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Deutsche Wahlersotge in Polen. 5 März 1928 Mandatsqewinn in Oberschlesien. Um 6 Uhr morgens hatte nach den bisher vor liegenden Ergebnissen die deutsche Wahlge meinschaft im gesamten Wahlkreise Katto - witz 48400 Stimmen erhalten, die Regierungspartei hatte 32 000, die Korfanty-Partei 24 500, die polnischen und deutschen Sozialisten 17 100 und die Kommunisten 8000 Stimmen.- Die beiden bisherigen deutschen Man date des Wahlkreises Kattowitz im Warschauer Sejm sind damit erhalten geblieben. Die Deutschen haben nach diesem vorläufigen Ergebnis, bei dem noch mehrere Gemeinden fehlen, bereits 9000 Stimmen mehr erhalten als bei den letzten Wahlen im November 1922. Dieser Gewinn an deutschen Stimmen ist umso höher zu bewerten, als die Deutschen seit den letzten Sejm wahlen durch die Option und die große Abwanderung infolge des ständig stärker werdenden Terrors die Strei chung von Tausenden aus den Wahllisten und schließlich durch die Sprengung des Wahlgeheimnisses geschwächt worden sind, während die polnischen Parteien durch den starken Zuzug von Beamten aus den polnischen Ostgebieten gewonnen haben. Von den übrigen drei Sejmmandaten des Wahlkreises Kattowitz dürfte die Negierungspartei und die Korfanty-Partei nach dem bisheriiWn Wahlstand je ein Mandat erhalten. Ueber das Schicksal des fünften Seimmandats des Wahlkreises Kattowitz ist erst Genaues nach Ermittlung des Wahlergebnisses für den Wahlkreis zu sagen. Aus den übrigen beiden schlesischen Wahl kreisen liegen bis morgens 6 Uhr nur spärliche Er gebnisse vor. Trotzdem ist zu erwarten, daß die Deut schen auch dort ihren Besitzstand erhalten werden. B e - s o n d e r s a u f f ä l l i g ist die Tatsache, daß die Deut schen in verschiedenen kleinen Gemeinden im stark be drängten Kreise Rybnik zahlreiche Stim- m e n erhallen haben und zwar vielfach in Gemeinden, in denen es bei den letzten Kommunalwahlen nicht möglich war, eigene deutsche Listen aufzustellen. Gestern in den Abendstunden haben sich in Katto witz einige Zusammenstöße zwischen Mitgliedern der Regierungsparteien und der Korfanty-Partei ereignet. Zn Myslowitz wurde ein Korfantyanhänger von Re gierungsparteimitgliedern verprügelt, wobei ihm beide Beine gebrochen wurden. In Rybnik kam es zu einer kleinen Schießerei, bei der ein Anhänger der Korfanty- Partei verwundet wurde. Weitere Wahlgewinne. Nach den vorläufigen Ergebnissen im Wahlkreis König shütte-Schwientochlowitz-Lubli- nitz - Tarnowitz hat die deutsche Wahlgemeinschaft bedeutenden Stimmenzuwachs und zwar um rund 23 000 gegenüber den letzten Sejmwahlen zu verzeich nen, trotzdem die deutschen Sozialisten für die Liste der polnischen Sozialisten gestimmt haben. Im einzelnen erhielten: Die deutsche Wahlgemein schaft 61 759 Stimmen gegenüber 38 942 im November l922, die Regierungspartei 53 329, die Korfanty-Partei 02 971, die vereinigten deutschen und polnischen Sozial demokraten 15 004 und die Kommunisten 9 337 Stim men. Die Wahlbeteiligung betrug 89 Prozent. Danach erhalten: Die Deutsche Wahlgemeinschaft 2 Mandate, die sie schon inne hatte; die Regierungspartei 2 Man date und die Korfanty-Partei 1 Mandat. Im Stadtkreis Königshütte hat bei einer Wahlbeteiligung von 94 Prozent die Deutsche W a h l g e m e i n s ch a f t 19 891 von insgesamt 38 110 abgegebenen Stimmen erhalten. Deutsche Gewinne in Weslpvlen. Die Sejmwahlen haben in den ehemaligen preu ßischen Gebieten Westpolens für die deutschen Stimmen einen großen Erfolg gebracht. Bis jetzt sieht bereits fest, daß die Minder heitenliste wenigst e n s z w e i neue Man - date gewonnen hat und zwar je einen in Dir - schau und Bromberg .In den übrigen Wahl kreisen, in denen ein Erfolg der-deutschen Liste fraglich war, rechnet man nach den bisherigen Teilergebnissen damit, daß die deutschen Kandidaten durchgekommen sind. Im einzelnen erhielten: Im Wahlkreis Bromberg: