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Ägyptens Unabhüngigkettskampf. Sowohl von ägyptischer wie von britischer Seite wer den im Augenblick offizielle Erklärungen über den ge nauen Inhalt der letzten ägyptischen Antwort auf die britische Note, die Einsprüche gegen die Verabschiedung verschiedener Gesetzesvorlagen eingelegt hatte, noch nicht abgegeben. Die bisher in London vorliegenden Be richte lassen kaum noch einen Zweifel, daß die ägyptische Note folgendes verlangt: 1. Völlige Unabhängigkeit Ägyptens. 2. Das Recht den Suezkanal mit ägyptischem Mili tär und ohne jede Unterstützung der britischen Armee nnd Flotte zu verteidigen, es sei denn, daß Aegypten selbst diese Unterstützung verlange und 3. Aegypten als alliierten und mit Großbritannien gleichbeberechtigten Staat zu betrachten. In Kairo ist man sich, wie übereinstimmend be richtet wird, über die Wirkung der Antwort nicht ganz im unklaren, da bereits die Möglichkeit einer Kabi nettskrise erörtert wird. Da die Note erst gestern im Foreign Office eingegangen ist, steht im Augenblick noch nicht fest, welche Schritte die britische Regierung nunmehr ergreifen wird. Nachdem aber durch die Note jede Aussicht auf erfolgreiche Beendigung der englisch ¬ ägyptischen Vertragsverhandlungen unter dem gegen wärtigen nationalistischen Kabinett in Kairo geschwun den ist, ist mit einiger Sicherheit damit zu rechnen, daß Großbritannien sich nicht langer auf platonische Vor stellungen beschränken dürfte. Es ist bemerkenswert, daß die „Snday Expreß' heute daran erinnert, daß Aegypten zweimal durch Eng land, unter Lord Kitchener unter Lord Cromer, vor der Katastrophe bewahrt worden sei. Die ägyptische Note, so betont das Blatt, sei eine Herausforderung an Groß britannien. Die britische Regierung habe außergewöhn liche Geduld in den Verhandlungen malten lassen. Ihre Mäßigkeit sei durch eine fanatische Gesellschaft von Aegypten als Schwäche gedeutet worden. Es würde zwecklos sein, mit den Verhandlungen fortzufahren. Die englische Antwort könne nur in der Forderung am Entfernung der ägyptischen Truppen aus dem Sudan und die Ilebernahme der vollen Kontrolle durch bri tische Streitkräfte bestehen. Die 15jährige britische Ausbauarbeit in Aegypten dürfe nicht zerstört werden durch die Intrigen von Politikern, die keinen Funken von Staatsmannkunst zeigten. Die übrigen Sonntags blätter enthalten sich noch jeden Kommentars. Bilanz des Barmat-Prozesses. Der Schlußstrich unter dem größten Prozeß der Welt. Der Barmat-Prozeß, in dem jetzt gesprochen wor den ist, dürfte mit seiner 14-monatigen ununter brochenen Dauer der größte Prozeß sein, der jemals vor Gericht ausgetragen worden ist. Einem Außenstehen den wäre es vollständig unmöglich gewesen, die ein zelnen Phasen der Verhandlung zu verfolgen, weil eine öffentliche Berichterstattung gar nicht möglich war. Alle am Prozeß Beteiligten: Richter, Staatsanwälte, Schöffen, Zeugen, Sachverständige nicht zuletzt auch die Angeklagten sind miteinander bekannt geworden, als ob sie Jahr gemeinschaftlich in einem Geschäft ge arbeitet hätten. Man begrüßte sich gegenseitig, wenn man kam, und dank der geschickten Verhandlungsleitung des Landgerichtsdirektors Dr. Neumann kam es auch während des Prozesses nur ganz selten zu Zusammen stößen zwischen der Verteidigung und dem Ankläger. Alle Zahlen dieses Prozesses haben ein sensationelles Gepräge. Die Anklageschrift allein, die gedruckt vor liegt, umfaßt nicht weniger als 648 Seiten; für die Urteilsbegründung, die erst nach mehreren Monaten veröfentlicht werden kann, da deren Ausarbeitung so viel Zeit in Anspruch nimmt, dürfte man mit einer kaum geringeren Seitenzahl rechnen. Während des Prozesses waren 17 Verteidiger tätig; 60 Gutachten wurden erstattet, und 400 Zeugen gehört. Das ganze Prozeßmaterial umfaßt 1070 Aktenbände und