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Ottendorfer Zeitung : 16.01.1916
- Erscheinungsdatum
- 1916-01-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191601167
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19160116
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19160116
- Sammlungen
- LDP: Bestände der Gemeinde Ottendorf-Okrilla
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1916
-
Monat
1916-01
- Tag 1916-01-16
-
Monat
1916-01
-
Jahr
1916
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 16.01.1916
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Asrlm unä Tis neue „groß: Offensive", die dem Dier verband bekannttich im Frühjahr dieses Jahres den Sieg bringen soll, wird in der feindlichen Presse bereits nicht mehr mir solchen Hoffnungen erwartet, nne das bei früheren Unternehmungen größeren Umfanges der Fall war. Auch ein Zeichen dafür, das; der Bierverband bereits viel bescheidener geworden "ist, und daß allmählich der Blick eines großen Teiles der uns feindlichen Öffentlichkeit an Klarheit gewinnt. An einen Sieg glauben sie zwar noch größtenteils, oder geben vielmehr vor, daran zu glauben. Aber die Folgen dieses Sieges werden nicht mehr im entferntesten so leuchtend ausgemalt wie noch vor wenigst! Monaten. Der sprechendste Beweis dafür ist in der Tatsache zu erblicken, das; heut nicht nur von dem „Marsch nach Berlin und Wien" nicht mehr gesprochen wird, sondern daß man sogar zugibt, daß dieses Unternehmen nicht mehr in Betracht käme. Wer erinnert sich nicht noch der großen Worte, welche die gesamte Presse des Dierverbandcs noch vor ganz kurzer Zeit machte, wenn von den zu erwartenden großen Erfolgen gesprochen wurde?! Stets war als Ziel der Einmarsch in Berlin und Wien — daneben auch in Konstantinopel — genannt worden. Tie Engländer wollten ihre Inder und anderen farbigen Hilssvölker und Bundes- genof^n in den Gärten von Sanssouci spazieren führen. Die Franzosen wollten eine große An zahl hervorragender Kunstwerke den barbarischen Hauptstädten entführen, da in Berlin und Wien für solche Denkmäler der Kultur kein Platz sei. Die Russen wollten sogar schon im vorigen Jahr das Weihnachtsfest in Berlin feiern und der Großfürst Nikolai Nikolajewitsch hatte in rührender -Fürsorglichkeit bereits Medaillen prägen lassen mit der Aufschrift: „Einzug in Berlin 1914". Man muß sich an all diese schönen Pläne erinnern — bei uns sind sie in Anbetracht unserer großen Siege ein wenig in Ver ¬ gessenheit geraten und rufen nur ein spöt tisches Lächeln hervor — wenn man die jetzige „Bescheidenheit" der feindlichen Presse richtig würdigen will. In einem russischen Moskauer Blatte wurde jüngst ausgeführt, daß das große Ziel der Offensive dieses Frühjahres darin bestehen müsse, Rußland von dem Feinde zu säubern und die feind lichen Heere wieder an die Grenzen Deutsch lands und Österreichs zurückzuwerfen. Dieses Ziel werde zwar große Anstrengungen und vieles Blut kosten, aber wenn es erreicht werden könne, dann sei kein Opfer zu groß. Etwas ähnliches hatte der Zar in seiner Weih nachtsansprache gesagt. Von einem Vormarsch gegen Berlin war nicht mehr die Rede. Der ,Daily Telegraph' bringt Ausführungen, dis den Geist derselben Bescheidenheit zeigen. Der „Marsch nach Berlin" hat nun sogar in den hoffnungsreichen. Vorstellungen unserer Feinde sein Ende gefunden. Der größte Teil der Hoffnungen, die den Vierverband zu dem Beginn des Krieges ver anlaßten, sind damit zu Grabe getragen, und wenn man spöttisch sein wollte, so könnte man fragen, wozu sie sich selbst in die Zwangslage versetzt haben, ihr eigenes Land von dem Feinde