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Keine Hoffnung mehr für Amundsen. Der vom aeroarktischen Kongreß in Petersburg zu- unternommen, das Lager Nobiles auf dem Eise zu er- rückkehrende dänische Forscher Peter Treuchen berichtet reichen. Es mutzte jedoch infolge starken Nebels nach der hiesigen Zeitung „Politiken", datz man in norme- wenigen Stunden unverrichteter Sache zurückkehren. gischen Sachverständigenkreisen nunmehr von dem Untergang des französischen Flugzeuges überzeugt sei. Dee Begleiter Amundsens auf dessen Südpol-Expedition Helmer Hansen, hat die Ueberzeugung ausgesprochen, datz sein Freund den Heldentod gefunden habe. Das französische Flugzeug könne sich nach dem Urteil aller Sachverständigen nur etwa zwei Stunden lang auf dem bewegten Eismeer gehalten haben. Falls es also nieder- gezwungen worden sei, müsse man sicherlich damit rechnen, datz Amundsen den schnellen Tod gefunden habe, den er sich immer für seine Person gewünscht habe. Die italienischen Flieger in Tromsö haben berichtet, datz sie die ganze Strecke zwischen Tromsö und der Büren-Insel systematisch abgesucht Hütten, oh ne auch nur eine Spur von dem französischen Flugzeug zu entd eck e n. Jetzt wird der Vorschlag gemacht, zwan zig Seehundfänger-Fahrzeuge auszurüsten und Has Fahrwasser eingehend abzusuchen. Die Seehundfänger sind gewöhnt, auf zwei Kilometer Entfernung See hunde zu entdecken und haben daher eine vorzügliche Vorübung für die Nachsuche. Die „Hobby" wird heute Montag unter dem Kommando eines norwegischen Marineoffiziers in See gehen. Missglückter Flug zum Nobile-Lager. Wie aus Spitzbergen gemeldet wird, hat eines der schwedischen Wasserflugzeuge einen neuen Versuch Der dunkelste Punk! in -er Polarforschung. Kopenhagen, 2. Juli. Der dänische Polarforscher Peter Treuchen äutzerte zu der gescheiterten Nobile-Ex pedition, datz diese nicht nur eine Tragödie, sondern der dunkelste Punkt in der Geschichte der Polarforschung geworden ist. Nobile habe in technischer wie in mora lischer Hinsicht eine Niederlage erlitten. Er habe die Polarforschung mit dem Luftschiff in Mitzkredit gebracht. Alle Warnungen habe er, der weder Polarforscher sei noch Vorkenntnisse besätze, überhört. Auch Amundsen und Riiser Larsen seien dieser Ansicht. Treuchen begibt sich jetzt nach Grönland, um sich an der „Jtalia"-Suche ebenfalls zu beteiligen. Eia weiteres Opfer der Rettungsversuche für die „Jtalia"-Leute. Berlin, 2. Juli. Die Montagpost berichtet, datz von dem am Freitag von dem russischen Eisbrecher „Maly gin" zur Suche nach der Lundborg-Gruppe aufge stiegenen Flieger Babuschkin bis jetzt jede Nachricht fehlt. Noch kurze Zeit nach dem Start habe Babuschkin mit dem Eisbrecher in Funkenverbindung gestanden, dann verstummte sein Sender. Schweres SchachLunglückin Frankreich Bisher etwa 53 Mole Paris, 30. Juni. Wie aus Rsche-la-Moliere in der Nähe von St. Etienne gemeldet wird, erfolgte in einem dortigen Steinkohlenschacht am Sonnabend nachmittag eine Erplosion, wodurch der Schacht in Brand geriet. Trotzdem sofort die Rettungsarbeiten einsetzten, sind zahl reiche Todesopfer zu beklagen. Paris, 1. Juli. Zu der fürchterlichen Katastrophe in den Gruben von Noche-la-Moliere bei St. Etienne werden folgende Einzelheiten bekannt: Infolge einer Feuersbrunst, die den Einsturz eines Lustschachtes ver ursachte, wurden 53 Grubenarbeiter, darunter etwa 30 Franzosen und 19 Polen und Marokkaner erstickt. Bis zur Stunde konnten 40 Leichen und 15 Verletzte geborgen werden. An der Unglücksstelle arbeiteten 570 Bergleute. Die Ursache der Feuersbrunst ist noch nicht genau be kannt, wird aber aus einen Bruch der Luftzusuhrungs- amlage zurückgeführt, die dann völlig einsturzte. Die Bergleute stürzten nach den ersten Anzeichen der Kata strophe nach den Förderkörben. Viele Arbeiter, von den schädlichen Gasen halb erstickt, konnten die Aufzüge jedoch nicht mehr erreichen. Während die Förderkörbe unter ständigem Geläut der Alarmglocken