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Keule Aussprache Zu Dreien. Lugano. 12. Dezember. Die bisherigen Bespre chungen Dr. Stresemanns mit Briand und Chamberlain werden nunmehr in Form von Besprechungen zu Dreien weiter fortgesetzt werden. Von den drei an diesen Besprechungen beteilig ten Delegationen ist bisher immer wieder mit großem Nachdruck versichert worden, daß sachliche Ver handlungen über die zwischen der Londoner. Pa riser und Berliner Negierung schwebenden Fragen an läßlich der Luganoer Tagung nicht stattfinden würden. Es scheint jedoch, daß die Beunruhigung, die in der ge samten deutschen Oeffentlichkeit über die Ergebnislosig keit der Besprechungen von Lugano Platz gegriffen hat, nunmehr doch eingehendere sachliche Er örterungen der schwebenden Fragen, vor allem der Bildung des Sachverständigenausschusses über die Re parationsfrage, zur Folge haben wird. Der Zeitpunkt der Besprechung der drei Außenminister ist bisher noch nicht endgültig festgesetzt worden. Die Besprechung wird jedoch vielleicht heute nachmittag stattfinden, da die Möglichkeit einer vorzeitigen Abreise Chamberlains infolge der Krankheit des englischen Königs besteht. Grandi verläßt am Mittwoch abend Lugano. Italien auf Seilen Englands und Frankreichs Lugano, 12. Dezember. Von gut unterrichteter italienischer Seite wird erklärt, daß Grandi in seiner Unterredung mit Dr. Stresemann eingehend den Stand punkt der italienischen Negierung in der Neparations frage auseinandergesetzt habe. Ebenso sei auch in den Unterredungen mit Chamberlain und Briand die Ne- parationsfraqe eingehend erörtert worden. Die ita lienische Negierung stimme hinsichtlich der rechtlichen Auslegung des Artikels 431. auf dem der deutsche Räu mungsanspruch aufgsbaut ist, mit dem Standpunkt der englischen und französischen Regierung überein. Die italienische Negierung halte die baldige Aufnahme der Arbeiten des Sachverständiqenausschusses für unbedingt erforderlich. Weitere Besprechungen in Lugano Aussprache zwischen Italien und Bulgarien. — Um den bulgarischen Hafen. Lugano, 12. Dezember. Im Anschluß an ein Essen. Vas der italienische Untergeneralsekretär des Völker bundes, Martin Paolucci, dem Staatssekretär Grandi, dem bulgarischen Außenminister Buroff und dem bulga rischen Finanzminister Moloff am Dienstag abend gab, fand eine längere Aussprache zwischen Grandi und den beiden bulgarischen Ministern statt. Gegenstand der Besprechung bildeten die gegenwärtigen griechisch-bul garischen Handelsvertragsverhandlungen sowie die Ver handlungen über den Ausgang Bulgariens zum Aegäischen Meer. Grandi sicherte den beiden bulgari schen Ministern zu. daß die italienische Regierung ihren s Einfluß geltend machen werde, um eine Verständigung mit der griechischen Regierung herbeizuführen. Die griechische Regierung hat bekanntlich Saloniki als Hafen für Bulgarien vorgeschlagen. Dagegen fordert Bulgarien einen Hasen in Westthrazien und zwar ent weder Cavalla oder Dedeagatsch. Die gesperrte bulgarisch-jugoslawische Grenze. Lugano, 12. Dezember. Von aut unterrichteter Seite wird mitgeteilt, daß die bulgarische Regierung vor kurzem den Beschluß gefaßt hat. in keinerlei Ver handlungen mit der jugoslawischen Regierung einzu treten, bis diese nicht die Grenze, die seit neun Monaten für jeden Verkehr gesperrt ist, geöffnet habe. Hier tagt der hohe Rat! Lugano, das ganz andere Hotels und Räumlichkeiten aufzuweisen hat als Genf, scheint