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Rußland und -er Kelloggpakt. Amerika und Ruhland — Ratlosigkeil in Washington. - Die Unterzeichnung -es Kellogg-Paktes gefährdet? Bekanntlich bemüht sich Rußland in den Mächte konzern ausgenommen zu werden, der den Kelloggpakt unterzeichnen will. Es ist von Interesse, daß besonders Deutschland ein besonderes Verlangen hat, Rußland mitin den Kelloggpakt eingezogen zu sehen. Ein mal wegen der engen Nachbarschaft, sodann aber auch wegen der wirtschaftlichen Verbindung und der Macht fülle des ehemaligen Zarenreiches. Deutschland hat, wie uns versichert wird, wiederholt schon betont, daß es daraus dringen müsse, auch Rußland zur Unter zeichnung des Paktes aufzufordern, was unbe dingt möglich sei und mit dem Völkerbunde nichts zu tun habe. Das beweise ja schon der Umstand, daß der Träger des Paktes, Amerika, dem Völkerbunde eben falls nicht angehöre. Deutschland wird sich in Konse quenz dieser Ansichten weiterhin für die Erfüllung der russischen Forderung bemühen. Es steht im Augenblick jedoch noch nicht fest, wie sich die anderen Mächte zu der Frage verhalten. Washington, 7. August. In den Kreisen des amerikanischen Staatsdepartements ist man über das russische Angebot, den Kellogg-Pakt mit zu unterzeich nen, stark überrascht und einigermaßen aus der Fassung geraten. Einerseits befürchtet man, daß, falls Sowjet rußland den Vertrag unterzeichnen werde, das gleich bedeutend sei mit der Anerkennung Sowjetrußlands, andererseits wünscht man, die europäischen Länder, die mit Rußland auf freundschaftlichem Fuße stehen, nicht dadurch zu beleidigen, daß man Sowjetrußland nicht mit einladet. Voraussichtlich soll die Frage so gelöst werden, daß man Frankreich die Einladung überläßt. Paris, 8. August. Wie „Neuyork Herald" aus Washington meldet, hat der Wunsch Tschitsche rins, Rußland zu den Er st unter Zeich nern des Kellogg-Paktes zuzulassen, sowie die An kündigung Spaniens, es am Unterzeich nungstage am 27. August teilnehmen zu lassen, Kellogg und die offiziellen Washingtoner Kreise des Staatsdepartements in eine heikle diplo matische Lage versetzt. In Washington wird man keine Einwendungen gegen die Anwesenheit Spaniens machen, aber befürchtet Schwierigkeiten, wenn Rußland als Erstunterzeichnungsmacht zugelassen wird. Die offiziellen amerikanischen Kreise erklären sich zwar da mit einverstanden, daß jede Nation, darunter auch Ruß land, deü Kellogg-Pakt unterzeichnen kann, aber sie empfinden Unbehagen bei dem Gedanken, daß Staats sekretär Kellogg neben Tschitscherin am Unterzeich nungstisch sitze und daß neben dem Sternenbanner das Banner mit Sichel und Stern wehen würde. Da außer dem die Namen beider Länder mit „U" anfangen, würde Kellogg gezwungen sein, hinter Tschitscherin bei der Unterzeichnung des Paktes an den Tisch zu treten. Der spanischsVotschafter in Washington, Padulla, wird täglich nach dem Staatsdepartement ge beten und cs wird bekannt, daß mit seiner Abbe rufung zu rechnen sei, falls Spanien nicht zur Paktunterzeichnung gleichzeitig mit den Großmächten eingeladen würde. Die Unterzeichnung -es Kellogg-Paktes am 27. August gesähr-et? Paris, 8. August. Zufolge der Meldungen über das voraussichtliche Fernbleiben der Außen minister Deutschlands und Englands be fürchtet man in Paris eine Gefährdung der Unterzeich nung des Kellogg-Paktes am 27. August. Man hat darum die Frage aufaeworfen, ob Staatssekretär Kellogg an der Unterzeichnung persönlich teilnehmen werde, da Briand die Einladung an den amerikanischen Staatssekretär erst hat ergehen lassen, nachdem die An wesenheit der Außenminister der anderen hauptsäch lichen Signatarmächte so gut wie gesichert schien. Nun mache die Erkrankung Chamberlains seine An wesenheit äußerst fraglich. Auch von Dr. Strese mann sei noch keine endgültige Zusage eingetroffen. Gegenüber der von den deutschen Stellen gegebenen Begründung, der Gesundheitszustand des