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Kauplmarm Köhl über seinen Ozeanslug. 28 März 1928 § Der Flugplatz in Laldonel, acht Meilen von j Dublin, war während des ganzen gestrigen Tages von einer grasten Menschenmenge umlagert, die auf Einzel j heilen über die weiteren Pläne der deutschen Flieger wartete. Die Flieger und die Leitung des Flugplatzes bewahrten jedoch strengstes Stillschweigen. Dem Dubliner Vertreter des „Evening Standard" gegenüber erklärte Hauptmann Köhl, dast er Mittwoch in aller Frühe zu starten beabsichtige und Kurs auf N e u - fundIand nehmen werde, wo er vielleicht lande. ,! Köhl gab folgende Erklärung ab: „Baron von s Hüncfeld und Fritz Loose werden mich auf dem Atlantikflug begleiten. Loose wird als zweiter Pilot amtieren, der Baron als Beobachter. Während unseres Fluges nach Irland arbeitete unsere Maschine vollkom men einwandfrei. Die 900 Meilen lange Strecke legten wir in einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 100 Mei len pro Stunde zurück. Für den Atlantik werden weder Vettungsgürtel noch eine Radioeinrichtung mitgeführt und jeder verfügbare Raum ist für die Brennstoffbe- hälter ausgenutzt worden. Die „Bremen" wird mit einem besonders von Junkers konstruierten Untergestell versehen. Voll beladen wird die Maschine 5 Tonnen wiegen. Mit ein wenig Glück werden wir, wie ich fest vertraue, Erfolg haben. Mein Lebensziel ist die Ueber- fliegung des Atlantik gewesen und nun bin ich im Be- ' griff, den Versuch durchzuführen. Die vor einigen Tagen in Dublin eingetroffenen deutschen Mechaniker haben den für den Flug besonde- reu deutschen Brennstoff mitgebracht. Ein Stab deut- scher Mechaniker bewacht den Schuppen der „Bremen". Aus aller Well. 28. März 1928 Der Sexualmord an dem Abiturienten Daube aufgeklärt? Der Sexualmord an dem Abiturienten Daube, der im Essener Industriegebiet grostes Aufsehen erregte, hat anscheinend seine Aufklärung gefunden. Aste das Polizeipräsidium Gladbeck mitleilt, ist der Abiturient Hustmann, gegen den von Anfang an Ver dachtsmomente bestanden, am Dienstag abend erneut fcftgenommen worden. Die Blutflecken an den Klei- > dern des Hustmann, die von Katzenblut herrllhren soll ten, sind nunmehr als Menschenblut festgestellt worden. Hustmann stand während der letzten Tage unter Be obachtung und hat sich durch Autofahrten, die auf drin genden Fluchtverdacht hindeuteten, weiter verdächtig gemacht. Eine Liebestragödie. — Selbstmord eines Liebespaares. In dem Walde der Stadt Hammer stein fand man gestern morgen den 20 Jahre s alten Bauarbeiter Struenker aus Tempelburg erschossen auf Einige Meter entfernt lag die 19 Jahre alte j Braut, der durch Kopfschutz das Augenlicht geraubt wor ¬ den war Es besteht wenig Hoffnung, das Mädchen am Leben zu erhalten. Der Grund wird in der Weige rung der Mutter zu einer Ehe der beiden gesehen. * Schweres Erdbeben in Italien. Wie aus Mai land gemeldet wird, hat das von allen Seiten gemeldete Erdbeben in der italienischen Provinz Udine stattgc- funden. In den besonders heimgesnchten Orten Canewa und Tolmecco sind eine Anzahl Tote und Verletzte zu beklagen. Auch in Tarvis und Pontebba (an der öster reichischen Grenze) haben Hauseinstürze Menschenleben gefordert. Da verschiedene andere Teile der Provinz wegen der Zerstörung der Telephon- und Telegraphen leitungen vonl Verkehr abgeschnitten sind, befürchtet man, das; das Erdbeben einen noch weit schwereren Umfang angenommen hat. Das Zentrum des Erd bebens befindet sich in der Gegend von Cavazza-Ver- zegnis, nördlich von Undine, am Abhange der Karnischen Alpen. In den heimgesuchten Gebieten beträgt die Zahl der Toten bisher fünf, die der Verletzten sieben. Es ist sehr leicht möglich, datz sich die Zahl der Toten noch erhöhen wird. Die Bevölkerung kampiert aus Angst vor weiteren Erdstösten im Freien. " Ein russisches Dorf von chinesischen Banditen überfallen. Aus Moskau wird gemeldet, dast an der russisch-chinesischen Grenze in der Nähe vom Gebirge Surschan chinesische Banditen ein russisches Dorf über fielen, in Welchem sie acht Bauern erschossen. Das her- beigeholte russische Militärkommando nahm ein Fcuer- gefecht mit den Banditen auf und erschotz vier der Räu ber. Während des Kampfes wurde das Dorf in Brand gesetzt. bohnbewegungen und Streiks. 