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Was gehl im nahen Osten vor? In dem Augenblick, da diese Zeilen geschrieben werden, befinden sich die Quartiermacher und Führer der polnischen Legionäre bereits auf dem Wege nach Wilna, um in der „litauischen Hauptstadt" Platz zu schaffen für die 40 000 Mann, die Pilsudski rief und die alle — alle kommen werden. Gleichzeitig konzentrieren sich im Osten Polens — an der russischen Grenze — starke Truppenteile zur Grenzsicherung und „Er", Pilsudski, hat am 30. Juli Pressevertretern ganz offen erklärt, daß er spätestens im September in Kowno ein marschieren werde. Um die Weltmeinung aber nicht allzusehr zu brüskieren,, fügte er als vorsichtiger Mann noch hinzu: „Wenn dann unter dem Druck der pol nischen Besatzung eine litauische Regierung zustande kommt, die feierlich und für alle Zeiten schriftlich auf Wilna verzichtet, dann bin ich vielleicht s!) bereit, meine Truppen aus Wilna wieder zurückzuziehen." Vielleicht... ! In Wirklichkeit aber denkt Herr Pilsudski garnicht daran, jemals wieder aus Litauen herauszugehen. Und wenn in der letzen Zeit in der Presse der ganzen Welt Warnungen an die Adresse Polens gerichtet worden sind, so mutz gesagt werden, daß diese Warnungen zwecklos sind und zwecklos bleiben werden. Pilsudski weitz was er will. Die polnischen Truppenbewegungen in den nördlichen Grenzgebieten. Königsberg, 3. August. In einer Besprechung der militärischen und politischen „Manöver" Polens gegen über Litauen behauptet die „Ostpreutzische Zeitung" zu wissen, datz Mitte August rund um Wilna vier voll ausgerüstete polnische Divisionen stehen würden, ver stärkt durch das aktive Militär Polens, Grenzschutzbri- gaden, Pilsudskis illegaler Leibgarde und Legionäre. Man könne sich des Eindrucks nicht erwehren, datz die Westmächte und damit der Völkerbund kaum einen Finger krumm machen würden, wenn Polen gegen Li tauen zum Angriff schreiten würde. Aus Ersparnis gründen, so wolle man Glauben machen, seien die Herbstmanöver in Ostpreußen abgesagt worden. Der wahre Grund für diese Maßnahme sei politischer Art, da Stresemann den Frieden wolle. Es sei aber zu be fürchten, datz Deutschland eines Tages bei all den Ma- növern im Osten den Flurschaden zu bezahlen haben werde. Gegenüber diesen Behauptungen teilt ein Redak tionsmitglied der Königsberger Allgemeinen Zeitung, das sich nach Deutsch-Eylau begeben hat, um sich über die Gerüchte von polnischen Truppenkonzentrationen zu unterrichten, mit, datz die Lage an der Grenze wesent- l i ch r u h i g e r sei als die Aussagen polnischer Ueber- läufer dies erwarten lietzen. Außergewöhnliche Er scheinungen seien nicht zu bemerken. Auch der kleine Grenzverkehr und die Erteilung von Paßvisen nach Polen hätten keine Aenderung oder gar Unterbrechung erlitten. An amtlichen Stellen sei von Ueberläufern nichts bekannt. Der Bahnhof von Deutsch-Eylau biete das gewohnte ruhige Bild. Auch Reisende hätten nichts Auffälliges im Korridor bemerkt. Uebereinstimmend werde berichtet, datz allerdings in der Posen'schen Ge gend und auch in der Gegend von Kraudenz Trup- pen-Transporte bemerkt worden seien. Man glaube aber, datz es sich nur um normale Manöver handele. Der polnische Pressefeldzng gegen Litauen. Warschau, 3. August. Der „Przeglond Wieczorny" meldet am Donnerstag aus Wilna wiederum von an geblichen litauischen T r u p p e n z u s a m m e n z i e h - ungen an der Grenze. Ferner wird berichtet, datz im Erenzbezirk Flugblätter verteilt würden, in denen vor einem polnischen Einfall gewarnt werde. In Polen herrscht, durch diesen Pressefeldzug veranlaßt, eine sehr nervöse Stimmung, so datz man der bevorstehenden Legionärtagung in Wilna am 12. August ebenso wie den kommenden polnisch-litauischen Verhandlungen mit grossen Besorgnissen entgegensetzen mutz. Warschau schweigt sich aus. Warschau, 3. August. Die Nachrichten über einen Ausnahmezustand in Pommerellen sowie über Alarm bereitschaft der Garnisonen und Zusammenziehung polnischer Truppen im Wilnagebiet haben in War schauer politischen