Reichsaußenministers gestatte ihm wahrscheinlich nicht seine Reiss nach Paris, wird in politischen Kreisen als Anzeichen dafür hervoegehoben, daß Stresemann nur nach Paris kommen wird, wenn die Frage der Rheinlandräumung am Konferenz tische erörtert wird. Frankreich habe anscheinend unter der Bedingung zugestimmt, daß diese Frage mit der Neparations- und interalliierten Schuldsnfrage verquickt würde. Inzwischen hat aber Kellogg wissen lassen, daß er sich während seines Pariser Aufenthaltes nicht auf derartige Besprechungen einlassen wird. In amtlichen Pariser Kreisen mißt man, wie der „Quotiticn" meldet, der Nachricht des „Daily Tele graph", wonach Außenminister Dr. Stresemann auf seine Pariser Reise verzichten wird, geringe Bedeutung bei. Immerhin erregt die Meldung von dem möglichen Fern bleiben Stresemanns und Chamberlains bei der Unter zeichnung des Paktes in der Öffentlichkeit ziemliches Auf sehen. Unter der Ueberschrift „Das Zögern Strese manns" schreibt „Echo de Paris": Stresemann würde wohl gern nach Paris kommen, aber unter der Bedin gung, daß er den Preis für seine Reise, nämlich die vor zeitige Räumung des Rheinlandes, in die Tasche stecken könne. In diesem Punkte sei aber die französische Re gierung fest. Es gebe keine Räumung ohne Gegenleistung. Auf der anderen Seite sei jedoch die öffentliche Meinung in Deutschland nicht weniger fest, daß sie keine Zugeständnisse machen wolle, um die Räu mung zu erreichen. Die Deutschen betrachteten die Rhein landräumung als eine logische Folge der Locarno-Politik. Stresemann wird von allen Seiten der Nat gegeben, in seiner Politik der Geduld zu verharren. Diese habe ihm bisher Erfolge gebracht und er sehe die Stunde kommen, in der sie alle ihre Früchte bringen werde. England habe wissen lassen, daß es in der Rheinlandfrage den Standpunkt Deutsch lands teile. Stresemann sei zu klug, um nicht zu fühlen, daß die Zeit für ihn sicherer arbeite, als die Ge walt, besonders bei einer Regierung, wie der französischen. Von Paris würde er stärker nach Berlin zurückkehren, um die entscheidenden Verhandlungen einzuleiten. Es wäre ein großer Fehler Stresemanns, wenn er dies über sehen werde. Chamberlain kommt nicht nach Genf. London, 7. August. Chamberlain ist infolge seiner kürzlichen Erkrankung gezwungen, sich erst voll kommen zu erholen. Lord Cushendun ist zum stellvertretenden Staatssekretär des Aeußeren ernannt worden und wird Chamberlain auch auf den bevorstehenden Tagungen des Völker bundsrates und der Völkerbundsversammlung ver treten. London, 8. August. Zur Ernennung Lord Cushen- duns zum Stellvertreter Chamberlains wird er gänzend mitgeteilt, daß der König einen zweimonatigen Erholungsurlaub Chamberlains zugestimmt habe, so daß Lord Cushendun am 27. August s ü r Eng land an der Unterzeichnung des Kel logg-Paktes teilnehmen wird. Der diplo matische Korrespondent des „Daily Telegraph" bezeich nete es als bemerkenswert, daß die Erkrankungen der 3 Schöpfer des Locarnopaktes fast zu gleicher Zeit ein getreten seien und führt diese Tatsache auf die von die sen drei Männern in den letzten Jahren zu verrichtende anstrengende politische Tätigkeit zurück. Die Er nennung Lord Cushenduns an Stelle Chamberlains hat in der englischen Öffentlichkeit überaus über raschend gewirkt. Entspannung im Osten. Der polnisch - litauische Streitfall wird beigelegt werden. Man hat heute keinen Grund mehr, an einen neuen Krieg im Osten zu denken. Soweit wir unterrichtet sind, sind die Verständi gungsverhandlungen mit dem Ergeb nis beendet worden, daß — wie schon bekannt — eine Aussprache zwischen Woldemaras und Pilsudski erfolgen soll. Augenblicklich versucht man, eine weitere Verständigung über den Tag und den Ort der Zusammenkunft zu erzielen. Polnisch-Manische Verhan-lungen in Genf Kowno, 7. August. Die polnische Negierung hat durch ihren Gesandten in Riga dem dortigen litauischen Geschäftsträger eine Antwortnote auf Litauens