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Ruhland 19 März 19W Wie aus Moskau gemeldet wird, beipricht die „Js- westija" heute in einer politischen Wochenschau die Spannung zwischen Deutschland und der Sowjetunion. Das Blatt hofft, daß durch die Besprechungen zwischen Tschitscherin und Graf Brockdorff-Rantzau die Spannung beseitigt worden sei. Die deutsch-russischen Handelsbeziehungen würden durch den Abbruch der Wirtschaftsoerhandlungen iowobl für Deutschland als auch die Sowjetunion großen Schaden erleiden. Die „Jswestija" ist mit der Haltung der deutschen Presse wenig zufrieden und schreibt, daß die Verhaf tung deutscher Staatsangehöriger in Rußland kein gro ßer politischer Fall sei und in der nächsten Zeit seine Regelung finden werde. Die Sowjetunion werde alle Maßnahmen ergreifen, um die deutsch-russischen Be ziehungen in Ordnung zu bringen. Dieser Artikel wird als ein Erfolg der deutschen Diplomatie in der Angelegenheit der Verhaftung der deutschen Ingenieure bezeichnet. Man erwarte, daß Vie Sowjetregierung nächstens weitere Schritte unter nehmen wird, um die deutsche Oesfentlichkeit zu be ruhigen. Goldslein wir- frei gelassen. Wie aus Rostow gemeldet wird, begaben sich gestern früh Vertreter der Staatsanwaltschaft in das Gefäng nis, in dem sich die deutschen Ingenieure in Haft be finden und benachrichtigten den Oberingenieur Goldstein davon, daß er aus der Haft entlassen und aus der Sowjetunion ausgewiesen sei. Goldstein begab sich sofort nach Moskau. Der gleichfalls freigelassene M o n t e u r W a g n e r ist am Sonnabend abend von Rostow nach Moskau abgereist und wird zu sammen mit Goldstein am Sonntag abend oder Montag früh das Gebiet der Sowjetunion verlassen. Die Haft hat ailf den Gesundheitszustand Goldsteins schwer ein gewirkt. Nach Ansicht der Aerzte wird er einen länge ren Erholungsurlaub antreten müssen, um seine Ee- sundbeit wieder herzustellen. Die Vertreter des Politbüros Bubnow und Schwarz sind wieder in Rostow eingetroffen und haben sich sofort mit der Staatsanwaltschaft in Verbindung Schwierigkeiten in Rumänien. 19. März 1928 Die Nationale Bauernpartei hielt gestern gemeinsam mit den übrigen oppositionellen Par teien in Vukarest mehrere große Volksver sammlungen ab. Die Zahl der Teilnehmer an diesen Versammlungen wird auf 80 000 geschäht, eine Zahl, die seit 20 Jahren bei politischen Kundgebungen in Rumänien nicht erreicht worden ist. Aus dem ganzen : Lande trafen die Anhänger der nationalen Bauern partei unter Mitbringen von Mahnen und Standarten in Bukarest ein. In den Versammlungen sprachen so- wohl die führenden Mitglieder der Nationalen Bauern- § Partei wie auch Redner der mit der Bauernpartei ver bündeten Sozialdemokratischen Partei und die Ver- ! treter der Nationalen Partei des Professors Iorga. Die Versammlungen begannen vormittags 10 Uhr und dau- , erten über 2Z4 Stunden. In allen Versammlungen - wurde eine gleichlautende Entschließung angenommen. ! in der gefordert wird, daß die Regierung ohne Verzug zurückzutreten habe. Die Ku n d g e b u n g der Z a r a n i st e n p a r - tei in Rumänien, an der 80 000 Bauern teilnahmen, I verlief nach einer Meldung aus Bukarest ohne Zwi- ! schenfall. Französische Besorgnis. Die Lage der rumänischen Regierung wird in Paris neuerdings für äußerst schwierig gehalten. Der , „Petit Parisien" will erfahren haben, daß die Oppo sition der Nationalen Bauernpartei auf den Rücktritt der liberalen Regierung bestehe. Anläßlich der für Sonntag geplanten bedeutsamen Kundgebung der Opposition sei eine strenge Kontrolle aller nach Bukarest fahrenden Züge durch die Regierung angeordnet wor den. Die in Ploesti und Giurgiu stationierten Kaval lerieregimenter seien in der Umgegend der Hauptstadt zusammengezogen worden. Es sei beschlossen worden, daß jede Kundgebung vor dem königlichen Palast mit Waffengewalt unterdrückt werden sollte. Verschiedene > Agitatoren, die für Prinz Carol eintrqten, seien ver- j haftet worden. In einem Telegramm an Titulescu verlange Maniu, der Führer der Opposition bei aller Anerkennung der Genfer Politik der Regierung, daß Titulescu den Rücktritt der gegenwärtigen Regierung ermöglichen solle, um einem großen Ministerium, das den tatsächlichen Kräften der Nation entspreche. Plaß zu machen. In diesem Ministerium würde Titulescu wieder eine führende Rolle spielen. Englands starke Stellung in Siidchina. 