Minderheitenblock 2 (1), Sozialisten 2 (0), 'Nationale Arbeiter-Partei 1 (1), Nationaldemo kraten 1 (3). Im Wahlkreis Dirschau. Min derheitenblock 1 (0), Nationale Arbeiter-Partei 1 (1), Nationaldemokraten 2 und Christliche Demokraten und Piasten 1. Auch sonst haben die Wahlen nach den bisher vor liegenden Ergebnissen völlig unerwartete Resultate ge bracht. So erhielten in der Stadt Warschau bis her der Regierungsblock 6, die Sozialisten 1, die. Kom munisten 2, der Minderheitenblock l und die National- demokraten 3, die orthodoxen Juden (regierungsfreund lich) 1 Mandal. Das Wahlresultat der S t a d t W a r - schau zeigt eine außerordentlich bedeutsame Nieder lage der bisher stärksten Partei, der Nationaldemo kraten und in zweiter Linie der Sozialisten. Die pilsudskifeinlichen Nationald e m okraten haben die Hälfte ihrer Stimmcnzahl an Üen Regierungsblock verloren. Die Sozialisten haben etwa zwei Drittel ihrer Stimmen eingebüßt, die etwa zu gleichen Teilen den Kommunisten und den sozialistischen Juden zugute kommen. Erstaunlich ist die völlig uner wartete S t i m m e n z a h l d e s R e g i e r u n g s - blocks, deren Zustandekommen man sich selbst in gut unterrichteten Kreisen gar nicht erklären kann. (!!) In einem Wahlbezirk soll die Zahl der siir den Regierungsblock abgegebenen Stimmen höher sein, als die Zahl sämtlicher stimm berechtigten Wahler, (!) abgesehen von den für die anderen Listen abgegebenen gültigen Stimmen. Die Kommunisten haben ihren Anhang mehr als ver doppelt, obwohl sie fast gar keine offene Propaganda '.reiben konnten. Nach den bisher vorliegenden Nachrichten aus Lemberg haben dort erhalten: Regierungsblock 24 700 (1 Mandat) Sozialdemokraten 12 800 (0 Man dat), Minderheitenblock 10 400 (0 Mand.)s National demokraten 13 800 (1 Mand.), Zionisten 28100 l2 Mand.). Deutsche Erfolge auch in Thorn. Soweit sich bisher übersehen läßt, hat die deutsche Liste nicht nur im Wahlkreis Dirschau, sondern in ganz Pomerellen bedeutend gewonnen. Desgleichen die Liste der polnischen Sozialdemo kraten. Dagegen haben die Nationaldemokraten und die Nationale Arbeiter-Partei Einbußen erlitten. Den Deutschen ist es gelungen, auch im Wahlkreise Thorn, wo sie im Jahre 1922 leer ausgingen, ein Mandat zu gewinnen. Von den übrigen Parteien er hielten die Nationaldemokraten 2 (4), die Sozialisten I (0), die Nationale Arbeiter-Partei 1 (1) Mandat. Im Wahlkreise Graudenz, der vier Mandate zu wählen hat, hat die Minderheitenliste 1 Mandat, die Sozialisten 2 Mandate, die Nationale Arbeiter- Partei 1 Mandat errungen. Die deutsche Liste und die Nationale Arbeiter-Partei haben sich somit behauptet, während die Nationaldemokraten ihre Mandate an die Sozialisten verloren haben. Ein deutsches Mandat in Ostoberschlesien neu gewonnen. Nach dem vorläufigen Ergebnis für den Wahlkreis Rybnik und Bielitz hat die Deutsche Wahlgemein schaft 50 062 Stimmen und zwei Mandate, die Regie rungspartei 73 392 Und 3 Mandate, Korfanty-Partei 36 946 Stimmen und 1 Mandat erhalten und die pol nischen und deutschen Sozialisten 26 219 Stimmen und 1 Mandat. Beachtenswert ist hierbei, daß die Deutsche Wahlgemeinschaft bei den Wahlen im November 1922 nur 1 Mandat erhielt, während sie dieses Mal 2 Man date erzielen konnte. Nach den vorliegenden Gesamtergebnissen aus den drei Wahlkreisen der Wojwodschast Schlesien hat die Deutsche Wahlgemeinschaft ihren bisherigen Stand von 5 auf 6 vermehren können. Ein deutsches Mandat im Kreise Gnesen. Im Wahlkreise Gnesen ist es den Deutschen, die bei den vorigen Wahlen kein Mandat erzielen konnten, gelungen, ein Mandat zu erobern. Mussolinis Antwort an Ssterreich. Er hält sich an frühere Versprechungen nicht gebunden. — „Ich warne zum letzten Male"! Am Sonnabend hielt Mussolini in der italienischen Kammer die bereits mit Interesse erwartete Ansprache, die sich mit Italiens Verhältnis zu Oesterreich beschäf tigte. Ich habe mich gefragt, so führte er