Volltext Seite (XML)
Gnadengesuche für die zum Tode Verurteilten überreicht, in Brüsseler Finanzkreisen ist bereits die Ansicht auf- getaucht, daß Löwenstein Selbstmord begangen hat. Alle dem Schlafraum noch einmal nachprüfte. Nachforschungen nach dem Verbleib von Löwensteins Leiche sind bisher vergeblich gewesen. Löwensteins seltsames Verhalten vor dem Start. Obwohl die Meldungen, die die Möglichkeit eines Selbstmordes berichten, in den dem belgischen Finanz- mann nahestehenden Londonex Kreisen auf keinen Glauben stoßen, erklärte einer der Beamten des Croy- doner Flugplatzes, der Löwenstein abfliegen sah, das, er beobachtete, wie dieser vor dem Abflug noch einmal von seinem Sitz aufstand, nach dem Schwanzende der Maschine ging und die Eingangstür sowohl, wie die Tür das Scheitern seiner Verhandlungen mit dem deutschen Elanzstoffsyndikat soll ihn sehr entmutigt haben. Auch Kowno, 6. Juli. Nach Meldungen aus Moskau befinden sich die Deutschen Otto, Meyer und Vad - stieber, der ebenfalls aus der Haft ent lassen wurde, in einer derartigen Verfassung, das; sie nicht in der Lage sind, ihre Reise nach der Heimat sofort anzutreten. Die Angeklagten wurden von Vertretern der deutschen Kolonie und Botschaft in Empfang ge nommen. Einer der zum Tode Verurteilte- "" a der Verlesung des Urteils einen hysterischen Anfall. Alle Verurteilten wurden nach den Gefängnissen der GPU. zurückgeführt. Die Verteidiger haben für die zum Tode verurteilten Angeklagten Gnadengesuche cingereicht, die am Sonnabend in einer besonderen Sitzung des Zen- tral-Vollzugskomitees behandelt werden sollen. Die Antwort auf die Gnadengesuche must innerhalb 72 Stunden nach Einreichung erfolgen. 60V Millionen Mark Londoner Börsenverlusk. geklagte Ingenieure zu Schädlingen der Sowjetwirt schaft stempeln um die eigene Unfähigkeit zu organisa torischer Aufbauarbeit im Donezbecken zu verschleiern. Der propagandistisch und durch ein so dragonisches Urteil beschlossene Prozeß wird jedenfalls im Ausland den Machthabern im Kreml wirtschaftlich mehr schaden, als sie sich heute noch, verblendet durch programmäßigen Klassenhast, vorstellen können. Kowno, 5. Juli. Die hiesige Presse schreibt zu dem Ergebnis der Gerichtsverhandlungen, daß das Gericht die Forderungen der Arbeiter und Bauernmassen er- süllen müsse. Das Gericht sei verpflichtet, insbesondere angesichts der Verbindung zwischen der russischen und der ausländischen gegenrevolutionären Organisation, die Gerechtigkeit walten zu lassen und ihr den Boden zu entziehen. Das Gericht müsse jedoch berücksichtigen, daß die Sowjetunion im Frieden lebe. Otto und Meyer freiqelassen. Kowno, 6. Juli. Wie aus Moskau gemeldet wird, wird in der Begründung des Urteils im Schachtyprozest noch ausgeführt, daß die Beschuldigungen gegen Otto und Meyer vollständig haltlos seien. Diese beiden Deutschen wurden sofort auf freien Fust gesetzt und von ihren Freunden und Bekannten herzlich begrüßt. Man glaubt nicht, daß sie ausgewiesen werden: trotzdem wollen Otto und Meyer so schnell wie möglich das Ge biet der Sowjetunion verlassen. Auch Vadstieber freigslassen. rung nicht annehmen könne. Die poli ische Lage Jugo slawiens mache die Auflösung der Skuptschina und die Ausschreibung von Neuwahlen nötig. Der Führer der Kroatischen Bauernpartei unversöhnlich. Belgrad, 6. Juli. In politischen Kreisen Belgrads hat eine Rede, die der Führer der Kroatischen Bauern partei Joseph Predawac in Agram gehalten hat, großes Aufsehen erregt. Sie bildet den Gegenstand der Erörterungen zwischen den verschiedenen Parteien. Predawac führte in seiner Rede aus: „Ueber sie blu tigen Ereignisse kommt man mit einer Konzentmtivns- regierung nicht hinaus. Wir haben keine.andere Ant wort. Es ist alles zu spät. Es ist alles zu wenig. Wir begnügen