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Kurze Mitteilungen. 23. März 1928 In der deutschen Botschaft in London fand gestern ein großer Empfang statt. Entgegen den bisherigen Meldungen sind von den Opfern des Lawinenunglücks in den Hohen lauern erst zehn geborgen worden. Der „Times" zufolge soll ein Abkommen über die Regelung der rumänischen Kriegsschul den beiFrankreich erzielt worden sein. Mustapha Kemal Pascha wird für Ende Mai zu einem längeren Kuraufenthalt in Karlsbad er wartet. Nach Meldungen aus Mexiko haben Banditen im staate Jalisco einen Zug durch Dynamit zur Entgleisung gebracht und die ihn begleitenden Soldaten erschossen. Der japanische Ministerpräsident dementiert die Pressemeldungen über ein geplantes russisch- japanisches Mandschureiabkommen. * Jagd auf die irischen Waffenschmuggler. London, 23. März. Die Verfolgung der irischen Waffenschmuggler nimmt alle Kräfte der Polizei in An spruch. Die englische Kriminalpolizei hat weitere um fassende Untersuchungen angestellt und bereits mehrere geheime Waffen- und Mumtionsdepots der irischen Schmuggler entdeckt. Die fliegende Abteilung ist mit den Vorbereitungen für eine umfassende Razzia be schäftigt. Ueber die Waffenschmuggelaffäre wird mor gen im Unterhaus eine Aussprache stattfinden. Aus aller Welt. 23. März 1928 * Ein weiteres Opfer der Einsturzkatastrophe auf der Friedländer Grube. Die Einsturzkatastrophe auf der Friedländer Grube hat ein weiteres Todesopfer ge fordert. Gestern vormittag erlag auch der Schlosser- Malik als 12. Opfer seinen Verletzungen. Die Toten werden heute in einem Saal in Lauchhammer auf gebahrt, wo sodann eine gemeinsame Trauerfeier statt findet. Die Beisetzung der Toten erfolgt in den Hei matsorten. " Zum Lawinenunqlück im Riesengebirge. Bei dem anläßlich des Lawinenunglücks im Riesengebirge ums Leben gekommenen Skiläufer handelt es sich um den 15jährigen Bauschüler und Sohn des Bauführers Gün ther aus Erdmannsdorf im Riesengebirge, der mit seinem 35 Jahre alten Onkel gleichen Namens am Klei nen Teich aus eine Schneewechte geriet, die plötzlich in den Grund stürzte. Der jugendliche Günther geriet dabei unter eine Schneemässs von 6 bis 10 Meter Tiefe. Die sofort alarmierte Eebirgsrettungskolonne, sowie 30 Reichswehrsoldaten, insgesamt etwa 100 Mann, arbei teten fieberhaft an der Ausgrabung des Verschütteten, doch mutzten die Rettungsarbeiten wegen der Lawinen gefahr und Frost eingestellt werden. Erst mit Eintritt der Schneeschmelze wird es gelingen, die Leiche zu bergen. " Zwei Personen in den Flammen umgekommen. Aus Stolp wird gemeldet: Auf dem Gehöft des Ansied lers Graumann brach infolge Funkenflugs von dem an der Lauenburger Grenze wütenden Waldbrand ein Feuer aus, das Wohnhaus und Viehstall vollkommen einäscherte. Die 30 Jahre alte Ehefrau des Ansiedlers stürzte mit ihren beiden Kindern in Flammen gehüllt uns dem Hause. Während das eine Kind mit dem Leben davönkommen dürfte, starb Frau Graumann so wie ihr 11 Jahre altes Kind kurze Zeit darauf. * Ein Schwerverbrecher ausgebrochen. Der seiner zeit verhaftete 19jährige Schwerverbrecher Willi Ado meit, der in Schimmerwalde eine Räuberhöhle unter hielt und von dort aus die ganze Harzgegend unsicher Machte, ist aus dem Goslarer Eerichtsgefängnis in An staltskleidung entwichen. Der Polizei gelang es bisher nicht, Adomeit wieder zu verhaften. * Die schwierige. Bergung der Verunglückten in - den Felber Tauern. Bei dem Versuch, die Leiche des in den Felber Tauern erfrorenen Münchner Touristen Sebastian Holzer zu bergen, wurden vier Mann der