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Konflikt zwischen Rom und Belgrad. Die Spannung Mischen Italien und Jugoslawien, die in heftigen Kundgebungen auf beiden Seiten ihren Ausdruck fand, nimmt immer schärfere Formen an und man fragt sich nach dem Grund dieser tiefgreifenden Er regung. Die gegenseitigen Reibereien der letzten Tage haben einen recht ernsten Hintergrund und sind auf die Nettuno-Konvention zurllckzuführen/ Die südslawische Kammer soll nämlich in dieser Woche die Konvention von Nettuno ratifizieren, ein Vertragswert, das das gesamte Kü st engebiet der wirtschaftlichen und damit der nationalen Durchdringung durch Italien ausliefert. Diese „Albanisierung" Kroa tiens und Dalmatiens hat schon einmal schwere innen politische Krisen gegen den Zentralismus von Belgrad heraufbeschworen, und man geht nicht fehl, wenn man die schweren Ausschreitungen in den Hauptstädten Kroa tiens und Dalmatiens als Versuche wertet, dem Parla ment durch die Mittel der Straße die Annahme der mit Recht sehr bestrittenen Konventionen unmöglich zu machen. Eine Annahme der Konventionen, die aus dem südslawischen Küstengebiet italie nisches Kolonialland machen würde, würde die Lösung des Konfliktes nur vertagen und Südslawien dazu zwingen, den endgüligen Austrag in einer verschlechterten Situalion zu suchen. Englische Warnung an Jugoslawien. L o n d o n, den 30. Mai. (Funkspr.) In einer Be sprechung der italienischen Vorstellung in Belgrad wegen der italienfeindlichen Unruhen in verschiedenen kroatischen und slowenischen Städten gibt der diploma tische Mitarbeiter des „Daily Telegraph" der Meinung Ausdruck, daß die gegenwärtige Lage durchaus nicht so ernst sei, um einen Schritt dritter Mächte oder des Völkerbundes zu rechtfertigen. Die italienische Regie- tung sei sich voll der Schwierigkeiten bewußt, mit denen die jugoslawische Regierung gegenüber Kroaten und Slowenen zu kämpfen habe. Es würde bedauer lich sein, wenn die jugoslawische Regierung den Wider stand von Raditsch nicht brechen könnte, da hieraus auch die Aussichten auf eine große jugoslawische Anleihe stark gefährdet würden. Die Ratifikation der Nettuno-Ver- in der Lage sein, die Anleihe aufzubringen. Das Außer krafttreten des Nettuno-Vertrages stelle eine Gefähr dung der Lage in Südeuropa dar, da dadurch die Gefahr der Verletzung des Friedens heraufbeschworen werden Schwere Ausschreilungen gegen Italiener In Dalmatien haben seit Sonnabend zahlreiche italienfeindliche Kundgebungen stattgefunden. Die Ausschreitungen haben in Spalato besonders be unruhigenden Umfang angenommen. Die Polizei konnte die Demonstranten nicht im Zaume halten. Fünfundzwanzig Kaufläden von Italienern wurden verwüstet, dis Schaufenster eingeschlagen und viele Waren mitgenommen. Auch in Sebenico kam es zu großen Kundgebungen gegen die geplante Ratifikation des italienisch-jugo slawischen Vertrages von Nettuno. Die Demonstranten umzingelten das italienische Konsulat, zertrümmerten mit Steinen alle Fenster des Gebäudes und sprengten mit Gewalt die Tür auf. Der Konsul, der sich mit seiner Familie in seiner Wohnung eingeschossen hatte, rief polizeiliche Verstärkungen herbei, die aber gegen die Menge nicht viel ausrichten konnten. Erst das herbei- gcholte Militär konnte das italienische Konsulat von seinen Belagerern befreien, dis bis in die Nacht hinein ihrs Kundgebungen in der Stadt fortsetzten. Aehnliche Kundgebungen werden aus Ragusa, ferner aus Agram und Laibach gemeldet. Ueberall wurden Mussolinibilder und italienische Flaggen ver brannt. Der südslawische König unterbricht seine Reise. Der König hat gestern seine Reise durch Süd- slawien abgebrochen und ist in Belgrad eingetroffen. Am Nachmittag erschienen der Ministerpräsident und der Außenminister gemeinsam beim König. Die jugosla wische Regierung hat das Agrement für den neuen italienischen Gesandten Galli erteilt. trüge bilde eine Gewähr für die Erhaltung des poli tischen Friedens und der wirtschaftlichen Zusammen