Volltext Seite (XML)
Englisch-amerikanische Annäherung. Der Amerika-Komplex ist für England von unge heurer Bedeutung. Nicht umsonst hat Macdonald be reits in dem Augenblick, wo er Premierminister wurde, seine feste Absicht angekündigt, nach Amerika zum Prä sidenten Hoover zu fahren, um mit ihm eine Aussprache über die englisch-amerikanischen Beziehungen herbei zuführen. Nicht umsonst hat er das Eintreffen des neuen amerikanischen Botschafters, General Dawes, zu einer großen Demonstration benutzt, zu einer Demon stration zugunsten der englisch-amerikanischen Einigung. Nicht umsonst geschah die Begegnung Macdonalds mit Dawes zu Beginn der großen Abrüstungsverhandlun gen, in deren Zeichen nunmehr die Amerikapolitik Eng lands und die Englandpolitik Amerikas stärker denn je stehen wird. Es scheint, als ob er hier Macdonald der Idealist noch am nächsten Macdonald dem Praktiker steht als ob man hier am wenigsten die tiefe Kluft fühlt, die seine Ansichten, sein Wollen von seinen Möglich keiten, seinem Können trennt. Hier, bei der Behand lung der heiklen Frage der Abrüstung zur See, will Macdonald gewissermaßen seinen Antrittsbesuch bei der Weltgeschichte abstatten, bei ihr eine Visitenkarte ab geben, die einen Grundstein der neuen Epoche bil den soll. Henderson begrüßt Botschafter Dawes. Auf dem Bankett der Pilgrim-Liga zu Ehren des neuen amerikanischen Botschafters in London, General Dawes, gedachte Außenminister Henderson in warmen Worten der persönlichen Verdienste des Bot schafters um den Wiederaufbau Europas in der Nach kriegszeit. Er gab dann dem Botschafter die ausdrück liche Persicherung, wie sehr das englische Volk den Frie den wünsche und ersehne. Beide Länder müßten im Verein mit den übrigen Völkern der Welt zusammen arbeiten, um das Ziel der Abrüstung zu verwirklichen. Der Außenminister Henderson schloß: „Wir halten die Zeit für derartige bedeutsame Verhandlungen für ge kommen und erwarten günstige Ergebnisse durch ihre persönliche und erfolgreiche Mitarbeit, in der gemein samen Verständigung. Zn diesem Sinne heiße ich Sie. Herr Botschafter, in unserer Mitte willkommen." Vom Ministerpräsidenten Macdonald war ein Brief eingegangen, in dem er seinem Bedauern Aus- Reichstagspräsident Löbe für beuisch-polnifche Verständigung. Warschau, 19. Juni. In einer großen Versamm lung der polnischen Sozialisten in Warschau sprach u. a. der deutsche Reichstagspräsident Löbe. Er trat für eine deutsch-polnische Verständigung ein. Er betonte, daß der Friede Europas von einer deutsch-französischen Ver ständigung abhängig sei. Dieser Annüherungsprozeß schreite tatsächlich rasch vorwärts s?) und jeder Tag bringe uns der Verwirklichung näher. In gleichem Maße sei aber auch eine deutsch-polnische Ver - ständigung nötig und diesem Verständigungs willen sei der Abend gewidmet. Den Frieden könnten nur die Volksmassen aufrecht erhalten und vor dem Kriege schützen könnten nur die, auf deren Schultern die gesamten Kriegslasten und Leiden liegen würden. Aus diesem Grunde bestehe eine ständige Kriegsgefahr auch dort, wo eine Diktatur herrsche. Nur die Unfähigen. Unreifen und Unselbständigen riefen nach dem Mann mit der starken Hand, um in dessen Schatten ihre dunklen Ziele zu verfolgen. Zur Frage des Handels vertrages äußerte Löbe, daß er vor drei