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den Zusatz: „Vorstehende Bestimmungen finden keine Anwendung, wenn es sich um Landesverrat oder um andere Straftaten handelt, die nach dem bestehenden Recht als Verbrechen mit Strafe bedroht sind oder bei denen die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechle zulässig ist." Der Vundesführer betonte, datz sich der Stahlhelm auf diese beiden Punkte zunächst beschränke. Mit ande ren Forderungen, vor allem derjenigen des Zweikam- mersnstems, werde der Stahlhelm später kommen. Kurze Mitteilungen. 14 November 1928 Die Reparationsbesprcchungen, die während der französischen Regierungskrise unterbrochen waren, wurden am Dienstag sowohl von Briand als auch von Poin- care wieder ausgenommen. Briand empfing den deut schen Botschafter v. Hoesch. Poincare empfing in seinen Räumen den englischen Botschafter. Am Nachmittag des Dienstag wurde in der Sitzung des e st ländischen Parlaments der Rücktritt der Regierung Toennissons verkündet. Durch einen Zyklon, der über den Bezirk Villa Maria in der argentinischen Provinz Cordoba hinweg ging, sind 20 Personen getötet und 40 verletzt worden. Morgen Panzerkreuzer-Aussprache. Berlin, 14. Nov. Im Aeltestenrat des Reichstags einigte man sich heute vormittag darüber, daß am Donnerstag zunächst die Aussprache über den Wei terbau des Panzerkreuzers beginnen soll. Da für sind zunächst zwei Sitzungstage in Aussicht genom men. Am Sonnabend sollen kleinere Vorlagen anderer Art erledigt werden. Ueber den Zeitpunkt, an dem die außenpolitische Aussprache stattfinden soll, wurde noch kein Beschlus; gefaßt. Noch 117 Schissbrüchige -er „Vestris" vermitzt. Neuyork, 13. November. Nach den letzten etwa um 5 Uhr nachmittags amerikanischer Zeit eingegange nen Meldungen beträgt die Zahl der geborgenen Ueber- lebenden der Katastrophe der „Vestris" 222, während 117 Personen noch vermißt werden. Von den Geretteten befinden sich 128 an Bord des Dampfers „American Chipper", 63 auf der „Myriam", 23 auf der „Berlin", 8 auf der „Wyoming". Angesichts der Meldungen über das in der Gegend der Unglücksstelle herrschende rauhe Wetter beginnt die Hoffnung auf Rettung der Ver mißten zu schwinden. Ueber die schrecklichen Erlebnisse der Ueberleben- den, die einen Tag und eine Nacht lang in den Ret tungsbooten verbringen mußten oder sich an Holzstücke klammernd von der bewegten See umhergetrieben wur den, sind bisher nur kurze Berichte durchgedrungen, da die Funkeinrichtungen ausschließlich dem Rettungswerke dienten. Der in der Passagierliste des gesunkenen Schiffes erwähnte Reichsdeutsche Hermann Rückert ist gerettet worden. Er befindet sich an Bord des „Ameri can Shipper". Es handelt sich um einen Vertreter der Leipziger Firma Krause. Neuqork, 13. November. Das Schlachtschiff „Wyo- bring" meldet, daß es die von den Trümmern bedeckte Cee an der Unglücksstelle gekreuzt habe. Ein Rettungs floß wurde später aufgefischt. An Bord befand sich nur noch ein Toter, der anscheinend der Kälte erlegen ist. Lloyddampfer „Berlin" hat die Stelle des Untergangs der „Vestris" verlassen und die Reise nach Neuyork wie der ausgenommen. Noch in letzter Stunde hat er einen gewissen Carl Schmidt aus Chikago gerettet, der 22 Stunden im Wasser umhergetrieben war. Das Wasser in der Nähe der Unglücksstelle ist noch immer mit Wrakstücken besät. Washington, 13. November. Das Marineamt teilte heute abend mit, daß das Luftschiff „Los Ange les" nicht zur Beteiligung an dem Rettungswerk für die überlebenden der Katastrophe der „Vestris" abfliegen Verde, da dies jetzt für unnötig und zu spät erachtet Verde. Aus aller Well. 14 November 1928 * Unterschlagung in der Barmer Stadtverwaltung. In der Stadtverordnetensitzung in Barmen am Diens tag, die