uns mit keiner Konzentration und wenn uns auch 15 Ministerposten angeboten würden. Das Ver brechen an dem kroatischen Volke kann dadurch nicht gut gemacht werden. Wir werden mit den Verübern dieses furchtbaren Verbrechens weder jetzt noch in Zukunft Ver handeln oder arbeiten." Löwensteins Tod. Brüssel unter dem Eindruck von Löwensteins Tod. Der geheimnisvolle Tod des belgischen Finanz mannes Löwenstein hat in Brüssel allergrößtes Auf sehen erregt. In Brüsseler Finanzkreisen bespricht mau viel die Tatsache, daß Löwenstein in letzter Zeit in finanzielle Schwierigkeiten geraten war. Sein Besuch in London, von dem er nun nicht mehr nach Brüssel zurückgekehrt ist, soll dem Zweck gegolten haben, einen Kredit von 200 Millionen zu erhalten, um ent stand e n e S ch w i e r i g k e i t e n in Brüssel zu decken. Dieser Kredit soll ihnen verweigert worden sein. Auch Kowno, 6. Juli. Im Donezprozetz fällte der Mos kauer Oberste Gerichtshof nach 52stündiger Beratung am Freitag morgen um 1,20 Uhr das Urteil. Von den 53 Angeklagten wurden 11 zum Tode verurteilt. Für sechs von diesen wurde vom Gericht in Anbetracht „ihrer Neue und hohen technischen Befähigung" beschlossen, bei deni Zentral-Vollzugsausschust der Sowjetunion eine Milderung der Strafe zu beantragen. 34 russische An geklagte erhielten Gefängnisstrafen von 1 bis 10 Jahren. Der Deutsche Badstieber erhielt ein Jahr Ge fängnis mit Bewährungsfrist wegen Bestechung. Er wurde jedoch von der Anklage der Beteiligung an der gegenrevolutionären Organisation freigesprochen. Vier weitere Angeklagte, darunter die Deutschen Otto und Meyer wurden freigesprochen. Ein Ten-enzurleil. Kowno, 6. Juli. Nach einer Meldung aus Moskau wird in dem Urteil im Schachtyprozest betont, daß das Bestehen einer weitverzweigten gegen revolutionären verbrecherischen Orga- ganisation im Donezgebiet mit Zen tralstellen inMoskau undCharkow.die in Verbindung mit früheren Grubenbesitzern im Aus lande und einigen ausländischen offiziellen Körper schaften gestanden hat, bewiesen sei. Die Namen der 11 zum Tode verurteilten Angeklagten sind: Eorlecki, Bojarinow, Krshishanowski, Jusewitsch, Budni, Matow, Bratanowski, Beresowski, Bojarschinow, Kasarinow und Schadlun. Für die letzten sechs ist vom Gericht bei dem Zentral-Vollzugsausschust der Sowjetunion Milde rung der Strafe beantragt worden. Zu den 34 zu Ge fängnisstrafen Verurteilten erhielten Skorutto, Deter, Suschtschewski 10 Jahre, Baschkin, Kalganow, Andrej, Kolodub und Alexander Nekrassow 8 Jahre, Rabino- witsch 6 Jahre, sowie Kusma 3 Jahre Gefängnis. Nach dem Urteil werden also fünf Angeklagte, wenn ihnen nicht im letzten Augenblick noch Gnade wider fährt, ihre für westeuropäische Begriffe geringfügigen Vergehen mit dem Tode büsten, obwohl ihnen die ihnen zur Last gelegten Vergehen nicht bewiesen werden konnten. Sie sind wegen ihrer bürgerlichen Einstellung und der blosten Möglicheit, in der Zukunft dem Sowjet staate gefährlich werden zu können, zum Tode verurteilt worden. Das ausgesprochene Klassengericht musste den aufgewiegelten Bauern- und Arbeitermassen einige an- Das Urteil im Schachly-Prozetz. 11 Angeklagte zum To-e verurteilt. — Ba-stieber erhält ein Jahr Gefängnis Otto und Meyer freigesprochen. Lun-borg gerettet r Stockholm, K. Juli. Beim schwedischen Krieqs- ministerium ist eine Mitteilung von Kapitän Thorn- berg dem Leiter der schwedischen Expedition zur Ret tung der Lundborg-Gruppe eingegangen wonach es heute morgen gelungen ist, den schwedischen Flieger Lundborg zu retten. Die Lun-borggruppe mit Lebensmitteln un- Akkumulatoren verforgt. Rom, 6. Juli. Nach d er Meldung der „Litta di Milano" ist die Lundborg-Gruppe wieder von den schwedischen Flugzeugen mit Lebensmitteln, Medika menten und Akkumulatoren versorgt worden. Der