Wochen in Magdeburg einen die Notwendigkeit des Vertragsab schlusses mit Polen begründenden Antrag gestellt habe, der einstimmig angenommen worden sei. Man sehe daraus, daß die deutschen Sozialdemokraten einen Druck auf die Regierung ausübten. Diesem Beispiel müßten die Polen ihrerseits folgen. Wenn das geschehe, könne der Handelsvertrag zum Wohle der beiden Pölker und Staaten in nicht länger als drei Monaten zum Ab schluß gebracht werden. Die deutschen Sozialdemokraten seien gegen den Panzerkreuzerbau, sie seien für die Ab rüstung, doch besäßen sie noch nicht die entscheidende Macht. Zum Schluß erklärte der Redner auf eine An frage, daß er für die Unabhängigkeit Polens eintrete. Nach einer Reihe anderer Redner sprach noch Crispien. Dr. Stresemann in Paris. Paris, 19. Juni. Reichsaußenminister Dr. Strese mann traf heute um 9.3V Uhr mit dem Barcelona-Er- preß auf dem Bahnhof Orsay in Paris ein. In seiner Begleitung befanden sich u. a. die Ministerialdirektoren von Schubert und Zechlin sowie Legationsrat Redlhammer. Dr. Stresemann wukde auf dem Bahn steig im Auftrag Briands von dessen Kabinettschef Leger und anschließend von dem deutschen Bot schafter von Hoesch begrüßt. Dann fuhr Dr. Stresemann in Begleitung seines Dolmetschers Schmitt vor dem Quai d' Orsay vor, wo Briand ihm zu Ehren ein Frühstück gab, an dem mehrere Mit glieder der Regierung teilnahmen. Daran werden sich die politischen Besprechungen des Reichs außenministers mit Briand und Poincare anschließen. Vulkanausbruch in Noröjapan. Tokio, 19. Juni. In Nordjapan ist ein Vulkan in Tätigkeit getreten. Ein starkes Erdbeben suchte die Umgebung des Vulkans heim, dem etwa 100 Personen zum Opfer fielen. Der Ausbruch bedrohte auch die Stadt Hokadate. Innerhalb eines Tages flüchteten etwa 3000 Personen vor dem Ausbruch des Vulkans. Die Negierung hat Hilfe entsandt. Die Zerstörungen durch den neuen Ausbruch des japanischen Vulkans Komo- gatake sind nach Tokioter Meldungen sehr erheblich. Seit Beginn der Ausbrüche sind drei Dörfer zerstört worden. druck gibt, an dem Bankett nicht teilnehmen zu können, und in dem es weiter heißt: „Wir sind in der außer ordentlich glücklichen Lage, daß unser Zusammenkommen nicht bedeutet, daß wir jemand anders ausschließen. Es ist ein großer Weltimpuls Seite an Seite zusammen zu gehen, der in Amerika wie bei uns verspürt wird. Wir haben kein Verlangen nach einem Bündnis weder für die Gegenwart noch für die Zukunft, weder offensiver noch defensiver Art, sondern wir suchen guten Willen, der den übrigen Nationen der Welt als Beispiel dienen und sie ermutigen wird, mit uns auf der gleichen Linie zu arbeiten. Warmes Echo in Amerika. Neuqork, 19. Juni. Die Reden Dawes und Mac donalds bilden hier das Tagesereignis. Sie werden von der gesamten Presse sehr günstig besprochen. In Washington wird erklärt, daß die Abrüstungskommis sion des Völkerbundes vorläubfig noch zur Durchfüh rung der Vorverhandlungen genüge. Amerika und England würden eine Verständi gung versuchen, während die übrigen Seemächte über den Verlauf der Verhandlungen unterrichtet wer den sollten. Niemand könne sich der wirtschaftlichen Be deutung der Abrüstungsfrage verschließen, denn die Be schränkung der Seerüstung würde eine wesentliche Er sparnis bedeuten. Es wird nochmals unterstrichen, daß