Suche löschen...
Ottendorfer Zeitung : 04.12.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-12-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190312048
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19031204
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19031204
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-12
- Tag 1903-12-04
-
Monat
1903-12
-
Jahr
1903
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 04.12.1903
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
PolitilNe Aunäscbau. Deutschland. *Für die mazedonischen Flücht linge sandte Kaiser Wilhelm an die Prinzessin Klementine von Koburg 2000 Frank mit einem Begleitschreiben, worin er seinem Mitgefühl mit den Leiden der Mazedonier Aus druck gibt. *Der Bundesrat stimmte in seiner letzten Sitzung den Ausschußberichten über die Vorlage betr. den Paragraphen 12, Absatz 3, des Gesetzes betr. die Schlachtvieh- und Fleischbeschau vom 3. Juni 1900, und über den Entwurf des Etats des Reichsheeres zum Neichshaushalts-Etat für 1904 zu. * Gerüchte vombaldigenRücktritt dessächsischen Ministers des Innern, Frh. v. Metzsch, werden als falsch bezeichnet. * Im Reichstage sind bereits verschiedene Fraktionssitzungen angesetzt worden, wie die Freikonservativen, die Nationalliberalen, die sozialdemokratische Fraktion. Es dürfte sich bei den Naiionalliberalen und Sozialdemokraten u. a. um Vorbesprechungen für die Präsi dentenwahl, die höchstwahrscheinlich am 10. d. stattfinden wird, handeln. * Im Finanzausschuß der bayrischen Kammer der Abgeordneten erklärte Lei Beratung des Etats der Münzanstalt der Finanzminister Frh. v. Riedel, daß beabsichtigt sei, an Stelle der jetzigen 50 Pfennig-Stücke ein anderes dickeres und stärker legiertes Münz stück einzuführen. * Am 28. v. abends starb in Polen auf der Straße am Herzschlag der polnische Reichstags- und Land tagsabgeordnete für Schrimm-Schroda, Ritterguts besitzer Joseph b. Glembocki. Herr v. Glembocki ist nur 47 Jahre alt geworden. * Aus Deutsch - Südwestafrika meldet ein am Montag in Berlin eingelaufenes' amtliches Telegramm des Gouverneurs in Windhoek, daß Hauptmann v. Koppy am 21. v. mit der dritten Kompanie und Witbois die feindliche Stellung bei Sandfontein südlich von Warmbad erstürmt habe. Auf feiten der Schutztruppe seien keine Verluste entstanden, die Verluste des Feindes unbekannt. Die geraubten Frachtwagen seien zurückerobert, Munition und Vieh erbeutet worden. Österreich-Ungarn. * Die SiebenbürgerSachsen wollen mit dem Min st er Präsidenten Grafen Tisza gehen. In einer Konferenz der führenden Politiker sächsischer Nationalität zu Hermannstadt wurde beschlossen, den sächsischen Wählern aller Wahlkreise zu empfehlen, sie mögen ihre Zu stimmung dazu erklären, daß die bisher partei losen sächsischen Abgeordneten in die liberale Partei eintreten. * In der Dauersitzung des ungarischen Abge ordnetenhauses am 28. v. erwiderte der ehe malige Ministerpräsident Graf Khuen- Hedervary auf eine Bemerkung des Abge ordneten Polonyi und legte die Einzelheiten der seinerzeit stattgehabten Verhandlung mit der Opposition dar. Er sagte, er habe die Über zeugung gewonnen, daß mit friedlichen Niittein, die er versucht, im Parlament die Ordnung nicht herzu st eilen sei; deshalb sei er entschlossen, seinen Nachfolger, der die verfassungsmäßige Ordnung — mit welchen Mitteln auch immer — Herstellen werde, mit Leib und Seele zu unterstützen. Mankreich. * Die auf das