einen äußerst stürmischen Verlauf nahm und vorzeitig geschlossen werden mußte, wurden durch dis Kommunisten umfangreiche Unterschlagungen in der Barmer Stadtverwaltung zur Sprache gebracht. Es wurde behauptet und von der Verwaltung nicht be stritten, daß unter der früheren Leitung der Städtischen Werke Unterschlagungen vorgekommen seien, die sich nicht nur auf dis Städtischen Werke, sondern auch auf andere Zweige der Verwaltung erstreckten. Ueber die Höhe der veruntreuten Summen lägen sichere Angaben noch nicht vor. Die Kommunisten behaupteten, es han dele sich um verschiedene Posten im Gesamtbetrags von 232 000 Mark, von anderer Seite werden jedoch nur 100 000 Mark genannt. In der Stadtverordnetensitzung lehnte es der Vertreter des Oberbürgermeisters ab, über den Stand der Angelegenheit Auskunft zu geben, wohl aber sei er nicht in der Lage, die Tatsache zu be streiten. Die Verwaltung vertrat den Standpunkt, daß sie der Oeffentlichkeit die Angelegenheit vorläufig nicht unterbreiten könne, sondern schlug vor, einen Ausschuß der Stadtverordneten mit der vorläufigen Untersuchung zu beauftragen. " Ranbüberfall auf einen Postbeamten. Am Dienstag abend wurde in Buer-Resse einem Postbe amten, der die Postsachen mit der Straßenbahn nach Herten zu befördern hatte, beim Verlassen des Post amtes von einem Mann mit schwarzer Gesichtsmaske der Postsack unter Vorhaltung eines Revolvers ent ¬ rissen. In diesem Sack befanden sich ein Eeldpaket von 5000 Mark, zwei Einschreibebriefe und außerdem noch mehrere Postpakete. Ein zweiter Täter, der in der Nähe stand, entkam auf einem Fahrrad mit dem Post sack in Richtung Buer. Auch der Mann mit der Maske entkam. * Die „Hsin-Tschi" von Piraten ausgeplündert und verbrannt. — Zahlreiche Chinesen getötet. Nach Mel dungen aus Hongkong ist der zur Hilfeleistung für den Dampfer „Hsin-Tschi" herbeigeeilte Zerstörer „Serapis" zu spät an der Unglücksstelle eingetroffen. Das Schiff war von den Piraten bereits ausgeplündert und in Brand gesteckt. Die Piraten sollen mit ihrem Ueberfall gewartet haben, bis das Schiff von den Passagieren und der Besatzung verlassen war. Zweihundert Reisende wurden von dem holländischen Dampfer „Tjitaroem" ausgenommen. Nach einer Meldung der britischen Uni- ted-Preß wurden viele chinesische Passagiere der „Hsin- Tschi" getötet. Die sich in kurzen Abschnitten immer wieder wiederholenden Piratenangriffe auf englische Schiffe werden am Mittwoch in London ein parlamen tarisches Nachspiel haben. Ein konservativer Abgeord neter wird an den amtierenden Außenminister Cushen- dun die Frage richten, ob für den durch die Piraten übergriffe auf britische Schiffe angerichteten Schaden Ersatz geleistet werde. Die britischen Dampfer auf dem Jangtse werden in Zukunft alle bewaffnete Posten an Bord haben. - Litwinow verschwunden. Wie Berliner Blätter aus Paris melden, hat die Polizei die Untersuchung im Falle Litwinow abgeschlossen und das Material dem Untersuchungsrichter übergeben Litwinow hat seine Wohnung verlassen und ist seitdem verschwunden. Die Schiffe des Caligula werden geborgen. In den Albanerbergen, in der italienischen Provinz Rom, liegt ein kleines Dörfchen namens Nemi, an dem gleichnami gen See, der, in dem Krater eines erloschenen Vulkans entstan den. an seiner Oberfläche etwa 8 Kilometer Umfang mißt. Dieser See beschäftigt die Archäologen der Welt schon seit Jahr hunderten. Der dritte römische Kaiser, Gajus Cäsar, der von 37 bis 41 nach Christi regierte, ein Sohn des Germanikus und der Agrippina, hatte sich auf diesem See zwei Schiffe erbauen lassen, die er halb als Wohnstätten, halb als Palast einrichtete und in denen er den gewohnten Prunk entfaltete. Er war in seiner Jugend im Kriegslager am Rhein aufgewachsen und hatte