Kreisen kein geringes Rätselraten verursacht. Erst heute nimmt die halboffiziöse „Epoka" darauf Bezug, beschränkt sich aber auf eine Wiedergabe des Inhaltes auf der ersten Seite ihres Blattes, ohne Stellungnahme. Ein Teil der Regierungspresse unter drückt die Meldung vollständig. Ein amtliches De menti ist jedoch nirgends erfolgt. Deutsch-französische Annäherung. Gemeinsam im Dienst -er Köherenlwicklung -er Menschheit Der Festempfang -es Ministers Kerrivt im Kötner Girzenich. Im herrlich geschmückten großen Festsaal des Eirze- nich veranstaltete die Stadt Köln am Donnerstag abend zu Ehren des französischen Ministers Herriot ein Festessen, an dem etwa 250 Personen teilnahmen. Von deutscher Seite waren dies die Spitzen der Kölner Behörden und, der Begleitung des Ministers ent sprechend, deutsche Verleger und Journalisten. Oberbürgermeister Dr. Adenauer begrüßte Minister Herriot und seine Begleitung als die Ver treter der öffentlichen Meinung Frankreichs im Namen der Stadt Köln und sprach den Dank für die Beteili gung Frankreichs an der internationalen Presseaus stellung aus. Der Besuch Herriots und der Besuch so hervorragender Vertreter der öffentlichen Meinung Frankreichs hing nicht zusammen mit den akuten Fragen der Politik, trotzdem sei er von politischer Bedeutung und als freier Mann und Bürger wolle er von den Dingen sprechen, die das Herz eines jeden verant wortungsbewußten Menschen in Europa bewegten und bewegen müßten. Man habe Furchtbares erlebt. Das alte Europa liege in Trümmern und man stehe an der Schwelle einer neuen Epoche der Mensch heit. Dieses neue Zeitalter könne ein besseres werden und müsse ein besseres werden, wenn die Gutge- s sinnten in allen Ländern es wollten und dafür ar- i beiten, in der sicheren Ueberzeugung, daß der Gedanke ! des Friedens und der Verständigung siegen müsse, § wenn Europa nicht untergehen solle. Die Gedanken der Aechtung des Krieges, der Ab- j rüstung, der Verständigung, der friedlichen Beilegung ' aller Streitpunkte, der Sammlung aller Völker in einer Gesellschaft gleichberechtigter Mit glieder marschierten, wenn auch langsam. Mit ver schwindenden Ausnahmen glaube ganz Deutschland, datz dieser Weg der einzige sei, der zur Wohlfahrt aller Völker in Europa führe. Die Presse aller Länder habe die Führerrolle auf diesem Wege. Die Presse könne eine öffentliche Meinung der ganzen Welt bilden, deren Einfluß sich niemand auf die Dauer ent ziehen könne. Möge die Presse die öffentliche Meinung der ganzen Welt dahin bilden: Was im Leben der einzelnen Menschen untereinander unerlaubt sei, das müsse auch für die Völker der einzelnen Staaten zu einander unerlaubt sein. Wie Recht und Moral für den Einzelnen gelten, so müßten Recht und Moral auch für die Völker und Staaten Geltung haben. Noch zu einer weiteren Aufgabe müsse die Presse die Hauptarbeit tun. Zwischen den Völkern Europas lagere eine Wolke von Mißtrauen. Diese Wolke müsse zerstreut werden. Er sei der festen Ueberzeugung, daß die weit überwiegende Mehrzahl der Franzosen und der Deutschen friedliebende, ehr liche, zuverlässige Menschen seien. Es wäre eine Tragik ohne gleichen, ein großes Unglück für unsere Völker, für Europa und die Menschheit, wenn diese beiden Völker nicht den Weg zueinander finden würden." „Lernen wir einander kennen, glauben wir ein- ' ander, vertrauen wir einander!" Das sei der Weg I zu einem wahren und dauerhaften, auf Vertrauen, auf Gemeinschaftlichkeit der Interessen, auf Mensch lichkeit und Gerechtigkeit beruhenden Frieden. Frank reich habe die Möglichkeit, das Herz Deutschlands zu gewinnen. Gott gebe, daß es sie nütze. Adenauer trank dann auf einen wahren Frieden, auf Herriot und die übrigen Gäste. Der Reichskommissar der „Pressa", Reichsinnen minister a. D. Dr. Külz, begrüßte im Namen der Neichsregierung den französischen Kultusminister und gab der Genugtuung über die Beteiligung Frankreichs an der Ausstellung und über den Besuch Herriots Aus druck. Der Grundgedanke der Ausstellung sei gewesen, die nationale Eigenart zu zeigen, im internationalen