aus, ob es der Mühe verlohne, zu antworten und gewiß, wenn nicht der Kanzler in die Debatte eingegriffen hätte, dann hätte ich die antiitalienischen und antifaschistischen Redeübungen des österreichischen Nationalrats ihrem Schicksal überlassen, ohne davon Notiz zu nehmen. Ich beabsichtige zu zeigen und ich werde zeigen, daß die österreichische Kundgebung nicht berechtigt ist und eben deshalb provokatorisch ist. Sie ist keineswegs gerecht fertigt durch die allgemeine Politik, die Italien von i918 bis 1928 hinsichtlich der österreichischen Republik befolgt hat. Sie ist nicht gerechtfertigt durch die Politik, die die Regierung in der Provinz Bozen befolgt hat und die wie alle anderen Provinzen behandelt wird. Anschließend kam Mussolini auf die „Beweise der Freundschaft" zu sprechen, die Italien Oesterreich gegen über gezeigt habe, sowohl auf sozialem wie auf finan ziellem und politischem Gebiete. Die österreichischen Redner behaupten, daß Versprechungen und Versiche rungen seitens der Negierungen bestehen, die der laizistischen Regierung rwrausgega ngen sind. Ich er kläre das nicht für ausgeschlossen, aber es läßt sich auch annehmcn, daß diejenigen, die solche Versicherungen ge geben haben, es später bereut haben, angesichts der über triebenen Auslegung, die man gewissen Versprechungen gegeben hat. Indessen hält sich die faszistische Negie rung, auch wenn sie zeigte, daß sie Verträge respektiert und sorgfältig zur Durchführung bringt, durchaus nicht durch die mehr oder weniger vagen und rhetorischen Versicherungen gebunden, die Regierungen vertraten, die inzwischen durch die faszistische Revolution hoff nungslos überholt worden sind. Die saszistischen Greuel- laten sind die Erfindung einer ungesunden Phantasie. Kolbe selbst sprach vage von einem „Druck", ohne dies näher zu bezeichnen. Aber selbst dieser „Druck" gegen die örtliche Sprache, Sitte und Ueberlieferung existiert nicht. In Wirklichkeit erscheinen heute 15 Zeitungen in deutscher Sprache. Da unsere Langmut falsch ausqeleqt wurde, warne ich jetzt zum letzten Male: Wenn der antiitalienische Feldzug nicht aufhört, wird das Schicksal aller dieser Veröffentlichungen in fremder Sprache besiegelt werden. Was Sen Druck auf die Fromdstämmigen angeht, muß man auch wissen und zur allgemeinen Kenntnis bringen, daß noch 376 anderssprachige Beamte in Bozen selbst und 664 in der Provinz tätig sind. Da all dies nicht gebührend geschätzt wird, so werden alle diese an derssprachigen Elemente in andere Provinzen des Königreiches versetzt werden. Keinerlei Verfolgungsmaßnahmen sind gegen die anderssprachige Bevölkerung der Provinz durchgeführt worden. Das „völlig spontane Telegramm" der fünfzig Hotelbesitzer der Provinz Bozen beweist das. Die fremd sprachigen Elemente des „Oberetsch" besitzen die gleichen Rechte wie die übrigen Bürger., Es muß hier prokla miert werden, daß Italien nicht nach der Provinz Bozen gegangen ist, um dort eine zivilisatorische Kon tribution zu erheben, sondern daß es einen gewaltigen Beitrag an zivilisatorischer Arbeit gebracht hat. Die extremen Elemente des Pangrrmanismus er heben ein verzweifeltes Geschrei, nm eine Frage, die schon geschlossen ist, zu galvanisieren. Jenseits des Brenner begreift man, daß in wenigen Jahren die in der Provinz ansässigen Elements deutscher Abkunft stolz darauf sein werden, Bürger des sadistischen Vaterlandes zu sein, und daß sie dann nur noch durch die abweichende Bildung der Namen erkennbar sein werden, wenn sie sie behalten sollten. Dies wird eintreten, weil 's in der logischen und schicksalsgegebenen Ordnung der Dinge beschlossen ist. Ueber die Möglichkeit, ob die Frage vor den V ölkerbuud zu bringen sei, erklärte Mussolini zum Schluß, damit dürfte der Völkerb un d s i ch s e l b st s e i n Grabqr a b. e n. Wenn der Völkerbund sich in das Labyrinth der sogenannten Minderheiten begeben würde, so würde er nie wieder herauskommen, und die Ankläger von heute könnten die Angeklagten von morgen sein. ..Wir wollen gute Freunde sein mit der germanischen Welt, deren Qualitäten wir aner kennen und deren Beitrag zur menschlichen Kultur wir schützen, doch nur unter der Bedingung, daß unsere Sicherheit in keiner Weise in Frage gestellt wird." Den Tirolern Oesterreichs und der ganzen Welt gebe Italien kund, daß am Brenner das ganze Italien festen F u ß g e f a ß t h a b e. Die Daumenschraube -er Szent Gotthard-Affäre. 