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Dr. Simons Beschwerde abgelehnt. Berlin, 21. Dez. Die Beschwerde des Reichsgerichts- prüsidenten Dr. Simons an den Reichspräsidenten in der vor dem Staatsqerichtshof schwebenden Streitsache wegen der Besetzung der Stellen im Verwaltungsrat der deutschen Reichsbahngesellschast hat der Reichspräsident durch nachstehendes Schreiben beantwortet: Sehr geehrter Herr Neichsgerichtspräsident! Ihre Beschwerde vom 16. Dezember in der vor dem Staatsqerichtshof für das Deutsche Reich schwebenden Sache wegen der Besetzung der Stellen im Verwal- tunqsrat der deutschen Reichsbahngesellschaft, hat mir Anlatz gegeben, den Sachverhalt im allgemeinen und die Entscheidung der Reichsregierung über die Wieder- Lesetzung der vier frei gewordenen Stellen vom 14. De zember im besonderen nachzuprüfen. Nach dem Ergebnis dieser Nachprüfung bin ich der 'Auffassung, datz die Neichsregierung ver- fassungs- und pflichtgemäs, gehandelt hat, dah insbesondere weder ein Eingriff in die ver fassungsmässige Tätigkeit des Staatsgerichtshofes, noch irgend eine Minderung der Autorität seiner Gerichts barkeit vorliegt. Zu einer förmlichen Entscheidung über die Be schwerde erachte ich mich aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht für berechtigt. Mit der Versicherung meiner vorzüglichen Hochach tung und mit freundlichen Grützen bin ich Ihr sehr ergebener qez. von Hindenburg. s Diese Entscheidung ist dem Reichsgerichtspräsi ! denten durch Reichskanzler Müller übersandt worden. ! der namens der Reichsregierung ein Begleitschreiben s hinzusügte, in dem es u. a. solgendermatzen heitzt: ! Die Ernennung der Verwaltunqsratsmitglieder i mutzte in diesen Tagen erfolgen, weil sonst schwere, ! Schädigung der Neichssisenbahn befürchtet werden s mutzten. Die Neichsregierung bittet Sie, davon Kennt- ! nis zu nehmen, datz von einer Mitzachtung der Neichs- regierunq gegenüber dem Reichsgericht nicht die Rede sein kann. Die Reichsregierung ist davon überzeugt, datz auch der Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich den vorstehenden Darlegungen entnehmen wird, datz sie ihm in keiner Weise die Ächtung und das Vertrauen versagt hat. die ihm gebühren. Ein offizielles Rücklrillsgesuch Les ReichsgerichksprüffLerrlerl. Berlin, 21. Dez. Amtlich wird mitqetrilt: Reichs präsident von Hindenburg hat den Reichsqerichtsvrä- sidenten Dr. Simons in einem persönlichen Schreiben gebeten, baldmöglichst nach Berlin zu kommen, um den entstandenen Konflikt und zugleich das inzwischen ein gegangene Rüütrittsqesuch des Reichsgerichtspräsidenten zu besprechen. Der Reichsgerichtspräsident Dr. Simon hat mitgeteilt, datz er morgen beim Herrn Neichsprim denten sich einfinden wird. Schiedssprüche in Der Schiedsspruch im Eisenkonslik! Berlin, 21. Dez. Reichsinnenminister Severing verkündete heute im Eisenkonflikt einen sieben Druck seiten langen Schiedsspruch, in dem es u. a. heitzt. Für die Zeit von der Wiederaufnahme der Arbeit bis zum 31. Dezember 1928 regelt sich die Entlohnung nach dem für verbindlich erklärten Schiedsspruch vom 27. Okto ber 1928. Mit Wirkung vom 1. Januar 1929 erhalten die in reinem Zeitlohn Beschäftigten im Alter von über 21 Jahren eins nicht akkordsähiqe Zulage nach Matz gäbe einer besonderen Tabelle, in der Zulagen von 1 bis 6 Pfennigen je nach den bisherigen Zeitlohn gewährt werden. Die Ecklöhne bleiben unverändert. Die so zialen und sonstigen