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Am -as Regierungsprogramm. 20. Juni 1928 BerW, 20. Juni. (Funkspruch.) Die Verhand lungen Zur Regierungsbildung werden im Laufe des heutigen Tages voraussichtlich zur Aufstellung des Re- gierungsprogrammes führen. Der Abg. Müller- Franken wird im Laufe des heutigen Tages seiner Fraktion ein derartiges Programm zur Genehmigung vorlegen und dies nachher in einer interfraktionellen Besprechung mit den Parteiführern der für die Koali tion in Betracht kommenden Parteien weiter besprechen. Ob es möglich sein wird, dieses Programm völlig Zu friedenstellend ZU erledigen, steht noch dahin, da noch eine Reihe von Schwierigkeiten ZU überwinden sind. Gleichzeitig werden die Verhandlungen Zur Um bildung der preußisch enRegierung fort gesetzt. Zu diesem Zweck begeben sich noch im Laufe des heutigen Vormittags vier Vertreter der volkspartei lichen Fraktion des Landtages Zum Ministerpräsidenten Braun, um diesem den Wunsch der Fraktion Zur Betei ligung an der preußischen Regierung erkennen Zu geben. Es ist anZUnehmen, daß Braun diesem Wunsche ent sprechen wird und eine Zusage beZÜglich der Aufnahme der Deutschen Volkspartei in die preußische Regierung abgeben wird. Fortsetzung der Verhandlungen über die Regierungs bildung. Berliln, 20. Juni. (Funkspruch.) Im Reichstag trat heute um 11,30 Uhr die Fraktion der Deutschen Volkspartei wieder Zusammen, um ihre Beratungen sortZusetzen. Auch die Zentrumsfraktion trat wieder Zusammen. Die Abgeordneten von Euerard und Steger wald berichteten über die gestrigen Verhandlungen der preußischen Landtagsfraktion des Zentrums. Die Disserenzen bei der Regierungsbildung. Die soZialdemokratische Reichstagsfraktion nahm in ihrer Sitzung am Dienstag nachmittag den Bericht ihrer Unterhändler über die interfraktionellen Ver handlungen Zur Regierungsbildung entgegen. In der Aussprache wurden insbesondere die Differenz- punkte erörtert, die in den interfraktionellen Ver handlungen hervorgetreten sind. Abgesehen von der Frage desBaues des P a n Z e r k r e u Z e r s K be stehen diese DifferenZen in folgenden Fragen: Während die SoZialdemokratie die sofortige Verabschiedung des im Reichsrat beschlossenen Gesetzentwurfes Uber die Er klärung des 11. August Zum gesetzlichen Feiertag verlangt, haben daZU bisher nur das Zen trum und die Demokraten ihre grundsätzliche Zustim mung erklärt. Eine Zweite DifferenZ besteht in der Frage des Zeitpunktes und des Umfanges der Amnestie. Auch über die Vorbehalte bei der RatifiZierung des Washingtoner Abkommens über den 20. Juni 1928 Nachdem der Präsident des Senats von Bremen, Dr. Donath, im Nathause die Ozeanflieger begrüßt und ihnen die große Bremische Ehrendenkmünze überreicht hatte, hielt Hauptmann Köhl eine kurze Ansprache, in der er ausführte: „Der Dank gebührt denen, die uns die Grundlage für unseren Flug gegeben haben. Es ist wieder einmal der Hanseatengeist gewesen, der getreu der eigenen Ueberlieferung das Beste aus Deutschland herausschickt«. So wie einst die Hanseatenschifse in aller Welt den deutschen Ruhm verkündeten, so hat man mich auf dem neuen Verkehrsmittel, gebaut im Herzen Deutsch lands, in der Dessauer Schule, ausgebildet, hinausge schickt in die Welt. Daß wir so glücklich waren, deut sches Werk und deutschen Geist hinaustragen zu dürfen Md als Deutsche im Ringen und Wetteifer der Völker den Ozean von Ost nach West zu überfliegen, das danken wir allein dem allmächtigen Gott. Ich möchte schließen mit den Worten: Hanseaten seid gegrüßt." Nach einer kurzen Ansprache von Major Fitz maurice in englischer Sprache, ergriff Freiherr von Hünefeld das Wort, um der Stadt Bremen die ihm seit Jahren Bürgerschaft gewährt habe, seinen allerherzlichsten Dank auszusprechen. Absingen des Deutschland-Liedes und Vortrag der irischen Nationalhymne bildeten den Schluß der