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politische K-tmälebau. Der russisch-japanische Krieg. " Die Japaner haben an? dem Wege zur engen Einschließung von Port Arthur neue wesentliche Fortschritte gemacht: einbedeuten- des, etwa 30 000 Manu starkes Korps ist an der Westküste der Kwantung-Halbinsel, 15 Kilometer von der eigentlichen Festung, unter dem Schutze der dort anwesenden japanischen Flotte anLandgesetzt worden. Die Russen leisteten geringen Widerstand; nur wenige Schüsse fielen von den Strandbatterien, damit ist der Ring der Angreifer geschlossen, ein a l l- geweiner Sturmangriff auf Port Arthur selbst wird bald erwartet. *Mit großer Verspätung berichtet jetzt Statthalter Alexejew über die Vorgänge vor Port Arthur am Anfang dieses Monats an den Zaren. Wie er erfahren haben will, wurde am 3. und 4. d. auf dem rechten Flügel der russischen Verteidigungslinie um den Besitz der Stellungen bei Lunwantang gekämpft. Die Japaner wurden zurückgedrängt. Der Kreuzer „Nowik", die Kanonenboote und Torpedoboote beschossendiejapanischenStellungen nnd trugen zum Erfolge bei. Am 6. d. nahmen die Russen einen Berg, der den Besitz des Lunwantangpasses sichert. Aus russischer Seite wurden in diesen Gefechten 4 Offiziere und 35 Mann getötet und 6 Offiziere und 268 Mann verwundet. Die Verluste der Japaner be trugen angeblich nach „Aussagen von Chinesen" 2000 Mann. *An Stelle des erkrankten Generals Kuroki hat einstweilen General Oy-ama das Kommando über dessen Armee über nommen. *Die dem deutschen Postdampfer „Prinz Heinrich" abgenommenen Post - sScke (bis auf zwei für Japan bestimmte) hat der russische Hilfskreuzer „Smolensk" wieder ausgeliefert, aber nicht an ein deutsches, sondern an ein englisch es Schiff. Wie aus Aden vom Dienstag berichtet wird, hat der „Smolensk" die dem „Prinz Heinrich" abge nommene Post dem nach Bombay bestimmten Dampfer „Perfia" der Peninsular- and Oriental- Line übergeben. — Die Beschwerde, die die deutsche Regiemng in Petersburg sofort hat er heben lassen, ist also nicht ohne Wirkung ge blieben. * * * Deutschland. t. Ein Besuch des Kaisers in Ham burg steht für den September bevor. Der Monarch gedenkt seinen Aufenthalt in Mtona gelegentlich des diesjährigen Kaisermanövers um einen Tag zu verlängern, um am 6. Sep tember einer Einladung des Hamburger Senats zu einem Festessen Folge zu geben. Am 4. September wird Kaiser Wilhelm auch dem großen Rennen des Hamburger Sportklubs auf der Rennbahn in Großborstel beiwohnen. *Jm Königsberger Geheimbun d- und HochberratSprozeß wurde in der Ver handlung vom 16. d. auf die Vernehmung deS Oberstaatsanwalts Dröscher verzichtet, da derselbe sich aus einer Reise befinde, und zurzeit nicht zu erreichen sei. Sodann wurde der Redakteur der Most' Ruhkopf vernommen, der erklärte, der frühere Expeditionsgehilfe beim .Vorwärts', Abel, sei eines Tage? in höchster Entrüstung im RedaktronSbureau der Most' erschienen und habe ihm uiitgeteilt, Abg. Bebel habe im Reichstage erklärt, die Ruffen ver kehrten in der Buchhandlung deS .Vorwärts' nur, um Schriften zu kaufen. Das sei unwahr. Im Keller deS Hauses Lindenstraße 39 lägen zahl reiche Pakete mit russischen Druckschriften. Geschäftsreisender Abel bestätigte diese Bekundung. Die Lüge Bebels im Reichstage, erklärte der Zeuge Abel, habe ihn veranlaßt, der Most' diese Mit teilung zu machen. Der Vorsitzende machte den Zeugen darauf aufmerksam, daß er eine schwere Beschuldigung gegen einen Abwesenden, der sich nicht verteidigen könne, ausgesprochen habe. Der Zeuge muß schließlich zugeben, daß er mehrfach wegen entehrender Vergehen bestraft und aus der Expedition des ,Vorwärts' wegen Unterschlagung von 100 Mark entlassen worden sei. Der Vor steher der Expedition