eine scharfe Konkur renz der Völkerbundsstadt werden zu wollen. Die Vor bereitungen zur Tagung des Völkerbundsrates wurden von den Verwaltungen in Lugano sehr rasch und groß zügig erledigt, so daß die Delegationen — was die äußeren Fragen der Unterbringung anbeirisst — bisher sehr zufrieden sind. Zur Tagung des Rates wurde der Spielsaal des Kasinos von Lugano zur Verfügung ge stellt, den unsere Ausnahme zeigt. Die neuen ZeppeUnpIane. Berlin, 12. Dez. Einem Vertreter der T. U. gegen über äußerte sich Dr. Eckener über die Aussichten seiner weiteren Bau- und Flugpläne. Zunächst sind weitere Werkstättenfahrten des „Graf Zeppelin" mit Messungen und Materialprüfungen vorgesehen. Die Fabrikation für Blaugas mußte vorläufig ganz eingestellt werden. Die große Friedrichshafener Anlage, die 3000 Kubikmeter täglich erzeugen sollte, hat nicht das gehalten, was sie versprochen hatte. Augenblicklich wird die ganze Installation einer genauen Prüfung unterzogen. In der Frage der Anlage eines großen Zeppelinhafens ist man auch in den Berliner Verhandlungen noch zu keinem Ergebnis gekommen. Dr. Eckener hat die Verhältnisse in Staaken eingehend studiert. Er wird nunmehr die Ebene vor Basel besuchen, um auch dort eingehend die Möglichkeiten für den Bau eines Hafens zu prüfen. Schon jetzt kann man jedoch sagen, daß nur meteorologische Fragen die Lage des Flughafens bestimmen werden. Die geplanten Arktikfliige, die der „Graf Zeppelin" ausführen wird, werden nicht 1929, sondern erst 1930 vor sich gehen. Die Mittel für den Bau des Flughafens sowie diejenigen für die Ärktikflüge sind bei den zuständigen Stellen beantragt und dürften gesichert sein. — Die Finanzierung und den Bau des neuen Zeppelin „Z. 128" wird der „Deutsche Zeppelinbau" selbst übernehmen. Der neue Zeppelin wird 140000 Kubikmeter Inhalt haben, also 35 000 Kubikmeter größer sein, als der „Graf Zeppelin". — Was die spanische Colon-Gesell- schaft betrifft, die die Ozeanfluglinie Spanien—Süd amerika betreiben will, so wird die Subvention der spa nischen Regierung erst beim Beginn der Flüge einsetzen. Der Bau des Flughafens Sevilla ist bereits im Gange. Die große spanische Halle wird von der nordameri kanischen Firma For-Brothers, die 6 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt hat, ausgsführt. Inzwischen haben private spanische Sammlungen größere Summen er bracht, so daß der Ausführung von Landungsplätzen mit Ankermästen in Europa und Amerika nichts mehr im Wege stehen wird. Der europäische Sitz des amerika nischen Konzerns ist Paris. Ausruhr und Unruhen. Krieg zwischen dem Aemen und dem Hedschas? London, 11. Dezember. Ergänzende Meldungen aus Mekka besagen, daß das Hedschas-Gebiet vsn den . rebellischen Stämmen von zwei Seiten angegriffen wird. Einige Araberstämme, die sich wegen der Ausbreitung des Wahabismus gegen König Ibn Sand empört haben, rücken von Süden her an, während im Nord- ! westen bereits Kämpfe mit transfordanischen Stämmen im Gange sind. König Ibn Saud hat den Oberbefehl über seine Truppen an diesen Stellen seinen Söhnen übergeben. Wie es heißt, sind die Unruhen im Süden auf Betreiben des Imans von Pemen zurückzuführen. Unruhen in Südpsrsien. London, 11. Dezember. Nach Meldungen aus Teheran hat das neue Dekret der Regierung, das das Tragen europäischer Kleidung vorschreibt, in der süd lichen, vorwiegend von Arabern belebten Provinz Khu- zistan am Persischen Golf Unruhen ausgelöst. Die Ne gierung hat