unter ungeheuren Aufwendungen an Gut und Blut zu befreien, da weder Deutsch land noch Osterreich-Ungarn Ende Juli 1914 die geringste Neigung hatten, fremdes Land zu erobern. Der Haager Berichterstatter einer neutralen schweizerischen Zeitung berichtet endlich jetzt auch, daß die ernsten und maßgebenden Kreise in London, Paris und Petersburg nur im günstigsten Falle ans eine Zurückdrüngung unserer Heere auf unser Gebiet rechneten. Die Hoffnung auf einen Marsch nach Berlin und Wien sei endgültig aufgegeben, da man auch mit einer Erschöpfung der Mittelmächte nicht mehr rechne. So bringt dieses gutunterrichtete neutrale Blatt die gleichen Stimmungen zum Ausdruck wie die feindlichen Zeitungen. In Frankreich gibt es zwar noch einige unverantwortliche Kreise — zu denen der „Antimililarist" Hervs, der auch in Frankreich als Narr angesehen wird, gehört — die in ihrer ausschweifenden Phantasie von dem sehnlichst erhofften Marsch nach Berlin als Krönung der Revanche träumen, aber auch diese sind bereits in starker Minderzahl, denn die Fachleute wissen jetzt nach 17 Kriegsmonaten ganz genau, daß der Niegel, den das deutsche Heer bildet, vor den Toren Berlins gewiß nicht zu sprengen sein würde. Die Feststellung, daß auch in den Vorstellungen unserer Feinde das „Ende des Marsches nach Berlin und Wien" gekommen sei, bedeutet auch bei der bisherigen Geistesverfassung des Viervcrbandes einen be deutungsvollen Abschnitt im Verlause dieses Weltkrieges. cumnerc o. K.«. d. Mo deutscher äeicdstag. (Orig.-Bericht.) Berlin, 11. Januar. Präsident Kaempf eröffnet die Sitzung, indem er die Mitglieder des Hauses zu Beginn des neuen Jahres herzlich begrüß! und dem Vaterlands und uns allen ein glückliches, scgen- bringendes neues Jahr wünscht. Abg. Liebknecht (soz.) fragt, ob der Reichskanzler bei der türkischen Regierung Schritte gegen die Vertreibung und Nicder- machung "der armenischen Bevölkerung unter nommen habe. Der Vertreter des Nusw. Amts Dr. von Stumm: Dem Reichskanzler ist bekannt, daß die Pforte vor einiger Zeit wegen auf rührerischer Umtriebe die armenische Bevölkerung auS bestimmten Teilen des türkischen Reiches ausgewiesen und ihr neue Wohnstätten ange wiesen hat. Nähere Einzelheiten können nicht mitgcteilt werden. Abg. Dr. Liebknecht (soz.) will seine Ansrage dahin ergänzen, wieviel Gebäude und Ortschaften in den besetzten Gebieten zerstört worden seien. Präsident Dr. Kaempf: Das ist keine Ergänzung, sondern eins ganz neue Anfrage, also unzulässig. (Lebh. Bravo). Abg. Dr. Liebknecht (soz.) fragt an, ob die Regierung Material vorlegen wolle über die auf Grund des Belagerungszustandes getroffenen besonderen Maßregeln zur Aufhebung des Vereins- und Versammlungsrechts usw. Ministerialdirektor Dr. Lewald: Der Reichskanzler ist nicht bereit, das von dem Abg. Liebknecht gewünschte Material dem Reichstage vorzulegen. (Lebh. Bravo). Der Gesetzentwurf über die weitere Zu lassung von Hilfsmitgliedern im .Kaiserlichen Patentamt wird in zweiter Beratung debattelos angenommen. Die Anleihe-Denkschrift für das Reich 1915 wird an die Budgetkommission ver wiesen. Es folgt der Bericht der Kommission für den Reichshaushaltsetat über Ernährungsfragcu. Abg. Graf Westarp (kons.) stellt, wie schon in seinem schriftlichen Bericht, als die einmütige Überzeugung der Kommission fest, ' daß voll kommen ausreichende Vorräte, speziell an Brot, Kartoffeln und Fleisch vorhanden sind, um die Bevölkerung während des Krieges zu ernähren, daß aber Sparsamkeit auf allen Gebieten not wendig sei. Aus Rücksicht auf die Ernährungsfrage braucht der Krieg keinen Tag früher beendet zu werden, als die politische