Borschlag überreichen lassen, der dahin ging, daß die litauisch-polnischen Verhandlungen am 15. August in Königsberg wieder ausgenommen wer den sollten. Polen macht den Vorschlag, diese Ge samtberatung auf den 3V. August zu vertagen und nicht in Königsberg, sondern in Gens abzuhalten. Minister Zaleski, der an den Verhandlun gen persönlich teilnehmen will, sei am 15. August ver hindert, nach Königsberg zu kommen. Soweit verlautet, ist die litauische Regierung bereit, aus diesen Vorschlag einzugehen, so daß mit neuen direkten Verhandlungen in Genf unmittelbar vor der Tagung des Völkerbundsrates gerechnet werden kann. In Litauen hat allerdings die Tatsache ein ge wisses Befremden erregt, daß die polnische Antwort bis her in Kowno im Wortlaut noch nicht eingetroffen ist, sondern nur in einer Abschrift vorliegt, die von einem Delegationsmiiglied und nicht von dem Delegations vorsitzenden Zaleski unterzeichnet ist. Woldemams hat weiterhin die Absicht ausgesprochen, eventuell eine Reise zu unternehmen zur Zeit der Unterzeichnung des Kelloggpaktes. Er würde in Paris so Gelegenheit zur Aussprache mit den dort versammelten Außenministern haben. Vor allem beabsichtigt er wohl, mit Zaleski Vor besprechungen für die litauisch-polnischen Verhandlun gen in Genf pflegen zu können. * Spanien im Völkerbund. Antrag auf sofortige Wiederwählbarkeitssrklärnng. Genf, 7. August. Nach einer Mitteilung des Gene ralsekretariats des Völkerbundes haben die Regierun gen Deutschlands, Frankreichs und Eng lands zur Erleichterung der Rückkehr Spaniens in den Völkerbund beim Generalsekretär telegraphisch einen einleitenden Schritt zum Zwecke der ausnahms weisen sofortigen W i e d e r w ä h l b a r k e i t Ver klärung Spaniens unternommen, das. wie mit Bestimmtheit angenommen werden darf, nach Wieder aufnahme seiner Mitarbeit im Völkerbund von der nächsten Bundesversammlung als nichtständiges Mit glied, das heißt zunächst für drei Jahre, in den Völ kerbundsrat gewählt werden wird. Zu diesem Zwecke haben die genannten Regierungen den Antrag gestellt, auf die Tagesordnung der nächsten Völkerbundsver- sammluna noch die Frage der ausnahmsweisen An wendung der Uebergangsbestimmungen zu dem 1926 beschlossenen Wahlverfahren auch auf die diesjährigen Ratswahlen zu setzen. Nach dieser Ueber- gangsvorschrift, die im Jahre 1926 Brasilien. Polen und Spanien zugute kommen sollte, konnte ausnahms weise die W i e d e r w ä h l b a r k e i t s e r k l ü r u n g eines nichtständigen Ratmitgliedes schon gleich zeitig mit seiner Wahl in den Rat erfolgen. Nach dem Rücktritt Spaniens und Brasiliens konnte jedoch damals nur Polen die Vorteile dieser lieber- gangsvorschrift genießen, indem es als einziges nicht ständiges Ratsmitglied gleichzeitig mit seiner Wahl sofort für wiederwählbar erklärt wurde. Nach der Zu rückziehung der spanischen Austrittserklärung erscheint es den drei Regierungen ein Gebot der Gerech tigkeit, daß Spanien nachträglich in den Genuß der gleichen Vergünstigung gesetzt werden kann. Kochspannung in Jugoslawien. Trotz aller abmildernden Mitteilungen muß fest gestellt werden, daß jeden Augenblick mit dem Ab leben von Stephan Raditsch gerechnet wer den kann. Die Verschlechterung seines Zustandes wird nicht nur durch eine abnehmende Herztätigkeit gekenn zeichnet, sondern auch durch die Störung der Hirnfunk tionen und vor allem dadurch, daß der Zucker in das Blut eingetreten ist. Man betrachtet die Katastrophe als stündlich bevorstehend. Die Aerzte haben keine Hoffnung mehr auf Rettung, Die Nachrichten über den besorgniserregenden Zu stand Stephan Raditschs haben starke Be unruh i - gung ausgelöst. Ein erfahrener und führender Poli tiker bezeichnete es als besonderes Glück, daß der Führer der in Kroatien wohnenden Serben, Pribitschewitsch, mit der Raditschpartei verbündet ist, sonst würde im Falle des Ablebens des Kroatenführers der Bürgerkrieg vor der Tür stehen. Mißglückter Allenlalsversuch