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senMM-MHMMÄViMaM r <krscheint^werk13glich. dllr^Mitblieder ^des DörsenvereinS »z Die ganze Seite umfapt 360 viergcspalt. Mitglieder für die ^eile 10 -Pf., für '/, 6. 32 M. statt »für'/;S. 17 M. statt 18M. Stellengesuche werden mit 10Pf. pro ^ » Seile berechnet. — In dem illustrierten Teil: für Mitglieder A Nr. 158. Leipzig, Montag den 12. Juli 1915. LL 82. Iahrgaux. Redaktioneller Teil. Aus Karlsruhe. Wenn ich mich heute unterfange, den Kreis jener Briese zu erweitern, die so hübsch von den Leiden und Freuden der Berufsgenossen zu berichten wissen, so fehlt mir in der Tat jeder Entschuldigungsgrund — ich kann nur mit den Worten des Apostels sprechen: »Sintemalen sich's viele unterwunden haben«. Und warum soll nicht auch einmal von jener Stadt geschrieben werden, deren Nennung einem jeden unter uns sogleich die Erinnerung an die Geographtekunde wachruft?: Karlsruhe ist eine Stadt, deren Straßen fächerförmig dem Schlosse zulaufen! Nun besitzt Karlsruhe zwar noch andere Eigenschaften, als die einer fächerförmigen Bauart; immerhin sind sie weniger bekannt und nur von denen gewürdigt, die sich die Mühe genommen haben, den Besuch über den Be reich des Bahnsteigs bei einem zehnminutigen Aufenthalt aus zudehnen. Als wir vor kurzem 200 Jahre alt wurden, konnten wir den feierlichen Tag nicht anders begehen als in zukunfts- frohem Hinblick auf die Schlachtfelder, wo sich eben das galizische Drama zu Ende neigte, aber auch in schmerz lichem Gefühl, als die Stimmen der Totenglocken die Ein wohner im Geiste um die Bahren der Opfer des niederträch tigen Fliegerangriffes sammelte und niemand zweifelte, wie nahe der Tod an ihm selber vorübergegangen war. Ja, wir alten Wächter deutscher Grenze wissen uns dem Kriege näher als andere, und wenn an manchen Abenden der Wind das dumpfe Dröhnen der Kanonen herüberträgt, merken wir, daß drüben wieder etwas im Gange ist, und wir danken inniger, daß das Leid des Krieges außerhalb der deutschen Grenzen wütet. Ein höherer Offizier, der aus einer deutschen Stadt an die Front zurückkehrte, äußerte sich erfreut über den Ernst, den er, im Gegensatz zu anderen Erfahrungen, bei uns angetroffen habe. Und doch möchte es oft scheinen, als wäre die Schwere unseres Schicksals noch immer nicht in alle Kreise einge drungen; in den Spalten der Zeitungen, leider auch des Börsenblattes, finden sich Äußerungen, die uns verraten, daß es noch Deutsche gibt, die uns mit dem abgenutzten Begriffe einer verschwommenen Weltkultur kommen, ja sie als das Seligmachende hinstellen, statt nur auf den einen deutschen Gedanken hinzuweisen, der uns stark macht, endlich auf uns selber stellt, ob es den Feinden und Neutralen paßt oder nicht. Betrachtet man das Theater als Gradmesser der Ge sinnung, so wird man finden, daß es bei uns recht versagt. Es ist hin und her geschrieben worden, und manche Vorwürfe mußte die Leitung über sich ergehen lassen, besser indessen wurde es nicht. Doch an der Weltfremdheit kranken auch andere derartige Institute, und wenn man lesen mutz, datz in einem Berliner Theater jetzt meist Strindbergsche Stücke zur Aufführung kommen, so taucht die Frage auf, ob nicht deutsche Dichter genug leben, die würdig wären und froh, die Unter stützung zu finden, die dem großen Ausländer in so reichem Maße zuteil wird.") ") Aber freilich, unsere Ausgabe ist ja beileibe nicht das kraftvolle Einstehen