28 März 1928 Schiedssprüche in der oberschlesischen Eisenindustrie. Nach zweitägigen ergebnislosen Verhandlungen wurden am Dienstag gegen Mitternacht von der oberschlesischen Schlichtertammer unter Vorsitz von Professor Graf zwei Schiedssprüche über die Regelung der Arbeitszeitver hältnisse und ein Lohnschiedsspruch gefällt. Der Lohn schiedsspruch gipfelt in einer eng begrenzten Erhöhung ^der Löhne. Ueber die Schiedssprüche" herrscht wenig Befriedigung, so datz ihre Annahme sehr ungewitz ist. Für alle Schiedssprüche gilt die Erklärungsfrist bis 00. März 1928. Der Lohnkonflikt bei der Reichsbahn beigelegt. Im Lohnstreit bei der Deutschen Reichsbahn wurde gestern im Reichsarbeitsministerium zwischen derHauptverwal- tung der Deutschen Reichsbahngesellschaft und den be teiligten Gewerkschaften eine Vereinbarung getroffen. Die Vereinbarung deckt sich im wesentlichen mit dem Schiedsspruch, geht aber insofern über ihn hinaus, als im Lohngebiet III und in der Lohngruppe V des Lohn gebiets II die Sätze um je einen weiteren Pfennig er höht wurden. Der Tarifvertrag soll bis zum 81. Ja nuar 1929 Geltung haben. Der DmmlM in FIoM Wir können unseren Lesern heute das erste Bild der surchldaren Daminbruchskatastropde über mitteln, die sich nördlich Los Angeles am Santa Clara-Fluß ereignet Hal. Die Gröhe des Un» glucks wird erst erklärlich, wenn man unser Bild sieht, das deutlich die Höhe des Stauwehres er kennen läßt und den übriagcbliebenen Rest der Bctoumaner. Rechts und links danon brach das Stauwehr aus, so daß die Wasstrniassen des fast vollqelausenen Beckens sich durch diese breiten Lücken in das Tai ergossen und dott die enlsetz- licken Verwüstungen anrichten konnten, die Hun derten rou Mcntchen das Leben kostete. Die Ur sache der Katastrophe ist auch heute noch nicht gan; geklärt. Kurze Mitteilungen. 28. Mürz 1928 Reichsbankpräsident Dr. Schacht soll sich im No vember nach Amerika begeben. Bei Metz stietzen zwei französische Mili tärflugzeuge zusammen. Beide Apparate wurden zertrümmert und ein Pilot getötet. Die Wahlen der V i z e m a r s ch ä l l e für den polnischen Sejm finden heute nachmittag statt. Der politische A u st e n m i n i st e r wird sich in nächster Zeit nach Rom begeben. In Kanada plant man die Errichtung eines Friedensministeriums. Der englische Austenminister Chamberlain hatte eine längere streng vertrauliche Unterredung mit König Amanullah. Durch die Unterzeichnung des neuen Oelgesetzes ist der mexikanisch-amerikanische Petro leumkonflikt bei gelegt. Wie die Blätter aus Schanghai melden, soll England die Nankingregierung aner kannt haben. . Die Untersuchung -er Reparatious- schiebungen. 