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Kurze Mitteilungen. ö. März 1928 Reichsautzenminister Dr. Stresemann ist in Be gleitung von Staatssekretär v. Schubert gestern mittag um 12 Uhr in Genf eingetrofsen. Der englische Außen- minister Chamberlain traf gleichfalls aus Paris kommend in Genf ein, ferner sind der polnische Außen- minister Zaleski, der jugoslawische Außenminister Marinkowitsch und die bulgarischen Minister Bü ro ff und Molosf angekommen. Danzig ist, wie auch auf den bisherigen Ratstagungen, durch den Senatspräsi denten Sahm vertreten. Exzellenz v. Elasenapp, der frühere Vizepräsi dent der Reichsbank, ist gestern abend an Herzschlag ge- stor ben. Ueber die gestrigen Beratungen der Außen- mi nist er der kleinen Entente in Genf weitz der „Petit Pnrisien" zu berichten, datz in der unga rischen Optantenfrage nicht die geringste Meinungsver schiedenheit bestehe. Hinsichtlich der Affäre von St. Gotthardt hätten sich die Staaten der Kleinen Entente darauf beschränkt, die Aufmerksamkeit des Völkerbundes auf diese Affäre zu lenken. Lohnbewegungen und Streiks. 5. März 1928 Sehr ernste Lage im Metallkonslitt. Am Sonn abend mittag haben drei der größten Berliner Jndustrie- werke, die Firmen Siemens-Schuckert, Mir u. Genest, Bergmann, ihren Arbeitern mitgeteilt, datz sie entweder mit der Arbeit auf unbestimmte Zeit aussetzen oder über haupt ihre Entlassung nehmen mützten. Dadurch sind über 50600 Arbeiter stellungslos geworden. Die Zahl wird in diesen Tagen noch beträchtlich gröher werden, da noch mindestens drei Berliner Metallwerke ihre Betriebe infolge des Streiks der Werkzeugmacher nicht länger aufrechterhalten können. Die Lage wird von allen be fragten Stellen als überaus ernst bezeichnet. Aus atter Wett. 5, März 1928 " 10V OVO Bauern demonstrieren. An der vorgestern vom Pommerschen Landbund aufgerufenen Massenkund gebung in Stettin nahmen etwa 100 000 Personen teil. In den meisten Betrieben ruhte die Arbeit. Auch die Lüden waren zum Teil geschlossen. Die verschiedenen Redner, die sich als Vertreter des Gross-, Mittel- und Kleinbesitzes, des Handels und Handwerks hinter die bekannten Landbundforderungen stellten, forderten zum Teil den Marsch nach Berlin. In Demmin stürmten die Kommunisten vor Beginn der Veranstaltung den Rednerwagcn, wurden jedoch zurückgedrängt. - Die Angelegenheit Rosen im Entscheidungs- stadinm. Nach Mitteilungen von amtlicher Seite arbeitet der Oberstaatsanwalt in Breslau mit aller Entschiedenheit auf Erledigung der Sache Rosen hin. Trotzdem erscheint eine Erledigung der ganzen Ange legenheit binnen weniger Tage ausgeschlossen. Der Oberstaatsanwalt hofft jedoch bestimmt, in einigen Wochen über die zu stellenden Anträge schlüssig zu wer den. Als feststehend gilt, datz im Interesse der Frau Reumann ein endgültiger Beschluss durch den Ober staatsanwalt gefasst werden wird. ' Wieder ein Zechennnglück. In der Easverarbei- lungsanlage der Zeche Mont Cenis bei Dortmund er eignete sich infolge des Ausströmens größerer Gas mengen aus den Rohren einer zur Abmontierung ge- längenden veralteten Gasleitung eine schwere Erplo- sion. Drei Arbeiter haben schwere Brandwunden er litten, denen zwei erlegen sind. - Entdeckung einer Foschmiinzerwertstatt in Altona. Die Polizei entdeckte in der Wohnung eines Kaufmanns in Altona eine modern eingerichtete Faljch- miinzerwerkstatt. in der in der letzten Zeit falsche Fünf- zigpfennigstückc hcrgestellt worden sind. Der Kaufmann und seine Ehefrau wurden verhaftet. * Gedächtnis der deutschen Toten in Genf. Die deutsche Kolonie in Genf versammelte sich