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Das deutsche Eigentum im Ausland. 2. März 1928 Wie wir erfahren, wird die Freigabebill in den nächsten Tagen vom PräsidentenCoolidge unterzeichnet werden und dadurch Rechtskraft er halten. Durch diese Bill wird dasdeutscheEigen- t u m zwar auch noch nicht ganz freigegeben, aber doch wenigstens zu 80 Prozent. Die restlichen 20 Pro zent sollen einem besonderen Fond zufließen, dessen Ver waltung einem Schiedsrichter übertragen werden wird, der überhaupt mit der Durchführung der Liquidations entschädigung betraut werden soll. Die Höchstsumme, die dieser Schiedsrichter als Entschädigung zur Ver fügung hat, beträgt 100 Millionen Dollar. Davon kommt aber nur die Hälfte, also im Höchstfall 50 Mil lionen Dollar, zur sofortigen Verteilung. Die übrigen 50 Prozent fließen ebenfalls zunächst dem Spezial fond zu. Alle, die Entschädigungsansprüche anzumelden haben, müssen dies ungesäumt tun, da für die Geltung- machung dieser Ansprüche nur ganz kurze Fristen ange setzt worden sind, deren Versäumnis unweigerlich den Verlust jedes Anspruches nach sich zieht. Ausnahmen werden auf keinen Fall gemacht. Nachdem nun die Vereinigten Staaten das deutsche Eigentum freigegeben haben, ist es interessant, einmal zu prüfen, wie es die anderen Länder, mit denen wir uns im Kriegszustand befunden haben, damit halten. Von vornherein auf jede Liquidation verzichtet haben Brasilien, Cuba, Bolivien, Ecuador, Nicaragua, Hon duras, Guatemala, Uruguay, Peru und Panama. Griechenland hat schon 1920 alle beschlag nahmten Vermögenswerte bis zum Werte von 75 000 Drachmen freigegeben. China und die südafri kanische Union haben die Deutschen für alle Ver luste voll entschädigt. Japan gewährt Entschädigungen von 75 Prozent. Weit rigoroser sind Frankreich und Italien vorgegangen, die sich erst 1926, bzw. erst 1927, zu der Erklärung verstanden haben, daß sie das bis zu diesem Zeitpunkt nicht beschlagnahmte deutsche Eigentum frei- geben würden. Aehnlich haben sich Jugoslawien und Portugal verhalten. Einen noch schrofferen Standpunkt nehmen Groß britannien und Belgien ein. In Brüssel hat man sich bisher zu überhaupt noch keiner Erklärung verstanden, und in London ist zwar der Hausrat von Deutschen, soweit er beschlagnahmt war, freigegeben worden, sonst aber hat man sich mit der Zusage begnügt, daß besondere Fälle in wohlwollende Erwägung ge zogen würden. Danach kann man sich schon vorstellen, wie England über diese Frage denkt. Ob jetzt das Vorgehen Amerikas die Herrschaften in London ver anlassen wird, ihre Haltung einer Revision zu unter ziehen, muß abgewartet werden. Wir wollen weder gegen England noch gegen Bel gien polemisieren. Die einfache Gegenüberstellung ge nügt. Japan, China, Griechenland und nun auch die Vereinigten Staaten von Amerika geben das deutsche Eigentum wenigstens zum Teil frei und entschädigen die von der Liquidation Betroffenen. Großbritannien rührt keine Hand dazu. Das ganze englische Weltreich schweigt sich aus. Geschäft ist Geschäft, und was man hat, möchte man gern behalten. Das nächstemal kann man dann wieder erzählen, daß man „für die heiligsten Güter der Menschheit" in den Krieg gezogen ist. Die Freigabe des deutschen Eigentums in Amerika ist an gewisse Modalitäten geknüpft, über die von den zuständigen Stellen, beispielsweise von jedem ameri kanischen Konsul, Auskunft erteilt wird. Die Haupt sache ist, wie noch einmal hervorgehoben sei, daß die sehr kurz bemessenen Anmeldungsfristen nicht versäumt werden. Die verschobene Mussolini-Rebe. 2 Mürz 1928 Entspannung der Lage. Die Verschiebung der Erklärung Mussolinis über die österreichisch-italienischen Beziehungen auf den näch sten Sonnabend lassen besonnene politische Kreise eine Entspannung der Lage erhoffen. Unterdessen werden rege diplomatische Besprechung zur Aufkläruna verschie dener Punkte dieser heiklen Auseinandersetzung zwischen Rom und Wien fortgesetzt. Die offiziöse „Tribuna ' schreibt, das Italien Mussolinis dulde als Großmacht keinerlei Druck. Im Grunde liege in den wiederholten Hetzen bezüglich Süd tirols kein Ernst und keine Verantwortung, aber Ver kennung dessen, was in Wahrheit der Faszismus ist und was heute und in Zukunft das Italien Mussolinis sein wird. Italien weiß jetzt nicht nur, daß die Südtirol frage nicht existiert, wieviel man auch in anderen Län dern darüber schwätzen mag, es weiß auch, daß sie nur tollen Verirrungen dienen kann. Für -ie -eulsch-französische Annäherung. 