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Kurze Mitteilungen. 30. April 1928 Am Sonntag fand in der neueröffneten Berliner Staatsoper die erste öffentliche Vor stellung statt, die ein festliches Gepräge zeigte. Im Gebiet des Mittelrheins gingen am Sonntag mehrere Ge Witter von wolkenbruch artigem Regen begleitet nieder. Die Baumblüte wurde durch den Sturm fast vollkommen vernichtet. Der Gesundheitszustand des französischen Außen ministers Briand hat sich merklich gebessert und gibt zu keinerlei Befürchtungen mehr Anlatz. Im Zusammenhang mit den Vorbereitungen der Kommunisten zum 1. Mai wurden in Warschau 110Kommunisten von der Polizei verhaftet. Kellogg über -en Kriegsverzichlspakt. 30. April 1928 Staatssekretär Kellogg hielt am Sonnabend vor der amerikanischen Vereinigung für internationales Recht eine Rede, in der er im einzelnen die sechs fran zösischen Haupterwägungen für den Abschluß eines Kriegsverzichtspaktes erörterte. Das unveräußerliche Recht der Selbstverteidigung würde, so folgerte Kellogg, zu denselben Schwierigkeiten Anlaß geben, die sich bis her der Erklärung eines Angriffs entgegenstellen. Keine Vertragsbestimmung könnte zu dem natürlichen Recht der Selbstverteidigung etwas hinzufügen. Nach seiner Ansicht bestehe kein Gegensatz zwischen dem Völker bundsstatut und dem Gedanken einer bedingungslosen Verdammung des Krieges. Was dieLocarnover- träge angehe, so würden sie, wenn eine Verpflichtung für die Kriegsführung aus ihnen überhaupt herausge lesen werden könnte, eine solche Verpflichtung sicherlich keiner Partei auferlegen, solange nicht eine der Lo carnomächte sich unter Verletzung eines durch den Ver trag gegebenen feierlichen Versprechens, in den Krieg begeben hätte. Es sei daher offensichtlich, daß, wenn alle Parteien der Locarnoverträge einen von den Ver einigten Staaten vorgeschlagenen Kriegsverzichtsver trag unterzeichnen, eine doppelte Sicherung geschaffen werde. Es sei der Wunsch der Vereinigten Staaten, daß alle Unterzeichner der Locarnoverträge dem vorge sehenen Kriegsverzichtsvertrag beitreten, entweder durch Unterzeichnung oder durch Anerkennung des Ver trages. Die von Frankreich erwähnten Neutralitäts verträge könne er ohne Informationen nicht erörtern. Kellogg ging weiter kurz auf das Umfassende der vor gesehenen Kriegsverzichtsverträge ein und hielt es für wünschenswert, die Inkraftsetzung dieser Verträge nicht zu verzögern, bis alle Nationen der Welt ihnen beige treten seien, da ein Staat den Vertrag ablehnen könnte, der praktisch keinerlei Bedrohung für den Weltfrieden darstellen könne. Er halte es für in hohem Grade wahr scheinlich, daß ein für die sechs Großmächte annehm barer Vertrag nicht im gleichen Matze für die meisten anderen, wenn nicht für alle Nationen tragbar wäre, aber selbst wenn dies nicht der Fall wäre, würde die Unterzeichnung eines Kriegsverzichtsvertrages durch die sechs Mächte bereits eine praktische Garantie gegen einen zweiten Vertrag bedeuten. Diese Tatsache in sich selbst würde ein ungeheurer Dienst für die Menschheit darstellen. Die amerikanische Regierung hat damit durch den Mund ihres Staatssekretärs deutlich zu erkennen ge geben, datz sie die französischen Vorbehalte alsunnötigundunannehmbarerachtet, aber es im Augenblick für ratsam hält, sie als nicht stichhaltig darzutun, anstatt sie einfach zurückzuweisen. Für den Fall der Anlehnung anderer Mächte an den französischen Standpunkt will man sich die Möglichkeit eines Kompromisses offenhalten, das sich bereits deut lich in dem Ausweg abzeichnet, datz eine Bestimmung ausgenommen würde, durch die den Unterzeichnern des Vertrages ihre volle Handlungsfreiheit zurückgegeben wird, wenn einer der Unterzeichner in einen Krieg ver wickelt sein sollte. Aus aller