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Ottendorfer Zeitung. Die „Vttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich t Mark. Durch die Post bezogen y20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie -er abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bis vormittag zs Uhr. Inserate werden mit <0 Pf. Mr die Sxaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Lür die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Nr. 143. Sonntag, den 29, November 1903. 2. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Vttendorf-Dkrilla, 28. November 1903. -w Heute früh wurde ein in Moritzdorf in Stellung befindlicher Kutscher während des Pferdeputzcnö durch Ausschlagen eines Pferdes am Kopfe verletzt, sodaß ärztliche Hilfe hinzu gezogen werden mußte. -r. Es sei auch an dieser Stelle auf das morgen Sonntag im Gasthof zum Hirsch statt findende Fest des hiesigen Ortsvereins aufmerk sam gemacht. Dasselbe soll einen Jahrmarkt, verbunden mit Theater, humoristischen Vorträgen und Ball, darstclleu- Ein ähnliches Fest ist hier noch nicht geboten worden, dazu ist das Programm sehr originell und humoristisch, sodaß ein zahlreicher Besuch zu erwarten ist. Ter Eintritt ist frei. Es sind an viele Orts bewohner Einladungen ergangen. Gäste, welche durch die cingeladenen Familien eingeführt werden, sind willkommen — Wie aus dem Inseratenteil der heutigen Nummer ersichtlich, veranstaltet Herr Gasthofs besitzer W. Hanta im kommenden Winterhalb jahre eine Reihe von Abonnementskonzcrte und wird zu diesen die Musik von der im hiesigen Orte gutbekannten Radeberger Stadtkapelle, Direktion Eckenbrecht, gestellt. (Siehe auch Jnserai). — Der Dezember dürfte sich nach des ver storbenen FalbS Prophezeiung ziemlich feucht gestalten. Speziell in der ersten Woche sollen zahlreiche Regengüsse zu gewärtigen sein, während später Schneefälle eintreten. Den 4. Dezember bezeichnet Falb als einen kritischen Termin erster, den 18. als einen solchen dritter Ordnung. Der hundertjährige Kalender prog nostiziert ebenfalls für das erste Drittel des Monats nebliges, regnerisches Wetter mit ver einzelten Schneefällen. Vom 10. bis 18. soll eS dann trocken, vom 19. bis 28. aber rauh und frostig und in den letzten Tagen schön werden. — Für die sichere und schnelle Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche hat als erste Voraussetzung zu gelten, daß sofort nach dem Auftreten der ersten Krankheitserscheinunyen die vorgeschriebene Anzeige erstattet wird. Die be teiligten Kreise seien darum immer wieder auf die von dem Königlichen Ministerium des Innern erlassene — auch in diesem Blatte im Vorjahre zum Abdruck gebrachte — Belehrung über das Wesen und die Bekämpfung dieser Seuche aufmerksam gemacht. Diese Belehr ungen hängen in zahlreichen vorzugsweise von Landwirten besuchten Schankstätten aus, auch wird ihre Einsichtnahme durch die Orisbehörden vermittelt. — Eine sensationelle Nachricht, die besonders in Handelskrciscn berechügtes Aufsehen erregen dürfte, wird dem „Sommerfelder Tageblatt" gemeldet, Demnach hat eine größere Versamm lung von Textil-Industriellen in Neugersdorf in Sachsen stattgefunden, bei welcher ein In genieur aus Chemnitz einen Vortrag hielt- Zweck dieser Versammlung wir, Propaganda zu machen für Bestrebungen, welche dahin ab zielen, die deutsche Textilindustrie unabhängig vom amerikanischen Baumwollenmarkte zu machen. Zu diesem Zweck? wird beabsichtigt, in Süd afrika, speziell in den deutsch-afrikanischen Kolonien große Baumwollplantagen anzulegen und zur Finanzierung dieses Unternehmens An teilscheine ä 500 Mark auszugeben. Die auf der Versammlung anwesenden Industriellen sollen große Sympathie für die Bestrebungen in dieser Richtung gezeigt haben. — Es ist darauf aufmerksam zu machen, daß zu Unterrichtszwecken zuweilen farbige Kreiden verwendet werden, welche nach dem Ergebnis neuerer Untersuchungen sehr oft einen der menschlichen Gesundheit schädlichen Arsen- und Bleigehalt haben. Das Gesetz vom 5. Juli 1887, betreffend die Verwendung gesundheitS- schäd'iche" Farben bei der Herstelluna von Nabnmgumitteln, Genuß'! nlteln und Gebrauchs gegenständen, wird nicht immer eine ausreichende Handhabe bieten, um der Verwendung