2. März 1928 Das zu Ehren der beiden Nobel-Friedenspreis- träger Ferdinand Bouisson und Professor Quidde gestern abend veranstaltete Bankett, an dem einige hundert Personen teilnahmen, gestaltete sich zu einer eindrucksvollen Kundgebung für die deutsch französische Annäherung. Sämtliche politisch linksstehende Parteien sprachen sich rückhaltlos fürdie Annäherung aus. So erklärte für die radikale Partei der Abgeordnete Berthold: Wir, die wir die Verantwortung für eine deutsch-französische Annähe rung haben, vertreten nicht die Sache Europas, sondern dieSacheder Menschheit. Der bekannte demo kratische Politiker Marc Sangnier sprach sich na mentlich für eine geistige Vorbereitung der Jugend auf die Annäherungspolitik aus. Nachdem Bouisson ge sprochen hatte, erklärte Professor Quidde in einer in französischer Sprache gehaltenen Rede, Deutschland habe das moralische Recht, die Räumung des besetzten Gebietes zu fordern. Frankreich könne Vertrauen zu dem jetzigen Deutschland haben. Keine Regierung in Deutschland könne daran denken, einen Krieg zu führen, denn Deutschland sei tatsächlich ent waffnet. Nur die gegenseitige Achtung der beidenVölker vor den Rechten des anderen Vol kes könne eine Atmosphäre schaffen, die geeignet sei, den Annäherungsgedanken und den Frieden zu fördern. Schließlich erklärte Quidde, Frankreich könne zu Dr. Stresemann Vertrauen haben, denn er halte die Ent spannungspolilik für notwendig und sei in seinen Be mühungen aufrichtig. Erbitterung der Deutschen in Sübtirot. Innsbruck, 2. März. Wie aus Bozen berichtet wird, herrsch! dort über die von den Hotelbesitzern erzwungene Erklärung, es wären in Südtirol niemals Bedrückun gen vorgekommen, in der deutschen Bevölkerung äußerste Erbitterung. Man erinnert daran, daß noch vor kurzer Zeit die faszistische Presse die Entfernung der deutschen Schrift in Südtirol aus den Fremdenverkehrseinrich- tungen insbesondere aus Hotelbetrieben gefordert habe, damit diese rein italienischen Charakter erhalten und der deutsche Einfluß endlich ausgemerzt werde. Man fragt sich, wie die sadistischen Kreise in Bozen diese in der Oeffentlichkeit erhobene Forderung mit der eben er preßten Erklärung in Einklang bringen werden. Ostpreußens Dank an -ie Reichsregierung. 2. März 19L8 In seiner Sitzung schlug der Reichsratsausschuß die Entschließung vor, daß der Reichsrat von dem An trag Hessens, in den Nachtragsetat 3,4 Millionen als Reichsbeitrag für dis Erweiterung der Mainzer Rhein brücke einzustellen, Kenntnis genommen habe und der Reichsregierung diesen Antrag zur wohlwollenden Prü fung empfehlen werde. Die Vollversammlung des Neichsrats sagte dann dem Nachtragsetat in der Fas sung der Ausschußbeschlüsse mit Mehrheit zu. Auch die beiden Entschließungen über die Phöbusangelegenheit und die Mainzer Rheinbrücke wurden angenommen. Ein weiterer Antrag Hessens bei den einmaligen Bei hilfen für wirtschaftliche und kulturelle Zwecke beson ders bedrängte Gebiete zu bedenken, fand nicht ge nügend Unterstützung. Nach Erledigung des Nachtrags etats gab der ostpreußische Abgeordnete Freiherr von Eayl eine Erklärung ab, in der er namens Ostpreußens den Negierungen der deutschen Länder den aufrichtig sten Dank für die großzügige Tat der Hilfe ausspricht, die durch die einmütige Verabschiedung der Ostpreußen hilfe getätigt worden sei. Er