ein Besuch Macdonalds willkommen sei. Spott in Frankreich. Paris, 19. Juni. Pertinax äußert sich in sehr spöt tischer Weise über die Reden Dawes und Henderson. Man müsse feststellen, daß der größere Schlaukopf von beiden General Dawes sei. In seiner Rede, die dem Frieden geweiht sei, habe er eine Drohung ausge sprochen. Wenn es England und Amerika nicht ge lingen sollte, sich über das Ausmaß ihrer Flotten zu ver ständigen, so werde das vom amerikanischen Kongreß be schlossene Programm durchgeführt. Aus den Worten des General Dawes gehe hervor, daß Amerika von Eng land fordere, ihm die Führung in den Schlachtkreuzern zu überlassen, wenn England die Anzahl kleiner Kreuzer erhalten wolle, die es für die Beaufsichtigung seiner Handelslinien benötige. Von den Rettungsmannschaften sind bisher 30 Leichen geborgen. Sechs Meteorologen, die trotz der großen Ge fahr das Lavagebiet zu erforschen suchten, werden ver mißt und sind wahrscheinlich ums Leben gekommen. Das Erdbeben in Neuseeland. London, 19. Juni. Nach ergänzenden Berichten aus Auckland in Neuseeland befürchtet man, daß das ganze Städtchen Lyell mit einer Bevölkerung von etwa 2000 Köpfen bei dem letzten Erdbeben vollständig zerstört wurde. Lyell, etwa in der Mitte zwischen Murzhison und Westport, liegt im Zentrum der Erdstöße und hat am schwersten gelitten. Bis zum Augenblick hat man von den Bewohnern der Stadt kein Wort gehört und von verschiedenen Autos, die dorthin abqingen, liegen gleich falls noch keine Nachrichten vor. Neueste Nachrichten. Der Besuch Dr. Stresemanns in Barcelona. Madrid, 19. Juni. Die Blätter berichten in großer Aufmachung über den Besuch Dr. Stresemanns in Barcelona und weisen dabei besonders auf die Bedeu tung für die deutsch-spanischen Beziehungen hin. „La Nacion" veröffentlicht außerdem eine Unterredung mit Dr. Stresemann und hebt mit Genugtuung hervor, daß der deutsche Außenminister den Aufschwung Spa niens restlos anerkannt habe. Weltkongreß der Frauen in Berlin. Nach einer Woche voller Vorbereitungen ist am Montag in Berlin die Jubiläumstagung des Welt bundes für Frauenstimmrecht und staatsbürgerliche Großfeuer in der Porzellanfabrik Saxonia. Neuhaldensleben, 19. Juni. Die Porzellanfabrik „Saxonia" ist in der vergangenen Nacht durch ein Groß feuer fast völlig eingeäschert worden. Das Feuer nahm seinen Ausgang vom Glühboden. Von hier breitete es sich mit unheimlicher Schnelligkeit aus und ergriff die Dreherei, Gießerei, die sehr wertvollen Modellstuben bzw. Modelle, die Kapseldreherei und das außerordent lich wertvolle Weißlager. Die Feuerwehren mußten sich darauf beschränken, die gefährdeten Nachbargebäude zu schützen. Das Kesselhaus ist vom Feuer verschont ge blieben, ebenso das Fertiglager und die Malereien. Der Schaden soll sich auf rund 500 000 Mark belaufen. Locarno Tagungsort der internationalen Konferenz? Paris, 19. Juni. Der „Neuyork Herald" will wissen, die französische Regierung werde dafür eintreten, daß die internationale Konferenz Anfang August stattfinde. Briand werde wahrscheinlich als Verhandlungsort eine Stadt in der Schweiz, etwa Locarno, vorschlagen. Wenn sich Deutschland und Frankreich erst einmal über diese Fragen geeinigt hätten, würden die anderen alliierten Länder sicher ohne Schwierigkeiten ihre Zustimmung geben. Drei