des .Vorwärts', Glocke, wurde vom Vorsitzenden zur Rede gestellt, weil er vor dem Untersuchungsrichter in Berlin nicht alles gesagt habe. Glocke bemerkte, er habe niemand Ungelegenheiten bereiten wollen. Der Vorsitzende erwiderte, daß dies eine Begünstigung bedeute. Es scheine ein Grundsatz der Sozialdemokraten zu sein, mit der Wahrheit zurückzuhaltsn. Gegen diese Be merkung protestierte der Verteidiger Rechtsanwalt Haase. Der Satz sei jedenfalls in dieser Allgemein heit vollständig unbegründet. Der Gerichtshof be schloß, Glocke nicht zu vereidigen. Sodann wurde darauf die Verhandlung bis Montag vertagt. — In der Morttagsverhandlung verlas der Vorsitzende ein Schreiben des als Zeugen geladenen Plechanow, in dem dieser erklärt, nicht erscheinen zu können, da er befürchte, nach seiner Zeugenaussage an die russische Grenze gebracht zu werden. Nach Vernehmung des Sachverständigen und Zeugen Professor v. Reußner beschloß der Gerichtshof, durch Vermittelung des Justizministers das Auswärtige Amt um amt liche Auskunft zu ersuchen, ob bezüglich des Beibehaltung des bisherigen Maßes von V« Liter, das in der neuen Maß- und Gewichts ordnung nicht aufgeführt ist. Der Gebrauch dieses Maßes ist in den betreffenden Kreisen noch so üblich, daß man ohne dasselbe nicht auskommen zu können meint. * über den Gesundheitszustand der Truppen in Deutsch-Südwestafrika teilt die ,Deutsch-Südwestafrik. Ztg/ vom 22. Juni mit, daß bei der früheren Ostabteilung (in Otji- haenena) derTyphus endlich imErlöschen begriffen ist. Die Abteilung v. Estorfs hat bis jetzt 10 Prozent Abgang durch Krankheiten, woran der Typhus einen nicht unerheblichen Anteil trägt. Die Kranken dieser Abteilung werden in ein in Otjisundo errichtetes Lazarett Krüger nach Südafrika und ihre Be erdigung in Transvaal zu gestatten. Dies bezügliche Anordnungen sind fofort nach Süd afrika gesandt worden. Die Befürchtung, es könnte bei der Beisetzung Krügers zu anti englischen Kundgebungen in Südafrika kommen, hat also erfreulicherweise nicht den Ausschlag gegeben, der letzte Wunsch des einstigen Staats oberhauptes wird erfüllt werden. Paul Krüger wird sein Grab in dem Lande finden, in dem er gekämpft und gelitten hat, an der Seite seiner Gattin und seiner vor ihm gefallenen Söhne. Rußland. * Der Zar nahm in Slatoust und Samara noch weiter Paraden ab über die für den Xarte äec Lefestiqungslimen von Port ^tbur. 8 260 des russischen Strafgesetzbuches ein StaatS- vertrag oder ein veröffentlichtes Gesetz be stehe, kraft dessen dem Deutschen Reiche die Gegen seitigkeit gewährleistet ist. Im weiteren Verlauf der Verhandlung wurden mehrere Angestellte der Expe dition des.Vorwärts' über den Verkehr von Russen in den Räumen des .Vorwärts' vernommen. Bruhns gab zu, daß an ihn einmal ein Paket aus England gekommen sei, und daß als Name. deS Absenders eines Pakets der Mädchenname seiner Frau an gegeben war. Nach Vereidigung der Zeugen wurde die Verhandlung vertagt. * Die Begutachtung des Entwurfs zur neuen Maß- und Gewichtsordnung wird von den wirtschaftlichen Korporationen fortgesetzt. Wie sich bisher ergibt, macht sich gegen den Vorschlag der Einführung einer Neubezeichnung für 100 Kilogramm durch das Wort „ Neu- z e n t n e r " immer mehr Widerspruch bemerk bar. Man weist darauf hin, daß diese Be zeichnung von dem Worte „Doppelzentner" doch nur wenig abweicht, letztere Bezeichnung aber immer mehr gebraucht werde, auch überall in die Statistik eingeführt sei. Mit der Einführung des Eichzwanges für Bierfässer haben sich die meisten befragten Korporationen einverstanden erklärt. Die Spirituosenhändler wünschen die gebracht, dessen Vergrößerung im Werle ist. Zu der Hauptabteilung geht demnächst ein Feld lazarett