Rahmen der Menschheitskultur. Die Anwesenheit Herriots möge zu der Ueberzeugung beitragen, datz das deutsche Volk friedlich gesinnt sei. Größer noch als aller kriegerischer Ruhm bleibe der Dienst am Frieden. Das Europa der Zukunft werde pazifistisch sein oder es werde nicht sein! Man vermöge keinen Grund zu erkennen, warum Frankreich und Deutschland sich künftig nicht gemeinsam in den Dienst friedlicher Höherentwicklung der Menschheit stellen können. Diese „Entente cordiale" zu gemeinsamen Menschheitsdienst werde sich umso sicherer einstellen, je eher, je restloser die Spuren einer schmerzvollen Vergangenheit beseitigt würden. Wer aufrichtig die Verständigung und die harmonische Zu sammenarbeit der beiden Nationen wolle, der werde auch umso aufrichtiger bereit sein, endgültig den Schluß strich unter Maßnahmen zu setzen, die aus einer anderen Zeit stammten als der, der unsere gemeinsame Arbeit gelten solle. Der französische Kultusminister Herriot, der hier auf das Wort ergriff, führte u. a. aus: „Frankreich konnte der Kundgebung nicht fern bleiben, die den Zweck hat die geistige Verbindung der Völker aktiver und wirksamer zu gestalten. Frankreich hat es nie versäumt, sich für die Werke der menschlichen Kultur zu erwärmen und es konnte somit nicht gleichgültig bleiben gegenüber dem beachtenswerten Versuche Kölns, die Mächte der Presse einander näher zu bringen, die die öffentliche Meinung schaffen und die erste Bürgschaft für Zu sammenarbeit und Frieden bilden. Mit lebhafter Ge nugtuung haben mich die Worte erfüllt, mit denen der Vertreter der Reichsregierung den Friedenswillen des deutschen Volkes betont hat. Wie er, bin auch ich davon überzeugt, daß es keine wertvollere und höhere Kunst gibt als die geistigen Werte zu entwickeln und die ehe maligen Gegensätze durch einen edlen Wetteifer für das Glück der Menschheit zu ersetzen. Man kann sicher sein, daß man Frankreich immer zu jeder ehrlichen Verständi- ung für den Frieden bereit finden wird, der der höchste Wunsch seines Volkes ist. Ich kann die Versicherung geben, daß die Bevölkerung der französischen Republik von der Notwendigkeit einer Stabilisierung Europas und der Welt durchdrungen ist." Herriot rühmte dann die Kölner Gastfreundschaft und fuhr dann fort: „Es gibt keine Tätigkeit die mehr als die kommunale Praxis die Liebe zum Frieden lehrt. Ein nachdenklicher und gewissenhafter Mensch erwirb: sich im Wirkungskreis einer Stadt am sichersten den Be griff menschlicher Brüderlichkeit und Solidarität. Der Besuch, zu dem Sie mich eingeladen haben, kann diese Gefühle, die meine Landsleute teilen, nur weiter vertiefen. Nie werden wir eine feierlichere Ge legenheit haben, zum Nutzen aller Völker zusammen zu arbeiten, um eine neue Ethik zu schaffen, die von der unerträglichen Knechtschaft und Brutalität befreit wird. Das ist ein Unterfangen, das gleichzeitig viel Mut und viel Geduld erfordert, aber je schwerer die auferlegte Pflicht ist, destomehr entspricht sie der Würde einer Elite, desto sicherer bringt sie den ureigendsten Willen der Massen zur Geltung. Die Völker wollen den Frie den, mit Dankbarkeit werden sie die Männer begrüßen, die ihnen endlich Ruhe bringen, Ruhe für ihre Arbeit und das Leben ihrer Kinder. Frankreich hat im Laufe der Zeiten selbst zu sehr gelitten, um nicht zu wünschen, daß der letzte Nerv der Nation sich in friedlichem Eifer auf Wirtschaft und Wirtschaftsleben konzentrieren möge. Frankreich weiß, wie groß der Anteil Deutschlands auf allen Gebieten von Wissen, Literatur und Kunst ist. Für unsere Orga nisation ist es das wichtigste Problem, der Gesellschaft, der Nation die Rechtsbürgschaft zu geben, die einer jeden nationalen Gemeinschaft ihre Sicherheit verleiht. Wie kann man eine so umfassende Aufgabe ohne die Mitarbeit des deutschen und französischen Gedankens verwirklichen? Ich wünsche, datz die Zusammenkunft in Köln, die Vertreter der ganzen internationalen Presse zur Hervorhebung der symbolischen Bedeutung veranlaßt, die diese Kundgebung verdient. Möge sie den Journalisten aller