die Bergleute zutage förderten und Angehörige der in der Grube be findlichen Arbeiter entsetzt nach dem Sitz der Verwaltung eiltest, leitete diese die ersten Hilssmahnahmen ein. Er greifende Szenen spielten sich ab, als die ersten Ver wundeten auf Vahren oder auf ihre Retter gestützt und die ersten Leichen an die Oberfläche kamen. Der Hof des Verwaltungsgebäudes war bald derart mit Toten bahren ungefüllt, datz nur noch ein enger Gang freiblieb. Die Deputierten Vernay und Durafour, früher Ar- beitsminüter, haben bereits das Kammerpräsidium wissen lassen, datz sie den Arbeitsminister über die Schuldsrage interpellieren werden. Arbeitsminister Tardieu hat Paris bereits am Sonnabend abend verlassen, um sich an die Unglücksstelle zu begeben. In dem benachbarten St. Etienne verbreitete sich sofort nach dem Eintreffen der Un glücksmeldung große Bestürzung und Erregung. Auf dem Rathaus wurde die Flagge auf halbmast gehißt. Die für den heutigen Sonntag aus Anlatz einer Denk malseinweihung festgesetzten Feierlichkeiten wurden ab gesagt. Paris, 30. Juni. Das Unglück ist nach offizieller Darstellung dadurch entstanden, daß durch einen infolge eines Brandes hervorgerufenen Steinrutsch eine Preß- luftleiL-mg zerstört wurde. Es gelang, 240 Arbeiter rechtzeitig an die Oberfläche zu befördern. Eine große Anzahl der in der Trube Verbliebenen konnte durch künstliche Atniung gerettet werden. St. Etiestne, 1. Juli. Die Leichen weisen an Ge sicht und Körper nur oberflächliche Brandwunden aus, ein Beweis dafür, daß es sich nicht um eine Schlag wetterkatastrophe gehandelt haben kann. Die Gesichts züge tragen die Merkmale des Erstickungstodes. Das Feuer dürste kaum vor Ablauf eines Monats gelöscht sein. Noch 20 BergarSetter unrettbar verwren? Paris,-2. Juli. Wie zu dem Grubenunglück in Roches-la-Moliere, über das wir an anderer Stelle be richten, noch weiter bekannt wird, soll die Grube, in der sich das Unglück ereignete, nach Aussagen der Ingenieure besonders gefährlich sein. Der letzte Brand war im Jahre 1925 ausgebrochen, konnte aber damals ohne Ver lust von Menschenleben eingedämmt werden. Nach der in der „Humanite" wiedergegebenen Auffassung eines der geretteten Bergarbeiter soll das Feuer seit Jahren nie gelöscht worden sein, so daß sich die Kohlengase im Stollen ansammelten. Das gleiche Blatt will im Gegen satz zu den amtlichen Feststellungen wissen, datz in der Grube noch zwanzig Arbeiter erngeschlossen seien, für deren Rettung keine Hoffnung mehr besteht, was die Zahl der amtlich mit 48 angegebenen Todesopfer auf gegen 70 erhöhen würde. Die Mehrzahl der Todes opfer sand durch Erstickung Sen Tod. Ein namhafter Teil der Bergleute, auch dadurch, datz sie sich auf der Flucht vor den Gasen in der Dunkelheit und in der Angst an den Grubenhölzenr und Wänden die Stirn ein rannten. Nach einer Erklärung des Arbeitsministers Tardieu waren alle notwendigen Sicherheitsmaß nahmen in der Grube begriffe doch behält er sein Urteil einer späteren Prüfung der Untersuchungsverhältnisse vor. Cardinal Matrin von Lyon verrichtete an den Werken die letzten Gebete für die Opfer. Die meisten Verstorbenen waren verheiratet und hinterlassen ins gesamt 57 Kinder von weniger als 13 Jahren. Einige Bergleute hinterlassen eine Frau mit sieben bis neun Kindern. Montag vormittag werden die 48 Todes opfer auf dem Friedhof beigesetzt. Der internationale Bergarbeiterkongretz von Clairmont-Ferrand beschlotz, am Sonntag vormittag eine Unterstützung für die Hinterbliebenen. Von den Toten sind 31 Franzosen, 11 Polen, 4 Marrokaner, 1 Italiener und 1 Tschecho slowake. Außerdem sind noch 9 Schwervergiftete ge borgen worden. Der Treuschwur -es Saargebiets. Eine Kundgebung im Heidelberger Schloß. Heidelberg, 1. Juli. Der Bund der Saarvereine trat zu seiner 8. Bundestagung zusammen. Als erster referierte Dr. Moldenhauer, M. d. R., über die Saar frage im Rahmen der deutsch-französischen Verständi gungspolitik. Die Franzosen vergäßen, daß das