ab. Österreich-Ungarn. *Jm ungarischen Abgeordnetenhaus« rollte der Kossuthift Polonyi anläßlich der Debatte über die Erhöhung der Zivilliste abermals die Thronfolgefrage auf. Er erklärte von neuem, daß die seinerzeit vom Erzherzog Franz Ferdinand abgegebene Erklärung bezüglich seiner Gemahlin für Ungarn keinerlei Wert habe, denn in Ungarn sei eine kirchlich angelraute Gemahlin eines Königs unter allen Umständen Königin. Polonyi ging noch weiter und fragte, wer werde der Nach folger des einstigen Königs Franz Ferdinand sein. Der Redner kam dabei zu ungeheuerlichen Schlüssen, denen Tisza sehr geschickt begegnete, indem er erklärte, über diese Frage könnten niemals Zweifel aufkommen, sie sei in der Gegenwart und für alle Zukunft endgültig geregelt. England. *Die englische Regierung hat beschlossen, die Überführung der Leiche des Expräsidenten Kriegsschauplatz bestimmten Truppen und segnete diese mit Heiligenbildern. — Die Ab reise des Zaren nach dem Innern des Reiches war, wie der ,Tägl. Rundsch/ berichtet wird, in Petersburg verheimlicht worden. Es war ein ganz persönlicher Entschluß Nikolaus' II., den ins Feld ziehenden Kriegern den Ab- schiedsgrnß zu entbieten, da die früher für August geplante R eis e des Kaisers n a ch dem Kriegsschauplatz anscheinend end gültig auf gegeben ist. An der Aufgabe der Reise ist der schleppende Verlauf des Krieges schuld, den man in Petersburg nicht erwartet hatte. Man hatte im Frühjahr viel mehr in militärischen Kreisen angenommen, daß es spätestens bis Mitte Juni zu einer Ent scheidungsschlacht zu Lande gekommen sein und daß sich bis dahin die Verlegenheit des russischen Landheeres und seiner Führer un widerleglich gezeigt haben würde. Diese Hoffnungen haben sich nicht erfüllt, und der Zar gab deshalb den ursprünglichen Plan auf und begnügte sich damit, im europäischen Ruß land vor die Truppen zu treten. A Der sauberer von Paris. 7j Roman von S. I. Weymann. billig.) Was Herr von Vidoche auch in dem unbe weglichen Antlitze, das sich im vollen Lichte der Kerze bleich von der Wand äbhob, lesen mochte — er schüttelte sich und schlug schweigend die Augen nieder. Es schien sogar, als habe er plötzlich seinen Appetit verloren, denn er brütete über seinem Teller und berührte kaum die dampfende Speise. Die vier Kerzen flackerten unruhig plötzlich fiel der Blick des vornehmen Henn auf die Flammen und im Augenblick trat das Bild eines Sarges vor seine Augen — das ganze Zimmer schien mit schwarzem Flor be hangen und auf dem Bette lag die steife Gestalt einer Fran mit Hellem goldigen Haar — und dann wechselte die Szene und andre Bilder ent hüllten sich vor den entsetzten Augen des Starrenden. Wie um das Schreckbild zu vertreiben, sprang Herr von Vidoche plötzlich auf, setzte sich aber sogleich wieder, als schäme er sich feiner Erregung, und begann die Mahlzeit hastig zu verschlingen Der Schwarzkünstler schien das seltsame Betragen des Mannes nicht bemerkt zu haben. Er wandte sich verbindlich an Madame und machte eine gleichgültige Bemerkung über den Zustand der Wege. Sie antwortete zerstreut. „Ihr betrachtet meinen Knaben," sagte der Schwarzkünstler, sich nach Jehann umdrehend, der hinter dem Stuhle stand und alle Be wegungen des Meisters mit ängstlicher Auf merksamkeit verfolgte; „ich will gerne glauben, daß der Bube die Augen der Damen auf sich zieht." „Es ist ein schönes Kind," sagte Madame mit trübem Lächeln. „Ganz und gar kein übler Bursche," be stätigte der Astrolog. „Jedenfalls wird er nie mals nötig haben, von den weisen Männern ein gewisses Ding zu kaufen, das den meisten Menschen so begehrenswert erscheint!" „Und das wäre?" fragte Madame, zum ersten Male Interesse zeigend. „Ich meine einen Liebestrank. Sein Außeres wird ihm denselben