Kommandant der „Citta di Milano" meldet, daß er einen Bericht von der italienischen Alpenjägerabteilung erhalten hat, in dem es heißt, daß sie die Küste von Nordostland abgesucht haben, von der Gruppe Malm- green aber nichts entdecken konnten. In der Nähe des Kap Brun wurde ein Brief des Kapitäns Sora ge funden, aus dem hervorgeht, daß er bis zur Insel Foqn vorzndringen beabsichtige. Abfahrt Ser deutschen Rettungs- Expedition für Sie Italiamannfchaft. Hamburg, 6. Juli. Der Kunstflieger Udet, der wie gemeldet, sich bereit erklärte, mit seinen Leichtflug zeugen einen Versuch zur Rettung der „Jtalia"-Mann- schaft zu unternehmen, war bis Donnerstag nachmittag noch nicht in Hamburg eingetroffen. Die Verzögerung ist auf das Unwetter zurückzuführen, das gestern Mittel deutschland heimsuchte. Die Abfahrt des von der Ham burg—Amerika-Linie zu diesem Zwecke zur Verfügung gestellten Dampfers „Lattaro", wird voraussichtlich erst am Freitag erfolgen. Die „Cattaro" ist ein kleiner, etwa 1400 Tonnen großer Frachtdampfer und hat 21 Mann Besatzung. Die Hilfsexpedition steht unter der Leitung des bekannten Nordpolfahrers, Kapitän Ritjer, der von Udet und zwei oder drei Monteuren begleitet wird. Die „Cattaro" wird in etwa 10—12 Tagen Spitzbergen er reicht haben. Von dort soll die eigentliche Rettungs expedition ihren Ausgang nehmen. Sobald Udet mit seinen beiden leichten Maschinen eintrifft, werden diese abmontiert und an Bord des Dampfers „Cattaro" gebracht. Der Eisbrecher „Krassin" beschädigt. Kowno, 6. Juli. Nach einer Moskauer Meldung hat der Eisbrecher „Krassin" seinen Standort am Donnerstag nicht geändert. Er befindet sich immer noch 120 Kilometer von der Unglllcksstelle der „Italia" ent fernt. Die linke Schraube des „Krassin" ist von Eis massen beschädigt worden. Das an Bord befindliche Flugzeug ist startbereit gemacht, jedoch konnte auf dem Eise noch keine Fläche zum Abflug gefunden werden. „Pourquoi pas" nach Trsmsö ausgelaufen. Paris. 6. Juli. Wie aus Cherbourg gemeldet wird, hat der „Pourquoi pas" Cherbourg verlassen, nachdem er einen besonderen Schutzpanzer gegen Eisschollen er halten hat. Kommandant ist Dr. Chareot, der sich in Begleitung von Freiwilligen an Bord begeben hat, um nach Tromsö zu fahren und dort die Nachforschungen nach Guilbaud und Amundsen aufzunehmen. Der Langstreekenrekor- Chamberlins gebrochen. Nom, 6. Juli. Wie ausRio de Janeiro gemeldet wird, sind die italienischen Ozeanslieger, die bei Natal notlanden mußten, am Donnerstag um 21,10 Uhr zum Weiterflug nach Rio de Janeiro aufgestiegen. Nach den ersten Berechnungen haben sie bis zur Notlandung etwa 7450 Kilometer in 50 Stunden zurückgelegt und dadurch den Rekord von 6294 Kilometern gebrochen. Die beiden Flieger Del Prete und Ferrari sowie der Erbauer des Flugzeuges Ingenieur Marchetti sind in Rom natürlich die Helden des Tages. * Ueber den Flug lagen bisher folgende Mel dungen vor: Die italienischen Südamerikaflieget' über der brasilianischen Küste. Rom 6. Juli. Ferrari und Del Prete befanden sich nach den letzten Nachrichten gegen 15 Uhr zwischen Per nambuco und Bahia und hatten zu dieser Zeit noch fast lOOO Liter Brennstoff an Bord. Die Nachricht, daß die Flieger die brasilianische Küste glücklich erreicht haben, löste in Rom die größte Begeisterung aus, zumal Chamberlins Rekord schon jetzt gebrochen worden ist. Die italienischen Ozeanflieger nstgelandet. Neuqork, 6. Juli. Aus Rio de Janeiro wird ge meldet, daß die italienischen Ozeanflieger an der Küste von Jose de Nipubu südlich Natal um 18,15 Uhr (ameri kanischer Zeit) durch Nebel und Sturm zu einer Notlan dung gezwungen wurden. Zur M-slawischen Regierungskrise Belgrad, 6. Juli. Am Donnerstag nachmittag wurde Pribitschewitsch vom König empfangen. Pribit sch e- witsch