Saar gebiet seit dem 5. Jahrhundert nach Christi von deut schen Stämmen besiedelt und, datz 1925 unter Anteil nahme der ganzen Bevölkerung die tausendjährige Zu gehörigkeit zu Deutschland gefeiert worden sei. Am nachmittag wurde im Hofe des Heidelberger Schlosses von mehr als 1200 Sängern des Saarsüngerbundes unter Leitung des Bundeschormeisters Schrimpf, Saar brücken, eine Kundgebung veranstaltet. Darauf hielt der Vorsitzende des Bundes der Saarvereine, Senats- prüsident Andres, Frankfurt a. M., die Begrüßungsan sprache. Am Schluß seiner Ansprache wurde ein Tele gramm des Reichspräsidenten verlesen, das von der Menge mit stürmischen Beifall ausgenommen wurde. Hierauf ergriff Reichsminister a. D. Dr. Bell, M. d. R., das Wort zu einer Festansprache, in der er sagt: Ueber Saardeutschland und besetztes Gebiet kann keine Meinungsverschiedenheit unter Deutschen bestehen. So antwortet dem die deutschen Lande in harmonischen Einklang durchdringenden Ruf der gesamten Saarbe völkerung: „Wir wollen frei sein, wie unsere Väter waren" vielmillionenfaches Echo aus allen deutschen Gauen und auch aus dem Ausland, soweit dorten die deutsche Zunge klingt: Wir stehen zu Euch bis zum Tode getreu, in Blutsbruderschaft unauflöslich mit Euch ver eint. Der allseitige Ruf nach unverzüglicher Wieder vereinigung von Saarland und Saarbevölkerung mit dein deutschen Vaterland darf nicht ungehört verhallen. 'Notwendige Voraussetzung zur Durchführung des Friedensgedankens dieses ragenden Kulturproblems ist die unbedingte Gleichberechtigung und Gleichwertung aller nationalen Belange. Wir wollen diese feierlich ernste Stunde nicht vorübergehsn lassen, ohne unserer machtvollen Kundgebung das bleibende Gepräge auf- zudrücken durch den Nütlischwur, zu den alle Deutschen aus unbesetztem, wie besetztem Gebiet, und von der Saar ihre Hände und Herzen erheben: „Wie wollen sein ein einig Volk von Brüdern, in keiner Not uns trennen und Gefahr." Nach dieser Rede erhoben die Festteilnehmer zum Treugelöbnis die rechte Hand. Verwaltungsdirektor Vogel, Berlin, verlas darauf die von der Vertreter- tagung beschlossene und einstimmig angenommene Entschließung in der festgestellt wird, daß der feste Wille des Volkes an der Saar, das rein deutsch und ohne jede fremde Bei mischung, die Wiedervereinigung mit der deutschen Wirtschaft und der deutschen Negierung fortgesetzt und einmütig fordert. Mit Abscheu weist die Saarbe völkerung die neuesten Pläne gewisser französischer Kreise zurück, die das klar umschriebene Recht Deutsch lands, die Gruben zurückkaufen vereiteln wollen Asußcrste Gefahr ist in Verzug. Es gibt nur eine Ab- ! Hilfe: ein Ende zu machen mit dem Saarexperiment des i Versailler Vertrages, der sich in acht Jahren als völlig verfehlt erwiesen hat, durch die ungeschmälerte Rückgabe des Saargebiets und seiner Kohlenlager an Deutschland. Der ttberase Tag. Die Liberale Vereinigung veranstaltete in Berlin am Sonntag einen Liberalen Tag, zu dem auch u. a. zahlreiche Abgeordnete der Deutschen Volkspartei und der Demokraten erschienen waren. Auch Reichswehr- Minister Groener war anwesend. Die Versammlung nahm einmütig folgende Entschließung an: „Die heute im Plenarsitzungssaal des Deutschen Reichstages aus allen Gauen Deutschlands versammel ten liberalen Männer und Frauen klagen die bürger lichen Fraktionen im Parlament an, daß sie den Geist der Zeit nicht erfaßt haben. Dio Stunde, das deutsche Bürgertum zu einen, habe geschlagen. Wir ehren die großen Traditionen der Vergangenheit: wir bekennen uns aufrichtig zum gegenwärtigen Staat der deutschen Republik; wir bekennen uns zum grotzdeutschen Ge danken und dem deutschen Einheitsstaat. Noch immer fordern wir die Fortsetzung einer würdigen und klugen Politik, die der nationalen Befreiung und der Erkümp- fung unserer Gleichberechtigung mit den großen Nationen der Welt gilt. In kulturellen Fragen lehnen wir jede Unduldsamkeit, jeden Kultur- und Klassen kampf ab. Wir erstreben die