gestern auf dem Kirchhof St. George, um an den Gräbern der deut schen Kriegsteilnehmer eine Gedächtnisfeier zu veran stalten. Die hier weilende deutsche Delegation war gleichfalls vertreten. Generalkonsul Aschmann wies in einer Ansprache auf die ernste Bedeutung dieses Tages hin. Die Feier, die in würdiger Form verlief, schloß mit der Niederlegung eines Kranzes in den Reichsfarben am Grabe der Kriegsgefallenen. * Wöchentlich 40 Typhnskranke in Litauen. Im Laufe der letzten zwei Monate sind in Litauen wöchent lich durchschnittlich vierzig Personen an Typhus er krankt, von denen fünf Prozent gestorben sind. Zur Bekämpfung der sich ständig verbreitenden Erkrankun gen hat nun das Gesundheitsdcpartcment besondere Maßnahmen angcordnet. Auch die Kownoer Stadtver waltung hat Sicherheitsmaßnahmen getroffen. * Fischerboote in Eis und Nebel verunglückt. Süd lich non Libau wurden aus dem Nebel, der das Meer bedeckte, Hilferufe vernommen. Schleppdampfer ver ließen sofort den Hafen und fanden nach einiger Zeir sechs Motor-Fischerboote, die zwischen Eisschollen ein geklemmt waren. Vier Boote werden noch vermißt. Man fürchtet, daß zehn Fischer umgekommen sind. * Der Teplitzer Theaterbrand nach neun Jahren aufgeklärt. In der Nacht zum 11. September 1919 brannte das Stadttheater in Teplitz-Schönau nieder. Die Entstehungsursache war damals nicht festzustellen. Nunmehr gelang es der Sicherhcitswache, die Ange legenheit aufmklären. Sie verhaftete einen in Turn ansässigen Wächter, der sich durch sonderbare Andeutun gen über den Theaterbrand verdächtig gemacht hatte, and erzielte ein vollständiges Geständnis. Der Wächter verrichtete in der fraglichen Nacht aushilfsweise, den Kontrolldienst im Theater. Während er sich auf dem Schnürboden befand, sprano infolge einer kleinen Ex plosion des Brennstoffs das Türchen feiner Laterne auf, und das brennende Oel ergoß sich über einen Vorhang, der alsbald in Flammen stand. Der Wächter konnte des Feuers nicht Herr werden und schlug Lärm. Da mals gestand er den Vorgang aus Furcht vor Strafe nicht ein. sondern gab an. das Feuer bereits vorgefun den zu haben. Gewissensbisse veranlaßten ihn nun, fein jahrelanaes Schweigen aufzugeben. * Sechs Kinder Opfer einer Explosiv Beim Spiel mit ungelöschtem Kalk oder mit Dynamit - was noch nicht geklärt werden konnte wurden unweit Neapel sechs Kinder infolge einer plötzlichen Explosion schwer verletzt. Die bcdauernwerten Kinder ringen im Kran kenhaus mit dem Tode. " Todessturz zweier italienischer Flieger. Bei einer Notlandung auf dem Fluge von Livorno nach Tarent verunglückten zwei italienische Flieger tödlich. Das Wasserflugzeug hatte sich bei der Notlandung über schlagen. Aus dem Gerichtssaal. 5. März 1928 X. Schwurgericht. Am 4. Mai 1927 verhandelte das Schwurgericht Dresden gegen den aus Zschocken gebürtigen früheren Zimmerpolier und jetzigen Fuhr- werksbesitzer Gustav Emmerlich und gegen dessen 1890 zu Mahlis geborene zweite Ehefrau Emilie Martha geb. Seyfert wegen Konkursvergehens, Beihilfe hierzu und wegen Verletzung der Eidespflicht. Das angeklagte Ehe paar betrieb ein größeres Geschäft mit Brennmaterialien usw. Angeblich wegen finanzieller Ansprüche der ge schiedenen ersten Frau waren die Delikte entstanden. Frau Emmerlich wurde lediglich wegen betrügerischen Bankrotts zu drei Monaten, der mitangeklagte Ehe mann wegen Beihilfe zum betr. Bankrott, sowie wegen wissentlicher und fahrlässiger falscher Versicherung an Eides Statt zu neun Monaten Gefängnis verurteilt. Betreffs der Konkursdelikte hatten beide Ehegatten Revi sion eingelegt. Das Reichsgericht