ersetzen, — er besitzt in dieser Hinsicht den gleichen Vorzug, wie Madame." Der Astrolog versuchte, sein liebenswürdigstes Gesicht auszustecken. Madame lächelte wehmütig. „Gibt es denn wirklich ein solches Ding?" hauchte sie errötend. „Ist es denn wahr? Ich meine ... ich habe derartige Geschichten immer für Ammenmärchen gehalten." „Und dennoch gibt es Liebestränke eben sogut wie Güte und Gegengifte," versicherte der Astrolog, Plötzlich in seinen früheren Ernst zurückfallend.' „Nehmt Ihr z. B. von dem Königskraut, so steigt es Euch in die Nase und Ihr müßt niesen. Könnt Ihr nicht schlafen, so erweist sich Euch der Paracelsustrank als unfehl barer Freund, und habt Ihr Sausen in den Obren, so treibt Euch die Borarinde das Blut aus dem Kopfe. Warum sollte denn die Kraft, Liebsssehnen zu erwecken, wunderbar sein? Zweifelt Ihr immer noch, Madame, so dürft Ihr nur um Euch schauen. Da könnt Ihr sehen, wie junge Männer alte Frauen lieben, wie sich die Vornehmen mit Leuten niedrigen Standes ver binden oder gar, wie die Häßlichen verstehen, die Liebe der Schönen zu reizen. Ohne erst lange zu suchen, könnt Ihr hundert Heiraten finden, deren einziges Geheimnis der Liebes trank ist. Glaubt mir, niemand anders als wir weisen Männer bringen diese Leute zu sammen. Ich spreche die Wahrheit, ohne dabei an meinen Vorteil zu denken — — denn Madame de Vidoche wird niemals eines andern Zaubermittels bedürfen, als ihrer sckönenAugen!" Madame wagte nicht, aufzublicken. Sie spielte verlegen mit ihren Handschuhen und seufzte: „Und dennoch heißt es, daß die Ehen im Himmel geschlossen werden!" „Und das ist ganz richtig. Vergeßt nicht, daß wir Astrologen unsre Kenntnisse aus dem Himmel schöpfen und unsre Weisheit in den Sternen lesen!" Seine Stimme klang feierlich und überzeugend, aber sein Gesicht! sein Gesicht! es war gut, daß Madame ihn nicht anblickte. Bevor sie das Gespräch fortsetzen konnten, fiel Herr von Vidoche ungestüm ein: „Was für ein Blödsinn ist das! Habt Ihr denn noch nicht genug geschwatzt! Mit Verlaub werde ich jetzt dem Schurken von einem Wirt die Rechnung zahlen. Wir wollen uns möglichst schnell davonmachen — das heißt, Frau, wenn du nicht etwa Lust hast, weiter zu schwatzen und die Nacht auf dem Wege zu verbringen. Wo sind denn diefe Esel von Bedienten?" Er stand auf, ging an die Tür nnd rief hinaus. Dann kam er plötzlich polternd zurück und macht« sich , reisefertig. Bei all seinem Toben und Gestampfe vermied er das Auge des Schwarzkünstlers. Sogar als er „Gute Nacht" wünschte, — so ganz nebenbei , und zwischen den Scheltworten, die seine. Frau zur Eile mahnten — wandte er sich nicht um. Er verließ das Zimmer, indem., er anscheinend dem Zuknöpfen seines Mantels seine ganze Aufmerksamkeit schenkte. Die meisten Leute würden eine derartige Behandlung übel genommen haben. Der Astrolog jedoch sah den Scbeidenden mit höhnischem Lächeln nach, das breiter und breiter wurde, bis es sich zum Schrecken Jehanns zu einer förmlichen Grimasse verzerrte. Plötzlich öffnete sich die Tür und Herr von Vidoche trat in vollem Reisekostüm ein. Ohne die Augen zu heben, ging er auf seinen früheren Platz und tat, als ob er nach einem verlorenen Gegenstand suche. „O, . . . da ich nun gerade einmal hier bin ..." er stockte. „Meine Adresse ?" fragte der Schwarzkünstler grinsend. „Am Ende der Rue Tauchet in dem Quartier du Marais, in der Nähe des Flusses." Er machte eine spöttische Verbeugung und fuhr fort: „Es wird mir zum größten Vergnügen gereichen, dort das Horoskop Eurer Gattin zu stellen oder Euch irgend ein kleines Medikament zu verkaufen, falls Ihr für dasselbe etwa Verwendung haben solltet." „Ich glaube gar, Ihr seid der Teufel!" murmelte Herr von Vidoche zwischen den Zähnen.