Feier, die von Musik- und Gesangsvorträgen umrahmt war. Die Feier im Stadion. Nach Tausenden zählten die Sportler, die mit Hun derten von Bannern inmitten des Stadions Aufstellung nahmen. Die Stahlhelmer bildeten vor dem Eingang zum Stadion Spalier. Die ungefähr 10000 Personen fassende Tribüne war voll besetzt. Dichte Menschenmassen umsäumten das Stadion. Die Flieger hielten gegen (47 Uhr unter brausenden Hochrufen ihren Einzug in das Stadion. Der Vorsitzende des Bremer Vereins für Luftfahrt, Landgerichtsdirektor Wilckens, hieß die Flieger herzlich willkommen. Die den Fliegern überreichten Ehrendiplome über die Ehrenmitgliedschaft des Bre mer Vereins für Luftfahrt, sowie die Ehrenplaketten nahmen die Flieger mit kurzen Dankesworten entgegen. Mit weiteren Ansprachen wurden den Helden unter fort währenden Beifallskundgebungen weitere Ehrungen seitens des Reichsausschusses für Leibesübungen, des ADAC., sowie für Hauptmann Köhl auch seitens des Bremer Vereins der Bayern zuteil. Sichtlich ergriffen dankte HauptmMn Köhl im Namen der Flieger. Er erklärte, schon am ersten Tag in der geliebten Heimat drohe ihnen ein neuer Sturm, der Sturm der Begeisterung, dem sie kaum ent- Achtstundentag, ist bisher keine Einigung erzielt worden. Stark voneinander abweichende Anschauungen bestehen auch in der Steuerfrage, wo die Sozial demokratie die sofortige Erhöhung des steuer - freien E x i st e n z m i n i m u m s für die kleinen Einkommen verlangt, die Deutsche Volkspartei dagegen eine Senkung des Tarifs der mittleren Einkommen fordert. Schließlich ist auch bisher keinerlei Verständigung bezgl. der W o h n u n g s p o l i- 1 i k erzielt worden. Die Deutsche Volkspartei verlangt den weiteren Abbau der Wohnungs zwangswirtschaft; die Sozialdemokratie u. a. Erhaltung des Mieterschutzes und soziales Miet- und Wohnrecht. Die Fraktion sprach den Unterhändlern ihr Vertrauen aus und beauftragte sie, bei den heutigen Verhandlungen auf eine Klärung der Voraussetzungen über die Regierungsbildung zu dringen. Die Fraktion tritt am heutigen Mittwoch abend zur Entgegennahme des weiteren Berichts ihrer Unterhändler wieder zusammen. Reich und Preußen. Die Zentrumsfraktion des preußischen Landtages beschäftigte sich am Dienstag nachmittag mit der inner politischen Lage, insbesondere mit der Frage der Re gierungsbildung in Preußen. Nach eingehenden Erörterungen, an denen auch die preußischen Zentrumsminister Dr. Hirtsiefer, Dr. Steiger und Dr. Schmidt teilnahmen, wurde als ein mütige Auffassung der Zentrumsfraktion des preußischen Landtages festgestellt, daß sie nach wie vor auf dem Standpunkt steht, eine Erweiterung der preußischen Regierungskoalition könne nur in Frage kommen, wenn eine nicht zur Regierungskoalition in Preußen gehörige Fraktion des Landtages der Regierungsparteien gegen über den Wunsch in die Regierungskoalition einzu treten, zum Ausdruck bringe. Ein solcher Wunsch aber ist der Zentrumsfraktion des preußischen Landtages von keiner der nicht zur preußischen Koalition gehörigen Fraktionen unterbreitet worden. Es bleibt daher für die Zentrumsfraktion bei der vom Abg. Herold am 9. Juni d. I. im Landtagsplenum abgegebenen gemein samen Erklärung der preußischen Regierungsparteien. Die Reichstagsfraktion der Deutschen Volkspartei setzte am Dienstag nachmittag zeitweise in Anwesenheit des Außenministers Dr. Stresemann, die Besprechung über die von den Fraktionen aufgestellten, bzw. auf zustellenden Forderungen fort. Beschlüsse wurden nicht gefaßt. Die Besprechung wird am heutigen Mittwoch fortgesetzt werden. Wie die Telegraphen-Union erfährt, dürfte der Abg. Müller-Franken am heutigen Mittwoch den Unter händlern der einzelnen für eine Koalitionsbildung in rinnen könnten. Alle die Beweise der Liebe und Freund schaft in Bremen würden ihnen unvergeßlich, sein für immer und ewig. Hauptmann Köhl schloß