Bergungsexpedition von einer Windlawine in die Tiefe gerissen. Sie konnten sich retten, mutzten aber die Ex pedition aufgeben. Von dem Gefährten Holzers, dem ebenfalls aus München stammenden Touristen Weber, konnte bisher keine Spur gefunden werden, er dürfte gleichfalls im Schneesturm umgekommen sein. " Unmenschlicher Racheakt. Aus Stratzburg wird gemeldet: Ein erst kürzlich verheirateter Arbeiter drang in Abwesenheit der Eheleute Riehl, die sich geweigert hatten, ihm eine gewisse Geldsumme zu leihen, in deren Wohnung ein und vergewaltigte das zwei Jahre alte Kind der Eheleute, um sich an ihnen zu rächen. - Mysteriöser Tod der Schwester Frau Jvogüns. Wie die „Vossische Zeitung" meldet, hat Frau Maria Jvogün, die in der vorgestrigen neu einstudierten Auf führung von „Figaros Hochzeit" in der Städtischen Oper in Berlin die Suzanne singen sollte, plötzlich ab gesagt. Die Absage wurde durch einen plötzlichen Todes fall in der Familie begründet. Es handelt sich um den unter mysteriösen Umständen erfolgten Tod der Schwe ster Frau Jvogüns, der Frau Fritzi Meyer aus Zürich. Frau Meyer hat vor einigen Wochen mit dem Dampfer ..Resolute" allein eine Weltreise angetreten. Wie der Kapitän des Hapagdampfers mitteilt, ist sie auf der Fahrt zwischen Borneo und Bangkog von Bord ver schwunden. Es liegen zwei Möglichkeiten der Todes ursache vor: Selbstmord oder Mord. Gegen einen Selbstmord sprach das Fehlen jeden Motivs. Die junge Frau wollte eine mehrmonatige Vergnügungsreise machen und befand sich, wie ihre Briefe besagen, in aus gezeichneter Stimmung. * Besuch Amanullahs im Londoner Hafen. König Amanullah war gestern East der Londoner Hafenbe hörde. Unter Führung von Lord Nitchic fand eine ein gehende Besichtigung der Londoner Docks und Schiffs anlegeplätze statt. Gestern mittag hatte König Aman ullah dem Greenwicher Observatorium und darauf dem Woolwich-Arsenal einen Besuch abgestattet. Gestern abend war er Gast der Geographischen Gesellschaft, bei welcher Gelegenheit ihm ein Diplom als Ehrenmitglied der Königlichen Geographischen Gesellschaft überreicht wurde. * König Aman Ullah unternimmt einen Rundflug über London. Das afghanische Königspaar besuchte den Erydener Flugplatz. Der König unternahm einen halb- stündigen Rundflug über London. * Zoubkoffs Aufenthaltserlaubnis in Belgien durch Krankheit verlängert. In dem Augenblick, als Zoub- koff auf Veranlassung der Polizei Belgien verlassen sollte, erkrankte er an Grippe und mutz das Bett hüten. Er beantragte deshalb die Verlängerung der Aufent haltserlaubnis, die ihm auch gewährt wurde. " Ein englischer Dampfer mit einem Eisberg zu- sammengestotzen und gesunken. Wie der „Berliner Börsenkurier" aus London meldet, stietz der englische 9000-Tonnen-Dampfer „Southern-Qeen" in den süd georgischen Gewässern mit einem Eisberg zusammen und sank. Die Besatzung konnte von Fischern gerettet werden. Der Dampfer hatte eine Ladung Walfischtran im Werte von 200 000 Pfund an Bord. " Explosion an Bord eines amerikanischen Zer- störers. Das amerikanische Marineministerium teilt mit, datz an Bord des Zerstörers „Whitney" in der Bucht von Guantamano sich eine Explosion ereignete, durch die zwei Mann getötet und fünf verletzt wurden. * Kollision eines englischen Unterseeboots mit einem Zerstörer. Die britische Admiralität teilt mit, datz das Unterseeboot U. 4 mit dem Zerstörer „Thruster" kollidierre, als es sich bis zur Höhe des Stereoskops unter Wasser befand. Der Schaden scheint sich auf die beiden Stereoskope zu beschränken. " Ein Riesenbetrugsprozetz in Moskau. Wie aus Moskau gemeldet