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Ottendorfer Zeitung : 09.04.1916
- Erscheinungsdatum
- 1916-04-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191604096
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19160409
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19160409
- Sammlungen
- LDP: Bestände der Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1916
-
Monat
1916-04
- Tag 1916-04-09
-
Monat
1916-04
-
Jahr
1916
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 09.04.1916
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AaubpoUtik im Vierverbanä. In eigenartigem Lichte erscheint der Kampf, den angeblich Frankreich und England für die Freiheit der Völker gegen Deutschland und seine Verbündeten führen, wenn man einen Be richt liest, den die .Döpssche de Toulouses das führende Organ der Radikalen Frankreichs, aus der Feder ihres Berliner Mitarbeiters veröffent licht. Tie französischeKolonialpolitik hat seit langem im Geheimen ihre Augen auf Syrien geworfen, natürlich nur zur Befreiung der Syrer von dem türkischen Joche. Wie nun aber Frankreich diese Befreiung als Kriegsziel auffaßt, legt dieser Artikel folgendermaßen dar: Bevor einmal der Krieg beendet ist, bevor sogar die diplomatischen Probleme, die er auf wirst, ein bestimmtes Aussehen angenommen haben, werden schon seltsame Angriffe unter nommen, um den öffentlichen Geist von einigen der berechtigtsten und notwendigsten Forderungen Frankreichs abzulenken. So erheben sich, um nur eine Frage unter 20 andern herauszu- grcifen, Stimmen, um eine Politik des Ver zichtes und der Abdankung in Syrien zu predigen und fordern, daß Frankreich keines der Rechte geltend mache, die es auf Syrien besitzt, Rechte, die mehrere Jahrhunderte alt sind und die der gegenwärtige Krieg noch verstärkt hat. Es ist ein Irrtum und ein schwerer Irrtum, für Syrien vollständige Unabhängigkeit zu fordern, und die syrische Bevölkerung ist selbst einer Maßnahme feindlich, die offensicht lich ihrer Sicherheit und ihren Interessen zu wider wäre. Es ist in der Tat unerläßlich, daß, wenn die Folge der Ereignisse will, daß das türkische Reich endgültig Luseinanderfällt und vernichtet wird, Syrien nicht sich selbst überlassen werden darf, sondern bei einer Groß macht, die unter den obwaltenden Umständen nur Frankreich sein kann, eine Stütze, einen Schutz und eine Vormundschaft findet. Syrien muß französisch werden zugleich in seinem Inter esse und dem unsrigen, und jede andere Lösung wäre für es wie für uns eine Enttäuschung und eine Gefahr. Damit aber sind Frankreichs Ansprüche an die Türkei („falls sie endgültig auseinanderfällt!") noch nicht erschöpft. In dem Artikel heißt es weiter, die Türkei habe dem Vierverband kürz lich Friedensangebote gemacht, sei aber ab gewiesen worden. „Diese Vorschläge konnten und haben in der Tat nur eine verächtliche Aufnahme gefunden. Sie zeigen zum wenigsten, daß die amtlichen türkischen Kreise, und zwar selbst diejenigen, die nicht durch den deutschen Einfluß verblendet sind, sich über die Lage keine Rechenschaft geben, in der sich die Türkei be findet. Sie glauben, daß dieser Krieg den früheren Kriegen gleiche und daß er, wie die anderen, durch einen Vertrag beendet werden könne, der nach Amputation einiger Wilajette ein anachronistisches Reich in Europa und Asien bestehen ließe, dessen Dasein allein eine Herausforderung an die Zivilisation ist. Die Frage liegt ganz anders. Die Türkei ist für die Verbandsmächte nur mehr eine Art deutschen Kolonialgebiets, dessen