über 3000 Protokolle wurden aufgenommen. Die Gesamtkosten des Prozesses werden auf eine halbe Mil lion geschätzt. Davon entfallen auf Kosten für die Drucklegung der Anklageschrift 10 000 M, 300 000 M betrugen die Ausgaben für die in diesem Prozeß be schäftigten Personen: Richter, Staatsanwälte, Schöffen, Zeugen und Sachverständigen. Die Anklage war ver treten von dem Oberstaatsanwalt Trautmann, ihm assistierten vier Staatsanwälte Zu den Prozeßkosten wird man jedoch nicht allein die Ausgaben, die von Staatswegen gemacht worden sind, rechnen, sondern auch die Ausgaben sämtlicher Angeklagten für ihre Verteidigung. Im ganzen stan den im Prozeß 11 Personen als Hauptangeklagte vor dem Richter, die 17 Verteidiger hatten, u.a. die Rechts anwälte Dr. Themal, Dr. Frankfurter und Dr Julius burger. In eine besonders schwierige Lage waren die Schöffen geraten, die selbstverständlich durch die lange notwendige Anwesenheit bei der Ausübung ihres Be rufes aufs Schwerste gehindert wurden. Von den Schöffen mutzten drei während des Prozesses von ihrem Amt zurücktreten, weil sie nicht ohne schwere Gefährdung ihrer Existenz weiter ihre Tätigkeit als Laienrichter ausüben konnten. Man kann es verstehen, wenn jetzt nach Beendigung des Prozesses der Vorsitzende des Schöffengerichtes Landsgerichtsdirektor Dr. Neumann und die Landgerichtsräte Rosemann, Unger und Hoff mann nach ihrer mühevollen, fast pausenlosen Arbeit während eines Zeitraumes von fünfviertel Jahren einen längeren Urlaub antreten müssen. Aber nach ihrer Rückkehr ist für sie der Barmat-Prozeß noch nicht beendet. Dann müssen sie noch an die überaus schwierige Urteilsausarbeitung gehen. Vergleicht man mit diesen Riesenzahlen das Prozeßergebnis, so muß man feststellen, daß es in keinem Verhältnis zu der aufgewandten Arbeit und Mühe steht. Uebereifer und Ueberneroosität haben aus der Affäre Barmat einen so gewaltigen Prozeß gemacht, wie er vielleicht für eine andere Materie denkbar und berechtigt gewesen wäre, aber in vorliegendem Falle nicht den tatsächlichen Erfordernissen entsprach. In den Fehler der Aufbauschung der ganzen Angelegenheit ist man von Anfang an verfallen, als die Verhaftung der Brüder Varmat, die auf Schwanenwerder ihre Be sitzung hatten, mit Hilfe einer großen Zahl von Beam ten erfolgte. Auf der anderen Seite ist allerdings nicht zu vergessen, daß zu jener Zeit die öffentliche Meinung über die zahlreichen Finanzkandale — es sei nur an Kutisker und Holzmann erinnert — aufs äußerste er regt war und überall ähnliche Machenschaften ver mutete. Zu dem Urteil selbst läßt sich, solange nicht die aus führliche Urteilsbegründung selbst vorliegt, wenig sagen. Es sei nur festgestellt, daß alle Angeklagten nur wegen aktiver und passiver Veamtenbestechung verur teilt wurden, nicht aber wegen Betruges, das Delikt, auf dem das ganze Gebäude der Anklage ruhte. Die Ur teilsfindung selbst war für das Gericht wie Landge richtsdirektor Neumann bei der Verkündung begründend ausführte, äußerst schwierig, weil man sich darüber klar war, daß die volle Wahrheit, noch dazu, da es sich um Dinge handelte, die zum Teil garnicht mehr aufgeklärt werden konnten, zu finden unmöglich sei. So verfuhr man denn nach einem der Fundamentalsätze des Straf rechts „in dubio pro reo", d. h. wenn es nicht möglich ist, einen Tatbestand völlig aufzuklären, so wird zugun sten des Angeklagten vermutet, daß er sich nicht schuld Haft vergangen habe. Die Urteilsfindung erfolgte nicht unter den Gesichtspunkten der moralischen Wer tung des Jahres 1928, sondern man hat versucht, sich in das Jahr 1924 zurückzuversetzen und einzufühlen, in die Zeit, in der durch Krieg und Geschäft zermürbende Begriffs- und Gefühlsverwirrungen vieler scheinbar hart an der Grenze des Strafbaren vorbeigeschritten ist. Die besonderen Schwierigkeiten der Aufklärung der ein