Truppenabieilungen entsandt, um die Stämme nördlich von Ahwaz zu entwaffnen. Im Ver laufe von Zusammenstößen zwischen diesen Truppen und den Stämmen wurden mehr als 30 Soldaten getötet. Verstärkungen sind iofort entsandt und das Kriegsrecht verhängt worden. Blutige Zusammenstöße in China. Peking, 11. Dezember. Wie aus Nanking gemeldet wird, fanden am Montag in Pukau Demonstrationen anläßlich des Jahrestages der gescheiterten Kommune in Kanton statt. Es kam zu heftigen Zusammenstößen mit der Polizei, die 400 Personen verhaftete. In einem Stadtbezirk mußte die Polizei von der Waffe Gebrauch machen, wobei sechs Arbeiter getötet und mehrere ver letzt wurden. Marokransrüberfall ans französische Offiziere. London, 11. Dezember. Nach Meldungen aus Lo- lomb-Bechar in Marokko haben 16 Angehörige eines freien Stammes etwa 35 Meilen südlich der Stadt sie benfranzösische Offiziere angegriffen, die drei Panzerautomobile begleiteten. Drei der Offiziere wurden getötet, drei schwer ver letzt. Der siebente Offizier wird vermißt. Deutscher Reichstag. Sitzung vom 11. Dezember 1928. Auf der Tagesordnung stand zunächst das Genfer Protokoll wegen Verbots des Gaskrieges. Dieses Protokoll ist bisher von 40 Staaten, darunter von sämtlich, n Großmächten — einschließlich der Sowjet union und der Vereinigten Staaten von Amerika — unterzeichnet worden. Ratifiziert ist es bisher von Frank reich, Venezuela, Italien, der Sowjetunion und Oester reich. Nunmehr soll es auch von Deutschland ratifiziert werden. Abg. Stöcker (Komm.) erklärte, es handele sich hier um eines jener völkerrechtlichen Abkommen, die allein zur Irreführung und Täuschung der werktätigen Bevöl kerung bestimmt seien. Keine der imperialistischen Mächte denke daran, sich an das Abkommen zu halten. Auch in Deutschland werde in ungeheuerlicherWeise für den kommenden Eiftgaskrieg gerüstet. Die Hamburger Eas- katastrophe sei ein Warnungssignal für die Arbeiterklasse. In vielen deutschen Städten seien große Gistgaslager vorhanden. 163 000 Kilogramm Blaukreuzgas lagerten mitten in der Millionenstadt Hamburg und wurden erst auf die Anschuldigungen der Kommunisten hin entfernt. (Unter großem Krachen setzten kommunistische Abgeord nete eine große Granate auf den Tisch des Hauses.) Der Redner erklärte, das sei eine der 100 000 Granaten, die in der Schichauwerft hergestellt werden, einer der geheimen Ausrüstungswerkstätten, die das Reich jetzt mit 40 Millionen aufkaufen wolle. (Stürmisches Hört! Hört! bei den Komm.). Der nächste Redner, der nationalsozialistische Abg. Ritter von Epp, der seinerzeit die Räteregierung in Bayern^bekämpft hatte, wurde von den Kommunisten mit dauernden Zurufen „Arbeitermörder!" empfangen. Der Redner erklärte, es wäre ein Glück, wenn der Gaskrieg verboten werden könnte ,es gäbe aber keine Möglich keit dafür. Seine Partei stimme der Ratifizierung des Genfer Protokolls zu, wenn sie auch bezweifele, daß der Gaskrieg dadurch eingeschränkt werde. Daneben müßten aber Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung gegen Gas angriffe getroffen werden. Der Redner beantragte, zehn Millionen Mark für diesen Zweck in den Haushaltplan für 1929 einzustellen. Wenn bei Schichau tatsächlich Granaten hergestellt würden, so erklärte der Redner, dann sei es tief bedauerlich, daß dies hier im Reichstage mit geteilt werde. Die Vorlage wurde mit dem Antrag der National soziaiisten dem Auswärtigen Ausschuß überwiesen. Endgültig verabschiedet