arbeit im adriatischen Meer. Wenn sich aber eine Regelung der italienisch-jugoslawischen Beziehungen unmöglich erweise, würde das englische Kapital nicht Italienischer Kriegsmaterialtransport nach Bulgarien in Belgrad beschlagnahmt. Havas gibt eine Meldung der Agramer „Nowosti" wieder, wonach auf dem Belgrader Bahnhof zwei Eisen bahnwagen mit Kriegsmaterial, das von Italien nach , Bulgarien unterwegs war, beschlagnahmt worden seien, s Der Inhalt der Güterwagen war mit Südfrüchten an- ! gegeben. Von amtlichen Belgrader Stellen ist diese ! offenbar tendenziöse Meldung nicht bestätigt worden. Jmlien lehn! norwegische Kilse für Nobile ab. Oslo, den 30. Mai. (Funkspr.) Am Dienstag abend wurde hier amtlich bekannt gegeben, daß die italienische Negierung der norwegischen Negierung für ihr Hilfsangebot danke, vorläufig jedoch von einer Expe dition abgesehen bitte, da sie selbst diesbezügliche Maß nahmen erwäge. Diese unerwartete Absage der italienischen Legie rung wird von der norwegischen Presse als eine Krän- tung angesehen. Das „Morgenbladet" schreibt u. a., daß die Absage in der Form zwar unantastbar sei, in Wirklichkeit bedeute sie aber eine Beleidigung der nor wegischen Regierung und derjenigen Männer, die sich sofort für die Suche nach Nobile zur Verfügung gestellt hätten. Es sei erfreulich zu hören, daß die Haltung der italienischen Negierung keinen Einfluß auf die Maß nahmen haben werde, die man bisher ergriffen habe, um eine Hilfsexpedition in die Wege zu leiten. Ueber das Schicksal der „Italia" ist bisher hier nichts bekannt geworden. Weder die „Titta di Milano" noch eine andere Nadiostation hat ein Lebenszeichen von dem Luftschiff auffangen können. Auf Spitzbergen, wo augenblicklich starker Schneesturm herrscht, der alle Hilfsmaßnahmen außerordentlich er schwert, besteht die Absicht, auch auf dem Landwege eine Hilfsexpedition auszurüsten. Die norwegische Spitz- bergen-Kohlen-Co. hat ein aus 10 Hunden bestehendes Gespann zur Verfügung gestellt, das von erfahrenen Leuten geführt werden soll. Gleichzeitig besteht die Ab sicht, eine weitere Expedition unter Führung des alten Polarforschers Sverdrup auszurüsten. Der norwegische Flieger Lützow-Holm befindet sich bereits auf dem Dampfer „Hobbn" unterwegs nach Spitzbergen. Die Kaager Entscheidung über die Auslegung -es Dawesplanes. 30. Mai 1b28 Für Deutschland ungünstig. Die gestern im Haager Friedenspalast bekannt gegebene Entscheidung des Haager Schiedsgerichtes über die Auslegung der Bestimmungen des Dawesplanes ist für Deutschland un günstig ausgefallen. Das Schiedsgericht hat alle drei Fragen, die ihm auf Grund des zwischen der deutschen Regierung und der Reparation-Kommission am 8. September 1927 abgeschlossenen Pariser Schieds vertrages vorgelegt wurden, verneint und ent schieden, daß: 1. weder die Reinerlöse deutscher privater Güter, Rechte und Interessen, die von den alliierten Mächten liquidiert und gemäß Paragraph 4 der Anlage zu Ar tikel 298 des Versailler Vertrages behandelt worden sind oder werden, und bezüglich deren kontenmäßige Ver rechnung zwischen Deutschland und den beteiligten alliierten Staaten stattgefunden haben, oder durch deren Inanspruchnahme eine Befriedigung von alli ierten Ansprüchen erfolgt ist, angerechnet werden . können, noch s 2. die Reinerlöse solcher privater Rechte, Güter und Interessen, die nicht gemäß Paragraph 4 der Anlage zu Artikel 298 des Versailler Vertrages behandelt wurden, und nicht den Berechtigten oder der deutschen Regie rung freigegeben worden sind oder werden, noch endlich 3. die Zahlungen, die die siamesische Regierung in den Jahren 1925 bis 1927 an die Reparationskom mission geleistet hat, auf die von Deutschland auf Grund des Dawesplanes zu leistenden Jahreszahlungen. Woldemaras RegierungspLan. 