19. März 1»?8 i Wie aus Nanking berichtet wird, hat die Nanking- regicrung zwei Verordnungen erlassen, in denen die Hinrichtung der Hauptschuldigen für die seinerzeitigen ! Zwischenfälle in Nanking (16 Matrosen und 32 Aben- , teurer) bekannt gegeben wird und bestimmte Anord- I nungen für den Schuh der Ausländer in China ge troffen werden. Der Außenminister der Nanking regierung erklärte hierzu u. a., daß die Nankingreqie- rung bereit sei. ihr Bedauern über die Nankinger Zwi schenfälle auszusvrechen. Die beiden Kundgebungen werden in England als deutlicher Erfolg der Rundreise des britischen Gesandten in Peking, Lampson, gedeutet. Troh der Schwierigkeiten für die Beilegung der aus den Unruhen in Nanking im März v. I. entstandenen Lage sei unverkennbar, daß die Ausgleichsbestrebungen lenkt ein. geseht, um sich über die Verdachtsgründe gegen die deut schen Ingenieure zu unterrichten. Bubnow wird sich nach Moskau zurückbegeben, um Rykow und Stalin Bericht über die Donetzangelegenheit zu erstatten. Aus gut unterrichteter Quelle wird mitgeteilt, daß der Pro zeß in der Donezangeleaenheit am 14. Mai in Moskau unter dem Vorsih Ullrichs, dem Vorsihenden des Ober sten Gerichts der Sowjetunion, stattfinden wird. Wie Goldstein van den Russen verhaftet wurde. Der „Montag'' bringt ein Interview mit dem soeben aus dem Donehgebiet zurückgekehrten Diplom- Ingenieur Hille, der mit dem verhafteten Ober ingenieur Goldstein dasselbe Zimmer bewohnt hat und der Augenzeuge von Goldsteins Verhaftung gewesen war. Danach wurde Goldstein mitten in der Nacht von GPU.-Beamten aus dem Bett geholt, mit ihm noch die anderen drei Deutschen. Bei bitterster Kälte wurden alle vier in einem Fuhrwerk Uber die Steppe wegqe- iahren. In dem Verhaftungsort haben alle Deutschen den nächsten Tag einen zweitägigen Proteststreik anae- ireten. Die Monteure der A E. G. haben dfesen fort- geletzt. um die Haftenlassung ihrer Landsleute zu er zwingen. Der Streik aller Deutschen, ganz aleich welcher Beschättwungsart sie waren, bat aus die russische Bevöl kerung tiefen Eindruck gemacht. Der Staatsanwalt gegen weitere Entlassungen. Nach Meldunaen aus Charkow bat sich der Ober staatsanwalt der Ukraine aeaen eine weitere Frei lassuna der verhafteten Deutschen in der Sowjetunion ausgesprochen. Nach den lehren Vereinbarungen zwi schen der ukrainischen Regierung und dem deutschen Generalkonsulat in Charkow soll ein Beamter des Ge neralkonsulats morgen früh nach Rostow fahren, um persönlich mit den verhafteten Deutschen in Verbindung zu treten. Aus Moskau wird gemeldet, daß am Montag abend eine neue Besprechung Zwischen Tschitscherin und Graf Nrockdorn-Ranhau stattfinden soll. Auch die russischen Ingenieure freigelassen. Wie die „Montagspost" aus Moskau erfährt, sind van den im Donehaebiet verhafteten 60 Technikern auch vier verhaftete russische Ingenieure aus der Unter- 'u-bunashaft entlassen worden. zwischen den Großmächten und dem Süden erhebliche Fortschritte gemacht Hütten. England habe hierbei eine führende Rolle übernommen. Die erhebliche Besserung der englischen Position in China gegenüber der vor etwa einem halben Jahre solle nicht übersehen werden, da England auf dem besten Wege sei. in China wieder tonangebend zu werden. Chinesische Soldaten hingerichtet. Der Außenminister der Nanking-Regierung gab bekannt, daß 51 Offiziere und Soldaten wegen Teil nahme an den Zwischenfällen in Nanking hingerichtet worden sind. Der Befehlshaber Lintschuhan soll ver haftet werden. Deutscher Reichstag. Sitzung vom 17. März. Auf der Tagesordung steht die zweite Beratung des Gesetzentwurfes über Leistungen in der