Well. * Vootsunglück auf dem Wannsee. — Eine Segel jacht von einem Dampfer gerammt. Vorgestern er eignete sich am Haveleck auf dem Wannsee ein Voots unglück, das glücklicherweise ohne schwerere Folgen ver laufen ist. Eine mit drei Personen besetzte Segeljacht wurde beim Kreuzen von dem herankommenden Dampfer „Berolina" gerammt. Das Boot sank sofort. Seine Insassen, Legationsrat von Twardowski, der Lei ter des Referats I der Presseabteilung der Reichsregie rung, Attache Dr. Vrunhoff, ebenfalls von der Presse abteilung der Reichsregierung, und Dr. Kuhn, konnten jedoch von dem vorbeifahrenden Motorboot I. 46 un verletzt gerettet und nach dem Potsdamer Vachtklub ge bracht werden. Die Segeljacht konnte vom Reichswasser schutz bisher noch nicht geborgen werden. * Der Sonntagsluftverkehr Berlin—Paris er öffnet. Heute mittag hat die deutsche Lufthansa den Sonntagsluftverkehr zwischen Berlin und Paris er öffnet. In Betriebsgemeinschaft mit der französischen Farman-Gesellschaft wird von der Lufthansa auf dieser Linie, zu deren Bewältigung die Eisenbahn 17 Stunden benötigt, ein Expreßflugdienst durchgeführt. Die Flug zeuge, die in Berlin und Paris um 12 mittags starten, treffen ohne Zwischenlandung bereits nach ö^stündigem Flug am Ziel ein. Das größte deutsche Landflugzeug „Hermann Köhl" wird auf der neuen Linie verwendet. Auf dieser ersten deutschen Sonntagsflugverbindung, der bald andere folgen dürften, ist eine weitere Neue rung insofern geschaffen worden, als den Luftreisenden während des Fluges ein vollständiges Mittagessen ver abfolgt wird. Ein Kellner, der zugleich das Amt des Koches versieht, bereitet an Bord des Flugzeuges das Mahl. * Blutige Zusammenstöße zwischen Kommunisten und Forstschülern. Wie die „Montagspost" meldet, hatte der Berliner Rotfrontkämpferbund gestern drei vollbesetzte Lastautos nach Templin in der Mark ent sandt, um dort Wahlpropaganda zu treiben. In Templin trafen die Kommunistenautos auf eine, größere Anzahl Schüler der Templiner Forstschule. Die Not frontkämpfer sprangen von den Wagen herunter, stürz ten sich auf die Studenten und schlugen auf sie ein. Fünf Schüler brachen schwer verletzt zusammen. Einer davon ist zugerichtet worden, daß an seinem Aufkommen ge zweifelt wird. Bei der Ankunft in Berlin wurden die Lastautos der Rotfrontkämpfer von der Polizei ange halten und 100 Verhaftungen vorgenommen. * Schwerer Autounfall. Aus Düsseldorf wird ge meldet: Auf einer aufgeweichten Landstraße bei Neuß geriet das Auto des Düsseldorfer Zahnarztes Kames ins Schleudern und prallte gegen einen Baum. Die Frau des Zahnarztes wurde getötet: er selbst und sein Bruder, der Berliner Chefredakteur Alfred Kames, wurden leicht verletzt. * Eine Verhaftung in der Langkoop-Angelegenheit. Der in Hameln wohnhafte Kaufmann Loof, der mit dem Attentäter Langkoop in Berlin war und vor dem Attentat im Reichsentschädigungsamt auf Veranlassung Langkoops durch den Geheimrat Vach telephonisch her beigerufen wurde, ist in Untersuchungshaft genommen worden. * Tödlicher Unfall beim Nosittener Segelflug. In Rositten auf der Kurischen Nehrung ereignete sich bei der Segelflugschule ein schwerer Ünglücksfall. Der Student der akademischen Fliegerschaft Preußen von der Königsberger Universität, Schröder, Sohn eines Rektors in Flensburg, flog mit seiner Segelflugmaschine gegen den Steilhang eines Berges und verunglückte tödlich. * Schwere Wolkenbrüche in Süddeutschland. Ueber die Bergstraße gingen am Sonntag schwere Wol kenbrüche nieder, von denen auch Darmstadt nicht verschont blieb. Hundert Jahre alte Bäume wurden entwurzelt und mehrere Landstraßen waren stundenlang gesperrt. Der Hagel, der mit den Wolkenbrüchen verbunden war, vernichtete einen großen Teil der Obsternte. Auch der Taunus