5. März 1928 Sauerwein erwartet im „Matin", daß der Völker bundsrat eine Untersuchungskommission, bestehend aus zivilen und militärischen Sachverständigen, in der Szent Gotthard-Affäre nach Ungarn entsen den werde. Wenn diese Untersuchung ernstlich geführt werde, so könnte der Rat in seiner Session im Juni in der Lage sein, zu entscheiden. Immer mehr greife die Auffassung durch, daß es nicht genüge die Szent Gott hard-Affäre in Ordnung zu bringen, sondern daß ein Präzidenzfall für ähnliche Fülle ge schaffen werden müsse. Wenn es sich zeigen sollte, daß der Völkerbund ohne über genügende Rechtsmittel zu verfügen in der Szent Gotthard-Affäre das bestmöglichste getan habe, so wäre es nicht ausgeschlossen, daß eines Tages der französische Senat der Auffassung sein werde, daß sich Frankreich in der Sicherheitsfrage bis zu einem gewissen Grade auf die Genfer Institution verlassen könne und sich daher gegenüber seinen früheren Feinden zu einer großmüti gen Geste entscheide. Wenn aber die Völkerbundsaktion in der Szent Gotthard-Affäre keinen brauchbaren Präzidenzfall er geben sollte, so würde kein Minister den Senat zu einer vollständigen Versöhnungs- und Konzessionspolitik be wegen können. Deutschland würde in diesem Falle wahrscheinlich den größten Nachteil haben. Die Absicht ist also unverkennbar, das deutsche Ratsmitglied in der Szent Gotthard-Angelegen heit in eine schwierige Lage zu bringen. Der Rat wird sich jedoch zunächst darüber entscheiden müssen, ob die Szent Gotthard-Affäre zu einem derarti gen von Frankreich in bestimmter Absicht gewünschten Präzidenzfall gemacht werden soll oder nicht. Laut Dekret des Finanzministers wird die Bank d'Italia am 5. März den Diskontsatz von 7 auf 6^2 Prozent herabsetzen. Die Antwortnote der ägyptischen Regierung ist dem britischen Oberkommissar in Kairo übergeben worden. Das ägyptische Kabinett ist im Anschluß an die Ueberreichung des Schriftstückes zurückgetreten. Deutscher Reichstag. Sitzung vom 3. Mürz. Auf der Tagesordnung steht die zweite Lesung des Haushaltplans des Reichswirts chafts- Ministeriums. D r. Curtius legt die Grundzüge seiner Kon junkturpolitik dar, die im Jahre 1926 der Ankurbelung der Wirtschaft, im Jahre 1927 der Verhütung einer Uebersteigerung der Konjunktur gedient habe. Er werde alles unterstützen, was zu deren Rationalisierung und Ertragssteigerung führen könne. Dagegen könne er keine Politik mitmachen, die ihr Heil in der Drosselung der Einfuhr, Protektionismus und Autarkie sehe. Die Rückwirkungen solcher Politik auf das deutsche Gesamt volk einschließlich der Landwirtschaft wären verhängnis voll. Aufrechterhaltung und Vertiefung des Anschlusses an die Weltwirtschaft sei die Schicksalsfrage für Deutsch land und Europa. Abg. Heinig (Soz.) bedauert die Abdrosselung der öffentlichen Kredite durch den Reichsbankpräsiden ien. Durch die künstliche Hochhaltung der Preise wird die Erhöhung der Produktion verhindert. — Abg. D r. Lejeune-Jung (Dntl.) warnt dringend vor Rati fizierung der Genfer Vereinbarung über Einfuhrverbote, denn dadurch würde eine gesunde Entwicklung des inne ren Marktes und ein wirklicher Friede zwischen Land Wirtschaft und Industrie verhindert werden. Abg- Dessauer (Ztr.) fordert einheitliche Wirtschafts führung. Ein Ministerium für Wirtschaft und Technik könnte mit seiner dauernden Initiative die Berufs stände Deutschlands zur inneren Einheit in korperativer Wirtschaftsführung erziehen.