wird, hat ein Riesenprozeß gegen Ver treter der Moskauer Handels- und Kreditgesellschaften begonnen. Insgesamt haben sich 42 Personen zu ver antworten, die den Staat um 6192 000 Rubel geschä digt haben. " Erdbebenkatastrophe in Mexiko-City. Mexiko- City wurde vorgestern abend von einem heftigen Erd beben heimgesucht, das zirka 32 Minuten andauerte. Die verschiedenen Erdstötze waren so heftig, datz die Ge bäude zu schwanken begannen und die Menschen aus Theatern, Restaurants panikartig ins Freie stürzten. Weiter wird berichtet, datz das Erdbeben die gesamte Lichtanlage der Stadt auslöschte und die Kirchenglocken zum Läuten brachte. Soweit bisher feststeht, sollen eine Anzahl Personen bei einem Brand, der durch das Beben hervorgerufen wurde, ums Leben gekommen sein. Etwa 20 Personen wurden durch zusammenstürzende Häuser verletzt. Zahlreiche Einwohner verbrachten die Nacht auf der Stratze. Elektrische Schnellzugswagen. Die deutsche Reichsbahn, die gleich nach dem Kriege unter den Rationalisierungsmaßnahmen Mr Verbesserung der Wirt schaftlichkeit Hand in Hand mit dem Ausbau des Verkehrs nach modernen Grundsätzen die Elektrifizierung erwog, hat in und um Berlin zunächst verschiedene Strecken elektrisch ausgebaut, um neben der Erpobung der technischen Anlagen auch die Bewäl tigung des Massenoerkehrs gründlichen Prüfungen unterziehen zu können. Die Erfahrungen sind nun soweit vorgeschritten, daß die Reichsbahn auch Fahrten auf längere Strecken einrichten will, und zwar ist zu diesem Zweck der oben abgebildete Wagen in Aussicht genommen, der auf verschiedenen Strecken in Betrieb genommen wurde. Die Wagen sind L3 Meter lang und haben auf beiden Enden Führerstand und Eepäckraum. Selbstverständ lich sind sie mit allen technischen Sicherungen ausgestattet; unter anderem haben sie den sogenannten „Toten-Mann-Knopf", einen Knopf, den der Führer während der Fahrt dauernd drücken mutz; sobald er ihn losläßt, wird der Strom unterbrochen und der Wagen hält. P-Ovnsn VOM l-Siiris. 36. Fortsetzung. Nachdruck verboten. Jäh blickte sie aus. Wo hatte sie diesen Ausspruch schon gehört? Ah, richtig, von Katharine! Ihre feinen Brauen zogen sich zusammen, und war diese nicht heute auf dem Felde gewesen? Eine quälende Eifersucht erfaßte sie. Vielleicht hatte er sie gesprochen. Das durfte er nicht; er gehörte ihr — ihr ganz allein. Sie hatte sich erhoben und stand dicht am Rande des Sees, der träge und regungs los dälag; ihre Füße wurden fast von dem Wasser umspült. „Gerda, gehe nicht so dicht an das Wasser — komm!" Er legte den Arm um sie und versuchte, sie hinweg zu ziehen Sie rührte sich aber nicht, sondern fragte nur: „Aengstigst du dich um mich?" „Ja, Gerda, der See ist tief und unheimlich —." „Gerade das reizt mich! Sieh nur, das Wasser lockt förmlich mit weichen Armen — siehst du nicht?" sagte sie mit seltsamem Blick, — und dann in unterdrückter Lei denschaft — „ach Geliebter — glücklich sein, einmal glücklich fein und dann sterben — sag', hast du mich lieb?" „Ja, mein Herz, ja! Wie oft soll ich dir das sagen!" „Immer, Hans Detlev, immer will ich es hören, daß du allein an mich denkst und nicht auch an Katharine." „Nein, Gerda!" „Sie war heute auch auf dem Felde, wie Papa sagte." „Und hat tüchtig mitgearbeitet, ich habe es gesehen!" „Hast du sie auch gesprochen?" „Nein, Gerda! Ist Vas all so wichtig?" Eine leise Ungeduld klang nun doch aus seiner Stimme „Für mich, ja, weil ich weiß, daß sie dich liebt!" Gerda fühlte, wie er bei diesen Worten zusammenzuckte. „Ah, er greift dich das so?" „Aber Gerda, wie kannst