Nevisionsgesuch des Hauptmanns Dreyfus bezüglichen, vom französischen Kriegsministerium dem Justiz- minister Balle zugestellten Akten hat dieser einer Prüfung unterzogen und sie darauf der im Justizministerium bestehenden Kommission über wiesen, die über die Zulässigkeit des Revisions- gefuches zu befinden hat. * Die Deputierten-Kammer lehnte einen An trag, das Kreuz vom Giebel des Pariser Pantheons zu entfernen, ab. England. *Jm englischen Mini st errat, der un- erwarret einberufen wurde, soll die Auf- lösungdesParlaments bald nach dessen Einberufung für die nächste Tagung beschlossen worden sein. Die Neuwahlen sollen im Februar oder März stattfinden. Holland. *Der Entwurf eines neuen Sonntags gesetzes wird binnen kurzem an die Kam mern und den Staatsrat gehen. Es handelt sich darin nicht um Sonntags ruhe, sondern um Sonntags Heiligung. Strenge Be stimmungen schreiben die Schließung der Kaus läden vor; Theatervorstellungen und Musik- aufführungen werden verboten. Dänemark. *Jm Follething brachte am Freitag der Ministerpräsident einen Gesetzentwurf ein, durch welchen die Reichstagsdiäten für die Zeit vom Sessionsbeginn bis zu Ende des Finanzjahres von 6 auf 10 Kronen täglich erhöht werden, nach dieser Zeit aber wie bisher 6 Kronen betragen sollen. * Die dänische Regierung plant dieWieder- einführung der Prügelstrafe. Der Justizminlster hat im Folksthing einen Gesetz entwurf eingebracht, der für schwere Verbrechen, insbesondere für Ro h eits v e rb r e ch e n die Zulässigkeit der Prügelstrafe verlangt. Dieser Vorschlag begegnet dem stärksten Wider- stand der Linken; der Minister hat jedoch einigen Abgeordneten gegenüber erklärt, die Re gierung sei durchaus entschlossen, sich mit allen Kräften für die Annahme des Gesetzentwurfs einzusetzen. Ruhland. * Die Verhandlungen zwischen Japan und Rußland haben durch die Krankheit der Zarin eine Verzögerung erfahren, die in Japan sehr verstimmt. Balkanstaate». *Jn bezug auf die tatsächliche bisherige Durchführung von Reformmaßregeln in Mazedonien widersprechen jüngst aus Kon stantinopel eingetroffene Konsularberichte den günstigen Berichten der türkischen Blätter über die Reorganisation der Gendarmerie und der Flurhüter und die Wiederherstellung der ver brannten Häuser. Alle diese Meldungen eilten den Tatsachen weit voraus, da die angekündigten Erfolge, wie die Konsularberichte feststellten, noch nicht erzielt sein. "Die ordentliche Tagung der rumänischen gesetzgebenden Körperschaften wurde am 28. v. mit einer vom König Karol verlesenen Bot schaft eröffnet, in der es heißt, die Beziehungen Rumäniens zu allen Staaten seien fortdauernd die besten, und durch seine kluge Haltung habe Rumänien zur Aufrechterhaltung des Friedens beigetragen, ein Ziel, das von den Großmächten ohne Unterlaß verfolgt werde. Amerika. * Kolumbien erklärte der französischen Regie rung amtlich, sie werde die Gerechtsame der französischen Kanalgesellschaft für nichtig er klären und den Panama-Kanal beschlag nahmen, wenn die Gesellschaft ihre Rechte an die Ver. Staaten abtrete. In Paris nimmt man diesen Einschüchterungsversuch nicht ernst, da man weiß, daß Kolumbien nicht imstande ist, seine Drohung zu verwirklichen. *Der verjagte Präsident von San Domingo, General Wos-Y-Gil, hat sich mit dem Minister Brache an Bord des deutschen Kreuzers „Falke" begeben. * In den Beziehungen zwischen der Republik San Domingo auf Haiti und den Ver. Staaten sind neuerdings — den