Länder, die Köln besuchen, zum Bewußtsein bringen, welche unendlich große Rolle sie bei dieser materiellen und moralischen Neuorganisation der Welt zu spielen haben. Die Presse verfügt heute übel die Seele der Massen. Köln mutz man danken, daß es diese Kundgebung veranlaßt hat, um den hervorragen den Vertretern der Pressd zu sagen, datz sie uns helfen der Menschheit den Frieden zu bringen. Diese feier liche Gelegenheit wird es gestatten, daß sich Menschen von gutem Willen vereinigen, von denen jeder sein Vaterland innig liebt, um einen Aufruf an alle groß mütigen Seelen zu richten und selbst zu verkünden, daß es ihr brennender Wille ist, die Menschheit in der Ar beit und dem Frieden zu versöhnen. Das Werk, zu dem mir uns berufen fühlen, wird sicher viele Verzögerungen erleiden müssen: Es mag ungeheuer schwierig erscheinen, ein Unter nehmen zu Ende zu führen, das allen Leidenschaften trotzen muß, um jenen Stempel der Gerechtigkeit zu verwirklichen, den die klarsten und edelsten Geister vor- hergeschaut haben, aber schon sind die Grundsteine ge legt: Die Menschheit kann nicht mehr warten und es hängt von uns allen ab, daß starke geistige Gebäude zu vollenden, in dessen Schutz die Massen aufhören werden sich zu hassen, um sich endlich kennen und lieben zu lernen. Roheilsakt eines Besatzungsfvlöaten. Köln, 3. August. Die Kölnische Zeitung meldet aus Kaiserslautern: Ein neuer Vesatzungszwischenfall, der sich am 31. Juli nachmittags zutrug, wird jetzt erst bekannt. Ein französisches Pferdefuhrwerk fuhr in so schnellem Tempo durch die Stadt, datz eine entgegen kommende Radlerin vo Rade sprang und zur Seite auf den Bürgersteig trat. Als das Fuhrwerk herankam, sprang ein französischer Soldat von dem Wagen, lief auf das Mädchen zu und versuchte ihm das Fahrrad zu ent reißen. Als ihm das nicht gelang, stieß er dem Mäd chen mit der Faust in den Rücken und gab ihm einen Fußtritt auf den Oberschenkel. Danach schwang er sich wieder auf das Fuhrwerk und fuhr im Galopp davon. An der nächsten Straßenecke stieß das Fuhrwerk mit einem deutschen Personenauto zusammen. Durch den Zusammenstoß wurde der Fahrer verletzt. Der neue englische Botschafter in Berlin. Berlin, 3. August. Der neue englische Botschafter in Berlin, Sir Horael Rumbold, der Nachfolger Sir Ronald Lindsays, ist heute vormittag zur UebernahM seiner Amtsgeschäfte in Berlin eingetroffen. Ein Ättentatsplan in Belgrad ausgedeckt. Belgrad, 3. August. Nach der „Prawda" soll die Polizei einen Attentatsplan gegen die beiden gegen' wärtigen kroatischen Minister Dr. Angelinooitsch und Dr- Bavitsch ausgedeckt haben. Ein ehemaliger Postbeamter soll verhaftet worden sein. Weitere Verhaftungen ständen bevor. Die japanische Regierung im Bedarfsfall zu Truppcnsenbnngen nach China ermächtigt. Tokio, 3. August. In einer Sitzung des Geheimen Nates, unter dem Vorsitz des Kaisers, wurde beschlossen, gegenüber der Nankingregierung keine Schwäche zu zeigen. Die Regierung wurde bevollmächtigt, selbst Truppen nam China zu entsenden. Die Anlersuchsrng gegen -en MörSer OLregvns. Neuyork, 3. August. Nach einer Meldung am- Mexiko-Stadt ist der Oberstaatsanwalt Nieto, der An sicht, datz der Mörder Obregons, Tora!, Mitglied der unter dem Namen „Villa de Guadalupe" bekannten Teroristenbande ist. Unter den Beschuldigten befinde sich auch dis Aebtissin Concepcion. Der ebenfalls M haftete Castro wird beschuldigt, im vergangenen in der Abgeordnetenkammer Bomben geworfe > zu haben. Die bisherigen Aussagen der Verhaftete lassen darauf schließen, daß die geistigen Urheber N < noch in Freiheit befinden. Die Untersuchung die Gefangenen wird noch etwa 10 Tage in Anlpra < nehmen. Erst dann wird der Prozeß gegen Toral c öffnet werden. Einem Vertreter der „Herald Tribum erklärte Präsident Calles, datz der ArbeitsmulU^ Morones an dem Tode Obregons unschuldig set- bedauerte ferner, datz kirchliche Fragen in legenheit einbezogen worden seien. Zum Schlüße w . er noch einmal darauf hin, datz er über die gesetzman Amtszeit hinaus nicht auf dem Posten zu ble: gedenke.