28 März 1928 Die Frachtbriefe in Paris gefälscht. Die Berliner Staatsanwaltschaft verfolgt gegen wärtig mit allem Eiser die grotzen Reparationsschiebun gen, über die mehrfach berichtet worden ist. In Berlin wird augenblicklich die Hauptuntersuchung gegen die Para-Gesellschaft geführt, deren Direktoren Roth und Goldschmidt, ebenso wie die Angestellten des Un ternehmens fast täglich vernommen werden. Die Auf hellung der Geschäfte, bei denen die Staatsanwaltschaft Betrug an der Bank annimmt, die die Reparations lieferungen für das Reich zu bezahlen hatte, sind jedoch außerordentlich schwierig, da die deutschen Behörden nicht imstande sind, die Spuren weiter zu verfolgen, die zu den französischen Fälschern führen. Bis jetzt ist je doch klargestellt, daß die Fälschungen der Frachtbrief e, auf Grund deren Riesendeträge an französische Firmen bezahlt worden sind, fast aus nahmslos in Paris erfolgt sind. Die Para-Gesellschaft hatte bekanntlich sechs Liefe rungsverträge mit der Reichsregierung auf Beschaffung von Pferden, Rindern und Schafen für die geschädigten Gebiete in Nordfrankreich getätigt und lieferte vor allem an die Firma Eoudberg und Lewy in Paris. Diese Firma übernahm das Vieh meist an der Grenz station Aachen und versandte es von dort aus weiter. Die Angestellten dieser Firma haben, wie jetzt aus den Frachtbriefen festgestellt werden konnte, das Täu schungsmanöver so durchgeführt, datz auf den Fracht briefen die wirkliche Zahl der mit der Bahn versandten Tiere stand, während auf den Duplikatfrachtbriefen, die ebenfalls den Stempel der deutschen Bahnstation tru gen, dann die Fälschungen vorgenommen wurden. Die Firma Eoudberg und Lewy sandte die Duplikatfracht briefe mit einer von ihr verfertigten Aufstellung, deren Einzelheiten sich natürlich mit den Fälschungen der Frachtbriefduplikate deckte, dann allwöchentlich an die Para-Gesellschaft, die von der Bank dann die Beträge für die Pariser Firma abhob und weiterleitete. Ueber- aus merkwürdig mutz die Tatsache berühren, datz d i e französische R e p a r a t i o n s k o m m i s s i o n in Paris, der die Originalsrachtbriefe ständig vorlagen Und die auf der anderen Seite wiederum die Listen der deutschen Behörden erhielt, in sechs Monaten nie mals die Differenzen bemerkt oder ge- r ü gt hat. Die Abrechnungen sind auch an das fran zösische Finanzministerium gegangen und von dort dem deutschen Reparationsagenten in Paris mit dem Ver merk der Richtigkeit übergeben worden. Es ist bisher nicht bekannt, ob die französischen Untersuchungsbehör- deu, nachdem die beiden Schuldigen, Eoudberg und 2ewy, nach Holland zu entfliehen vermochten, weitere Bttersuchungen angestellt haben, um diese bereits fest- tzehende Tatsachen weiter zu verfolgen. R. Fortsetzung. Nachdruck verboten. VII. Es war Ende September, ein wundervoller Spätsom mer, jeder Tag sonnig und heiter mit wolkenlos klarem, blauem Himmel Seit vrei Tagen war Hellmut von Brühl East aus Bressenhof Seine Anwesenheit hatte den ruhi gen, gleichmässigen Gang des Haushaltes unterbrochen. Jede Stunde gab es etwas anderes: er war wie Gerda lebhaft und übersprudelnd Jetzt freute sie sich wirklich, daß er da mar, denn es war ihr schon wieder langweilig geworden. Krafft suchte sie nicht, wie sie wohl bemerkt, und wenn sie ihn auf ein paar Minuten festhalten konnte, sprach er nur immer von dem Kommen des Vetters, und ste hörte Mißtrauen und Eifersucht aus seinen Worten und die Frage — was nun? Als die beiden Herren mitein ander bekannt gemacht wurden, beobachtete ihn Gerda Mit scharfem Blick prüfte er den East, der in dem modernen Zivil, daß er trug, unschwer den Offizier erkennen ließ. Hellmut von Brühl war weniger hübsch, hatte aber eine elegante, sehnige Reiterfigur und war sehr amüsant und witzig in der Unterhaltung Sv viel war lange nicht gelächt worden, als an dem ersten Abend seiner Anwesenheit. Werda hatte ihn mit von der Bahn abgeholt. . "Tag, Eoustnchen, wie geht's? Gut? Sieht man, hast Mch höllisch 'rausgemacht!" begrüßte er sie Den Baron hatte er für sich durch einen herrlichen Dank für die Ein ladung, sowie durch ein paar bewundernde Worte über dir Pferde einzunehmen gewußt „Doch nicht fo'n über lackierter Fatzke, wie ich glaubte," dachte der Baron, indem er den Gast verstohlen musterte. Der junge Offizier