Schicksal nicht durch einen besonderen diploma tischen Vertrag, sondern durch den einfachen Willen des Sieges bestimmt wird. Deutschland würde als Sieger die Türkei als seine Kolonie behalten (!), der Vierverband wird es als Sieger nicht anders behandeln und sich die Stücke des türkischen Reiches teilen, ohne auch nur einen Schatten von Gewalt in Konstanti nopel bestehen zu lassen. Nur ein Frieden kann heute mit der Türkei geschlossen werden: der Frieden, der das türkische Reich der Gnade seiner Besieger überliefert und es. unwiderruflich von der Karte der Welt auSstreicht." Endlich einmal offene Karten I In diesem Artikel, der die Meinung weiter Kolonialkreise der Kammer vertritt, wird vor aller Welt Frank reichs Raubpolilik bloßgelegt. Inzwischen aber predigen die Herren Briand, Grey, Sasanow die Uneigennützigkeit des Vierverbandes, die selben Männer, die lange vor dem Ausbruch dieses furchtbaren Krieges die vorher errechnete Beute unter sich aufgeteilt haben. Noch freilich sieht Frankreich keine Möglichkeit, seine Aufteilnngspläne zu verwirklichen. Der Sieg des Vierverbandes, der doch die Voraussetzung des türkischen Zusammenbruchs wäre, ist in nebelhafte Ferne gerückt. Kein Neutraler glaubt heute mehr ernsthaft an Frankreichs und seiner Genossen Sieg. Warum aber setzt ein Blatt, das Beziehungen zu den leitenden Kreisen unter hält und immer angeblich gut unterrichtet ist, solche Märchen in die Welt? Die Erklärung ist sehr einfach. Noch immer will die französische Eitelkeit sich nicht mit den Tatsachen abfinden, noch immer sträubt sie sich gegen die Erkenntnis, daß der Feldzug nicht ckehr zu gewinnen ist. Und so wird denn Lärm geschlagen und Drohung über Drohung ausgestoßen. „Man singt, wenn man sich fürchtet" sagt ein altes Sprüchwort. verschiedene Uriegrnachrichten. (Von der mil. Zemurbehörde zugelassene Nachrichten.) Die V-Boot-Beute der letzten Tage. Das Kopenhagener Blatt Politiken' be richtet, daß in den allerletzten Tagen außer mehreren neutralen Schiffen 29 englische größere Schiffe und acht Segelschiffe ver senkt und dadurch neuerdings 60 401 Tonnen Frachtraum der Schiffahrt Englands entzogen wurden. Die Makler in Christiania erhielten von der englischen Regierung die Mitteilung, daß in anbelracht des Mangels an Schiffs raum und der gesteigerten Nachfrage nach Kohlen vom 25. April ab kein Schiff mehr Kohlenlast erhält, das aus Norwegen, Schweden und Dänemark mit Ballast ankommt. * Die Zeppelin-Angriffe — eine Lehre für England. Keine Entfernung schützt mehr die Insel, so schreibt die ,Köln. Ztg.', auf der die verruchteste Herrschergier der Weltgeschichte eine Heimstätte gefunden. Die Engländer mögen die Lehre be herzigen, die diese drei Nächte ihnen erteilen. DeutscheLu ft schiffe kommen immer häufiger und tiefer in England hinein. Sie kommen mit immer furcht bareren Waffen und lernen bei jedem neuen Besuche besser, wie sie den feindlichen Gegen maßregeln entgehen. Die Engländer sind es, die das Ende des furchtbaren Krieges verhindern und prahlen, daß sie noch auf Jahre hinaus weiterkämpfen wollten. Nun wohl, sie mögen aus diesen letzten Nächten lernen, daß die Kriegsfortsetzung ihnen immer furchtbarere Über raschungen bringen wird. * „Sputet euch!" Einen durch seine Offenheit überraschenden Artikel über die im französischen Volke durch die Vorgänge bei Verdun hervorgerufene Stimmung veröffentlicht das Pariser Arbeiterorgan .Ba taille'. In dem Aufsatz heißt es u. a.: Unser Volk ist zu verständig, um sich durch Redekünste, wie „wir haben uns