seine An sprache mit dem Rus: „Deutschland, es lebe hoch!" Die Anwesenden stimmten begeistert ein. — Hieraus er schollen die irische und die deutsche Nationalhymne, die von den Anwesenden mitgesungen wurde. Sodann sprach Freiherr von Hünefeld seinen tiefempfundenen Dank aus für die überaus herz liche Ausnahme in Bremen, das er seit acht Jahren als seine engere Heimat betrachte. Er betonte zum Schluß, daß das Band, das ihn und seine beiden Gefährten in Not und Gefahr umflocht, nie in der Welt zerreißen werde. Es lebe die irische Nation! Bei dem am Abend stattfindenden Festessen in -er Handelskammer hielt der Präsident der Handelskammer Bremen, Ar nold Petzet, eine Ansprache, in der er u. a. aus führte: Wir sind uns bewußt, daß Sie als Banner träger deutscher Leistungsfähigkeit und deut scher Ideale für uns gewirkt haben und mit Ihrem in Sturm und Not bewährten, treuen Gefährten aus Irland zusammen ein weithin flammendes Zeugnis ab legten für die Bedeutung und Zukunft des Flugwesens vor aller Welt. Freiherr von Hünefeld bankte. Wir sind, so sagte er, uns voll bewußt, daß wir nur an einem Anfang stehen, daß wir alle noch Arbeit zu leisten haben, wenn das große Werk, das begonnen wurde, zum guten Ziele geführt werden soll. In Bremen sei seine politische Einstellung wohl bekannt. Gerade deshalb aber freue er sich besonders, daß seines Wissens zum ersten Male Stahlhelm und Reichsbanner Hand in Hand gegangen seien. Nur durch Einigkeit könne das deutsche Volk und das Deutsche Reich wieder zu neuer Blüte geführt werden. — Im weiteren Verlause des Essens gab der Rektor der Tech nischen Hochschule Braunschweig die Ernennung des Hauptmanns Köhl zum Ehrendoktor dieser Hochschule bekannt, wofür der Ernannte mit warmen Worten dankte. — Als Vertreter des Wehrkreises West überbrachte Gene ralmajor Fritsch die Grüße der alten Armee und Marine und die Grüße der jungen Reichswehr und der jungen Marine, die den Fliegern in begeisterter Ver ehrung zujubelten, worauf Major Fitzmaurice im Namen der Flieger dankte. Im Verlauf des Abends verlangten die auf dem Marktplatz versammelten Zehntausende immer stürmischer das Erscheinen der Flieger. Diese folgten gern her Auf forderung, wobei Herr von Hünefeld eine mit stürmischen Hochrufen ausgenommene Ansprache an die Menge hielt, die darauf spontan das Deutschlandlied anstimmte. Der Flug -er Ozeanslieger nach Berlin. Bremen, 20. Juni. (Funkspruch.) Um 10.10 Uhr ist die „Europa" unter Führung von Hauptmann Köhl zum Fluge nach Hamburg gestartet. Das Flugzeug erhob sich nach kurzem Anlauf in die Luft. Umgeben von zahlreichen Begleitflugzeugen vollführte es noch einige Ehrenrunden. Die zahlreiche Menschenmenge jubelte zum Abschied den Fliegern begeistert zu. Der ameri kanische Journalist Knickerbocker wird die Flieger nach Hamburg und Berlin begleiten. Zwischenlandung in Hamburg. Die Ozeanflieger sind um 11 Uhr zu einer Zwischen landung eingetroffen. Dort hatte sich eine unüberseh bare Menschenmenge eingefunden. Der Senat mit dem B ü r g e r m e i st e r R o ß an der Spitze, war vollzählig erschienen. Unter den Hochrufen der Menge entstiegen die Flieger dem Flugzeug. Im Namen des Senats begrüßte sie Bürgermeister Roß mit einer Ansprache, in der darauf hinwies, daß es der Tatkraft dieser Männer gelungen sei, eine neue Verbindung der alten mit der neuen Welt zu schaffen. Die alte Hansastadt, die seit langen Vermittlerin des Verkehrs nach Ueber- see sei, wisse diese Tat besonders zu schätzen. Haupt- mannKöhl sprach herzliche Dankesworte. Habe doch, so sagte er, Hamburg mit dazu beigetragen, daß der Flug gelang. Köhl stellte dann Fitzmaurice vr, mit dem er Freud und Leid geteilt habe. Direktor Böger richtete herzliche Willkommensgrüße an die Flieger. Freiherr von Hünefeld antwortete mit Dankesworten. Da nach durchbrach die Menge die Absperrung. Die Flieger