hob insoweit auch das Urteil des Schwurgerichts auf, und verwies diese Strafsache zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung an das Schwurgericht zurück. Am Freitag fand deshalb nochmals ein Termin statt, der mit der Freisprechung der Angeklagten endete. Beim Ehemann ändert sich deshalb das vorjährige Strafmaß. Es verbleiben demnach nur wegen der vorerwähnten beiden Eidesdelikte vier Monate zwei Wochen Gefängnis. Kunst und Wissenßchaf!. Von der Landesuniversität. Die theologische Fakultät der Universität Leipzig hat dem Direktor des neu errichteten Pre digerseminars in Lückendorf, Dr. phil. Martin Bernhard Doerne die Würde eines lic. theol. ehrenhalber verliehen. KanSel und Industrie. Eröffnung der Leipziger Frühjahrsmesse. Die dies jährige Leipziger Frühjahrsmesse ist durch einen Be grüßungsakt im Alten Rathause zu Leipzig am Sonn tag vormittag offiziell eröffnet worden. Unter den an wesenden Ehrengästen befanden sich u. a. der kaiserlich persische Gesandte in Berlin, Ali Khan Farzine, sowie der Handelsminister der tschechoslowakischen Republik Dr. ing. Peroutka. Vertreten waren ferner die deutschen Länder, die Reichsregierung, das Reichswehrministerium, die Reichsmarine, der Reichsrat und der Reichstag. Der sächsische Ministerpräsident Heldt hieß die Versammelten herzlich willkommen. Zur Frühjahrsmesse sind jetzt schon 150 000 Messeabzeichen verkauft worden. Man zählt 9070 deutsche Aussteller, von denen 25 Prozent aus Sachsen, 40 Prozent aus Preußen und 30 Prozent aus den übrigen deutschen Ländern kommen. Von den 1108 ausländischen Ausstellern kommen je 300 aus der Tschecho slowakei und aus Frankreich, 200 aus Oesterreich, über 100 aus Japan und gegen 100 aus Italien. Es sind 198 000 Quadratmeter Ausstellungsfläche belegt. Das Grubenunglück in Recklinghausen. Nach dem Vekanntwerden des Unglücks: Die Augehörigen der Bergarbeiter vor dem geschlossenen Zechentor, auf Nachrichten wartend. Im Hintergrund« der Förderschacht, in dem sich das Unglück ereignete. 28 Fortsetzung. Nachdruck verboten. „Es tut mir ja selbst leid! Wenn Sie erlauben, stelle ich Ihnen meine freie Zeit zur Verfügung, so daß Sie ruhig Ihrem Vergnügen nachgehen können. Ich werde Ihnen so wenig wie möglich hinderlich sein!" „Ah, wann haben Sie Zeit — doch höchstens morgens um drei und abends um zehn Uhr! Da muß ich also ver zichten!" Beide sahen sich in diesem Augenblick an und gedachten jenes Abends, dessen Wiederkehr sie so sehr wünschten. „Jetzt muß ich aber eilen," sagte Krafft, „damit ich nicht zu spät komme! Guten Morgen, Baronesse, also noch mals, Wort halten." Sie blickte ihm nach, wie er so stattlich dahinschritt. So gefiel er ibr, fest auf seinem Willen beharrend, un beugsam sowohl gegen Bitten und Drohungen. Sie nahm sich vor, es mit ihrem Versprechen nicht gar so ernst zu nehmen — wer würde ihr wohl etwas zu leide tun — Un sinn, er war eben ängstlich! Gerda fühlte, wie er sie beobachtete, ob sie auch Wort hielt Vorläufig tat sie es auch, um ihn in Sicherheit zu wiegen. Es gewährte ihr ein unbeschreibliches Vergnügen, dieses heimliche Einverständnis mit ihm, und sie freute sich immer auf die Mahlzeiten, wenn er ihr gegenüber saß und sie ihn manchmal durch versteckte Andeutungen ärgern wollte. Sie erzählte dann von den prachtvollen Morgen- ipaziergängen, die sie unternommen hatte, bis dann manch mal ihr Vater sagte: „Nein, Gerda, wie du aufschneiden kannst! Da lagst du ja noch in den Federn! Willst uns wohl gar impo. nieren!" Dann lachten sie alle, und es war so gemütlich, daß manchmal das Mahl länger als nötig ausgedehnt