dann sagte er lachend: „Wenn ich ein liebes Mädel hätte ganz allein ist es nicht einmal zu Hause schön.' Leone scherzte: „Ihnen wird es doch sicherlich daran nicht fehlen; Sie haben ja schon alle Mädchen der ganzen Umgegend aus dem Häuschen gebracht.' Er lachte wieder: „Ja, es ist wahr, und ganz ohne meine Schuld; aber bis jetzt ist noch immer nicht die eine darunter, an die ich die vielen Jahre gedacht habe.' Leone lachte etwas gezwungen. Sie hatte ein eigenes Gefühl bei diesen Worten des jungen Mannes und gab nicht gleich Antwort. Viele der Sonnenheimer saßen vor den Häusern; es war nicht ganz dunkel und die Leute kannten sic und ihren Begleiter sicherlich, aber sie grüßte niemanden. Sie gingen ganz langsam, aber doch war sie nur noch einige Schritte von zu Haufe entfernt. Sie sah Licht im Zimmer ihres Vaters und sagte: „Meine Eltern denken noch gar nicht an mich.' Marlin Richter wandte sich ihr lebhaft zu: „Dann eilt es auch nicht so sehr mit dein Heimgehen, Fräulein Leone! Ich habe mich schon lange aus das Wiedersehen mit Ihnen gefreut und lasse Sie so schnell nicht wieder fort." Die Worte waren ernst gesprochen und sie war glück lich darüber; aber ihre Antwort klang wieder in gleich gültigem Scherz: „Morgen wird es ganz Sonnenheim wissen, daß Sie mich heimbegleitet haben.' „Ja, aber das schadet nichts, oder ist es Ihnen un angenehm?' Sie wehrte hastig: „Nein, nein, ich frage nichts danach.' Eben kamen sie an Leones Garten vorbei, sie sah prü fend unter die großen Obstbäume, aber es war niemand da. Sie sprachen nicht mehr viel, Martin Richter hielt nur ihren Arm etwas fester. Endlich waren sie außer halb des Städtchens und befanden sich auf der brüten, von Obstbäumen eingefaßten Landstraße. Martin Richler blieb plötzlich stehen, stellte Leones Reisetasche auf oen Boden und nahm ihre beiden Hände. Lange sagte er kein Wort und sie sah fragend zu ihm auf. Sein Gesicht konnte sie nicht deutlich sehen und das Gefühl seiner Nähe ver wirrte sie, daß auch sie kein Wort hervorbrachte. Endlich fragte er flüsternd: „Hab' ich jetzt lange genug gewartet, Leone?' Sie gab keine Antwort, senkte nur leicht den Kopf: aber dies sagte ihm anscheinend doch, was er wissen wollte, denn im nächsten Augenblick hielt er sie in den Armen und sie erzählten sich gegenseitig von vem Hoffen und Sehnen langer Jahre. Ende.