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Neue Kellogg-Vorschläge. Neuyork, 22. Juni. Wie der amtliche amerika nische Funkspruch aus Washington meldet, wird der neue Kriegsvcrzichtspakt-Entwurf des Staatssekretärs Kellogg den europäischen Mächten mit nur einer Aende- rung unterbreitet werden. Die Mächte werden aufge fordert, diesem neuen Beitrag ihre Zustimmung zu geben. In Kreisen des Staatsdepartements legt man sich in der Angelegenheit noch Stillschweigen auf. Es verlautet aber, das; die Aenderung des ursprünglichen Entwurfs in einer im Borwort enthaltenen Klausel zum Ausdruck kommt, die vorsieht, daß die Unterzeichner sofort von allen Abmachungen mit einer Regierung be freit sind, die den Vertrag verletzt. Die Haltung Frank reichs ist immer noch zweifelhaft. Nichsdestoweniger glaubt man in Kreisen des Staatsdepartements zu versichtlich an einen Erfolg der diesmaligen Vorschläge. Frank'eich gib! seine Vorbehalte aus? Paris, 22. Juni. Nach einer Meldung des „Neu york Herald" soll die französische Regierung endgültig dem mehrseitigen Kriegsverzichtsvertrag beigetreten sein. Ueber Frankreichs Vorbehalte und Einwände gegen den Vertragsplan sei auf diplomatischen Wege ver ¬ handelt worden. Der abgeänderte Text hätte das fran zösische Außenamt derart zufrieden gestellt, das; keine wichtigen Vertragsteile mehr einen Einwand be gegneten. Die hauptsächlichste Aenderung im ameri kanischen Entwurf soll darin bestehen, das; die Präambel auf die Vertragsverletzungen eingeht. Die verschiedenen Einwände gegen den Kelloggplan, die Chamberlain in seiner Note auf die amerikanische Einladung erhob, sollen ebenfalls überwunden sein. Die Vorbehalte der italienischen Regierung würden in Washington als nicht so schwerwiegend angesehen, daß sie das Zustande kommen des Vertrages hinderten. Nach dem gleichen Blatte geben amtliche Persönlichkeiten des Quai d'Orsey zu, das Frankreich bereit sei, den Vertrag zu unterzeichnen. Man bestehe nur darauf, das; die früheren Vorbehalte in der Präambel zum Ausdruck kämen. Von den vier Einwänden Briands seien zwei überhaupt fallen gelassen worden. Die noch bestehenden zwei be zögen sich auf die Verpflichtungen gegenüber dem Völkerbund und die Entbindung der Signatarmüchte von den Vertragsverpflichtungen, falls eine von ihnen gegen diese Bestimmung verstoße. Wie Nobile ausgesunden wurde. 22 Juni 1928 Ueber die Entdeckung der Gruppe Nobile durch Maddalena berichtet „Corriere della Sera" folgende Einzelheiten: Um 9,30 Uhr entdeckte Maddalena und einer seiner Begleiter das rote Zelt Nobiles, das an einem aufgespannten Draht farbige Tücher, wie kleine Fahnen usw. wehen hatte. Die fünf Männer winkten lebhaft, aber das Flugzeug flog in einer Geschwindigkeit von 120 Kilometer, so daß das Bild der Schiffbrüchigen nach wenigen Sekunden wieder entschwand. Dann begann ein erneutes verzweifeltes Suchen. Das Flugzeug ging bis auf 30 Meter herunter und lief zeitweise Gefahr, die aufgetürmten Eismassen zu streifen. Jeder Winkel wurde abgesucht, doch zunächst vergeblich. Der Radioapparat der Schiffbrüchigen be richtigte fortwährend die Richtung des Flugzeuges. Endlich nach 67 Minuten erschien das rote Zelt von neuem und fünf Mann waren davor sichtbar, während der sechste, der verwundete Chefmonteur Cecioni, im Innern des geöffneten Zeltes sich befand, von wo aus er das Flugzeug gleichfalls sah. Die Schiffbrüchigen gaben ihrer unbeschreiblichen Freude . Ausdruck Nobile bewegte sich gewandt, was auf eine voll ständige Heilung seiner Wunden schließe. Der korpu lente tschechische Professor Behounek trug eine Ben zintanne auf dem Kopf, anscheinend zur Brechung der Lichtstrahlen. Die Flugbesatzung begann dann mit dem Abwerfen des Materials durch Fallschirme, Radioakku mulatoren, Waffen und Medikamente wurden nieder- gelafsen und sie landeten sanft auf dem Eise. Dann folgten in gewöhnlichem