und militärische Lage es gebietet. Abg. Schmidt-Berlin (soz.): Für be stimmte Nahrungsmittel muß ein Verteilungssystcm durchgefnhrt werden. Die Preisbildung muß der freien Konkurrenz enlrückt werden. Die Preisfestsetzung darf nicht Rücksicht nehmen auf die Spekulation. Die Bestandaufnahme zeigt, daß reichlich Vorräte vorhanden sind. Aber die Be stände werden von den Produzenten zurückgehatlen, und die Stellen, die das Recht zum Zwangsankauf der nötigen Kartoffelwengen haben, machen von diesem Rechte keinen Gebrauch. Das fortgesetzte Ansteigen der Rindviehpreise hat zur Folge, daß in weit höherem Matze als notwendig ist, Milch vieh abgeichlachtet wird, undhatdas wiederum eine Gefährdung nuferer Mitch- und Buttelversorgung zur Folge. Wir brauchen Fleischkarten so gut wie Butterkarten. Daß Butler nicht in ge nügender Menge vorhanden ist, das versteht die Bevölkerung; was sie aber nicht versteht, das ist, daß in einer Zeil, wo sich die Einleitung nach Rationen auf andern Gebieten so glänzend bewährt hat, in der Butterversorgung darauf verzichtet wird. Auch hier sind es wieder die minderbemittelten Bevölkerungsklassen, die am schwersten unter der Kalamität zu leiden haben. Staatssekretär Dr. Delbrück: Die Re gierung ist darin mit den Parteien einver standen, daß wir in dieser ernsten schweren Zeit die Versorgung des Marktes und die Bildung der Preise nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen dürfen, sondern daß wir hier mit fester Hand j eingreifen müssen und auch vor Härten nicht zurückscheuen dürren. Ich will auch noch einmal ausdrücklich festsiellsn, daß wir bis zur nächsten Ernte reichen werden, wenn wir sparsam wirt schaften. Der Vorwurf des Vorredners gegen den preußischen Minister des Innern ist nicht gerechtfertigt. Der preußische Minister des Innern war von Anfang an bestrebt, den An ordnungen des Bundesrats die nötige Achtung im Lande zu verschaffen. Auch der preußische Land- rai hat auf diesem Gebiete nicht versagt. Wenn Fehler vorgekommen sind, so liegt es an der Schwierigkeit der Ausgabe. Atan muß bedenken, daß alles, was wir jetzt tun, im Widerspruch zu den wirychafttichen und rechtlichen Verhält nissen vor dem Kriege steht. Ein ganzes Volk unter so schwierigen Verhältnissen in wenigen Monaten zu einem völligen Umdenken und völligem Umlernen zu bringen, hat seine Schwierigkeiten. Schwierigkeiten, die sich aus dem Mangel . oder dem Fehlen bestimmter Nahrungsmittel auf der einen Seite und der spekulativen Preistreiberei auf der anderen Seite ergibt. Durch die Bundesratsverordnun- gen sind'uns eine ganze Reihe scharfer Be stimmungen in die Hand gegeben worden, um den Kriegswucher zu brandmarken und zu treffeu. Aber einen nennenswerten Erfolg kann alles das nur haben, wenn wir in der Lage sind, regulierend auf den Preis einznwirken. Zu dem Zwecke haben wir in erster Linie zu der Fest stellung von Höchstpreisen gegriffen. Um den außerordentlichen Schwierigkeiten, die sich einer richtigen Feststellung dieser Höchstpreise eittgegen- stellen zu begegnen, haben wir neuerdings Preisprüfungsstellen geschaffen. Redner schildert eingehend dis Or ganisation und die Befugnisse dieser Prüsungs- stellen. Ich habe Ihnen, so schließt er, das alles so ausführlich dargelegt, weil ich der Meinung bin, daß hier der Hebel eingesetzt werden muß, um die Höchstpreise wirtlich erfolg reich zu lösen. Die Hauptsache ist und bleibt freilich, daß die ganze Bevölkerung in die so geschaffene Organisation sich einfügt und mii- arbeitet mit dem festen Willen, aus ihr heraus zuholen, was herausgeholt werden kann; die ganze Bevölkerung muß sich dabei