erklärte, er werde sich mit Stephan Na di t s ch in Verbindung setzen. Diese Unterredung werde zeigen, ob Raditsch den Auftrag zur Bildung e'-ncr neuen Regierung übernehmen werde. Im Falle der Annahme durch Raditsch könne nur an eine Arbeits regierung gedacht werden. Nach dieser Aeußerung Pribitschewitsch ist die Möglichkeit einer Zusammen fassung der parlamentarischen Gruppen nach wie vor sehr gering. Stephan Raditsch lehnt ab. Belgrad 6. Juli. In den späten Abendstunden des Donnerstag wurde Pribitschewitsch wied»r oom ^önig empfangen, um diesem die Stellung Stephan Raditschs zu einer eventuellen Betrauung mit der Bildung einer Konzentrationsregierung mitzuteilen. Nach oem Emp fang teilte Pribitschewitsch der Presse mit, daß Stephan Raditsch den Auftrag zur Bildung einer solchen t^egie- Der sensationelle Tod des belgischen Finanzmannes Löwenstein hat an der Londoner Börse eine so große Aufregung hervorgeru f e n, daß die Geschäftstätigkeit nach Eintreffen der Todesnachricht für eine Vietelstunde ruhte. Die Aktien der von Löwenstein kontrollierten Ge H sellschaften fielen zugleich um mehr als 70 Prozent, was s einen Gesamtverlust auf den Markt von nahezu 8ÜÜ Millionen Mark ausmachte. Der Vorstand der von Löwenstein präsidierten beiden Gesellschaften, der International Holding and Investment Company und der Hydro-Elektric Securities Corporation hat eine Erklärung veröffentlicht, wonach die finanzielle Stellung beider Gesellschaften gesichert sei und die Mehrzahl der umfangreichen Akrienteile des verstorbenen Alfred Löwensteins unbelastet seien. Zn der Erklärung wird weiter betont, daß nach Ansicht beider Gesellschaften kein Grund zu Aufregungen vor handen sei. Auch Pariser Börsenverlust. Der Tod des Bankiers Löwenstein ist auf die Pa riser Börse nicht ohne Einfluß gewesen. Diejenigen Werte, die von ihm kontrolliert wurden, haben zum Teil Verluste von 30 bis 40 Prozent in Papierfranken zu verzeichnen gehabt. Die zukünftige Leitung des Löwenstein-Konzerns. Wie der Sekretär Löwensteins erklärt, werden die Unternehmungen des Konzerns von einem Direktions komitee, das in der Lage ist, den verstorbenen Vorsitzen den zu ersetzen, im alten Geiste weitergefübrt werden Deutscher Reichstag. Sitzung oom 5. Juli 1928. ' Die Nationalsozialisten strahlen. Der Aeltestenrat hat beschlossen, ihr Vertrauensvotum zuzulassen, sie haben also mindestens einen Achtungserfolg errungen. Nützen wird es ihnen freilich nichts, da der Antrag vorliegt, unter Annahme der Billigungsformel über alle anderen Anträge zur Tagesordnung überzugehen. Es hat M also hiermit mehr um das Prinzip gehandelt, als un< das nationalsozialistische „Vertrauensvotum", das übrigens auch von einigen christlich-nationalen Bauern mit unterschrieben war. Bevor es zur Abstimmung kommt, erhält die zweite Nednergarnitur das Wort. Müller-Franken spricht noch-einmal, diesmal frei und wesentlich wirkungsvoller- Die Anregung des Abg. Scholz wird er sich durch den Kopf gehen lassen, zur Frage des Panzerkreuzers und des Schulgesetzes gibt er Erklärungen ab, die Bolks- partei und Zentrum zufriedenstellen. Erfreulich ist vor ! allem die Entschiedenheit, mit der der Reichskanzler er klärt, daß ein Ost-Locarno für ihn niemals in Fragekomme. Soweit verläuft also alles M schönster Ordnung. Lebhafter wird es erst, als der deutschnationale Abg. Ober fahren das Wort erhält. Er nimmt du' Steuerpolitik der Regierung sofort unter schärfstes Feuer, wendet sich vor allem an die Volkspartei, die er fragt, wie sie ihre Wirtschastsüberzeugung mit dem sozialdemo kratischen Programm in Einklang zu bringen gedenken. Dann spricht Hilferding, der neugebackene Finanzminister, den sein Staatssekretär Popitz andauernd von hinten zu kleinen Aussprachen abruft. Hilferding greift roei