Abwurf Säcke mit Decken, Lebensmittel usw. Wie außer sich vor Freude sprangen die Schiffbrüchigen umher, um die zerstreuten Gegen stände zu sammeln. Die Besatzung des Flugzeuges ver mochte in der Nähe weder einen Wasser spiegel, noch eine geeignete größere Eisfläche zu entdecken, die eine Landung des Flug zeuges erlauben würde. Zwei Stunden später traf Maddalenas Flugzeug wieder in Kingsbay ein, wo ihm ein begeisterter Emp fang bereitet wurde, da die Hilfsaktion Maddalenas den ersten eigentlichen Erfolg der gesamten Nettungsexpedi- tion darstellt. Maddalenas Erfolg erregte in Kingsbay und besonders auf dem Mutterschiff einen unbeschreib lichen Freudensturm. Trotzdem rechnet man noch nicht mit einer unmittelbar bevorstehenden Rettung Nobiles. Maddalenas „Sawoia 55" kann, wie gesagt, auf dem Eise nicht landen. Die Eisfläche auf der Scholle Nobiles ist aber auch für das Flugzeug Pensos zu klein. Hier dürften also die kleinen Flugzeuge Larsens und Holms Erfolg haben, aber auch im Falle der Unmöglich keit der Landung von Flugzeugen wird, wie man hofft, die Gruppe Nobile voraussichtlich im Laufe einer Woche aus ihrer Lage befreit werden, da der Eisbrecher „Ma lygin", der nur langsam vorwärts kommt, dann die Schiffbrüchigen erreicht haben dürfte. Außer Riiser Larsen waren noch zwei schwedische Flugzeuge zum Er kundungsfluge aufgestiegen. Auch diese hat Nobile deutlich gesichtet, während die Flieger die Nobile- Gruppe nicht entdecken konnten. Amundsen aus Franz-Ioseph-Lanö notgelandet? Wie die „Tägliche Rundschau" aus Paris meldet, soll nach einer Meldung aus Oslo der französische Flieger Guilbaud mit Amundsen auf Franz-Joseph- Land notgelandet sein. Eine Bestätigung dieser Mel dung von anderer Seite liegt nicht vor. Maddalena aufgesttegen. — Grohe Sorge um Amundsen. Wie aus Kingsbay gemeldet wird, ist am Donners tag Maddalena erneut nach der Foyn-Jnsel gestartet und hat Rauchbomben mitgenommen, mit deren Hilfe Nobile einen geeigneten Landungsplatz aus dem Eise angeben soll. Falls eine Landung gelingt, will Maddalena Nobile und seine drei Begleiter an Bord .nehmen und sie nach Kingsbay bringen. Da das Eis immer stärker zu schmelzen beginnt, befürchtet man, daß der schwedische Meteorologe Malmgreen und die beiden Italiener, die sich vor 17 Tagen von Nobile getrennt haben, nicht mehr zu retten sind. Das zerklüftete Eis mit seinen Licht- und Schattenwirkungen bringt es mit sich, daß einzelne Personen vom Flugzeug aus selbst aus nächster Nähe nicht gesichet werden können. , Vis zum Donnerstag abend liegen bisher keinerlei Nachrichten über das Schicksal Amundsens und seiner Begleiter vor. Man fängt an die Lage ernster zu bcur teilen und erwäg: bereits, was geschehen müßte, um das verschwundene französische Flugzeug zu suchen. Die Regierung hat ein Jnspektionsschiff damit veauftragt, die Ostküste von Spitzbergen bis hinunter zur Büren-Jpsel abzusuchcn. Ebenso ist der Befehl ge geben worden, sämtliche Fahrzeuge zu benachrichtigen und sie aufzufordern, nach Amundsen zu suchen. Die Aufgabe ist ungeheuer schwierig, da man nur weiß, daß Amundsen an der Ostküste Spitzbergens entlang fliegen wollte. Da seit dem Abflug von Tromsö keinerlei Funkmeldungen eingetroffen sind, liegt die Möglichkeit nahe, daß die Maschine frühzeitig zu einer Notlandung gezwungen wurde. Eine Hilfeleistung kann vorläufig wohl nur darin bestehen, daß man das Fahrwasser von Schiffen absuchen läßt. Riiser Larsen hat gestern wieder einen ergebnislosen Erkundungs flug unternommen. Von der „V r a g a n z a" wird mitgeteilt, daß sowohl Riiser Larsen als auch Lützow- Holm auf ihren sämtlichen vier Flügen festgestellt haben, daß das Polareis immer noch sehr stark ist. Die „Braganza" kann daher nicht weiter als bis zur Ost küste des Nordkaps vordringen. Die Sachverständigen sind der Meinung, daß auch ein starker Eisbrecher Nobile nur schwer