für deutsche Eigenwelt, sondern das »Etnfllhlen in die Ich bin vor wenigen Tagen zu der Zeit in die Nähe des Hoftheaters gekommen, als die Besucher, meist sehr elegante Erscheinungen, zusammenströmten. Da wollte es der Zufall, daß eine Abteilung Feldgrauer, von einer Übung heimkehrend, verstaubt, verschwitzt, die Straße sperrte und die Herrschaften den Vorbeimarsch abwarten mutzten. Der Zusammenklang hat mich seltsam berührt, und ich wußte mich leicht zu entscheiden in der Beantwortung der Frage, ob es wirklich an der Zeit ist, billige Operetten und Luststücke zu spielen und anzuhören. Während an der Haltung verschiedener Kreise diese und jene Kritik geübt werden könnte, darf die Behauptung un bedingt aufgestellt werden, daß unser Karlsruher Buchhandel, durchdrungen von der Größe der Zeit, den neu entstandenen Fragen tiefes Verständnis entgegenbringt. Wir tun in deut scher Treue unsere Pflicht. Der kleine Kreis, der in normalen Zeiten allmonatlich die Karlsruher Kollegen zusammenhält, ist empfindlich gestört. Mehrere Herren sind unter die Waffen ge treten, und der Rest war durch die aufgehäuften Arbeiten so in An spruch genommen, daß die Zusammenkünfte lange schon unter blieben find. Zudem fehlt es auch an größeren Aufgaben. Das Publikum läßt sich noch einigermaßen behandeln; es ist nicht allzu verwöhnt und kennt noch nicht jene Raffinements, unter denen die ganz großen Städte leiden müssen. Seit 2—3 Jahren find wir mit 2 Warenhäusern gesegnet, die sich ob ihrer Nähe zuwinken können. Inwieweit diese neuen Be triebe den ordentlichen Buchhandel schädigen, läßt sich natür lich kaum Nachweisen""). Die FrühjahrSverfammlung des badisch-pfälzischen Buch händlerverbandes, die sich einer großen Beliebtheit erfreut, mußte Heuer unterbleiben. Dagegen ersah man aus dem Börsenblatt, daß, wie stets, die Stuttgarter Messe den üblichen Verlauf genommen habe, jedoch unter Wegfall aller Lust barkeiten. Ich mutz ein bißchen Propaganda machen für die Stutt garter Messe. Denn der Grundzug ihres Wesens ist Gemütlich keit, und welchen Buchhändler zöge es nicht auf die Kehrseite des Lebens, die ihm im Alltag zumeist fremd bleibt? Die Großartigkeit der Leipziger Tagung muß der vermissen, dem jene vertraut ist, dafür findet er hier zuerst auf der Silber- Psychologie« der anderen. Mit dieser »Einfühlung« bewaffnet, sollen wir dann jeden Fußtritt als die Äußerung eines Geistes hinnehmen, der sich eben nur unserer Denkweise nicht anzupaffen vermag. Das ist schlechthin auch der Grund, daß sich selbst heute noch Ausländisches auf dem Theaterzettel findet. Mit inniger Befriedigung wird sich wohl jeder von uns eines Vorteils bewußt geworden sein, der dem Kriege zu danken ist: der Regelung der Außenstände. Dafür dürsten im ganzen Reiche gleiche Verhältnisse gelten. Die neuen Ausschreibungen bleiben auf die alten Kunden beschränkt, doch auch von diesen zahlen viele gleich; ältere Guthaben gehen nach und nach ein, und so schrumpft eine große Summe, die man mißliebig betrachtete, recht zusammen. Ein Überblick ist nunmehr gegeben und auch ein Fingerzeig für später! Das Publikum, nachgerade an eine pünktliche Erledigung seiner Pflichten gewöhnt, muß unbedingt in Friedenszeiten gezwungen werden, die neuen Gepflogenheiten etnzuhalten. So wird hier wenigstens ein Wandel geschaffen sein, der trotz aller Vorschläge und Unternehmungen bisher zu keinem befriedigenden Ergebnis geführt hat. 997