du mich und dich jo quälen?" „Dir ist doch aber Katharine nicht gleichgültig," be harrte sie. „Sie ist mir sehr sympathisch durch ihre Umsicht und ihren Fleiß; deshalb brauche ich sie doch nicht zu lieben, besonders wo du mein bist, wo ich dich habe, neben dir verschwindet alles — ich liebe dich, Gerda!" Mit einem rätselhaften Blick ihrer schimmernden Augen sah sie ihn da an. Ihr weißes Gesicht leuchtete förmlich aus der Dunkelheit zu ihm herüber. „Wenn es so ist, — ach, Hans Detlev, ich will deine Seele ganz haben, du sollst allein an mich nur denken, weil ich dich so unbeschreiblich liebe," kam es leidenschaft lich von ihren Lippen — „ach, ich könnte — könnte —" sie faßte nach seiner Hand, die sie drückte. „Ich bitte dich, Liebling, komm fort von dieser Stelle; es ist gefährlich. — Sieh, und dort blitzt es schon, unerträg lich, diese Schwüle! Wenn doch das Gewitter erst herauf wäre!" Es war jo drückend und schwer in der Luft und so dunkel — wie eine schwarze Mauer standen die Wolken am Himmel. Kein Lüftchen regte sich, und es war still um sie her; nur einmal strich schwerfällig ein Nachtvogel an ihnen vorüber. Sein Blut fieoerte, und mit kramvfhaftem Druck hielt er Gerdas feine Taille umspannt. Aber doch mußte er sich beherrschen und vernünftig bleiben denn sie war es nicht, wie er an dem Beben ihres Körpers fühlte — sie war ganz Auflösung und Hingabe. Fast heiser sagte er da: „Komm, Gerda, wir können nicht länger weilen!" „Ich könnte noch lange bleiben —," „Aber ich nicht! Auch habe ich Pflichten!" „Morgen abend sehen wir uns doch wieder, wenn es irgend möglich ist," bat sie mit süßer Stimme „Nein," >agte er kurz, „warte nicht!" „Und warum nicht? Du hast keine Sehnsucht — „Weißt du das, Mädchen?" flüsterte er heiß, „nein, es darf nicht mehr sein! Frage nicht weiter!" Da leuchtete es in ihren Augen seltsam auf, und ein eben solches Lächeln spielte um ihre Lippen, als sie triumphierend dachte: „Du bist mir verfallen jetzt, Hans Detlev, ich weiß den Grund; ich halte dich mit meiner Liebe!" Beim Abschied legte sie die Hände auf seine Schulten» und sah ihn lange und unbeweglich an, bis er sie in seine Arme riß und mit seinen Küssen fast erstickte. Schwer at mend riß er sich endlich los, und sie juchte leise ihr Zim mer auf. Aber sie konnte nicht schlafen; noch brannten seine Küste auf ihren Lippen, und sie sah sein schönes, er regtes Gesicht vor sich Ja, sie war seiner sicher, er liebte sie — und wie er heiß küssen konnte — so hatte der andere sie nicht geküßt — der andere — ein unangenehmes Gefühl beschlich sie — käme er doch gar nicht! Hellmut mit seinen scharfen Augen würde bald erkennen, wie es um sie stand, wenn sie sich nicht sehr vor ihm in acht nahm, und würde seine erbarmungslosen Witze machen. Denn heiraten konnte sie doch den Inspektor ihres Vaters unmöglich; sie würde sich ja unsterblich lächerlich machen Hans Detlev war auch zu pedantisch; weil er sie liebte, glaubte er auch gleich an das Standesamt denken zu müssen, anstatt das Geschenk ihrer Liebe fröhlich und sorglos ent gegenzunehmen, so wie sie es ihm gab. Sie wollte ja weiter nichts von ihm, als daß er ihr gut war; sie fand diese heim liche Liebe entzückend und zugleich prickelnd in ihrem skrupellosen Leichtsinn, der ihr sagte, erlaubt ist, was ge. fällt! Seine Geliebte hätte sie ohne Besinnen werden können, seine Frau aber niemals, denn solchen kleinen bürgerlichen Verhältnisten angehören zu müssen, schien ihr unmöglich; sie war nicht dazu angelegt, mit Gevatter Schneider und Handschuhmacher zu verkehren! (Fortsetzung folg! -