wurde der zweite Nachtrag zu dem Gese^ über den Staatsoertrag betreffend Ueber gang der Wasserstraßen auf das Reich. Es handelt sich um Zusatzverträge mit Preußen und Hamburg. Es folgte die zweite Beratung der Novelle zur Unfallversicherung. Der Ausschuß hat gegen über der Vorlage noch eine Erweiterung der Unfall versicherung beschlossen. Es handelt sich um Ausdeh nung auf Feuerwehren, Krankenhäuser, Heil- und Pflege anstalten, Einrichtungen der Wohlfahrtspflege, Labora torien, ^chauspielunternehmungen, Vorführungen, Rund funksendebetriebe, Lichtspielbetriebe und auch Betriebe und Tätigkeiten zur Bewachung von Betriebs- und Wohn stätten. In einer Entschließung wurde die Reichsregie rung ersucht, beschleunigt einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den die zurzeit noch nicht versicherten Betriebe und Tätigkeiten in die Unfallversicherung einbezogen wer den. Ferner soll eine Neuregelung der Leistungen der Unfallversicherung auf Grund der gegenwärtigen Lebens verhältnisse erfolgen. In der Aussprache ließ die So zialdemokratie erklären, daß sie nicht ruhen werde, bis alle Betriebe versichert sind, namentlich auch die Hausangestellten. Der deutschnationale Redner warnte davor, die Selbstverwaltung des Einzelnen weiter zu untergraben. Kapellmeister und Aerzte seien durchaus in der Lage, sich selber zu helfen. Unerträg lich sei auch die Erfassung sämtlicher Kaufleute. Die Ausschußbeschlüsse seien viel zu weitgehend und daher nicht annehmbar. Der kommunistische Redner hielt dem gegenüber die Vorlage für unzulänglich. Der deutsch- oolksparteiliche Redner schlug vor, mit den Be denken gegen die Einbeziehung der kaufmännischen Ange stellten durch Einfügung einer Bestimmung aüfzuräumen, wonach der verwaltende Teil des versicherten Betriebes zu diesem in einem dem Zweck entsprechenden örtlichen Verhältnis stehen muß. Die Wirtschaftspakte! sprach sich gegen eine weitere Ausdehnung der Unfall versicherung aus. Die Frage der Einberufung der Abrüstungskommission. Lugano, 12. Dezember. In den bisherigen diplo matischen Besprechungen in Lugano ist die Frage der Einberufung der Abrüstungskommission noch nicht zur Sprache gelangt. Von deutscher Seite wird nach wie vor in Durchführung der Beschlüsse der Vollversamm lung des Völkerbundes ein Zusammentritt dieser Kom mission für Beginn des Nächsten Jahres für notwendig gehalten, auf der die zweite Lesung des Konventions entwurfes oorgenommen werden soll. Die Auffassung der französischen und englischen Regierung geht aber in der Richtung, daß entweder die Kommission vorläufig überhaupt nicht zusammentritt oder wenigstens eine be schränkte Zahl wenig bedeutungsvoller Fragen behan deln soll. Die Einberufung der Abrüstungskommission wird jedenfalls in den kommenden Besprechungen noch eine größere Rolle spielen. Der Prinz von Wales am Krankenbette des Köniqs. London, 11. Dezember. Der Prinz von Wales ver brachte am Dienstag abend noch etwa 1 Stunde im Buckingham-Palast, wo er zunächst eine Rücksprache mit einem der Aerzte hatte und im Anschluß daran seinen Vater sah. Amtlich wurde zu dem Besuch erklärt, daß der König seinen Sohn sofort erkannte und begrüßte. Im Befinden des Königs war um jene Zeit der Auf gabe des Abendbcrichtes eher eine leichte Besserung ein getreten, die aber den Ernst der Krise kaum vermindert. Alle vier Aerzte waren bis zum spülen Abend im Palast und drei von ihnen verließen ihn erst kurz vor der Ankunft des Prinzen.