zelnen Tatbestände waren im wesentlichen darauf zurück zuführen, daß der Zeugenaparat fast vollständig ver sagte. Drei, vier Jahre waren seit den fraglichen Vor gängen verstrichen. Selbst guten Willen der Zeugen vorausgesetzt, wird man es ihnen glauben können, daß sie sich auf vieles, namentlich auf Einzelheiten, auf die es gerade bei der Klärung ankommt, nicht besinnen konten. Fünf Angeklagte sind verurteilt, sechs freigesprochen worden. Die erteilten Strafen schwanken zwischen elf Monaten und sechs Wochen Gefängnis und Geldstrafen zwischen 41 347 M und 200 M. Das sind Zahlen, die im Verhältnis zu den Millionenbeträgen, um die es ging, nur geringfügig sind. - Besteht nun die Gefahr, daß aus der Verufsverhandlung ein zweiter Varmat- Monstre-Prozeß entsteht? Das ist zum Glück nicht an zunehmen. Wohl dürften die Verurteilten gegen die Höhe ihrer Strafen Berufung einlegen, aber es ist sicher, daß der ganze Prozeß nicht ein zweites Mal aufgerollt wird, daß vielmehr die Verhandlung sich allein aus die angegriffenen Nebenpunkte beschränken wird. Man rechnet nur noch mit einer kleinen Verhandlung vor der Strafkammer des Landgerichts I. Somit ist der Barmat-Prozeß beendet, der letzte Riesenbetrugs- und Vestechungsskandal aus der Infla tionszeit. Dr. F. K. Die Auslösung -es Reichstags. Sonnabend, 31. Mürz 1928. Der Handelsvertrag mit Griechenland wird gegen die Stimmen der Deutschnationalen, Völkischen und Na tionalsozialisten angenommen. Auf der Tagesordnung steht dann die Entggen - nahmeeinerErklärungderNeichsregie- rung Reichskanzler Dr. M arx nimmt sofort das Wort und erklärt: In der Neichstagssitzung vom 27. Februar hat der stellvertretende Vizekanzler Hergt dem Reichs tag das Arbeitsprogramm der Reichsregierung vorge legt. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß durch die Erledigung dieses Programms zwingenden Bedürf nissen des Volkes und vielfach der bittersten Not in ver schiedenen Bevölkerungsgruppen sowie Lebensnotwen digkeilen der deutschen Wirtschaft Rechnung getragen worden ist. Vor allem kann ich mit Befriedigung fest stellen, daß dank der aufopfernden und hingebungs vollen Arbeit aller Berufenen es in diesem Jahre ge lungen ist, den Reichshaushaltplan rechtzeitig fertigzu stellen. Nachdem der Reichstag mit den gestern verab schiedeten Gesetzen das sogen. Notprogramm erledigt hat u. da nicht zu erwarten ist, daß noch weitere größere gesetzgeberische Arbeiten in die ser Wahlperiode zum Abschluß gebracht werden können, löse ich auf Grund des Artikels 25 der Neichsverfassung den Reichstag auf. Berlin, den 31. März 1928. Der Reichspräsident gez. v. Hindenburg Der Reichskanzler gez. Marx. Präsident Loebe erklärt, nach diesen Mit teilungen des Reichskanzlers seien die Arbeiten des Reichstags beendet. Abg. Dr. ScholzsDVP.) dankt dem Reichstags präsidenten Loebe für die vorbildliche Führung der Ge schäfte und dehnt diesen Dank dann auch auf die Vize präsidenten, den gesamten Vorstand und die Beamten des Reichstages aus. (Lebhafter Beifall.) Präsident Loebe spricht seinerseits den Dank für die freundlichen Worte aus und gibt dann einen Ueberblick über die vom Reichstag in den letzten Jahren geleistete Arbeit. Während sich die Abgeordneten von den Plätzen erheben, bringt der Präsident ein Hoch auf das deutsche Volk und die deutsche Republik aus. Die Kommunisten verlassen lärmend den Saal. Die Lage in China Abkommen zwischen der Nanking-Regierung und Amerika. Zwischen dem amerikanischen Gesandten in Chinn und der Nankingregierung ist ein Abkommen über die Beilegung der vorjährigen Zwischenfälle in Nanking zustande gekommen. Nach den letzten Meldungen aus Nanking schließt das Abkommen drei Noten ein, worin die Nanking-Regierung ihr Bedauern über die Vor fälle ausspricht und sich bereit erklärt, den amerika nischen Untertanen vollen