betätigen, durchglüht vom Willen zum Siege, der ebenso im Innern wie draußen die alleinige Voraus setzung des endlichen Erfolges ist. (Beifall). Abg. Dr. Matzinger (Zentrum): Das Gebäude des deutschen Wirtschaftslebens hat in diesem Völkerringen die gewaltigste Belastungs probe zu bestehen, die die Weltgeschichte kennt. So ost untere Feinde schon seinen Zusamlnen- bruch prophezeit haben, es steht heute noch fest und unerschütterlich da und das deutsche Volk ist im Verein mit den verbündeten Re gierungen bemüht, seine innere Kraft immer zäher und ausdauernder zu gestalten. Das Höchstpreissystem muß in allen Stationen vom Urerzeuger bis zum Endverbraucher durch- gcführt werden. Lebhafte Klagen sind wegen dex Verteilung der Futtermittel gekommen. Für den Einkauf von Futtermitteln im neutralen Auslands dürfen nicht zu hohe Provisionen ge zahlt werden. Der kleine landwirtschaftliche Be sitzer hat mehr unter den Vorschriften zu leiden als der große Besitzer, der sich leichter mit diesen abfinde!. Die weitere Erhaltung unseres Vieh bestandes muß gewährleiste! werden. Bedauerlicher weise werden sehr viele Rinder abgestoßen. Haben wir genügend Rinder und Schweine, dann haben wir anch Fleisch, Milch, Buller und Feit. Freilich, ohne den guten Willen, ohne ein ver ständnisvolles Mitarbeiten aller Beteiligten, würde auch die beste Organisation erfolglos sein. Ist aber dieser gute Wille vorhanden, dann bildet sich auch ein besseres Verstehen, ein gegen seitiges Vertrauen zwischen den einzelnen Volks« klassen, insbesondere zwischen den beiden Haupt- klassen der Verbraucher und der Erzeuger her aus, und ebenso auch zwischen den einzelnen Gebieten des Deutschen Reiches zwischen Ost und West, zwischen Nord und Sud. Das deutsche Volk wird nicht ermatten wenn es so zusammenhält, und es wird aus dieser schweren Prüfung, die es jetzt dmchzu- machen hat, hervorgehen, geparkt an innerer Einigkeit und an tiefem Vertrauen auf Gottes Hitfe. Abg. Dr. Böhme (lib. Bauernb.): Unsers wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind dadurch noch erhöht worden, daß sozusagen anch das Wetter gegen uns Stellung genommen hat. Nm so dringender tut es not, daß in der Frage der Lebensmittelversorgung rascher und entschiedener cingegriffen wird, als es bisher vielfach geschehen ist. Wenn wirklich in diesem Jahre hier und da Kartoffeln zurückgehalten worden sind, so ist cs aus der Erwartung heraus geschehen, daß die jetzt bestehenden Höchstpreise abermals ge ändert werden. Unbedingt nötig ist die Ein führung von Fett- und Butterkarten im Sinne von Beschränkungskarten. Die ärmere Be völkerung muß die Sicherheit haben, daß auch die Reichen mit ihrem Geldbeutel sich auf dem Gebiete dieselben Einschränkungen auserlegen müssen, wie sie selbst. In der Fortsetzung der Bcsprechuwz der E?- nährungssragen kam zunächst der Abg. Dr. Wendorff (forlschr.) zu Worte, der dem Staatssekretär des Innern volle Anerkennung zollte. Leider gebe es Stellen, die die guten Absichten der Reichsregierung durchkreuzen, denen gegenüber aber das Haus alle Veranlassung habe, die verantwortlichen Stellen des Reiches zn stärken. Von der Landwirtschaft meinte der Redner, daß es ihr durchgängig gut gehe trotz aller Schwierigkeiten. Von einem Wertrückgang könne gar keine Rede fein. Abg. Dr. Roesicke (kons.) dagegen be sprach in längerer eindrucksvoller Rede die Lage der Landwirtschaft, der man höchst bedanerlicherweise den Vorwurf des Wuchers zn machen gewagt habe, obgleich sie zuerst die Forderung nach Höchstpreisen er hoben habe. Die Landwirtschaft habe sich selbst los in den Dienst der vaterländischen Sache ge