zurückgezogen, weil andere Stellungen besser sind", auf die Dauer täuschen zu lassen. Ebenso weiß das intelligente französische Volk, was es von den Ergebnissen derPariserKonferenz zu halten hat, die nichts als große Ver sprechungen hinterlassen habe. Der Artikel, der die Ungeduld des französischen Volkes kenn zeichnet, schließt mit der Ermahnung an die leitenden Staatsmänner und Heerführer: Sputet euch! * Große Truppenverschiebungen in Norditalien. Das .Berner Jntelligenzblatt' meldet aus der römischen Regierung nahestehenden Kreisen, daß auf der Pariser Konferenz unter anderem beschlossen worden sei, zahlreiche franzö sische Fluggeschwader an die ita- lienische Front zu entsenden, um Italien einen Angriff auf die befestigten österreichischen Plätze zu ermöglichen. Als Gegenleistung habe Italien an die französischen Fabriken Arbeits kräfte zu liefern. Nach einer Meldung aus Lugano finden zurzeit große Truppenverschie bungen in Norditalien statt. Griechische Blätter berichten, daß italienische Truppen gegen Nordepirus vorrücken. Deutscher Reichstag. (Orig.-Bericht.) Berlin. 6. April. Im Rahmen der Haushaltsberatung für das Reichskanzleramt und das Auswärtige Amt hielt der Reichskanzler v. Bethmann Holl weg vor dem wie immer stark besetzten Hause seine mit großer Spannung erwartete Rede. Abgesehen von den unvermeidlichen Zwischen rufen des Abg. Liebknecht hörte das Haus die Rede in tiefer Stille an, aus der sich die leb haften, stürmischen Beifallsrufe um so wirkungs voller abhoben. Der Kanzler begann berichtend über die Er eignisse seit seiner letzten Rede. Die Angriffe der Russen seien vor Hindenburg und seinen Tapferen unter ungeheuren Verlusten ebenso zu sammengebrochen, wie die vergeblichen Versuche an anderen Stellen. Nicht erfüllt habe sich die Hoffnung der Feinde auf das Zusammenbrechen unserer Heeresmacht — nach 20 Monaten beschirmen unsere Krieger ebenso draufgängerisch wie am ersten Tage die Heimat. Daß Deutschland auszuhungern sei, konnte wohl 1915 noch die Hoffnung der Feinde sein, aber unverständlich sei es, wenn sie diese Hoffnung noch jetzt hegen. Gewiß sei dis Zeit schwer, besonders für die minderbemittelte Be völkerung, die in diesem Kampfs ums Dasein das Schwerste auf sich nehme. Aber die Arbeit der Daheimgebliebenen wer^e ihre Frucht bringen: noch nie haben die Staat standsberichte ein so günstiges Bild gegeben wie in diesem Jahre. Auch weiter werden wir aus kommen. Kein Neutraler könne verlangen, daß sich Deutschland nicht gegen die Aushungerung zur Wehr setze; die Mittel der Abwehr könne sich Deutschland nicht entwinden lassen, sie müssen an gewendet werden und Deutschland erwarte von den Neutralen, daß die Rücksicht, die wir neh men, von ihnen verstanden und unser Recht anerkennen werden, Vergeltung gegen die Aus hungerungspolitik unserer Gegner zu üben. Völlige Zertrümmerung Deutschlands sei das Ziel unserer Feinde, aber unser Arm werde zu immer neuen Schlägen ausholen. Die polnische und die belgische Frage. Der Kanzler. fuhr fort: Unsere und Oster reich-Ungarns Absicht ist es nicht gewesen, die polnische Frage aufzurollen, das Schicksal der Schlachten hat sie aufgerollt. Nun steht sie da und harrt der Lösung. Deutschland und Öster reich-Ungarn müssen und werden sie lösen. Die Wiederherstellung der alten Verhältnisse kennt nach so ungeheuren Geschehnissen die Geschichte nicht. Nach dem Kriege wird ein Neues sein. Herr Asquith spricht in seinen Friedensbedm- gungen von dem Grundsatz der Nationalität. Wenn er das tut, und wenn er