wurde von schwe ren Hagelschlägen heimgesucht. * 13 Todesopfer der Ueberschwemmungen in den Vereinigten Staaten. Die Zahl der Opfer bei den Ueberschwemmungen in Amerika hat sich nach Berichten aus Neuyork auf 13 erhöht. An der Atlantischen Küste gehen schwereRegen stürme nieder. Die Küsten- schiffahrt hat eine große Anzahl von Unglücksfällen zu verzeichnen, wobei auch mehrere Menschen ums Leben gekommen sind. Auch im Süden des Landes hat das Unwetter großen Schaden angerichtet. Durch den Schnee sturm der letzten Tage ist das Baumwollgebiet von Ala bama nahezu vernichtet worden. Wahlbewegung. Marx Spitzenkandidat in Sachsen. Reichskanzler Marx ist als Zentrumsspitzenkandidat in den drei sächsi schen Wahlkreisen aufgestellt worden. Neue Kandidaten zur Reichslagswahl. Wie wir erfahren, hat die Auswertungs-( Volksrechts-) Partei jetzt in Sachsen ihre Bewerber für die Reichstagswahl aus gestellt. Im Wahlkreis Dresden—Bautzen stehen an den ersten Stellen Graf v. Posadowsky (Naumburg), Senatspräsident a. D. Dr. Lobe (Leipzig), Landgerichts rat Dr. Schmidt (Dresden), und Kaufmann W. Stephan (Dresden). Im Wahlkreis Chemnitz—Zwickau sind auf gestellt worden Senatspräsident a. D. Dr. Lobe (Leip zig), kaufmännischer Angestellter E. Herberg (Zwickau), Landtagsabgeordneter Webwarenhändler Mack (Plauen) und Stadtverordneter Lehrer Kühn (Chemnitz). Im Wahlkreis Leipzig erscheinen an den ersten Stellen wie der Senatspräsident a. D. Dr. Lobe, Hofrat Böhme, Kaufmann Peres und Amtsgerichtsrat Dr. Wallner, sämtlich in Leipzig. Das erste Bild von dem Eisbrecher „Montealm", der als erster die Ozeanflieger in Greenly Island erreichte. Der Eisbrecher „Montealm", der von der kanadischen Regierung nach Greenly Island entsandt worden war, kämpft sich durch die großen Eismassen nach der Insel hindurch. 49. Fortsetzung. Nachdruck verboten. „Mit mir hat er es gründlich verdorben. Nicht einen Schritt gehe ich wieder zu seinen Predigten in die Kirche, das sage ich dir, Leonore! — Doch höre nur weiter, die Sache ist noch nicht zu Ende! Wir begleiten die jungen Buchwaldts zurück; es drängte mich, der armen Frau noch fin paar Worte zu sagen: es ist nur gut, daß sie nicht mit in der Kapelle war! — Nicht lange sitzen wir da, und der Herr Pfarrer wird gemeldet. So 'ne Dreistigkeit — und in schönen, salbungsvollen Worten sängt er nun zu reden und zu trösten an. Da hättest du mal das Mädel, die Katharine, sehen sollen. Sie richtete sich hoch auf und mu sterte ihn von oben bis unten; dann sagte sie: „Ich danke, Herr Pfarrer, für Ihre Bemühungen —" oder jo ähnlich, dann hat sie es ihm aber gesteckt und hat ihm zuletzt die Tür gewiesen: in ihrem Hause wäre für Leute seiner Ee- stnnungsart kein Platz, sie bäte ihn daher, es zu verlassen und sie künftig ebenfalls nicht zu belästigen, da ne doch nicht derselben Meinung werden würden. Was blieb ihm da übrig, als abzuziehen l Er wagte nicht mal eine Erwide- rung, so beschämt war er! Wir andern waren sprachlos: es war ein starkes Stück von dem Mädel; aber sie war in ihrem guten Recht — ich hab' ihr für ihren Mut einen Kuß z-ben müssen!" „Unglaublich, Joachim," meinte die Baronin, „viel- leicht ist sie doch etwas übereilt gewesen." »Auf keinen Fall, gnädigste Tante," warf Hellmut ein, --ste konnte gar nicht anders handeln; sie hat genau ge mußt, was sie sagte — mit haarscharfer Logik! Hut ab vor Fräulein von Buchwaldt, in ihr steckt Rasse!" Krafft saß still da, während der ganzen Mahlzeit, sinnier sah er Katharine vor sich in ihrer schwarzen Trauer kleidung und mit einem so traurigen Zug im Gesicht, daß ihm das Herz wehtat. Was hätte er darum gegeben, wenn er jetzt das Recht gehabt hätte, sie in seine Arme zu nehmen und mit sanften Worten zu trösten. Jetzt fühlte er, wie