tariflichen Zulagen werden durch diese Regelung nicht berührt. Die Akkorde sind so anzu- setzen, datz der Durchschnittsarbeitsr bei gesteigerter Lei stung unter normalen Betriebsverhältnissen 15 v. H. über den Tariflohn der entsprechenden Gruppe hinaus verdienen mutz. Für die Dauer der Arbeitszeit sind die gesetzlichen V rschriften matzqebend. soweit sie nicht durch die Arbeitszeitregelung dieser Entscheidung oder durch sine spätere Vereinbarung der Tarifvertrags- Parteien in zulässiger Weise abgsändert werden. Mit Wirkung vom 1. Januar 1929 wird die Arbeitszeit für alle Arbeiter, die 69 Stunden arbeiten, allgemein auf 57 Stunden je Woche verkürzt. Die Arbeitszeit ist in den verschiedenen Spezialbetrieben, wie Eietzereien, Schwcitzereien usw. nach einer besonderen Vereinbarung geregelt, die im Schiedsspruch fsstgeleqt ist. Matz- reqelunqen aus Anlatz des Lohntarifes sind unzulässig. Vor Verkündigung des Schiedsspruchs. Dortmund, 21. Dez. Reichsinnenminister Seve ring iit heute vormittag 10 Uhr im Magistratssitzungs- Arb eitskonflikten. saal des Dortmunder Rathauses mit den Vertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer von Nordwest zu sammengekommen, um ihnen seinen Schiedsspruch zu verkünden. Der Minister erklärte Pressevertretern, datz er den Schiedsspruch in den Mittagsstunden im Hotel „Römischer Kaiser" der Presse bekannt geben werde. Der Schiedsspruch im Werftarbeiterstreik Berlin, 21. Dez. Im Werftarbeiterstreik, in dem der Reichsarbeitsminister im öffentlichen Interesse ein neues Schlichtungsverfahren eingeleitet hatte, ist nach zweitätgigen Verhandlungen heute ein Schiedsspruch zu Stande gekommen. Er setzt die reaelmätziqe Arbeits zeit auf 5V Stunden wöchentlich und vom 1. November 1929 auf 49 Stunden wöchentlich fest. Darüber hinaus können nach der Arbeitsordnung oder im Einverständ nis mit dem Arbeiterrat Ueberstunden geleistet werden. Der regelmäßig 25 v. H. betragende Ueberstnndenlohn zuschlag ist künftig für jede über 48 Stunden wöchent liche Arbeitszeit zu zahlen. Die Lohnsätze sind: Unter Wegfall des bisher für Mehrarbeit gezahlten Zuschlages von 1 Pf. auf den Stundenlohn gegenüber dem ersten Schiedsspruch um 1 Pf., also auf 5 Pf. pro Stunde er höht. Für die Urlaubstage wird Lohn in Höhe des Durchschnittsverdienstes des einzelnen Arbeiters ge zahlt. Sämtliche tariflichen Vereinbarungen sollen bis 30. Juli 1930 laufen und falls sie da nicht gekündigt werden, sich um je ein Jahr verlängern. Ueber An nahme oder Ablehnung des Schiedsspruches, haben sich die Parteien bis 28. Dezember 1928 zu erklären. Er folgt die Annahme oder Verbindlichkeitserklärung, so soll die Wiedereinstellung möglichst sofort und ohne Maßregelung erfolgen. Lärmszenen im Unterhaus. London, 19. Dez. Nach der Unterhauserklärung Chamberlains kam es zu einer grotzcn Lürmszene, als Chamberlain die Beantwortung der Frage Kenworthys abgclehnt hatte, ob irgendwelcher Fortschritt in der Rheinlandräumung gemacht worden sei. Mehrere Ab- geordnete der Arbeiterpartei sprangen von ihren Sitzen s auf und verlangten st iirmischwcitereEin- zelheiten Uber die Verhandlungen in Lugano. s Der Oberst Wedewood protestierte auf das heftigste dagegen, datz Chamberlain weitere Informationen ver weigere. Äls hierauf Wedewood von konservativer s Isolde Kurz, die schwäbische Dichterin, wird am 21. Dezember 75 Jahre alt. Aus einem künst lerisch regsamen Hause stammend — ihr Vater war Uni