sich in die Lage des unbesiegten und unbesiegbaren Gegners ver setzt, kann er dann annehmen, daß Deutschland freiwillig die von ihm und seinen Bundes genossen befreiten Böller zwischen dem Baltischen Meer und den Wolhynischen Sümpfen freiwillig wieder dem reaktionären Rußland ausliefern wird, mögen es Polen, Balten, Litauer oder Letten sein? Nein, Rußland darf nicht zum zweiten Male seine Heere auf die ungeschützte Grenze Ost- und Westdeutschlands aufmar schieren lassen, nicht noch einmal mit französischem Gelds Deutschland als Einfalltor benutzen und in das ungeschützte Deutschland einrücken. Md wenn jemand glaubt, daß wir die im Westen besetzten Länder, aus denen das Blut unseres Volkes geflossen ist, ohne völlige Sicherung für unsere Zukunft freigeben werden — wir werden uns ausreichende Garantien dafür schaffen, daß Belgien nicht englisch-franzö sischer Vasallenstaat, nicht militärisch und wirt- fchajtlich als Bollwerk gegen Deutschland aus gebaut wird. Auch hier gibt es keine Wiederherstellung des alten Verhältnisses. Auch hier kann Deutschland das lange niedergehaltene flämische Volkstum nicht wieder der Verwelschung preisgeben. Wir wollen eine ihrer Anlage und Entwicklung entsprechende, auf der Grundlage ihrer Sprache und ihrer innerlichen Einheit gesicherte Nation. Wir wollen keine Nachbarn, die sich aufs neue gegen uns zusammenschließen, um uns zu erdrosseln. Wir wollen Nachbarn, die mit uns und mit denen wir zusaimnenarbeiten, zu unserem gegen seitigen Nutzen. - Das neue Europa muß für alle Völker ein Europa der friedlicher» Arbeit werden. England will auch nach dem Friedensschluß den Krieg nicht aufhöreu lassen, sondern den Handelskrieg gegen uns mit doppelter Schärfe einsetzen lassen. Überall eine brutale Vernichtungswut und der vermessene Wille, ein Volk von 70 Millionen zum Krüppel zu schlagen. Auch diese Drohung wird zerschellen, aber dis feindlichen Staatsmänner sollen eingedenk sein: je häßlicher ihre Worte, desto stärker unsere Schläge. Und wenn wir über Europa hinaus sehen : von jeder Verbindung mit der Heimat abgeschnitten, haben die Schutztruppen und unsere Kolonisten draußen in den Kolonien jeden Fuß breit Boden zäh verteidigt, wie sie es jetzt noch in Deulsch-Ostafrika tun. Aber das endgültige Schicksal der Kolonien wird nicht dort, sondern, wie Bismarck gesagt hat, hier auf dem europäischen Festland ent schieden. Unsere Siege werden uns einen Kolonialbesitz sichern, der Deutschland eine neue fruchtbringende kolonisatorische Tätigkeit gewähr leistet. So gehen wir still- und offen und mit wachsender Zuversicht der Zukunft entgegen, nicht in Uberhebung und Selbsttäuschung, aber voll Dankbarkeit gegen unsere Krieger und im heiligen Glauben an uns und unsere Zukunft. Um Deutschlands Zukunft geht der Krieg ; für Deutschland, nicht für ein fremdes Stück Land sterben und bluten Deutsch lands Söhne. Ein Geistf ein Wille führt uns: er sei es, der über den Kampf der Väter unsere Kinder und Enkel in eine starke und freie Zu kunft führen werde. Auch Abg. Dr. Spahn (Ztr.) rühmte den Geist der Einigkeit, der unsere Krieger zum Siege geführt habe; die Tat müsse ihnen den Dank des Vaterlandes beweisen. Deutschlands Kampf sichere auch den freien Weltmarkt. Abg. Ebert (Soz.) bedauerte, daß keine Friedenshoffnungen bestehen, sondern im Gegen teil neue Vermittlungsmaßnahmen gegen Deutschland von den Feinden ins Auge gefaßt worden seien. Seins (des Redners) Freunds schützen mit der Landesverteidigung auch die Interessen der Arbeiter, seien aber gegen jede