letzteren vielleicht nicht ganz unwillkommen — Schwierig keiten eingetreten. Eine New Parker Gesellschaft stand mit der Regierung der Republik in Unter handlungen wegen ihrer Ansprüche von 5 Mill. Dollar. Die neue Regierung der Republik unter Ximenes weigert sich aber, die von dem früheren Präsidenten Wos-Y-Gil in dieser Angelegenheit unternommenen Schritte anzuerkennen. Der Geschäftsträger der Ver. Staaten in San Domingo hat bereits Protest erhoben. Asten. * Eine Einverleibung von Tibet in China, jedenfalls die Erschließung Tibets für den Handel wird angestrebl. * Aus Taschitschao wird ein heftiger Zu sammenstoß zwischen Russen und Chunchusen gemeldet; dabei sind vier Russen gefallen, neun Gemeine und ein Offizier wurden schwer verwundet. — Nach einer weiteren Meldung sollen Truppen des Generals Mah in Tfinwendao erschienen sein, die fried- liche Chinesendörfer plündern, die Nähe europäischer Truppen aber meiden. Es verlautet auch, daß sich Boxer gezeigt hätten, und daß die chinesische Regierung Chunchusen, die den regulären Truppen beitreten, volle Amnestie verheiße. Dem weißen Tode entronnen. Die Nachricht von der glücklichen Bergung der seit Jahren verschollenen Nordenskjöld-Ex- pedition hat in der skandinavischen Gelehrten welt begreiflichen Jubel erweckt. Die Genug tuung ob der jetzt eingetretenen Wendung in dem Schicksal des Südpolarsahrers ist um so größer, als die positiven Hoffnungen auf einen erfolgreichen Ausgang des unlängst in Szene gesetzten Rettungsunternehmens sich zuletzt nur noch in einem sehr bescheidenen Rahmen be wegten. Es war in den heutigen arktischen und nautischen Zirkeln durchaus kein Geheim nis, daß sowohl die Ausrüstung der Expedition mit Lebensmitteln, wie auch die technische Ver fassung des Forschungsfahrzeuges keine solche war, um den Verlauf einer dritten Überwinte rung in einem für die Reisenden verlockenden Lichte erscheinen zu lassen. Tatsächlich erhellt auch aus den vorliegenden Kabelmeldungen, daß die altersschwach gewor dene „Antarctic" während der kritischen Über gangsperiode vom Spätsommer zum Polar winter infolge der heftigen Eispressungen in den Umgebungen des Shetlands-Archipels ihren Untergang gefunden hat. über den äußeren Verlauf der Antarctic-Expedition dürften fol gende Einzelheiten kurz in Erinnerung zu rufen sein. Die aus 26 Personen bestehende Be satzung verließ am 16. Oktober 1901 die Rede von Gotenburg. N^ch strapazenreicher über fahrt durch die Tropen, wo der größte Teil der an Bord mitgeführten Eskimohunde der unge wohnten Wärme zum Opfer fiel, von woüberStaten Island der Kurs nach der Süd-Shetland-Gruppe genommen wurde. Auf den Shetland-Inseln wurde zunächst ein Proviantdepot für die nach folgende Überwinterung errichtet, worauf am 16. Januar ein energischer Vorstoß nach der weiter südlich gelegenen Küste von König Oskar- land unternommen wurde. Der Versuch verlief resultatlos, da sich eine 28 bis 30 englische Meilen lange Eisbarriere den Reisenden in den Weg stellte und sie zur Rückkehr nach Kap Seymour (einer dem Shetland - Archipel vorgelagerten Streuinsel unter 64 Grad 35 Min. s. Br.) zwang. Am 14. Februar waren die Vorbereitungen sür die Überwinterung so weit abgeschlossen, daß die „Antarctic" sich nach der Feuerlandküste zurück ziehen konnte, während die aus sechs Personen bestehende Forschung? - Abteilung in fliegender Eile ihre Blockhütte gegen den mit aller Schärfe hereinbrechenden Winter durch mächtige Schnee