versitätsbibliothekar in Tübingen und sowohl als Schrift steller wie als Uebersetzer bekannt — verbrachte die Dich terin ihre Lebensjahre zum großen Teil in Italien und später auch in Griechenland, wo sie ihre reifsten Werke schuf. Ihre „Florentmischen Novellen" und ihre Romane haben sich rasch einen großen Leserkreis erworben. Seite zugerufen wurde, er solle sich setzen, kam es zu einem Tumult. Der Abgeordnete der Arbeiterpartei, Kirkwood, rief. „Solange unsere Truppen am Rhein bleiben, wird kein Friede werden. Die Besetzung fängt an lächerlich zu werden!" Neue Angriffe gegen Chamberlain. London, 21. Dez. Im Unterhaus stellte Oberst Wedgwood die Frage, ob bei den nüchstiährigen Manö oern im Rheinland für die Vermeidung der Teilnahme britischer Truppen an den französischen Bedungen Sorge getragen werde. Kriegsminister Worthington Evans erwiderte. Nein Wenn britische Truppen wieder ein geladen werden, n:r Liesen Manovern teilzunehmen, so wird diese Einladung im Lichte der dann herrschenoen Verhältnisse geprüft werden. Riley fragte, ob der Kriegsminister nicht auch glaube, datz eine Beteiligung britischer Truppen darauf angelegt sei, in Deutschland Verstimmung hervorzurufen. Diese Fräse wurde ver neint. (!) Hierauf fragte Kenworthy: Behandelt der Minister diese ganze Angelegenheit als Scherz? Rennie Smith fragte: Kann der Kriegsminister sagen ob diese Sonderaktion mit den freundschaftlichen Beruflich tungrn die wir Deutschland gegenüber eingegangen sind, in Einklang steht? Worthington Evans erklärte, diese neuen Fragen hätten nicht das geringste mit der Be teiligung an den Manövern zu tun. Darauf entgegnete Kenworthy: Der Minister nimmt diese Angelegenheit nicht ernst: sie ist sehr ernst. — Im Unterhaus erklärte in Erwiderung aus An fragen Außenminister Chamberlain über die Rhein landfrage: Soweit die Besprechungen von Lugano in Betracht kommen, kann ich dem neulich Gesagten nichts hinzufügen. Es sind keine neuen Verpfichtungen ein- qeganqen oder von irgend jemand gesucht worden. Die Negierung wünscht, datz das Rheinland so bald wie möglich geräumt werden. Earro Iones (Liberal) rief dazwischen: „Das ist nichts als eine allgemeine Redens art." Chamberlain fuhr fort: „Anfragen im Unter haus, die mich zu einer Erklärung veranlassen sollen, ob ich eine bestimmte französische oder eine bestimmte deutsche These unterstütze, sind nicht geeignet, zu diesem Ergebnis zu führen. Wenn ich auf diese Fragen ant worte, und somit öffentlich Partei ergreifen wollte dann würde es meinen eigenen Einfluß und den Einfluß Großbritanniens zugunsten der Räumung, die von allen s drei Mächten gewünscht wird, abschwüchen. Ich lasse mich auf diese Frage nicht weiter ein. Eine Zwischenfrage, ob eine Vereinbarung bestehe, datz die britischen Truppen nicht ohne Zustimmung Frankreichs aus dem Rheinlands zurückgezogen werden würden, beantwortete Chamberlain verneinend und fuhr fort: Wir haben keine Verpflichtungen über nommen, unsere Truppen länger im Nhcinlande zu lassen, als wir es für richtig halten. Aber ich glaube nicht, datz irgendein wertvolles Ergebnis durch die Zu rückziehung der 7600 britischen Soldaten erreicht werden würde,- wenn alle anderen Besatzungstruppen dort blieben. Im weiteren Verlauf ging der Außenminister dann noch auf die Stellung Großbritanniens zu Rußland und Amerika ein. Er betonte, daß in den Beziehungen zu Moskau keine Aenderung eingetreten sei. Zwischen zwei Staaten mit so