schließt daran den Dank an den Reichspräsidenten. Reichskanzler und Neichs- regierung, an den preußischen Ministerpräsidenten und die preußische Regierung für die tatkräftige Hilfe. Teilpfän-ung -er Pension Ehrhar-ts. 2. März 1928 In der Zivilklage, die Kapitän Ehrhardt gegen das Reichswehrministerium auf Freigabe seiner Pension, die aus Grund von Schadenersatzsorderungen aus dem Kapp-Putsch gepfändet worden ist, angestrengt hatte, fand vorgestern vor der Zivilkammer des Berliner Land gerichts l die Schlußverhandlung statt. Auf Befragen des Vorsitzenden erklärte der Rechtsbeistand Ehrhardts, Rechtsanwalt Paul Bloch, daß sein Mandant jegliche Verantwortung für die Folgen des Kapp-Putsches ab lehnen müsse, da er nur die Befehle des Generals von Lüttwitz ausgeführt habe. In einem Erlaß des Ge nerals v. Seeckt sei nach dem Kapp-Putsch der Marine brigade Ehrhardt das Vertrauen der Regierung ausge sprochen und zum Ausdruck gebracht worden, daß die Brigade und ihr Führer von politischen Instanzen miß leitet worden seien. Das Gericht kam nach längerer Beratung zu fol gender Entscheidung: Der Rechtsstreit wird insoweit für erledigt erklärt, als der beklagte Fiskus nach der Klage erhebung für die Geltendmachung eines über die Pen sion hinausgehenden Schadens verzichtet hat. Im übrigen wird festgestellt, daß der beklagte Fiskus nicht berechtigt ist, mit seinen Schadenersatzansprüchen aus dem Kapp- Putsch gegen die Pension des Kapitän Ehrhardt weiter aufzurechnen als gegen den pfändbaren Teil der Pen sion. Infolge dieser Entscheidung kann also nicht mehr als etwa der vierte Teil der Pension des ehemaligen Führers der Marinebrigade vom Reich gepfändet wer den. — Rechtsanwalt Bloch will jedoch gegen dieses Ur teil Berufung beim Kammergericht einlegen. Neue Haussuchungen bei Wiking. Auf Grund des seinerzeit in Berlin im Büro des Kapitän Ehrhardt und bei sonstigen Haussuchungen in den Wohnungen ehemaliger Angehöriger des Bundes Wiking beschlagnahmten Materials, das auch eine Reihe von Adressen im Reiche enthielt, ist jetzt auf Veran lassung der Berliner Staatsanwaltschaft auch im Reiche an mehreren Stellen eine Durchsuchung bei Angehörigen dieses Bundes vorgenommen worden. So wurde in München das dortige Büro des Wiking-Bundes, der in Bayern wie auch in anderen süddeutschen Staaten nicht verboten ist, ferner die Wohnung des ehemaligen Adjutanten Ehrhardts, des Oberleutnants Liebig, durch sucht, außerdem in Breslau die Wohnung eines Herrn Gärtner, der ebenfalls diesen Kreisen angehört. Üeber das Ergebnis wird von den Behörden Stillschweigen bewahrt, während anderseits aus Kreisen des Wiking- Bundes mitgeteilt wird, daß die Durchsuchungen völlig erfolglos gewesen seien. Staatssekretär v. Schubert bei Stresemann. Berlin, 2. März. Die Berliner Blätter melden aus Menione: Staatssekretär v. Schubert ist Donners tag vormittag hier eingetroffen. Er wird am Sonn abend mit Dr. Stresemann gemeinsam nach Genf rei sen. Auch Botschafter v. Hoesch befindet sich noch an der Riviera. Der Dirigent der Ostabteilung im Auswär tigen Amt, Geheimrat v. Dirksen, begibt sich am Freitag nach Genf, um an der Völkerbundsratssitzung teilzu nehmen, da voraussichtlich verschiedene Ostfragen zur Verhandlung kommen werden. Das Gesetz zum Schutze der Jugend im Notprogramm. Berlin, 2. März. Wie der „Lokalanzeiger" erfährt, haben sich die bisherigen Regierungsparteien dahin ge einigt, das Gesetz zum Schutze der Jugend vor Lustbar keiten mit in das Notprogramm aufzunehmen. Englische Armeebudgetoorschläge für das Jahr 1928. London, 2. März. Die veröffentlichten Armeebud getvoranschläge für das Jahr 1928 weisen Gesamtaus gaben für die Armee in Höhe von 41 Millionen 50 000 Pfund aus. Das Kriegsministerium sieht eine Vermin derung des Personalstandes um 13 000 Köpfe vor, wo durch sich der Armeebestand auf 153 000 Köpfe ver ringert. Die Stärke der Territorialarmee betrug am 1. Januar 