Todesopfer eines Eisenbahnunglücks. Kattowitz, 19. Juni. Im Bereich der Eisenbahn direktion Radom fuhr ein Eilgüterzug infolge falscher Weichenstellung auf ein totes Gleis. Die Maschine und acht Wagen entgleisten. Drei Beamte, die sich im Pack wagen befanden, wurden getötet und zwei weitere schwer verletzt. Teilstreiks im polnischen Bergbau. Kattowitz, 19. Juni. Auf mehreren Gruben der Sosnowitzer Bergbaugesellschaft sind Teilstreiks aus gebrochen, weil den Arbeitern nur 70 v. H. der Löhne ausgezahlt wurden. Etwa 5000 Arbeiter sind in den Streik getreten und erklären, die Arbeit nicht eher auf zunehmen, bevor sie nicht ihren vollen Lohn erhalten haben. Schweres Eisenbahnunglück in Ostflandern. — Acht Tote, fünfzehn Verwundete. Brüssel, 19. Juni. Infolge eines Erdrutsches ent gleiste heute früh die Lokomotive eines Eisenbahnzuges bei Moerbeke in der Nähe von Kramont (Ostflandern) und legte sich quer über die Schienen. Wenige Augen blicke später kam aus entgegengesetzter Richtung ein Zug der Arbeiter aus Gent beförderte und fuhr auf die Trümmer auf. Die Wirkung war entsetzlich. Mehrere Wagen wurden zerstört. Bisher konnten acht Tote und fünfzehn Verletzte geborgen werden. Schwere Gewitter über Italien. Mailand. 19. Juni. Ueber Bari und Umgebung gingen gestern heftige Eewitterstürme nieder. Ununter brochene Blitzschläge, Hagel- und Wolkenbrüche ver setzten die Bevölkerung in Schrecken. In Canossa sApu- lienj richtete der Hagel großen Schaden an. Ein Bauer wurde auf freiem Felde vom Blitz erschlagen. In Era- vina hat der Sturm die ganze Ernte vernichtet. Aus Tarent und Foggia werden große Ueberschwemmungen gemeldet. In Tarent wurden zwei Arbeiter vom Blitz getötet. Der Sachschaden ist überall sehr groß. Rückkehr der 35 italienischen Wasserflugzeuge. Die 35 italienischen Wasserflugzeuge sind am Dienstag von ihrem Balkanflug nach Tarent zurückgekehrt. Als letzte Etappe werden sie nach Orbetelle am Thyrre- nischen Meer fliegen und unterwegs über Rom kreuzen. Folgenschwere Ueberschwemmungen in Indien. Kairo, 19. Juni. In der Provinz Assam richteten Ueberschwemmungen großen Schaden an. Mehrere 100 Menschen sollen in den Fluten umgekommen sein. Die Ernte wurde fast völlig vernichtet. Starke Regen güsse begünstigten ein weiteres Steigen des Wassers. Die Regierung hat Maßnahmen getroffen, um der not leidenden Bevölkerung zu helfen. Riesenhitze in Amerika. Neuqork, 19. Juni. Die Hitze hat sich in den letzten 24 Stunden noch gesteigert. Die Temperatur bewegt sich zwischen 28—33 Grad. Täglich erkranken viele Leute an Hitzschlag. Nach den meteorologischen Be richten besteht noch keine Aussicht auf Nachlassen der Hitze und Regen. Frauenarbeit erfolgt. Dem Bund gehören Frauenoer bände aus 43 Nationen an. — Unser Bild zeigt die Präsidentin des Kongresses, Mrs. Corbett Assby bei der Begrüßungsansprache. Rechts von ihr das Kongreß präsidium. Der schrankenlose Bahnübergang. Apenrade, 19. Juni. Der Kraftwagen des Tabak reisenden Schmalfeld aus Aarhus, in dem sich außer dem Reisenden noch dessen Frau befand, wurde am Bahn übergang bei der Station Riis auf der Strecke Apen rade—Rotenkrug von einem Zuge erfaßt und über hundert Meter mitgeschleift. Die Insassen wurden schwer verletzt. Der Bahnübergang ist sehr unübersicht lich und hat keine Schranken.