erreichen kann. Die „Bremen"- Flieger beim Auto mobilklub von Deutschland. S2.Juni 1928 Am Donnerstag abend waren die „Vremen"-FIieger mit ihren Damen Gäste des Automobilklubs von Deutsch land. Um V29 Uhr sand ein großer Empfang statt, zu dem mehrere hundert Mitglieder des Automobilklubs mit ihren Damen sich eingestellt hatten. Erzellenz von Radowitz würdigte die große Leistung der drei „Bremen"- Flieger, woraus den Fliegern die goldene Klubehren^ Medaille, mit- der gleichzeitig die Ehrenmitgliedschaft des Automobilklubs verbunden ist, überreicht wurde. Haupt mann Köhl dankte hierauf mit einigen humorvollen Worten. Die „Bremen" sei das beste Flugzeug der Welt. Sein Kamerad Fitzmaurice, den er in den letzten Monaten außerordentlich schätzen gelernt habe, habe in Baldonell innerhalb einer Stunde mit der „Bremen" fliegen gelernt. Fitzmaurice habe sich nicht nur seine und Hünefelds Sympathie, sondern auch ganz besonders die Zuneigung der Bevölkerung in den Vereinigten Staaten erworben. Hieraus sprach Major Fitzmaurice in enlischer Sprache. Fitzmaurice betonte in einigen kurzen Dankesworten, daß er über die herzliche Aufnahme in Berlin entzückt sei. Zum Schluß sprach v. Hünefeld, der sich bei den gestrigen ausgedehnten Empfangsfeierlich keiten eine schwere Erkältung zugezogen hat. Wenn das Flugzeug, so erklärte er, heute als das Verkehrsmittel der Zukunft bezeichnet werde, so dürfe nicht vergessen werden, daß der Autosport und die Seefahrt die Vor gänger des Flugsports gewesen seien. Er hoffe, daß der Flugsport die Grenzen der einzelnen Länder in Europa und die Grenzen von Kontinent zu Kontinent verwischen werde. Die Ozeanflieger zwischen dem 10. und 20. Juli in Königsberg. 22 Juni 1928 Wie aus der Umgebung des Herrn v. Hünefeld ver lautet, werden die Ozeanflieger nach ihrer Jrlandreise zwischen dem 10. und 20. Juli in Königsberg weilen. Sie legen auf einen baldigen Besuch der ostpreußischen Hauptstadt den größten Wert, da Königsberg, v. Hüne felds Eeburtsstadt, mit an erster Stelle seinerzeit ihrer besonders warm gedacht hatte. Di« weiteren Pläne der Ozeanflieger. Wie die TU. von Hauptmann Köhl erfährt, haben die drei Ozeanflieger sowohl vom Aero-Klub in London als auch von der irischen Gesellschaft in London eine Ein ladung erhalten, nach England zu kommen. Die Flieger werden dieser Einladung Folge leisten, sobald sie ihren Verpflichtungen in Süddeutschland und Norddeutschland nachgekommen sind. Die Meger werden sich voraus sichtlich in etwa neun bis zehn Tagen zunächst nach München und dann nach Ulm und Stuttgart begeben. Später soll dann auch noch Hamburg und Königsberg ein Besuch abgestattet werden. Ob die beiden letzteren Städte noch vor der Fahrt nach England bzw. Irland besucht werden, steht im Augenblick noch nicht fest. Gartentee beim Reichspräsidenten. Für Donnerstag nachmittag hatte der Herr Reichs präsident zu einem Tee im Garten seines Hauses ein geladen, an dem u. a. der Reichskanzler, fast alle in Berlin anwesenden Mitglieder der geschäftsführenden Reichsregierung, die Mitglieder der preußischen Regierung, des Preußischen Landtags, zahlreiche Mitglieder des Reichsrats, die Staatssekretäre des Reichs, der Reichs sparkommissar und Präsident des Reichsrechnungshofs, Dr. Sämisch, der Reichskommissar für die besetzten Ge biete, Langwerth von Simmern, die Chefs der Heeves- und Marineleitung, zahlreiche höhere Offiziere der Reichs wehr und der Reichsmarine, sowie führende Persönlich keiten des Berliner Wirtschaftslebens, der Kunst und Wissenschaft mit ihren Damen teilnahmen. Zum Tee waren außerdem die Ozeanflieger Köhl, von Hünefeld und Fitzmaurice mit ihren Damen und Angehörigen er schienen. Sie bildeten den Mittelpunkt des besonderen Interesses der etwa 300 erschienenen Gäste des Reichs präsidenten. Die Anschlutzsrage vor der Kleinen Entente. Bukarest, 22. Juni. Die Ausspräche über