Invaliden- und Angestellten- versicherung, der einen Teil des Notprogramms bildet. Der Aus schuß hat der Vorlage zugestimmt und dazu noch eine Erhöhung des Kindergeldes beschlossen. In Entschlie ßungen des Ausschusses wird gefordert, daß den Sozial rentnern die Erhöhung nicht durch entsprechende Kür zung der Fürsorgeleistungen verloren geht. Ferner wird eine angemessene Erhöhung der Versorgungsgrenze auf Grund des Angestelltenversicherunggesetzes verlangt. Schließlich soll dem Reichstag eine Denkschrift über den Ausbau der Angestelltenversicherung oorgelegt werden, insbesondere über die Frage einer Herabsetzung der Altersgrenze auf 60 Jahre und Verkürzung der Warte zeit auf 60 Pflichtbeitragsmonate. Abg. Karsten (Soz.) erklärt, seine Partei müsse die Schuld für diese kärgliche Rentenaufbesserung ab lehnen. Abg. Frau Arendsee (Komm.) fordert Er höhung der Kinderrenten um 20 Mark monatlich. Abg. Esser (Ztr.) empfiehlt die Vorlage zur Annahme. Abg. Döbrich (Christl.-nat. Bauernpt.) lehnt den Gesetzentwurf ab. Abg. Ziegler (Dem.) erklärt, an gesichts der Maßnahmen für die Landwirtschaft sei die ser Anspruch gegen die Erhöhung der Invalidenrenten ein starkes Stück. Die Vorlage wird in zweiter und dritter Beratung in der Ausschußfassung angenommen. Es folgt die zweite Beratung des vom Ausschuß beantragten Gesetzentwurfes, wonach die Krisenunter- stützung um weitere drei Monate verlängert werden soll. Weiter wird die Regierung ersucht, dahin zu wirken, daß eine Ausdehnung der Krisenunterstützung auf weitere Berussgruppen zugelassen wird, in denen infolge außergewöhnlicher Ereignisse oder Umstände ein anhaltender schwerer Notstand auf dem Arbeits markt besteht. Abg. Brey (Soz.) begründet eine Entschließung, wonach die Krisenfürsorge so gestaltet werden soll, daß die Arbeitslosen, die die Anwartschaft auf Arbeitslosen unterstützung noch nicht erfüllt haben und die, deren Anspruch bereits erschöpft ist, für die gesamte Dauer der Arbeitslosigkeit Unterstützung nach den Sätzen der Arbeitslosenversicherung erhalten. Der Gesetzentwurf des Ausschusses über die Ver längerung der Krisenfürsorge wird in zweiter und dritter Beratung angenommen. Ebenso wird ein Ge setzentwurf des Reichsrates, wonach die Kosten der Krisenfllrsorge auf das Reich übernommen werden, eine Vorlage, bei der der Ausschuß Ablehnung beantragt, infolge einer mißverständlichen Abstimmung vom Reichstag angenommen. Der Haushalt des Reichspräsidenten wird in zwei ter Beratung erledigt. Der kommunistische Antrag, das ! Gehalt des Reichspräsidenten zu streichen, wird gegen ! die Antragsteller abgelehnt. Genehmigt wird weiter ein Ausschußantrag, in den Etat des Wirtschaftsministeriums für die Förde rung des Messewesens 1,2 Millionen Mark einzusetzen, wovon 800 000 Mark für die Leipziger Messe bestimmt sind. Das Ueberleitungsgesetz für die Strafrechtsreform wird in dritter Beratung angenommen. Die Anträge des Verkehrsausschusses über die Ver kehrsfragen des Ostens werden einstimmig ange nommen. Das Haus vertagt sich. Montag 14 Uhr: Kleine Vorlage, Anträge zugunsten der besetzten Gebiete, Etat des Reichsfinanzministeriums. Zoubkosfs Ende. Das späte Liebesglück der Prinzessin Viktoria von Preußen hat nun ein jähes Ende gefunden. Der Re gierungspräsident von Köln hat Alexander Zoubkoff, nachdem er wegen . Paßvergehens rechtskräftig ver urteilt worden ist, als lästigen Ausländer des Landes verwiesen. Mehr als einmal und mehr als es recht war, hat sich die Oesfentlichkeit mit diesem Abenteurer, der durch seine Heirat mit der 62jährigen Schwester des Exkaisers in das grelle Licht der Oesfentlichkeit ge rückt wurde, beschäftigen müssen. Gegen den Willen ihrer Familie und gegen den Rat wohlmeinender Freunde, hatte die Prinzessin diese, aus so mannig fachen Gründen ungleiche Ehe geschlossen. Es war nicht schwer, einen unglücklichen Verlauf dieser Verbindung zu prophezeien, aber der schwärzeste Pessimist hätte wohl nicht in seinen kühnsten Phantasien einen so unwürdi gen und geradezu