30. Mai IN28 Ministerpräsident Woldemaras ist am Sonn tag abend aus London nach Kowno zurllckgekehrt. Am 2. Juni wird er sich zur Teilnahme an der Völkerbunds rattagung nach Genf begeben. Der Grund der Fahrt sei der gewesen, die guten Be ziehungen zwischen England und Litauen weiter zu be festigen. Englands Interesse an den Ostfragen sei sehr groß. Der Empfang, den er in London gehabt, sei über aus herzlich gewesen. In Genf würde er drei wichtige Fragen für Litauen erörtern, und zwar erstens die Frage der litauischen Schulen im Wilnagebiet, zweitens den Bericht Veelaerts van Bloklands über den Gang der l i t a u i s ch - p o l n i s ch e n V e r h a n d l u n g e n und drittens die Frage der in Litauen lebenden Ukrainer. Litauen habe bereits hierzu bekannt gegeben, daß Litauen im Lande keine Ukrainer kenne und er selbst werde in Genf die Frage aufwerfen, was man unter Minderheiten eigentlich verstehe. Woldemaras sagte dann, er habe eingehend über die erinnert, daß die Proklamierung Wilnasss -eaton mflh Wilnafrage gesprochen. Chamberlain habe betont, daß England kein Interesse daran habe, Litauen in Kombinationen gebracht zu sehen, die Gefahren für die Zukunft bringen könnten. Chamberlain habe ihn daran erinnert, daß die Proklamierung Wilnas aus litauische Hauptstadt die litauisch-polnischen Verhand lungen erschweren könnten. Er, Woldemaras, habe erwidert, daß eine Verständigung mit Polen vor L ö - sung der Wilnafrage nur provisorisch sein würde. Ueber einen antirussischen Block habe Chamber lain mit ihm nicht gesprochen. Weiter erklärte Wolde maras, die in Berlin erzielte Verständigung über den Erenzverkehr mit Polen werde in Berlin oder Genf unterzeichnet werden. Die hier festgesetzte Linie wird nicht Demarkationslinie, sondern administrative Linie heißen. In den Verhandlungen mit Deutschland sei bereits eine Verständigung erzielt worden. Zur Innen politik übergehend, erklärte Woldemaras, es werde ein Wahlgesetz nach deutschem Muster ausgearbeitet werden, besonders was die Wahl des Staatspräsidenten an belange. Die Zahl der Abgeordneten würde auf 40 ver ringert werden. Der Schachty-Prozek 30 Mai >928 Bloßstellung der Staatsanwaltschaft. Nach einer Meldung aus Moskau ist die Sonn- abendverhandlung im Schachtyprozeß für die Staats anwaltschaft ungünstig verlaufen. Die Vernehmung Nikischins ergab, daß die letzten Aussagen mit seinen ersten nicht übereinstimmen. Es besteht nun wieder der Eindruck, daß die ersten Aussagen unter einem be stimmten Druck gemacht wurden. Der Angeklagte Basch kin bleibt bei seinen Aussagen, daß die russische Abtei lung der AEG. bedeutende Absichten in Rußland ge habt habe. Die Verteidigung besteht auf der Verlesung schriftlicher Zeugenaussagen des Direktors Bleimann. Die Aussage Nikischins bedeutet nicht nur für das Gericht, sondern auch für die Staatsanwaltschaft eine Bloßstellung. Der Verteidiger Badstiebers berief sich auf die Aussagen der anderen Angeklagten, nach denen die Firma Knapp gerechtfertigt worden sei. Der Ver teidiger verlangt, daß Nikischin wegen falscher Aussage zur Veranwortung gezogen werde. Wie aus Moskau gemeldet wird, verliert der Schachtyprozeß in der russischen Oeffentlichkeit immer mehr an Interesse, da man schon jetzt die Anklage als zusammengebrochen ansieht. In der letzten Pro zeßsitzung gingen die Prüder Kolodub sogar zum scharfen Gegenangriff über, indem sie die Mißwirtschaft im Donezgebiet auf das Konto der kommunistischen Miß wirtschaft setzten. Der unter starker Bewachung der GPU. vorgeführte frühere Kapitän Pruchenni versuchte die deutschen Angeklagten gegen die russischen auf zuhetzen, indem er davon berichtete, wie gerade die Brüder Kolodub in den Jahren 1918 19 deutsche Kriegs- und Zivilgefangene mißhandelt hätten. Vor dem Zusammenbruch der Anklage. Wie aus Moskau gemeldet wird, ist die Verneh mung Naschiwotschnikows im Schachtyprozeß abgeschlossen worden. Das Gericht beschloß, den Sohn Kolodubs zu vernehmen, der sich öffentlich von seinem Vater los gesagt hat und gegenwärtig den Namen Schachtln trägt. Sämtliche russischen Angeklagten nahmen ihre gegenüber der GPU. und den Rostower Stellen gemachten Aus sagen zurück. Die