Eroberungspläne. Gegenüber den Plänen Eng lands gebe es nur einen scharfen V-Bootkrieg, der aber die Rechte der Neutralen nicht verletzen dürfe. Die beste Waffe gegen die Aushungerung sei die Organisation des Lebensmittelmarktes, die nicht nur dem Reichen alle Lebensmittel lasse. Im Innern müsse der Krieg die bürger liche Gleichberechtigung bringen. Darauf vertagte sich das Haus. PoUMcke Armälckau. Deutschland. * Die vierte Kriegsanleihe hat bekanntlich Zeichnungen im Betrags von rund 10 600 Millionen Mark gebracht. Nach den Zeichnungsbedingungen ist der erste Pflichtein- zahlungstermin auf die neue Anleihe der 18. April. Es war indes den Zeichnern an heimgestellt worden, bereits am 31. März mit den Zahlungen zu beginnen. Von diesem Recht ist in grobem Umfange Gebrauch gemacht worden. Wie berichtet wird, waren bis zum 4. April 5705 Millionen Mark, also mehr als die Hälfte des ganzen Zeich nungsbetrages gezahlt worden — ein erfreulicher Beweis für die deutsche Kapitalkraft! *Es wird erneut darauf hingewiesen, daß Angehörige neutraler und ver bündeter Staaten beim Wechsel ihres Aufenthaltsortes sich sowohl bei ihrer Mreise wie bei ihrer Ankunft bei der Polizeibehörde zu melden haben. Bei Nichtbefolgung dieser Vor schrift machen sich nicht nur die betreffenden Ausländer, sondern auch diejenigen, bei denen sie wohnen, strafbar. England. * Nach den Ausführungen McKennas im Unterhause soll die geplante Einkommen steuer jährlich nahezu eine Milliarde ein bringen. Auf eigner ScboUe. 31) Roman von Guido Kreutzer. (Schluß.) Hans Scharrehn ritt ganz langsam. Er wollte dem „Aja;", der schon zwei Tage lang im Stall gestanden hatte, ein wenig Bewegung verschaffen und bei dieser Gelegenheit sich gleich mal die neu angelegten Sckueßstände vor der Stadt ansehen. Und während er an den blühenden Villen- gärlcn entlang ritt und hier und da einen ihm begegnenden Bekannten grüßte, mußte er immer wieder an das denken, was man sich vorhin im Kasiso während des Essens erzählt hatte. Die Berliner Morgenzeitungen, die stets erst mit dem Mittagszug eintrafeck, brachten einen Bericht, daß sich in der letzten Nacht im „Esplanade-Klub" ein junger Lebemannn, Paul Burger, in dem Augenblick erschossen habe, als er durch einen Kriminalkommissar, der in Begleitung des be kannten Börsenmannes Doktor Warrensbrügg den Klub besucht hatte, wegen Falschspiels ver haftet werden sollte. Im Verlauf des daraufhin entstandenen Tumults waren noch drei weitere Mitglieder des Klubs, bei denen man gezeichnete - Karten sand, dingfest gemacht worden. * * * Der alte Oberst Steinrott stand mit Albrecht Trona vor dem Langenbrucher Herrenhause in eifrigem Gespräch. Der Roggenthiner lehnte an der Steinwand der Auffahrtsrampe und hatte die Arme übereinander geschlagen. „Alles schön und gut, lieber Grona. Wer was wollen Sie denn mit dieser UnalücksNitsche ansangen? Das ist doch nichts für Sie, der Sie durch Roggenthin derart verwöhnt sind." Albrecht Grona wiegte den Kopf hin und her. „Vielleicht doch. Indem ich wahrscheinlich die Rentabilität von Langenbruch auf einer ganz andern Seite suchen würde." „Sie meinen die — Torfmoore." „Allerdings." Der Oberst machte ein so verzweifeltes Gesicht, als sei er dazu verurteilt, noch ein zweites Gut zu kaufen. „Wer das kostet ja alles Geld, Verehriester l Unwahrscheinlich viel Geld, sage ich Ihnen. Der Kaufpreis, die Besitzwechselabgabe, die Drainagen — Sie könnten ewig die Hand in der Tasche haben." Ter andre schlug mit der flachen Hand auf die Nampenbrüstung. „„Nun schön — dann habe ich sie eben in der Tasche. Seien Sie aber versichert, daß ich es schon verstehen werde, sie beizeiten wieder herauszuziehen." — In seiner Stimme war der herrische, selbstbewußte Freisassenstolz feiner Väter. — „Und jetzt entscheiden Sie sich. Wollen Sie oder wollen Sie nicht?" Da gab sich der alte Kavallerist einen Ruck. „Also ja!" sagte er entschlossen. „Wenn es nach mir ginge, hätte ich doch überhaupt nicht so lange herumparlamentiert. Denn ich für meinen Teil werde froh sein, wenn ich keine Sorgen - mehr habe und mein bißchen Pension in Ruhe verzehren kann. Daß ich überhaupt zögerte, geschah doch nur wegen der Brigitte, und weil die sich wahrscheinlich bitterschweren Herrens vom Landleben trennen wird." „Wer weiß, ob sie das überhaupt, nötig haben wird," zweifelte der Roggenthiner gleich mütig. „Aber jetzt nehmen Sie es mir nicht weiter krumm, wenn ich Sie vorläufig allein lasse. Ich habe nach all diesem geschäftlichen Kram das lebhafte Verlangen, mich jetzt auch mal ein wenig mit unsrer Patientin zu unter halten." Der Oberst schlug ihm vergnügt auf die Schulter. „Gehen Sie nur, Sie Retter der Menschheit, aber raspeln Sie nicht zu fleißig Süßholz. Ich werde jetzt schnell noch ein paar Briefe schreiben. In etwa einer Stunde komme ich und überrasche Euch. Ich huste aber vorher auf dem Flur laut und vernehmlich, damit Ihr Zeit habt, noch schnell ein gelangweiltes Gesicht aufzusetzen." Und stolz, als hätte er den glänzendsten Witz gemacht, säbelte er davon. Langsam ging Albrecht Grona ins Haus und stieg die gewundene dunkelgebeizte Wendeltreppe hinauf, die zu Brigitte Giebelstübchen führte. Die junge Herrin von Langenbruch saß, eine leichte Decke über den Knien, in einem tiefen Lehnstuhl, der an das offene Fenster ge schoben war. Als sie die Tür gehen hörte, wandte sie den Kopf. Ein unsicheres Lächeln rann über ihr Gesicht. Mit einer freudigen Bewegung streckte sie dem Besucher die Hand entgegen. „Wie lieb von Ihnen, daß Sie gekommen sind! Papa ist jetzt immer so stark beschäftigt; und ich kann ihm von seiner Arbeit nicht einmal das Geringste abnehmen. Was glauben Sie, was sür eine Qual das für mich ist! Und damit ich mir ja vollständig klar darüber werde, bin ich zu alledem auch noch gezwungen, hier oben untätig und allein Tag für Tag zu grübeln." Albrecht Grona hatte sich einen Stuhl heran gezogen, in dem er sich niederließ. „Ich finde, Sie können vollauf mit sich zu frieden sein, mein liebes Fräulein Brigitte," er mutigte er. „Ihr Aussehen wird von Tag zu Tag besser, und es werden keine zwei Wochen mehr vergehen, dann finde ich die alte, mutige und stets zufriedene Brigitte Steinrott wieder, die ich in der letzten Zeit so schmerzlich vermißt habe." Der Hüne sah mit einem eignen Lächeln durch das Fenster in den blühenden Park hinaus. „Noch schneller allerdings würde diese Rekon valeszenz gehen, glaube ich, wenn ein ganz großes Glück sich als Schrittmacher davor spannte." „Ein ganz großes Glück!" wiederholte das junge Mädchen. Und in ihrer Stimme war ein müder Verzicht. „Woher sollte mir wohl dieses ganz große Glück kommen, lieber Freund?" Albrecht Grona wiegte bedächtig den Kopf hin und her. „Um Sie zu widerlegen: Ihr Herr Vater verkauft Langenbruch." Die Kranke machte eine unvermittelte Be wegung, als wollte sie sich aufrichten. Aber sofort sank sie wieder in sich zusammen Die Kraft fehlte noch dazu. „Mein Vater — verkauft —- Langen» bruch? ... an wen?" Ihre Augen öffneten sich weit-
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