wälle und dergl. zu schützen trachtete. Die Proviantvorräte waren nur gering, doch hatte man rechtzeitig sür die Anlegung von Jagd depots Sorge getragen, für welche die auf den Shetland-Inseln sporadisch vorkommenden Pinguinkolonien und Robbenplätze das „Wild bret" lieferten. Der wissenschaftliche Teil des Winter aufenthalts war hauptsächlich erdmagnetischen, meteorologischen und topographischen Unter suchungen gewidmet, wobei verabredungsgemäß genau derselbe Arbeitsplan innegehalten wurde, wie ihn die deutsche „Gauß"- und die eng lische „Discovsry" - Expedition befolgte. Die „Antarctic", die sich noch glücklich den Um armungen der nachdrängenden Staueismasfen entzogen hatte, unternahm während der Winter monate (März-Oktober) mehrere Spezial- exkurfionen nach Südgeorgien, Patagonien u. a. O. und trat am 5. November 1902 von neuem die gefahrvolle Reise nach dem Innern der Eiswüste an, um die auf Kap Seymour harrenden Forscher abzuholen. Diese Fahrt sollte die letzte sein, welche das alterprobte Polarschiff zurücklegen durfte. Am 14. Februar geriet das Fahrzeug von neuem in dichtes Treibeis, die Schraubungen nahmen bald eine derartige Heftigkeit an, daß die an Bord be findliche Besatzung schleunigst alle beweglichen Gegenstände, darunter auch die wertvollen Tage bücher und Instrumente, auf der Ludwig- Philipp-Jnsel an Land schaffte und das sinkende Schiff seinem Schicksal überließ. Damit war der weiteren Tätigkeit der Expedition ein Ziel gesetzt und voll sehnsüchtiger Erwartung wurde von nun an nach dem Erscheinen des Ersatz schiffes Ausschau gehalten. Ein gütiges Schick sal hat es gefügt, daß die von fremder Seite beschaffte Hilfe noch zu einem Zeitpunkt eintraf, wo die Teilnehmer der Expedition — mit Aus nahme eines einzigen Mitglieds der nautischen Befatzung — wohlbehalten ihrer Heimat zurück gegeben Werden konnten. (,Münch. N. N«chr/> Von rmä fern. Senator Dr. v. Oven, der letzte Vertreter der freien Stadt Frankfurt, deren erster Bürger meister er im Jahre 1864 gewesen war, ist am Frestag zu Frankfurt a. M. im 87. Lebensjahre gestorben. Graf Hektor Kwileeki wünscht gegenüber anderweitigen Mitteilungen festzustellen, daß weder er noch seine Eltern Zeugengebühr im Prozesse gegen die Gräfin Isabella Kwilecki liquidiert haben. Es habe eine derartige Ab sicht überhaupt nicht bestanden. Eine besondere Auszeichnung sür Ret tung eines Menschenlebens wurde dem Pionier Sandhofer von der 4. Kompanie des in Har burg garnisonierenden Pionierbataillons zuteil; er wurde zum Gefreiten befördert, west er dieser Tage den fahnenflüchtigen Hautboisten Hilms vom Infanterie-Regiment Nr. 71 der sich durch einen Sprung in das Wasser seiner Verhaftung zu entziehen versuchte, mit eigener Lebensgefahr vom sicheren Tode des Ertrinkens gerettet hat. Gleichzeitig wurde dem Kaiser eingehender Be richt über diese Angelegenheit erstattet, so daß zu erwarten steht, daß dem Wackern Lebens retter auch noch die Rettungsmedaille am Bande zuerkannt werden wird. Eine sichere Kapitalsanlage. Eine Frau S. in Berlin hatte einer Freundin, die 10 000 Mark besaß, aber nicht recht wußte, wie sie die selben nutzbringend anlegen sollte, zugeredet, ihr das Geld anzuvertrauen, da sie Verbindung mit einer guten Bank habe, auf der das Kapital schöne Zinsen tragen werde. Die Frau gab ihr Vermögen her und verließ sich vollständig auf sie. Erst als sie auch nach langer Zeit auf wiederholtes Drängen keinen Beleg über die