1928 6 824 Offiziere und 132 323 Mann. Die Mechanisierung der Armee schreitet befriedigend fort. Bemerkenswert ist die Vermehrung in mittleren und leichteren Tanks für Infanterie und Kavallerie. Gegenwärtig sind auch Experimente mit einem neuen Geschütz für die berittene Artillerie und einer neuen Feldhaubitze im Gange. Deukscher Reichstag. Sitzung vom 1. März. Die zweite Beratung des H a u s h a l t s f ü r E r - nährung und Landwirtschaft wird fort gesetzt. Abg. Dietrich-Baden (Dem.) betont, daß das Kreditproblem das Kernproblem der gegenwärtigen Agrarkrise sei. Die Umschuldung werde ziemlich schwie rig sein. Zur Lösung des Kreditproblems werde ein jährlicher Aufwand von 200 Millionen erforderlich sein. Der von der Regierung eingeschlagene Weg sei sehr be denklich. Der Parteikampf würde auch auf das Kredit wesen ausgedehnt werden. Eine solche Entwicklung könne man nicht wünschen. Man sollte eine einheitliche Aktion zur Lösung dieser Frage unternehmen. Abg. Putz (Komm.) erklärt, die Not der Klein- und Mittel bauern sei viel größer als die des Großgrundbesitzes. Die Christlich-Nationale Bauernpartei sei ein groß an gelegter Betrug an der Bauernschaft. Abg. Kling (Bayrischer Bauernbund) erklärt, das einzig nützliche an dem Hilfsprogramm sei die Aufhebung des zollfreien Eefrierfleischkontingents. Wenn man der Landwirt schaft helfen wolle, solle man ihr die Rentenbankzinsen erlassen. Kleinbauern und Kleinrentner seien die ein zigen, die heute noch die Lasten des verlorenen Krieges zu tragen hätten. > Von den Kommunisten ist ein Mißtrauens- antrag gegen den Reichsernährungsminister Schiele eingegangen. Abg. Kube (Nat.-Soz.) wirft den Sozialdemokra ten vor, daß sie mit dem Dawespakt die Not der Land wirtschaft verschuldet hätten. Durch den Dawespakt zahle Deutschland für die französische Landwirtschaft 72 Millionen, während man für die deutsche Ernährung ganze neun Millionen übrig habe. (Vizepräsident Esser verbittet sich jede Kritik an seiner Geschäftsführung.) Abg. Weidenhöfe r (völk.) bestreitet, daß die deut sche Landwirtschaft rückständig sei. Abg. Seiffert (Volksrechtspartei) stimmt dem Landwirtschaftsetat za Abg. Döbrich (Christl.-Nat. Bauernpartei) erklär!, den Maßnahmen zur Entschuldung und besseren Preis gestaltung stimme seine Partei zu. R e i ch s e r n ä h r u n g s m i n i st e r S ch iele begrüßte darauf die Objektivität, mit der der sozial demokratische Redner bas Regierungsprogramm be handelt habe. Seine Forderung aus Aushebung der Futtermittelzölle habe er aber mit Zahlen begründe!, die heute nicht mehr zutreifen. Die zollfreie Einfuhr von Mais und Futtergerste würde für die deutsche Schweinezucht nur wenig bedeuten. Der Landarbeiter füttere seine Schweine mit inländischem Futter Ihm würde man mit der Zollfreiheit ausländischer Futter mittel nur eine schädigende Konkurrenz schaffen. Die Nentenbank sei nur ein Dachinftitut für die bestehenden landwirtschaftlichen Kreditinstitute. Der Minister be streitet, daß der Tribut der Rentenbank vorwiegend dem Großgrundbesitz zugute komme und gibt dafür zahlenmäßige Belege. Das Kieler Programm der So zialdemokraten erkläre zwar, daß die sozialistische Ge sellschaft den Bauern ihr Eigentum sichert. Aber der sozialdemokratische Agrarsachverständige Dr. Baade und auch Dr. Hilferding hätten doch eine Definition dafür gegeben, nach der die Sozialdemokratie den Bauern nur ein fiktives Eigentum lassen wollte Abg. Schmidt-Berlin (Soz.) erklärt, auf der Landbnndtagung habe man den Minister nicht gefragt was er für die Landwirtschaft getan habe. Der Minister Schiele habe sich vielmehr unter die Menge der Lärmen den und Schreienden gemischt und mitgeschrien. Die Politik der Subventionen sei auf die Dauer Volkswirt schartlich untragbar. Darauf werden die Beratungen abgebrochen. Die Weiterberatung wird auf Freitag 14 Uhr vertagt, fei ner der Etat des Reichswirtschaftsministeriums.