wurden von der begeisterten Menge auf die Schultern gehoben und herzlichst gefeiert. Weiter sand eine von der Hamburg — Amerikalinie veranstaltete kleine Feier statt. Die Ozeanflieger nach Berlin gegarte! Hamburg, 20. Juni. Funkspruch.) Der Start der Ozeanflieger von Hamburg nach Berlin ist um 12,45 Uhr erfolgt. Die Vorbereitungen in Berlin. In Tempelhof, vor allem auf dem Flugplatz, werden eifrigst die letzten Vorbereitungen zum Empfang der deutschen Ozeanflieger getroffen. Die Umrundung der für das Publikum bestimmten Plätze hat einen wirkungs vollen Flaggenschmuck in den Farben des Reiches, Eng lands und Amerikas erhalten. In dem Empfangsraum des Aeroklubs und der Lufthansa sind riesige Blumen arrangements und Lorbeerbäume ausgestellt worden. Auch der Weg zu den Empfangsgebäuden ist geschmückt und überall sieht man Fähnchen und Flaggen der drei Län- der^die durch die Tat der deutschen Flieger besonders be rührt worden sind. Die Lufthansa hat auch das Ar beitszimmer, in dem Hauptmann Köhl früher tätig war, ganz besonders geschmückt, und das Fenster, von dein aus er den Nachtslugverkehr leitete, ist mit Girlanden umgeben. Die Maschinen der Lufthansa werden am Donnerstag zu Ehren der Ankunft der drei Flieger in Paradeaufstellung vor den Schuppen stehen. Die drei Ozeanflieger treffen am Nachmittag gegen 2 Uhr von Bremen kommend im Flugzeug auf dem Tempelhofer Feld ein. Ein Geschwader von etwa 50 Flugzeugen wird ihnen das Ehrengeleit von Bremen her geben. Bei der Ankunft wird die Ehrenkompagnie des Wachtregi- ments salutieren, die Nationalhymne wird ertönen und 30 Blitzdonnergranaten werden in regelmäßigen Zeit abständen von 2 Sekunden abgeseuert werden. Die Flieger werden von der Reichsregierung, der Stadt Ber lin, den Vertretern Amerikas und Englands begrüßt wer den. 4000 Tempelhofer Schulkinder werden aus dem Flugplatz Aufstellung nehmen. Nach den Begrüßungs ansprachen fahren die Flieger eine Ehrenrunde an den Zuschauern vorbei um das ganze Feld. Dann findet ein kleiner Imbiß statt, währenddessen ein Tagesfeuer- werk abgelassen wird. Um 4 Uhr verlassen die Flieger den Flughafen und fahren, begleitet von 20 Wagen, durch die festgesetzten Einzugsstraßen zum Reichskanzler- Palais. Abends findet im Flughafen ein großes Höhen feuerwerk statt. Rieklins und Rosses Freilassung abgelehnt. 20. Juni 1928 Wie aus Kolmar gedrahtet wird, hat das Kassa tionsgericht das Gesuch Ricklins und Rosses, Faßhauers und Schalls auf vorläufige Freilassung abgewiesen. Kurz vor 12 Uhr wurde ihnen im Gefängnis von Kolmar dieser Beschluß mitgeteilt. Schall soll ihn mit gleichgültigem Lächeln ausgenommen haben, Faßhauer dagegen rief: „Ich habe es vorher gesehen!" Und Rick- lin erklärte: „Das ist sehr bedauerlich. Das ist ein Un glück!" Rosse befindet sich bekanntlich im Gefängnis von Mühlhausen. Walther bringt seine Interpellation erneut vor. Wie der elsässische Abgeordnete Walther in den Wandelgängen der Kammer erklärte, beabsichtige cr, am Donnerstag erneut seine Interpellation über die Befreiung Ricklins und Rosses vor die Kammer Z" bringen. Eine Sammlung elsässischer Blätter für die Opfer des Kolmarer Prozesses. Wie aus Kolmar berichtet wird, haben einige elsässische Zeitungen eine Sammlung für die Opfer des Kolmarer Prozesses begonnen. Insbesondere der „Ei' sässische Kurier" hat einen Aufruf mit den Unterschriften der Abg. Broglie und Dahlet veröffentlicht, der davon spricht, daß die Kolmarer Opfer den Kelch der Ernied rigung bis zur Neige hätten leeren müssen. Einzelne von ihnen befänden sich in Not. Es sei daher eine mora lische Pflicht, ihnen zu Hilfe zu kommen. Die Liste der Zeichner wird nicht veröffentlicht, doch werden sie der Oeffentlichkeit auf Wunsch zur Einsicht vorgelegt werden. Die Fliegerehrungen in Bremen Frage kommenden Parteien ein vorläufiges Regie rungsprogramm vorlegen.