Hinterlegung bekommen konnte, wurde sie mißtrauisch, obwohl Frau S. ihr die Zinsen pünktlich gebracht batte. Sie ging nun zur Polizei und diese ermittelte, daß Fran S. die Zinsen einfach vom Kapital genommen und im übrigen auf Kosten ihrer Freundin einen guten Tag gelebt hatte. Sie hatte sich eine Wirt schaft gekauft und wieder verkauft, eine Ver gnügungsreife nach Amerika gemacht rc. Von dem Gelde wollte sie nichts mehr besitzen, doch fand man bei ihr noch 2000 Mk. Die Gaunerin ist verhaftet worden. Von den Offizieren des lothringischen Trainbalaillons Nr. 16 in Forbach tun, der ,Forbacher Zeitung' zufolge, gegenwärtig nur drei Dienst: Rittmeister Hägele, Oberleutnant Habenicht und Leutnant v. Flemming. Die andern Offiziere des Bataillons find teils krank, teils auf Urlaub. Einsturz einer Ehrenpforte. Aus München- Gladbach wird gemeldet: Anläßlich der am Sonn tag vollzogenen Einweihungsfeierlichkeiten der Kaiser Friedrich-Halle errichtete Ehrenpforte, die ein mittelalterliches Einfahrtstor mit zwei großen durch einen Bogen verbundenen Türmen dar stellt, ist tags zuvor vollständig in sich zu- fammengestürzt. Der Weg zum Bahnhost war dadurch für längere Zeit gesperrt. Die pracht volle Ausfchmückung der Stadt hat durch den herrschenden Sturm sehr gelitten. R ^auberklänge. 14j Erzählung von E. Stage. lSchlutz.) „O Herr nimm mich auf in deinen Schutz!" betete die Alte leise. Der Winter begann erst, die Miete war zu zahlen und sie hatten ihr das größte Gut, die Kartoffeln, welche der Gutsherr im Frühjahr seinen Leuten pflanzen läßt, die sie wohlver wahrt in der Erde geglaubt, gestohlen. Sie fror; aber ihr Holzvorrat war nur klein; sie durfte ihn nicht zu sehr angreifen, es würden viel kältere Tage kommen! Die Alte fing auf einmal bitterlich an zu weinen. Da öffnete sich die niedrige Tür und ein betreßter Diener kam herein. Er trug ein Bündel Holz unter dem Arm und letzte einen mächtigen Korb auf die Dielen. Wie verwunderte sich Justinchen, als sie auch das Schloßfräulein eintreten sah und hinter diesem Graf Wehlen sichtbar wurde. Inzwischen steckte Ilse ein Lichtchen nach dem andern auf dem Baume fest, sodaß das Zimmer bald in blendender Helle erstrahlte, während der Diener vor dem alten, dunkel braunen Ofen kniete und ein lustiges Feuer entfachte. Da verstummte die Alte immer mehr und brachte vor Glückseligkeit bald kaum noch ein Wort hervor, als die drei wieder ver schwanden. In der aufgeschlagenen Bibel lag, gerade aus der Stelle: „Es sollen wohl Berge ver gehen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen!" ein Zettel mit der Quittung der Miete sür ein ganzes Jahr. Des Korbes reichlicher Inhalt aber würde nach Justinchens bescheidener Ansicht Vorrat für den ganzen Winter sein. „Der Herr Hai einen seiner Engel herab gesandt!" klang es in ihrem Herzen dankerfüllt und gläubig wieder. * * * Der kurze Wintertag neigte sich seinem Ende zu. Ilse, die im Innern eine nicht erklärliche Unruhe verspürte, eilte hinaus in den ver schneiten Garten. Die zwei Tage, heute und morgen, gehörten ja noch ihr, übermorgen schon würde sie dem heißgeliebten Manne verbunden werden fürs ganze Leben. Nicht weit vom Teich sah sie das alte Justinchen den Schnee aus den Wegen ent fernen und ging rasch auf sie zu. „Sie dürfen fortan immer nur Garienarbeit tun; Papa hat's so bestimmt, denn der Gärtner braucht so wie so eine Hilfe," rief sie ihr schon freundlich entgegen. „Ach Gott, wie gut Sie alle