sich dort seinen Spitznamen geholt, der ihm in der Geschichte ge blieben ist: „Caligula", das heißt Soldatenstiefelchen. Ein prunksüchtiger, größenwahnsinniger Herrscher, träumte er von einem großen Weltreich, das ihm alle Schätze zu Füßen legen sollte — doch wurde dieser Traum durch seine Ermordung 41 n. Chr. jäh zerstört. Seine Schiffe auf dem Nemi-See verfielen und versanken. Vielleicht hätte man keine Kunde mehr von ihnen, wenn nicht die Fischer von Zeit zu Zeit in ihren Netzen goldene Prunksachen gefunden hätten, die die Erinnerung wach hielten und schließlich auch den Wunsch weckten, diese Zeugen einer vergangenen Kunst zu heben. Seit Jahren wurden darum Versuche gemacht, zu den Schif fen des Caligula vorzudringen und die Kostbarkeiten aus dem Schlamm des Sees zu befreien. Alle Versuche schlugen aber fehl, da der Schlamm die beiden Schiffe, die in einer Entfernung von etwa 40 Meter auseinanderliegen, vollständig bedeckt. Außer dem haben die Arbeiten der Taucher schon mehr Schaden ange richtet, als gut war, dem der Nutzen der einzelnen, von ihnen gefundenen Stücke nicht entsprach. Die italienische Regierung unter Mussolini hat sich mit der gewohnten Energie auch dieser Frage bemächtigt, und der italienische Diktator hat kurzerhand befohlen, daß der ganze See trocken gelegt werden muß, um die Ueberreste der Schiffe zu bergen. Die Kosten hierfür übernimmt der Staat. Man hat eine umfangreiche technische Anlage auf gebaut, die aus einem Kraftwerk und einer riesigen Pumpe be steht und durch die der See mit Hilfe von vier mächtigen Rohren leergepumpt wird. Das Wasser wird in den tiefer liegenden Albanersee durch eine besondere Schleusenanlage und durch einen schon von den alten Römern erbauten unterirdischen Stollen ab gleiten. Unsere Aufnahme zeigt den Nemi-See, dessen Umgegend heute nicht mehr so reizvoll ist, wie sie zu Daligulas Zeiten war. Zweitausend Jahre alte Schätze kommen ans Tageslicht. ! j Wolken und Sonnenschein. Roman von Emilie Sich«. 65) (Nachdruck verboten.) „Gewiß, Papa, frage nur.* „Wann willst du mir die 100 000 Mark zurückbe zahlen, die ich dir zum Ankauf des Tabaks in Holland geliehen habe? Du weißt, es waren 100 000 Mark nach dem Friedenswert, und nach dem Friedenswert will ich das Geld wieder zurückerhalten.* Gerhard hatte sich abgewendet und gab für eine ganze Weile keine Antwort; dann trat er vor den Vater hin. Auf seinem Gesicht lag noch immer ein Lächeln, aber »wischen seinen Brauen zeigte sich eine tiefe Falte. «Brauchst du das Geld so notwendig, Papa?" „Jawohl!" „Ich kann es dir zurzeit aber leider nicht zurück- Whlen.* Hermann Ellinger schien nichts anderes erwartet zu haben, wenigstens wurde er nicht ungeduldig. Er fragte weiter mit der gleichen Ruhe wie bisher: „Wann gedenkst du die Angelegenheit zu erledigen?" Gerhard hatte mit einer Verlegenheit zu kämpfen, endlich sagte er: „Ich kann wirklich kein bestimmtes Da- fum festsetzen, Papa. Du darfst mir glauben, es ist mir Aber peinlich, datz ich es nicht schon früher erledigen 'onnte; aber leider kann ich es auch jetzt noch nicht." Frau Julie sah ihren Gatten etwas besorgt an; aber blieb auch jetzt kühl. „Du kannst dich wohl erinnern, Gerhard, datz ich dir As Geld gegeben habe unter der Bedingung, daß du es "ür von den Einnahmen des Schweizer Auftrages wieder zurückbezahlst." . Auf Gerhards gelblich-blassen Wangen zeigte sich eine Achte Röte. „Das hatte ich projektiert; aber als das Ald kam, hatte ich so viele Verpflichtungen, die mir alle wch wichtiger erschienen wie deine 100 000 Mark. Du "«nst doch ruhig noch eine Weile warten, Papa, der Be ¬ trag ist dir ja nicht verloren, das Geschäft ist immer so viel wert." Das sonst gutmütige Gesicht des alten Herrn hatte nun einen scharfen Ausdruck: „Darf ich fragen, welcher art deine Verpflichtungen waren, die dir noch wichtiger erschienen wie mein Geld?" Gerhard erwiderte hastig: „Binder hatte mir zwei mal ausgeholfen — — und dann, wir hatten uns im letzten Jahr so sehr einzuschränken, sogar in der Haus haltung. Als ich dann endlich wieder etwas Geld bei sammen hatte, war ich so froh und konnte mich nicht so schnell davon trennen." „Dann hast du noch den größten Teil der 200 000 Franken?" Gerhard wurde verlegen. „Ja, ich habe noch davon allerdings, du mußt rechnen, Papa, ich brauchte ziemlich viel zum Kauf von Weihnachtsgeschenken, der Schmuck Melittas allein kostete 15 000 Goldmark und das Automobil war auch nicht so billig; und zum Unglück habe ich einen großen Teil der 200 000 Franken gleich beim Empfang umwechseln lassen und du weißt, in der jetzigen Zeit schmilzt der größte Hausen deutschen Bar geldes wie Gis in der Sommersonne." Der alte Herr gab nicht gleich Antwort, erst nach einer Weile fragte er wieder: „Deine Worte sollen also soviel heißen, daß du das Geld, den Bruttoumsatz von beinahe einem halben Jahr, so ziemlich ausgegeben hast, daß deine Schulden nach wie vor bestehen, daß du nicht einmal gesorgt hast, neues Rohmaterial hereinzubekommen " Gerhard fühlte die Schärfe dieser Worte und sein Gesicht wurde finster; es schien, als wolle er sich auf lehnen gegen die vorwurfsvollen Worte des Vaters; aber der kühlen, scharfen Ruhe des alten Herrn gegenüber konnte er nicht auskommen. So lachte er nur wieder ver legen und sagte: „Papa, ich glaube, du bist besser orientiert über das Geschäft wie ich." Herr Hermann Ellinger erwiderte scharf: „Wenn ich nicht besser Bescheid wüßte wie du, wäre ich nicht hier, glaube mir das; und wenn du so viel wüßtest wie ich, ließest du dich nicht nachmittags aus dem Schlafe wecken. Wie lange denkst du, daß es so noch weitergehen kann? Wann willst du endlich zur Besinnung kommen?" „Papa, ich weiß wirklich nicht, wie ich mir diese Vor würfe verdient habe." Der alte Herr fuhr auf: „Mein Gott, du weißt es nicht einmal? Du weißt nicht, daß dein Warenlager auf weniger als ein Viertel der normalen Menge zusammen- gefchmolzen ist? Datz du die Haupteinnahme eines hal ben Jahres in einigen Wochen vergeudet hast? Du weißt wohl nicht einmal, daß du dein Geschäft schließen könntest, wenn ich auf unmittelbarer Rückzahlung der 100 000 Mark bestehen wollte? Und du weißt auch nicht, daß du heute für Rohmaterial den hundertfachen Preis bezahlen mußt wie vor vier Wochen?" Gerhard wurde bleich. Er öffnete die Lippen, um etwas zu sagen, aber der Vater kam ihm zuvor: „Du wirst wohl nichts einzuwenoen haben, wenn ich dir sage, datz ich von Zeit zu Zeit das Geschäft prüfe; auch heute früh war ich dort. Solch eine Nachlässigkeit habe ich in meinem ganzen Leben noch nichl gesehen. Du hast im letzten halben Jahr säst kein Rohmaterial mehr gekauft. Ich habe mit deinem Sekretär gesprochen und er sagte, es hätten verschiedene ganz günstige An gebote vorgelegen, aber du hast von keinem einzigen Ge brauch gemacht. Bist du denn ganz bar eines gesunden Menschenverstandes? Kannst du nicht rechnen? Weißt du noch immer nicht, daß die Gelegenheit, die sich dir heute bietet, morgen nicht wiederkommt? Wenn dein kleiner Vorrat an Rohmaterial verarbeitet ist und dein Geschäft stillsteht, womit willst du die Kosten deines ver schwenderischen Lebens decken? Hättest du, als du das Geld bekommen hattest, dein Rohwarenlager nicht wieder auffüllen können? Wenn ich gewußt hätte, daß du das nicht tirst, hätte ich gesorgt, meine 100 000 Mark zu be kommen, das darfst du mir glauben; aber ich wollte dich nicht drängen, wollte dir Gelegenheit geben, dich aufzu richten, und nun hast du alles verschwendet." (Fortsetzung folgt.)