die öster reichischen Frage wurde am Donnerstag auf der Kon ferenz der Kleinen Entente durch Dr, Benesch eröffnet. Die Kleine Entente will die Situation Oesterreichs in wirtschaftlicher Hinsicht verbessern. Damit ist die Ten denz, den Anschluß Oesterreichs an Deutsch- land zuverhindern, nicht zu verleugnen. Es scheint, daß darüber große Debatten geführt worden sind. Die Entschließung wird in dieser Hin sicht keineswegs so ausfallen, wie etwa die ungarische Angelegenheit. Bemerkenswert ist die Anwesenheit des rumänischen Gesandten in Athen, der allen Ge rüchten entgegen in der jugoslawisch-griechischen An gelegenheit die Vermittlungsrolle auf sich genommen hat. Blutige Zusammenstöße in Belgraö Belgrad, 22. Juni. In den späten Abendstunden des Donnerstags kam es in Belgrad zu schweren Zu sammenstößen zwischen der Polizei und Demonstranten. Die Demonstranten, bestehend aus Studenten und Kommunisten, veranstalteten noch in den Abendstunden einen Demönstrationszug, wobei Rufe gegen die Regie rung laut wurden. Dis herbeieilenden Gendarmerie- und Polizeibeamten versuchten die Demonstranten z" zerstreuen. Diese errichteten jedoch an verschiedenen Straßenecken der Stadt Barrikaden und griffen die Polizei mit Steinen an. Die Polizei machte von der Schußwaffe Gebrauch, wobei vier Personen getötet und 12 verwundet wurden. Um Mitternacht gelang es der Gendarmerie und Polizei, die Ruhe in Belgrad wieder herzustellen. 70 Demonstranten wurden verhaftet. Die Stu denten wurden nach Feststellung ihrer Personalien wieder aus freien Fuß gesetzt, während die Kommunisten in Haft behalten wurden. Die Kroaten verlangen den Rücktritt -ek Regierung. Am Donnerstag, um 16,30 Uhr, wurden die Leichen der getöteten kroatischen Abgeordneten Paul NadiW und Dr. Georg Basaritschek zum Bahnhof gebracht, um nach Agram überführt zu werden. Die UeberfühnnM der Leichen gestaltete sich ohne jede Zerenronte. A wurde keine Trauerrede gehalten. Die demokratische Bauernpartei hielt gemeinsam mit den selbständigen Demokraten unter dem Vorssi> des Parteiführers Pribitschewitz eine Vollsitzung ab. in der hochwichtige und bedeutungsvolle Entschließungen gefaßt wurden. Nach der Sitzung wurde ein Bericht veröffentlicht, in dem die Partei ihrer Verwunderung darüber Ausdruck gibt, daß die Negierung noch immer nicht zurückgetreten sei, was zur Beruhigung der ganze» Nation und insbesondere des kroatischen Volkes not wendig wäre.. Die vereinigte bäuerlich-demokratische Koalition habe sich entschlossen, daß sie mit, dieser Regis rung in keine Verbindung treten werde und in die Belgrader Skupschtina solange nicht zurückkehren werde, bis ihr für das vergossene Blut ihrer gefallenen Mm tyrer Genugtuung sowie volle Gleichberechtigung gs geben werde. Aus demselben Grunde weise die Koab tion den Antrag der Negierung, Entschädigung für dir unersützlichen Leben ihrer gefallenen Abgeordnetem kollegen zu leisten, zurück, weil das selbstbewußte Volt für die Angehörigen ihrer Volksvertreter selbst SwP tragen werde. Der Eindruck -er Belgrader Ereignisse in London. Stockung in den Anleiheverhankungen? London, 22. Juni. Die diplomatischen und die Finanzkreise Londons verfolgen die Ereignisse in grad mit großer Aufmerksamkeit und Sorge. Nach dem diplomatischen Mitarbeiter des „Daily Telegraph" de fürchtet man, daß die an und für sich heikle Lage de> Belgrader Regierung noch weiter verschärft werde, »m das; die Aussichten auf eine baldige Annahme der Aor tuno-Verträge gefährdet sei. Große Sorge herrsche am um die möglichen Rückwirkungen des Skupschtim' Zwischenfalles in Kroatien, wo Raditsch der National Held sei. Eine vorübergehende Stockung in den englsi^ südslawischen Anleiheverhandlungen scheine unvermev lich zu sein. Man werde die Verhandlungen erst wiem aufnehmen können, wenn London die UebcrzeugUM habe, daß jede Gefahr einer inneren Krise üvm wunden sei.