wurde. Eines Mittags sprach sie den Wunsch aus, Katharine zu besuchen. „Das arme Mädchen hat jetzt so viel zu tun; ich habe sie wohl über vierzehn Tage nicht gesehen, daß ich ordent lich Sehnsucht nach ihr habe," meinte sie. Gerda sah, wie Krafft etwas errötete und den Blick wegwandte. Sobald er Käfhes Namen hörte, ging es ihm wie ein Stich durchs Herz,' er kam sich ihr gegenüber so schuldig vor, obgleich er ihr nie mit einem Wort Hoffnungen gemacht hatte — aber dennoch —! Und vor ihm saß Gerda lächelnd, sieges bewußt ihre schimmernden Augen mit seltsamem Blick auf ihn geheftet! Es traf sich, daß sie nach Tische mit ihm einige Augen blicke auf der Veranda allein war; die Baronin hatte sich schon zurückgezogen. „Sie erlauben mir doch, Herr Inspektor, daß ich Fräu lein von Buchwaldt besuche?" fragte Gerda, „bis dahin wird mir doch nichts passieren!" „Ich habe mir niemals angemaßt, Baronesse irgend welche Vorschriften zu machen," entgegnete er ruhig. „Darf ich Fräulein von Buchwaldt von Ihnen grüßen ?" Forschend blickte sie ihn bei diesen Worten an. „Wenn Sie der Ansicht find, daß es nicht aufdring lich von mir ist, so bitte ich darum — weil Sie sich er boten haben, sonst würde ich mir nicht die Freiheit ge nommen haben!" „Wißen Sie auch, Herr Inspektor, ich komme mir in den letzten Tagen wie eine Gefangene vor! Ich habe wohl bemerkt, wie Sie mich in dieser Woche beobachtet haben! Sie waren ja der reine Detektiv! Nun müssen Sie mir auch ein Lob ausstellen ich bin doch brav gewesen!" „Soviel ich weiß — ja!" „Soviel Sie wißen? Weiter haben Sie mir nicht ge traut? — Heute ist wirklich mein erster Ausflug!" „Das K ja sehr schön, wenn Ä-e «eine Worte nicht unbeachtet gelaßen haben! Dennoch wiederhole ich meine Bitte nochmals, auf der Landstraße zu bleiben und nicht allein durch den Wald zu gehen." „Sie sind ein großer Tyrann, Herr Krafft, das ist gar nicht nett —." Schmollend kehrte sie ihm den Rücken „Es ist doch in Ihrem eigenen Interesse, gnädiges Fräulein!" Sie jprang die Stufen der Veranda herunter. „Philister —!" rief sie ihm scherzend zu — „addio!" Sie lief in den Park und war bald seinen Blicken ent schwunden. Sinnend sah er ihr nach. Niemals hätte er gedacht, daß dieses kleine graziöse Persönchen, das so voller Wider spräche, so unberechenbar war, Herrin seiner Sinne, unr sobald, werden würde! Er wurde nicht klug aus ihr; ver gebens suchte er den Kern ihres Wesens zu erfassen; es gelang ihm nicht. War sie wirklich so herzlos und ober flächlich, wie sie sich gab, oder wollte sie damit nur ein tiefes Empfindungsleben verdecken? Es gibt ja so viele Leute, die innere Weichheit durch äußerlich barsches We sen verbergen. Krafft beschäftigte sich in Gedanken viel mit ihr. — Im Wachen wie im Traume gaukelte ihr süßes Bild vor seinen Augen, und das Katharinas erblaßte allmählich daneben Ja, Gerda war unwiderstehlich, wenn sie es sein wollte Er sah auch, wie er ihr gefiel, wie sie sich um ihn be mühte — ganz Unverhohlen zeigte sie ihm ja ihr Woyl gefallen. Was bezweckte sie damit? Sicher sollte er ihr über die Langweile hinweghelfen, über die sie so manch mal klagte. Und wenn nun aus der Tändelei Erna würde? Denn ungestraft spielt man nicht mit dem Feuer und er war nicht der Mann, der sich, wenn man seiner müde geworden ist, beiseite werfen ließ, sobald ein neues besseres Spielzeug das Intereße des verwöhnten Mädchens fesselte Da hieß es: entweder — oder! — Und bei Gervn mutzte man auf alles gefaßt sein. — Aber er ließ da nicix mit sich spaßen — er würde nicht der willenlose SpielbaN ihrer Launen sein! llkortseUun«, swal 1