Durchdringung aller Volksschichten mit modernem Nechtsgefühl. In der Wirtschaft tragen wir aus voller Ueberzeugung den Ver hältnissen der Gegenwart Rechnung. Wir wollen einen sozialen Liberalismus. Wir wollen eine soziale Poli tik, die das Verantwortungsbewusstsein des einzelnen wiederherstellt. Wir treten ein für Erziehung des ein zelnen Menschen zur Führerpersönlichkeit. Wir müssen hinaus aus dem Fürsorgestaat, aus der bequemen Risikolosigkeit, die jedes Verantwortungsgefühl des einzelnen erstickt. Darum sind wir gegen den Staats sozialismus, der den Mittelstand in Stadt und Land, den Kaufmann, den Handwerker und den Bauern, die wir zu den unsrigen zählen, vernichtet, der die Freiheit der Beamten, Angestellten und Arbeiter einschränkt und ihnen die Aufstiegmöglichkeiten nimmt. In diesem Sinne werden wir weiterarbeiten. Wir wenden uns an die deutsche Jugend mit dem Ruf zu bewußter, tatkräf tiger Mitarbeit. Unser Kampf richtet sich nicht gegen das Gefüge irgendeiner Partei, wir richten aber an alle Liberalen in den Parteien von heute, an alle noch ab seits stehenden liberalen Männer und Frauen den Ruf: „Fort mit allen kleinlichen Bedenken und Hemmungen!" Sammelt euch zu einer großen liberalen Gemeinschaft, zur Erhaltung des deutschen Bürgertums, zur Wieder herstellung eines deutschen Vaterlandes/' Der witten-e Pilsudski. 2. Juli 1928 Der Diktator nimmt Abschied vom Sejm. Der Sejm einen Dirnenparlament. — Die Abgeordneten Lumpen und Schweine. Marschall Pilsudski hat am Sonnabend aus Anlaß seines Rücktritts vom Ministerpräsidium zum ersten Male der Presse eine Unterredung gewährt. Diese sollte der Oeffentlichkeit die Gründe seines Rücktritts darlegen. Pilsudski betonte, nicht sein Gesundheitszustand, der sich durch eine Reise nach dem Süden weiter bessern werde, sei sein Rüütrittsgrund: die unmöglichen innerpolitischen Verhältnisse, vor allem die jede planvolle und energische Arbeit der Negierung hindernden Verfassungsbestim mungen zwängen ihn dazu, einem anderen Haupte es zu überlassen, sich mit dem „Sejm der Dirnen" auseim anderzusetzen. Die für das Schicksal des Staates ver antwortlichen Minister müßten für Groschen arbeiten, während die Abgeordneten, die „Lumpen und Schweine", nur an ihre Privatinteressen dächten. Wenn er nicht durch die äußere Form gezwungen wäre, so würde er täglich nichts andres zu tun, als die Abgeordneten zu prü geln und mit Füßen zu treten. Nur seinem Mitarbeiter Bartel sei es mit zu verdanken, daß in den zwei Jahren seiner Regierung Großes und Vieles habe für Polen ge tan werden können. Das sei aber auch nur wieder mög lich gewesen, weil er den größten Teil der Macht des Sejm vernichtet habe. Trotz aller Erfolge seien gegen ihn immer wieder nichtige Vorwürfe erhoben worden, die ihm die ganze Arbeit allmählich verleiden und seine Gesundheit untergraben mutzten. Ihm sei eigentlich nur noch die Wahl geblieben, Polen eine neue Verfassung aufzuzwingen oder zurllckzutreten. Er habe sich für den Fall künftiger Schwierigkeiten schon jetzt dem Staats präsidenten zur Verfügung gestellt. Wenn er gerufen werde, werde es Polens Schicksal rücksichtslos und kühn zu entscheiden wissen. Pilsudskis Rede hat in Warschau ein großes Rätsel raten ausgelöst. Man fragt sich, o b P i l s u d s k i e r n st zunehmenist oder die Aerzte, die ihm in Anbetracht seines Gesundheitszustandes jede Regierungs fähig k e i t absprechen.. Der Marschall ist in der Nacht zum Sonntag mit seinen beiden Töchtern nach Gdingen zu einer Dampfertaufe abgereist. Während die Pilsudski-Presse die Rede des Marschalls ohne weiteres erhielt, wurde den anderen Blättern die Rede nur gegen Geld und die Versicherung, daß die Rede auch mit allen Kraftausdrücken gebracht wird, ausgehündigt. Die Lohnsteuersenkung. Die Prüfung der Frage der Senkung der Lohn steuer bei Einkommen bis 8000 Mark jährlich im Reichs finanzministerium hat laut Vorwärts ergeben, daß M der Tat der Ertrag der Lohnsteuer so wesentlich über den