hatte frisches, offenes Gesicht mit dunklen, vergnügten Augen und -etwas spärlichem, dunklem Schnurrbärtchen. Seine Art, sich zu geben, mar sehr einnehmend, ungezwungen und natürlich. Am Abend, nachdem sich Krafft taktvoll entfernt, um nicht zu stören, sagte Hellmut, ihm sinnend nachblickend — „ich weiß nicht, dein Inspektor erinnert mich so lebhaft an jemand — " Erschreckt blickte die Baronin auf und sah forschend in Hellmuts Gesicht. „Vielleicht an einen Regimentskameraden! Krafft hat ja 'was Offiziermäßiges an sich," meinte der Baron, gleich mütig den Rauch seiner Zigarre von sich blasend. „Nein, nein,,, schüttelte Hellmut den Kopf, nein — komme ich nur gar nicht daraus? Ich mutz doch dieses Gesicht schon mal gesehen haben —." „Vielleicht mal im Manöver — denn Krafft hat boch auch gedient —." „Aber, Hellmut, zerbrich dir doch nicht de« Kopf E unsern Inspektor," lächelte die Baronin mühsam. „Ich muß es doch 'rauskriegen, hab' doch sanft gutes Gedächtnis," grübelte er — „halt, ich hab's jetzt — an Prinz Magnus von Z. —Tödlich erschrocken Motz die Baronin einen Augenblick die Augen, und jede Farbe war aus ihrem Antlitz gewichen, das sich mit einer grün lichen Blässe bedeckte — da war es ja wieder, das Gespenst, und drohte ihre Ruhe zu nehmen! — „In Mamas Salon hängt ein großes Oelbild von ihm," fuhr Hellmut fort, „das er ihr zur Erinnerung verehrt hatte, weil er so viele köst liche Stunden in ihrem gastfreien Hause hatte verlebe« dürfen, wie er ihr damals geschrieben. Mama hat mir ost und viel vom ihm erzählt, er war bei uns wie zu Hans; Papa verstand sich sehr gut mit ihm — ein schöner, be strickender Mann, dieser Prinz Magnus, dem die Frauen herzen nur so zuflogen - übrigens auch ein gefährlicher Don Juan doch, was erzähle ich da, du mutzt ihn ja viel besser kennen, verehrteste Tante," wandte er sich direkt an die Baronin, „du warst doch Hofdame am Z.'schen Hofe zu seiner Zeit, während Papa Adjutant des Herzogs war —", er verstummte aber plötzlich, al? e- den I gequälten Ausdruck in dem gänzlich veränderten Gesicht ü- Baronin gewahrte, so fassungslos hatte er wohl noch nie mand gesehen. „Was ist das ?" ftog es durch seinen Sinn — „sollte — — Mama hatte mir doch erzählt, daß — — ah, dahinter werde ich kommen - " „Und mit einem Prinzen hat Inspektor Krafft Aehn lichkeit?" fragte Gerda, die nicht auf ihre Mutter geachle! hatte, sondern mit Spannung ihrem Detter zuhorte — „mir einem wirklichen Prinzen? Das ist ja furchtbar interessant! Daraufhin muß ich ihn mir mal genau anschauen!" „Tue das nicht, Toufinchen," neckte er, „sonst könnte er dir schließlich noch gefährlich werden - " „Ah, bah," sagte ste — „mir wird niemand gefährlich: das weißt du doch — „Ja, allerdings, wenn auch dein Herz ganz geblieben fft, so hast du doch eine Menge gebrochen —." „Warum hast du die Stücke nicht mitgebracht?" fragte sie spöttisch. „Die Herren werden sich wohl schon selbst geholfen haben! — Erzähle lieber noch mehr von dem in teressanten Prinzen! Also ein Don Juan, — er muß ,a ein ganz gefährlicher Mensch gewesen sein! Wie alt ist e« jetzt eigentlich?" „Gerda, frage doch nicht nach Dingen, die gar kein Interesse für dich haben können," sagte die Baronin mit heiserer Stimme „Doch, sie haben Interesse, großes Interesse," beharrte das junge Mädchen. „Nun denn, es schickt sich nicht für dich — Gerda zog ein Mäulchen. „Damit werde ich immer abgespeist, wenn ich etwas nicht wissen soll Was soll sich alles nicht für mich schicken! Ich bin doch schließlich kein Backfisch mehr — Hellmut brachte aber das Gespräch auf etwas anderes, da er sah, wie die Baronin litt. „Was machen wir morgen zum Sonntag?" fragte Gerda, „ein Sonntag auf dem Lande ist langweiliger als die Wochentage" Eortse-u«g Mgt.)