engen Beziehungen auf den mannigfaltigsten Gebieten wie England und Amerika, könne nach seiner Auffassung keine dauernde Verstimmung bestehen. Ueber die Be dingungen des neuen Schicdsgerichtsvertrages und die weiteren Schritte zur Herbeiführung der all gemeinen Abrüstung stelle die Regierung eine sehr sorgfältige Untersuchung an. Sie sei bis jetzt noch zu keinem bestimmten Beschluß gelangt, der sie in die Lage versetzen würde, weitere Verhandlungen mit der Regierung der Vereinigten Staaten über die Flotten- abrüstung einzuleiten. Die polnische Presre zum offenen Bries -es Deuifchen Volksbundes. Kattowitz, 20. Dez. Von dem offenen Brief, den der Deutsche Volksbund an Zaleski gerichtet hat, nimmt die polnische Presse wie folgt Stellung: Die „Polonia", das Organ Korfantys, schreibt, der Brief ist in ruhigem Ton gehalten und dient zur Rechtfertigung des Deut schen Volksbundes. Man kann die Erklärung des Deut schen Volksbundes, daß seine Mitglieder loyale Staats bürger sein wollen und den nationalen Frieden in Schlesien anstrebcn, zur Kenntnis nehmen. Immerhin aber mutz gesagt werden, daß manche Taten des Volks bundes mit dieser Erklärung nicht vereinbar sind. Wir sind weit entfernt davon, den Deutschen das Recht zur Pflege ihrer kulturellen Güter abzusprechen, aber leider hat die Arbeit des Volksbundes nicht nur kulturelle, sondern auch politische Ziele. — Unter der Ueberschrift „Der Wolf im Schafspelz" nimmt das offiziöse Regie rungsorgan „Polska Zachodnia" zu dem Brief Stellung, und bezeichnet ihn als heuchlerischen Versuch zur Recht fertigung des Volksbundes, dem niemand Glauben schenken wird. Die Versuche in dieser Richtung seien vollkommen zwecklos. Im übrigen will das Blatt noch in einem längerenArtikel dazu Stellung nehmen. In der gleichen Tonart ergehen sich die übrigen polnischen Blatter. Die Zusammensetzung -es Sachversiänöigen - Ausschusses. Paris, 21. Dez. Das gemeinsame Kommunique der sechs Großmächte, das heute abend oder Sonnabend er warte! wird, und in dem die Einigung bzgl. der Sach- verständigenkonferenz bekannt gegeben werden wird, wird dem „Excelsior" zufolge von einem Ueberblick über die gepflogenen Verhandlungen begleitet. In der Verlautbarung komme zum Ausdruck, daß nunmehr alle Schwierigkeiten behoben seien, vor allem die Bestimmung des Mandates der Sachverstän digen und die Begrenzung ihres Arbeitsprogramms. Das Blatt hebt hervor, daß die Aufgabe der Sachver ständigen nicht die sei, einen Schiedsspruch zu fällen, sondern nurRatschläge zu erteilen, über die die Regierungen aller beteiligten Mächte zu befinden haben werden. Sobald der Ausschuß gebildet sei, werde er von den sechs Regierungen zum Zusammentritt aufgefordert werden, und dann selbst Zeit und Ort seiner ersten Be ratungen bestimmen. Das „Oeuvre" teilt in diesem Zusammenhang mit. daß der Ministerrat am Dienstag bezüglich der Anrwortnoten aus das deutsche Memoran dum von; 30. Oktober zu der Auffassung gekommen sei. daß man die Form nicht dem Inhalt opfern dürfe. Die Auster m l ö n n t en ih r e S a ch vc r st ä n d iqen durch die R e p a r a t i o n s k o m m i j s i o n e r - nennen lasse n. E i n e V erpf! i ch > ung dazu sei ibnsn entgegen der Auftastung Poimsrös jedoch n i ch l amertegl. Loko notinftihrer Matthäus Herrmann aus Nürnberg ist als Vertreter der Beamten und Angestellten der Reichs bahn von der Reichsregierung in den Verwaltungsrat der Deutschen Reichsbahn berufen worden.