stellt. Es müsse immer wieder hervorgehoben werden, daß Brot und Getreide in England mehr kosten als bei uns. Im Auslands sei die Lage um vieles schlechter als bei uns. Wenn dies auch ein schwacher Trost sei, so dürfe man dies doch nicht vergessen. Wenn unsere Feinde entschlossen seien durchzuhalten, dann könne es Deutschland in viel höherem Maße. Die Land wirtschaft müsse sür die großen Ausgaben, dis ihrer nach dem Kriege harren, stark erhalten werden. Die Presse aller Parteien müsse sich bemühen, ausklärend zu wirken, damit sich alle Kreise besser verstehen. Der Präsident der Reichsgetreidestelle., Unter- staatssekretär Dr. Michaelis, der nunmebr zn Worte kam, stellte die Nottvendigkeit fest, zur alten Sparsamkeit im Brotvcrbranch zurückznkehren. Mit der erweiterten Zulassung der Zusatzbrotkatten sei Mißbrauch gelrieben wordeu. Deshalb müssen sie wieder den Schwsmrbeitenden Vorbehalten werden, nötigen falls unter Einschränkung des Brotverbrauchs der begüterten Klassen. Auf Seiten der Landwirte sei mit der Wahrung der Bestände gegen BersüMung nicht so gehandelt, lote es notwendig gewesen wäre. Die Not an Futtermitteln machte dies verständlich. Jedenfalls müsse wieder mit großer Energie dnrchgegriffen werden. Daran anknüpsend konnte der Abg. Fehr, v. Eamp (Rp.) nicht verstehen, warum der Mißbrauch mit den Zusatzkarten solange geduldet wurde. Da hätte schneller cingegriffen werden sollen. Sparsamkeit werde auch jetzt noch in weiten Kreisen geübt. An der Mühlenpolttik der Reichs- getreideslelle hatte der Redner manches auszu setzen, ebenso an anderen Verfügungen der Regierungen, die der Landwirtfchait manchen Schaden gebracht haben. — Dann vertagte sich das Haus. Goläens Schranken. L2j Roman von M. D iers. (Fortsetzung.». > p Den ganzen Morgen'pfiff er ins unglanb- lichsten und unkenntlichsten Melodien, aber Has störte ibÄ nicht. Er zähste die Stunden, dann die Minuten bis zur Austragung der Post sachen und als der Mattn endlich kam, ging er ihm bis auf die Freitreppe entgegen, nahm ihm nur den einen Brief, den eb sofoit. erkannte, ab und ohne sich daran zu kehren, .daß der Mann hinter ihm, der sich so wenig verstellen konnte, berfchmü.Lzclte, ging er geradenwegs um das Herrenhaus herum in den prächtig alten wild- oerwachsenen Park. Ja — nun schien die Sonne durch die Blätter! So wars gerade recht. Er hatte das Pfeifen nun doch eingestellt. Das Herz schlug ihm bis an den Hals, als er! den Umschlag auseinanderriß. Er las die Worte nnd dann las er sie ganz euhig noch einmal. „Das ist doch nicht wahr," murmelte er. „Das kann ja gar nicht sein." Das war die erste Empfindung, die er da- bei hatte. Noch in seiner vollen Unglaublichkeit stand das, was gekommen war, vor ihm. Er sah noch immer auf die Zeilen nnd all mählich wurde sein Blick starr, nnd ein leises Zittern überflog seinen Körper. Er preßte die Lippen zusammen, er hatte das Gesühl, als käme plötzlich ein starker, körperlicher Schmerz über ihn, den er mit größter Willensanstrengung ertragen müsse. So saß er eine ganze Weile stumm. Ein plötzlicher Schreck riß ihu auf. Es war wie ein 'Erwachen aus Betäubung. Jetzt sah er alles klar — alles klar. Es war nichts damit. Sie wollte ihn nicht. Er hatte sich also getäuscht. Nein — es war nichts damit. Durch dis Blätter flirrten die Sonnen strahlen. Vogelgezwitscher im Gebüsch. Und oben durch die Wipfel lugte der klarblaue, lachende Spätsommcrhimmel. Er sah um sich, Wildheit leg in seinem Blick. Höhnten sie ihn nicht, alle diese sonnigen Farben und Töne —? Mit einem Ruck sprang er auf. Das Papier knisterte in seiner geballten Hand. Unmöglich — unmöglich erschien