teuer sie ihm war; jetzt hatte Gerdas Reiz keine Macht mehr über ihn; zu sehr hatte ihn ihre Kälte und Herz losigkeit ernüchtert. Hätte er nur die letzten Wochen un geschehen machen können! Gerda erschien ihm jetzt wie ein schönes Kunstwerk, das man wobt anstaunt und bewundert, aber ohne den Wunsch, es zu besitzen. — Ruhig und un befangen hielt er ihrem forschenden Blick stand, der in seinem Gesicht suchte, und ruhig und kühl war auch seine Stimme, mit der er ihr antwortete. Diese Veränderung war Gerda nicht entgangen, sie vermißte das Aufleuchten in den grauen Augen, wenn sie mit ihm sprach, das heim liche Kosen des Blickes — was war das? — War sie doch zu weit gegangen und zeigte er ihr nun den gekränkten Stolz — oder lag dem allen eine tiefere Ursache zugrunde? „Wie find eigentlich Buchwaldts Verhältnisse?" fragte am Abend die Baronin. „Was wird nun werden?" „O, die denkbar besten," antwortete der Baron, „Wer ner hat ja allerdings sehr viel gekostet; aber Buchwaldt hat es doch durchsetzen können, daß keine Hypothek ausge nommen zu werden brauchte, wie er gefürchtet hatte. Ich glaubte nicht, daß es ihm gelingen würde. Der Aelteste wird das Gut übernehmen, sobald er kann; Werner bleibt beim Militär; hoffentlich wird er nun ein bißchen vernünf tiger werden und nicht mehr so in den Tag hineinleben Für di« beiden Mädels werden sich schon Freier finden Lotte hat sich mächtig 'rausgemacht — ein sehr hübsches Mädchen, hat viel Aehnlichkeit mit Katharine und soll auch sehr tüchtig sein; sie hat die Leitung des Haushalts ihrer Tante in Dresden vollständig in Händen. „Wie steht sie denn aus?" fragte Gerda „Ach ja, du sagtest es ja, wie Käthe, — ich glaubte sie würde den Eindruck einer Landpomeranze machen, Fräulein Sorau machte mir mal über Charlotte Buchwaldi eine derartige Andeutung " „Was Liefe Sorau jagt, muß nicht allemal wahr sein," brummte der Baron, „die soll sich nur um sich beküm mern!" „Diese Ansicht habe ich nicht von der jüngsten Buch waldt bekommen, liebes Lousinchen," meinte Hellmut, „im Gegenteil, sie macht den Eindruck einer vollendeten Dame in ihrem ganzen Auftreten und Benehmen, soviel ich bei meinem kurzen Zusammensein habe beurteilen können — und dabei von einer köstlichen Frische —." „Du oist ja förmlich begeistert — an deiner Stelle, lieber Hellmut, würde ich mal deine Unwiderstehlichkeit an Fräulein Lotte Buchwaldt versuchen —," sagte Gerda spitz. „Dazu wäre wohl jetzt die am wenigsten geeignete Zeit, Cousine," erwiderte Hellmut ernst, „du vergißt wohl ganz -" „Was soll nur immer euer ewiges Herumstreiten," pol terte Freesen, „du bist auch immer zu spitzfindig, Gerda, immer hast du was zu reden — laß doch die Buchwaldts in Ruhe, — mir ist, Gott weiß, nicht darnach zumute, im mer solch' Hin und Her zu hören — der Tag heute hat mich so erschüttert —." „Ich stehe auf, Mama! Ich habe nicht Lust, mich ohne Grund zurechtweisen zu lassen!" Und ohne eine Gegenrede abzuwarten, stand sie wirklich auf und ging aus dem Zimmer. Sprachlos sah ihr der Baron nach; er hatte über Gerdas Benehmen eine heftige Bemerkung auf der Zunge, unter- drückte sie aber mit Rücksicht auf Krafft auf einen warnen den Blick seiner Frau. So begnügte er sich schließlich, einige undeutliche Worte von „Trotz", „Eigensinn" zu murmeln, und der Rest des Mahles verlief in ungemütlichem Schwei gen Es dauerte nicht lange, und die Baronin erhob sich und zog sich in ihr Zimmer zurück, da sie sich sehr elend und nervös fühlte, wie sie sagte. Die Herren waren froh, als sie allein waren und ihre Zigarren raucken konnten. Herr von Freesen wollte aus andere Gedanken kommen, forderte daher Krafft aus, der sich verabschieden wollte, noch zu bleiben, um einen gemüt lichen Skat zu spielen. (Fortsetzung folgt.)