gegen mich sind," murmelte die Alte gerührt und der Besen entglitt ihrer bebenden Hand. Fast in demselben Moment rieselte der Schnee von einem der den Teich umrahmenden Sträucher herab, aber die beiden hatten's nicht acht; auch nicht, wie hinter den dichten Ranken eine dunkel verhüllte Gestalt sich näher schlich und mit blitzenden Augen jede ihrer Bewegungen verfolgte. „Ha, die glückliche Braut! Doch noch ist sie nicht sein! Wenn sie nicht wäre, so würde er mich in Gnaden zu sich ausgenommen haben. Sie allein ist schuld und, wehe! sie soll es büßen!" stieß sie wild heraus und ein teuf lisches Lachen verzerrte ihr Gesicht. „Wie ge rufen läuft sie mir gerade jetzt in den Weg." Unter dem Tuch zog sie eine kleine, glänzende Waffe hervor und prüfte erst sorgsam ihren Lauf, ehe sie zu zielen begann. „Mütterchen! Buni sucht hat nach dir!" klang da eine süße Stimme von fern. Der Arm der Verhüllten sank herab. „Ihr Kind! Es rief nach der Mutter!" Doch nicht sie meinte es, wieder die verhaßte andere! Die beugte sich und hob das atemlose Wesen empor. Ha! Der rechte Augenblick war verfehlt! Die Zähne der Versteckten knirschten vor Wut. Zugleich mit dem Knaben war ein Hündchen gekommen; es lief schnüffelnd hin und her und in der Nähe der Weiden bellte es kurz auf. Ilse ließ das Kind zur Erde; Justinchen aber wandte horchend den Kops und gewahrte durch eine Lücke den funkelnden Lauf der Waffe. Mit blitzschneller Bewegung sprang sie vor und riß Ilse zu Boden. Schon im nächsten Moment krachte der Schuß. Der kleine Hund heulte auf und dann ver folgte er bellend und sich wie rasend gebärdend die flüchtende Gestalt. Er verbiß sich immer von neuem in ihr Kleid, bis es in Fetzen her niederhing, ehe sie endlich die Gartenmauer er reichte, in der eine kleine Pforte geöffnet stand. Sie schlüpfte geschmeidig hindurch und schlug sie krachend ins Schloß. Draußen an der Maner aber harrte ein brauner, in Lumpen gekleideter Zigeuner. Ohne ein Wort setzten die beiden nun vereint den flüchtigen Laus fort, an der Gartenmauer ent lang, durch den Park, bis der Wald sie um fing. Doch auch hier ging es noch stundenlang in fast ununterbrochener Hast weiter, bis der Manu endlich seine Schritte mäßigte und keuchend fragte: „Wie steht's jetzt, mein Täubchen, mit dem versprochenen Lohn?" „Dasür, daß du feig im Hinterhalt ge lauert hast?" „Obo! Soll's da hinaus?" zischte er. Dabei holte er wie zufällig eine biegsame, zusammengerollte Lederpeitsche aus der tiefen Tasche seines unsauberen Rockes hervor und ließ sie einigemale durch die Luft sausen. Seine Begleiterin warf einen scheuen Blick nach dieser. „Meinetwegen, sag' der alten Mutter Rouga, daß sie noch heute das Hochzeitsmahl bereite," höhnte sie. „So ist mir's auch lieber," versetzte er ruhig. „Ich wollte dir nur sagen, daß ich „Launen" von vornherein nicht dulden kann!" Es war nach und nach dunkel geworden. Der Zigeuner hielt inne im Laufen und blieb eine Weile stehen. Er horchte aufmerksam nach der Richtung hin, aus der sie gekommen. Es war totenstill. „Nun sollen Sie uns suchen!" lachte er triumphierend auf und schwippte mit den Fingern in der Luft. „Die weise Mutter Rouga hat recht gehabt, als sie bei deiner Geburt prophezeite, daß du ein Wunderkind seiest, das unserem Stamme Glück bringen würde. Damals wurden wir verfolgt und waren in Not, dämm trennten wir uns von dir und gaben dich in sichere Pflege
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)