katastrophalen Ausgang dieser Ehe erwartet.» Wer ist oder wer war vielmehr dieser Zoubkoff, der es verstanden hat, die Hand der Prinzessin Viktoria zu erringen? Sein Lebenslauf ist abenteuerlich genug, um Stoff für mehrere zugkräftige Filme zu geben. Und man braucht dabei nicht einmal den Gerüchten Glauben zu schenken, die in zahlreicher Form über seine Abstam mung, über sein Vorleben und über seine Absichten herumschwirrten. Er ist einer jener russischen Emigran ten, die durch den Umsturz entwurzelt wurden und die nun in den Hauptstädten Europas durch allerlei aben teuerliche Berufe sich über Wasser zu halten versuchen. Berlin und Paris ist das Dorado dieser Entwurzelten, hier suchen sie ihr Heil. Vielen gelang es, sich wieder eine bürgerliche Existenz zu schaffen, viele gingen unter und viele leben von den Chancen, die die moderne Großstadt ihnen bietet. So einer ist Alexander Zoub koff, der als Eintänzer und Chauffeur, als Berufs spieler und Barbesucher sein Leben fristete und dem es, traft seiner körperlichen Vorzüge und Gewandtheit seines Auftretens gelang, in der guten Gesellschaft festen Fuß zu fassen. Aber kaum hatte er sein Ziel, die Heirat mit der Prinzessin Viktoria Luise, erreicht, als er auch schon über die Stränge zu schlagen begann. Eine Skandal- affärc reihte sich an die andere. Immer wieder mußte man von neuen „Heldentaten" Zoubkofss hören. Schon in Bonn hat sich der Gemahl der Prinzessin Luise in Kürze unmöglich gemacht. Die Stimmung gegen das Ehepaar mar schließlich so feindlich, daß beiden nichts anderes übrig blieb, als nach Berlin zu reisen. Man hatte den vernünftigen Plan gefaßt, Zoubkoff, der über haupt zu exzentrischen Dingen neigt, ein Ziel zu setzen, und es sollte über die Vorbereitungen eines Trans ozeanfluges beraten werden. Aber Zoubkoff hielt es für angebrachter, seine Abende in Nachtlokalen Berlins zu verbringen und sich hier in zweifelhafter Gesellschaft sehen zu lassen, als sich ernsthaft mit dem Plan zu be fassen. Er war wohl von dem Dünkel erfaßt, durch die Heirat mit der Prinzessin selbst Prinz geworden zu sein. Jedenfalls zeigte er sich seiner Stellung als Prinz gemahl wenig würdig. In herausfordernder Weise benahm er sich in öffentlichen Lokalen gegen die Gäste und gegen das Personal, bis es schließlich zu dem be kannten Zusammenstoß kam, bei dem er den Pagen Friedrich niederboxte. Die Prinzessin hat nun wohl inzwischen eingesehen, daß sie mit ihrer Ehe mit Zoubkoff einen schweren Fehler begangen hatte. Sie zeigte sich schon in der letz ten Zeit nicht mehr mit ihm, reiste sofort nach dem letzten Skandal nach Bonn zurück und ließ Zoubkoff allein in Berlin. Es darf aber auch nicht vergessen werden, daß cs Zoubkoff und seinem Anhang gelungen ist, in kurzer Zeit die Prinzessin Luise im wahrsten Sinne des Wortes auszuplündern. Die Freunde des Russen ver suchten die Vermögensverwaltung der Prinzessin an sich zu reißen, und als erste Folge geriet sie in finanzielle Schwierigkeiten. Zahlreiche Wechsel, die von dem Ehe paar unterzeichnet waren, liefen um, mußten häufig prolongiert werden und gingen zum Protest. Linge weihten war es schon lange klar, daß an einen Weiter bestand der Ehe nicht gedacht werden konnte, wenn sich Zoubkoff nicht im letzten Augenblick eines Besseren be sann. Durch sein Benehmen hat er sich nun völlig un möglich gemacht und ist sogar mit den Strafgesetzen in Konflikt geraten. Seine Ausweisung ist die direkte Folge seines skandalösen Berliner -Benehmens. Die Annahme, daß die Prinzessin Viktoria Luise, die durch ihre Heirat die deutsche Staatsangehörigkeit verloren hat, ebenfalls von der Ausweisung betroffen ist, ent spricht nicht den Tatsachen. Wie es heißt, soll Zoubkofl inzwischen Deutschland verlassen haben: und es wäre auch die beste Lösung. Die Oesfentlichkeit will sich nicht mehr mit dieser ganzen Angelegenheit befassen. Wir werden zufrieden sein, wenn das Ausweisungsdekret des Regierungspräsidenten von Köln den Schlußstrich unter die Affäre Zoubkoffs bedeutet.