auf RaSitsch Agram, 8. August. Nach einer Meldung des „Obzor" schlichen in der Nacht zum Dienstag zwei bis her unbekannte Manner in den Vorgarten der Villa Raditsch. Sie wurden jedoch von zwei Detektiven be merkt, worauf sie die Flucht ergriffen. Ein Detektiv gab auf die Flüchtigen einen Schuß ab, woraus einet von ihnen zu Boden fiel als ob er getroffen sei. Als der Detektiv jedoch auf ihn zueilte, erhob er sich und lies davon. Die beiden Unbekannten konnten trotz eifrige? Verfolgung nicht festgenommen werden. Zm Zusam menhang mit der Aufdeckung einer Verschwörung wur den in Agram sieben Personen verhaftet. Weitere Verhaftungen stehen noch bevor. Paris und die jugoslawische Staatskrise. Die Pariser Presse beschäftigt sich lebhaft mit der politischen Eitwicklung in Jugoslawien. Man scheint auch dort zu befürchten, daß die Ratifikation der Verträge von Netturno den Konflikt zwischen Kroaten und Serben noch verschärfen werde. Die Pariser Presse macht dabei darauf aufmerksam, daß von den 315 Mit gliedern der Supschtina nur 180 augenblicklich an den Verhandlungen des Parlamentes teilnehmen und das! infolgedessen die Ratifikation des Abkommens, für die im besten Falle etwa 50 Prozent aller Abgeordneten stimmen werden, der notwendigen Autorität entbehre. Infolgedessen könne man auch von dem Entgegenkom men der Belgrader Regierung kaum eine wirkliche Ent spannung in den Beziehungen zwischen Jugoslawien und Italien erwarten. Das „Echo de Paris" geht in seinen Schlußfolgerungen allerdings noch etwas weiter, die vielleicht nicht ganz den Charakter der jugoslawi schen Krise treffen dürften. Er glaubt nämlich, daß die traditionelle Feindschaft der Kroaten gegen Italien, die schließlich zu dem Konflikt mit den Serben geführt habe, eines Tages zum Bindeglied zwischen den streiten den Vruderstämmen werde, so daß man um den inneren Friedens willen gemeinsam Front gegen den äußeren Feind mache. Die „Krassin" in Norwegen. Tromsö, 7. August. Der Eisbrecher „Krassin" twi gestern nachmittag hier ein und wurde von der M satzung der Schiffe im Hafen mit Hurrarufen begrM Der norwegische Wissenschaftler Dozent Hoel, der M während der ganzen Rettungsexpedition an Bord der „Krassin" befunden hatte, lobte die Russen sehr. Ani eine Frage, ob er sich über die vielerwühnte Episode äußern wolle, als der Flieger Tschuchnowski Ma riano und Za ppi auf dem Eise entdeckte, antwor tete Hoel, er sei ganz sicher, daß es sich bei der ve'' m kindlichen dritten Person um e>" Paar Beinkleider gehandelt habe, die auf de»! Eise lagen. Es habe auch noch ein Paar Hosen aw der Stelle gelegen, als die beiden Männer an Bord g- nommen wurden. Das Wetter sei sehr unsicher gewestm und dies konnte Anlaß zu verschiedenen Mißverstand nissen geben. Der Film, den Tschuchnowski auf gencE men habe, werde die Angelegenheit endgültig entW/ den. Der Film befinde sich noch an Bord der „Krassin Der Dozent erklärte weiter, daß Zappi bei der Rettnm noch ziemlich bei Kräften war, während der Arzt w Bord der „Krassin" erklärte. Mariano hätte kaum nom zwölf Stunden leben können. Rückkehr des italienischen Flugzeuges „Marina". Oslo, 7. August. Das italienische Flugb'"" „Marina", das sich einige Zeit an der Suche nam Amundsen beteiligt hatte, traf heute früh, von TnmM kommend, in Bergen ein und trat mittags den RUM"" nach Italien an. Unterwegs wird es eine ZwisM" landung vornehmen. * Orkan an der Floridaküste. Neuyork, 8. August. Wie aus Miami gemelde wird, wird die Florida-Küste zur Zeit von einem fum' baren Orkan heimgesucht. Auch Palm Beach ist ' Mitleidenschaft gezogen worden. Zahlreiche klev Häuser wurden zerstört. Die Telephon- und graphenleitungen sind unterbrochen. Große Bam' knicken um wie Streichhölzer. Der Sturm errem eine Stundengeschwindigkeit von über 100 Kilometer Die Stadt liegt vollommen im Dunkeln. Man fürm"' daß die Windhose sich landeinwärts wenden und vo ihr Zsrstörungswerk fortsetzen wird.