Aussagen seien falsch eingetragen wor den und könnten so nicht als Anklagematerial verwendet werden. Die Verteidigung der deutschen Angeklagten ver langte genauere Uebersetzung der deutschen Schriftstücke. Das Gericht gab diesem Antrag der Verteidigung statt. Ueber die Vertagung der Vernehmung Baschkins ver lautet, daß Baschkin seine Aussage über die AEG. wider rufen habe. Zutreffendenfalls bricht die Anklage gegen die deutschen Angeklagten in sich zusammen. In russischen Kreisen ist man mit der Prozeßführung durch den Vor sitzenden und den Staatsanwalt unzufrieden. WersammLungen und Kongreße 30. Mai r928 Tagung des Bundes Deutscher Mietervereine e. V„ Sitz Dresden. Die Reichsorganisation, der Bund Deutscher Mietervereine e. V., Sitz Dresden, hält vom 1- bis 3. Juni d. I. den 23. Deutschen Mietertag in Bres lau (Schlesischer Hofs ab. Auf dieser Tagung werden außer dem Wohnungspolitischen Bericht des Bundes vorsitzenden Herrmann-Dresden, und Bericht der Bau beratungsstelle durch Baumeister Seidler-Dresden noch folgende Vortrüge gehalten: „Uebergang in eine neue Wohnwirtschaft". Redner: Amtsgerichtsrat Dr. Lutz, Berlin: „Schutz der Eewerberaummieter" a) in Deutsch land. Redner: Rechtsanwalt Dr. Schuld, Köln, b in Frankreich. Redner: Präsident des Syndikats des Locataires du Ht.-Rhin, Nein - MÄHlhausen. „Die Auswirkungen der Hauszinssteuer in Preußen". Red ner: Verbandsvorsitzender Kugler, Kiel. Ani Freitage den 1. Juni 1928 versammeln sich die Breslauer Mieter im großen Saale des Gewerkschaftshauses zu einet öffentlichen Kundgebung. Es sprechen: Bundesvor sitzender Herrmann, Dresden über: „Was fordert die Mieterschaft vom neuen Reichstag", Verbandsvorsitzcil- der Stübig, Köln über: „Was verlangen die Mieter Preußens vom Preußischen Landtag", Verbandsvor- sitzender Kugler, Kiel über: „Die Millionengewinm der Hausbesitzer aus der Hauszinssteuer". Die An meldungen zur Beschickung dieser Tagung sind sehr zahl reich. Außerdem haben zahlreiche Behörden, politische Parteien und Gewerkschaften aller Richtungen bereit» Vertreter ernannt. * Der Verein für das Deutschtum im Ausland tagte zu Pfingsten in Gmunden in Oberösterreich. Im Verlauf der Sonnabend-Tagung des Vereins siu das Deutschtum im Auslande wurde von der Haupt Versammlung die Wahl des Vorsitzenden vorgenommen, nachdem der bisherige Vorsitzende, Staatssekretär vü» Hinze, den Vorsitz niedergelegt hat. Bereits die Ve>- treteroersammlung am Vormittag hatte sich eine Wahl des früheren Gesandten Exzelenz v. d. Bussche-Hadde» Hausen ausgesprochen. Die Hauptversammlung be stätigte diese Wahl. Reichsminister a. D. Dr. Külz, de» ebenfalls als Kandidat aufgestellt war, hatte seine Kan didatur zurückgezogen. Die Veranstaltungen am Sonntag und Monta» fanden bei strahlendem Sonnenschein und unter rech»' Beteiligung von Vertretern aller deutschen Stämme i» Deutschland, Oesterreich und dem Erenzlande stab Gottesdienste in den katholischen und evangelische» Kirchen leiteten die Tagung ein, an die sich VersamE lungen des Deutschen Schulvereins, der Jugendgruppe» und der Vertreter der Studentenschaft anschlossen. SpW kämpfe, ein Eartenkonzert und eine Abendfeier, die m» einem gewaltigen Höhenfeuer auf den Bergen endete, bildeten den Abschluß des ersten Pfingsttages. Au de^ Morgenfeier am Pfingstmontag nahmen etwa 20 M Menschen teil. Nach Chorgesüngen hielt der dettW tiroler Priester Dominicus Dietrich eine ergreifen»- Ansprache, der er das Thema: „Gott, Heimat und Voll zugrunde legte. Anschließend daran schilderte b»' Siebenbürger Bischof Teutsch die Ideen, denen ein ch" sundes Volk folgen müsse. Der Vorsitzende des Berel»- Gesandter a. D. v. d. Vussche nahm darauf die Bann»! weihe mehrerer Landesverbünde vor und verlas uuP begeisterten Heilrufen der Menge die Antwort d"' Reichspräsidenten auf das an ihn gesandte Huldigung telegramm. Am Nachmittag wurde ein Festzug oc>' anstaltet, an dem Trachtengruppen aus allen deutsch»" und österreichischen Ländern teilnahmen.