Schadenersatz zu gewähren. Das Abkommen sieht weiter eine aus zwei Amerika nern und zwei Chinesen bestehende Kommission vor, die die Höhe der Schäden abschatzen soll. Die amerika nischen Schadenersatzansprüche werden mit 5 Millionen Taels angegeben, davon wird die südchinesische Regie rung sofort 100 000 Teals bezahlen. Die Bestrafung der schuldigen Personen, Zusicherung des Schutzes des r amerikanischen Lebens und Eigentum für die Zukunft und eine Entschuldigung der nationalistischen Regie rung sind weitere Punkte des Abkommens. Die Be reinigung der schwierigen Frage der Beschießung durch amerikanische und englische Kanonenboote ist dadurch umgangen worden, daß sowohl die Nankingregierung wie auch Amerika die amerikanische Teilnahme an der Beschießung bedauert Amerika aber gleichzeitig die Not wendigkeit der Teilnahme daran betont. Gleichzeitig ist die Möglichkeit einer Revision der chinesisch-amerika nischen Verträge erwogen worden, die dadurch erleich tert wird, daß auf chinesischer Seite mit allem Nachdruck der Wunsch nach Unterhaltung freundschaftlicher Be ziehungen zu Amerika betont wird. Vormarsch -er Sü-truppen gegen Peking Wie aus Schanghai gemeldet wird, hat der Vor marsch der chinesischen Südtruppen gegen Peking begon nen. Der Stab der Südarmee soll bereits am Freitag den Pangtse überschritten haben. Tschiangkaischek ist be reits nach der Front abgereist. Der nationalistische Vormarsch ist dadurch ermöglicht worden, daß Peking fast seine gesamte Streitmacht gegen General Feng ge worfen hat. Schanghai ist infolge der Offensive von allen Kerntruppen entblößt. Zuspitzung der Lage zwischen Chinesen und Franzosen in Hankau. Zwischen den chinesischen Behörden in Hankau und den Vertretern der französischen Regierung ist wegen der Verhaftung von führenden Kommunisten in der / französischen Konzession ein Streit entstanden. Die Hankauer Behörden planen drastische Maßnahmen. Infolge dieses Zwischenfalles ist die antifranzösische Propaganda wieder stark aufgelebt. Unter den Ver hafteten soll sich auch eine Frau befinden, die die bol schewistische Frauenoro,anisation in Kanton organi sierte. Zu -en Deutschenverhastungen Lm Donezgebiet 2. April 1928 Wie aus Moskau gemeldet wird,wird am Mittwoch der nach Rostow entsandte Legationssekretür Dr. Schliep von dort zurückerwartet. Am Montag wird eine neue Unterredung zwischen Graf Brockdorff' Rantzau und Tschitscherin über das weitert Schicksal der verhafteten Ingenieure stattfinden. Das politische Büro hat beschlossen, S ch warz und Bubnow erneut zu Untersuchungszwecken nach dein Donetzbecken zu entsenden. Nach halbamtlichen Mel dungen sind weitere Entlassungen von leiten den Kommunisten in der Ukraine vorge sehen. Besonders wird das Mitglied des Zentralkomi tees der Kommunistischen Partei der Ukraine Mihn- lenko, beschuldigt mit den verhafteten Ingenieuren in Verbindung gestanden zu haben. Der Leiter der E.P.U. in Rostow ist wegen Zuge hörigkeit zur Opposition seiner Stellung enthoben wor den. Außerdem wird die ganze Abteilung der G.P.N. in Rostow aufgelöst und durch neue Kommunisten er setzt werden. Kurze Übersicht 2. April t928 Nach einer Havasmeldung aus Rom soll die Bei legung derDifferc n z en zwis ch e n d e m V ati kan und der italienischen Regierung st» Bereich der Möglichkeit liegen. In Paris wurden zw ei inte r national e Hochstapler verhaftet. Es sott sich angeblich um Reichsdeutsche handeln. Vier Matrosen des französischen Kreuzers „Mühl hausen" sind wegen angeblicher kommunistischer Propa ganda in der französischen Marine verhaftet worden. In der Nacht vom 1. April haben in W i e n z e h » Personen Selbstmord begangen. Am Sonntag abend wurde in Iosefsdorf bei Katta- witz die Veranstaltung eines katholischen Deutsche» Vereins, der eine Wohltütigkeitsaufführung plante, von Aufständischen gesprengt. .