es ihm, das so hinzu nehmen. Das so einfaS anzuerkennen, das Entsetzliche, das alles zerstörte — alles, alles! Irgend eiwas tun — etwas Gewalt tätiges — diese graue Mauer zu zerschmettern, die sich wie ein alemraubender Alp vor ihm auf- richlete — und mit wilder Faust sein Geschick zwingen — Aber es stand vor ihm — grau, kalt, unbe weglich. Und wie ein namenloses Grauen, empfand er das, was seiner wartete: das blasse, hilflose, nutzlose Dulden — 10. Magda hakte gedacht, bis Wohnung des allen Fräuleins mit den Möbeln, die mm ihr ge hörten, zu behalten. Sie stellte auch keine Stück anders. Mit liebevoller Pietät bewahrte sie ängstlich den Charakter dieser Räume, als könne die eigentliche Besitzerin jeden Laa rurückkebren. Wer in dieser Umgebung, mit seiner Er innerung an Tod und Tränen, mit der Ver bitterung im Herzen wurde sie innerlich alt. Siv hatte kein Leben mehr vor sich, nnd vor dem was hinter ihr lag, schloß sie erschauernd die Augen. Langsam schlichen die Tage dahin, ohne irgend ein Tun, das ihren Geist beschäftigte. Wenn sie morgens erwachte, graute ihr vor dem, endlosen Tage, der nun wieder kam, und abends, wenn sie ihr Lager aufmchte, fand sie.lange keinen Schlaf, in den sie sich vor ihren quälenden Gedanken retien konnte. Wie ausgebrannt war ihr Leben, leer, gänz lich leer. Hin und wieder rasste sie sich aus, um anszugehen, aber sie kam nnr müder und zer schlagener zurück. Und allmählich in dem trost losen Einsiedlerdasein ihrer Tags bildete sich eine Scheu in ihr aus, Menschen zu sehen, überhaupt nur Stimmen zu hören. Draußen war ein grauer Regentag. Tropfen prickelten an die Scheiben und die sonnenlose Helle erfüllte das Gemach. Magda saß in Fräulein von Kleists großem Armstuhl, sie hatte ein Buch in der Hand, aber sie vermochte dem Inhalt der Zeilen nicht zu folgen. Da kam die alte Anna und meldete einen Herrn, der sie zu sprechen wünsche. Seinen Namen habe er nicht nennen wollen, er sei ein „Freund" des gnädigen Fräuleins. Magda Zuckle empor. Nur ein einziger Ge danke durchfuhr sie und nahm Besitz pon ihrem Denken. All das erstorbene, ertötete Leben in ihr erhob sich wieder in heißer Angst. Ihr war, als muffe sie die Lände ausstreckeu. Nein. nem. Ich kann nicht! Ich will ihn nicht sehen! Ich kann es nicht ertragen. — Aber kein Laut kam über ihre Lippen.. Dis alte Anna, die dies apathische Wesen von ihrer jungen Herrin gewöhnt war, ging hinaus, nur den Bemäur hereinzulaffen. Eiiren Moment seyte Magdas Herzschlag ans, alle ihre Sinne spannten sich in namen loser, qualvoller Erwartung. Als der Fremde herantrat, erkannte sie ihn erst nicht. Es flimmerte ihr vor den Augen, und dann — konnte sie es kaum erfassen, daß der, der da stand, nicht er war, den sie er wartet hatte — sondern ein ganz anderer: Hugo Sehling. Der erstarrte Herzschlag setzte wieder ein, und der Schreck von vorhin, die furchtbare Auf regung tobte in seinen wilden Schlügen. In diesem Augenblick war Magdalene völlig un fähig, die Situation zu überblicken. Was sie mit diesem Manne erlebt hatte, erschien ihr als ein so fernes, verschwommenes Bild, daß sie es kaum in Zusammenhang mit der Gegenwart brachte. Ihr Schweigen, in dem nicht einmal eine Abwehr lag, berechtigte ihn znm Nähertrelen. Sie hörte einen Schwall von Worten, der sich über sie ergoß. „Eben erfahren — beklagens werter Todesfall — gnädiges Fräulein so allein und schutzlos — meine Mama schickt mich — Hilse anzubieten —" „Aber ich brauche ja gar keine Hilfe," sagte Magda. Ihr Sinn war zn müde und kraftlos, um sich auch jetzt irgendwelche LiachgGauker, zu
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