von Arsen und Blei in Farbkreiden entgegenzujreteu, da es im § 8 wohl den Verkehr mit arsen haltigen „Schreibmaterialien", nicht aber den Bleigehalt und den Verkehr mit Zeichen materialien regelt. — In den sächsischen Baumwollspinnereien hat sich der Geschäftsgang lebhafter gestaltet. Die Betriebe sind, wenn auch verschieden, für die nächste Zeit aut beschäftigt. Doch ist zu bemerken, daß bei den sehr hohen Baumwoll preisen, die jetzt gefordert werden, die Kauflust der Verbraucher wieder nachgelassen hat. Die jenigen Spinnereien, welche die hohen Roh materialpreise anlegen müssen, erzielen gegen über den Garnpreisen ein schlechtes Ergebnis. Wie von zuverlässiger Seite mitgeteilt wird, ist es nicht ausgeschloffen, daß bei der Andauer dieser Verhältnisse und wenn wirklich sich die Baumwollernte in Amerika unter 11 Millionen Ballen erweist, im nächsten Sommer und Herbst wieder zu umfangreichen Betriebseinstellungen geschritten werden muß. Dresden. Infolge der vorgerückten Jahres zeit läßt die Tätigkeit auf den Bauplätzen immer mehr nach. Die Sächsische Staatsbahn verwaltung wird daher den in der Hauptsache der Arbeiterbeförderung dienenden Personenzug, der jeden Montag früh 5 Uhr 5 Min. von Radeburg und 5 Uhr 34 Min. von Moritz burg-Eisenberg nach Radebeul abgeht und mit dem man den hiesigen Neustädter Bahnhof vormittags 6 Uhr 22 Min. und den Haupt bahnhof 6 Uhr 32 Min. erreicht, nächsten Montag den 30. November letztmalig in diesem Jahre Massen. — Auf der badischen Staatsbahn ist die erste Wagenklaffe aus sämtlichen Personenzügen, von den dem internationalen Verkehr dienenden Schnellzügen natürlich abgesehen, verschwunden. Beibehalten ist die erste Klaffe als solche nur auf einigen in auswärtigen Ländern und Eisen bahnverwaltungen hinüberreichenden Strecken, nach Elsaß-Lothringen und nach Württemberg zu, und außerdem auf der Strecke Oos-Baden (hier wohl mit Rücksicht auf die internationale Fremdenstadt). Mit diesem Wegfall der ersten Klaffe wenigstens in den Personenzügen in Baden geht, wenn auch freilich nur für einen verhältnismäßig kleinen Teil Deutschlands, ein langjähriger Wunsch der Tarifreformer in Er füllung. Die badische StaatSbahn ist die erste Verwaltung im Deutschen Reiche, die eine Be seitigung der ersten Wagenklaffen auf all ihren Hauptstrecken durchgeführt hat. — In der gerichtlichen Untersuchung gegen den Frauenarzt Dr. Planer ist es inzwischen zu einer weiteren Verhaftung gekommen, urü zwar ist die Festnahme der 23jährigen Dienst person Luise Klingbeil verfügt worden. — In hiesigen juristischen Kreisen erregt es großes Aufsehen, daß der Präsident des Bautzener Landgerichts Eberhard plötzlich seine Entlassung aus dem Staatsdienst eingegeben hat. Anlaß dazu sollen Differenzen mit dem Justizminister gegeben haben. Pirna. Ein Unglücksfall hat sich am Montag mittag auf dem Kahlschlag der Ab teilung 38 des Rosentaler Staatssorstreviers bei Königstein ereignet. Der 58 Jahre alte und verheiratete Waldarbeiter Schöne ist daselbst von einem durch den Sturm umgerissenen Baum erschlagen worden. Geyer. In einer von feiten der hiesigen Materialwarenhändler dem Stadtrate unter breiteten Petition sollte der hiesige Konsumverein mit einer Umsatzsteuer von 2 Prozent belegt werden. Das Ratskollegium beschloß jedoch, dieses Ansuchen abzulehnen, und auch das Stadtverordnetenkollegium trat diesem Beschluße einstimmig bei. Gersdorfbei Hohenstein-Ernstthal. Einen recht eigentümlichen Aufbewahrungsplatz für seine Wertpapiere wählte sich ein kürzlich hier verstorbener Gutsbesitzer. Man vermißte in seinen Nachlaßsachen 5000 Mk. Mündelgelder. Als jetzt mit Eintritt des kalten Wetters ein sonst unbenutzter Ofen gefeuert werden sollte, fand man fragliche Summe in Wertpapieren in der Ofenfeuerung unversehrt vor. Pockau-Lengenfeld. Auf dem hie sigen Bahnhofe ist Dienstag abend beim Rangieren eine zum Ablaufen gebrachte Wagen gruppe mit einer stillstehenden zusammengestoßen, wobei zwei beladene Wagen entgleisten und ein dritter Wagen umgestürzt und zertrümmert wurde. Der hierdurch entstandene Material schaden ist nicht unbedeutend. Verletzt wurde niemand; auch erlitt der Betrieb keine Störungen. Freiberg. Durch die Stürme der letzten Tage hat auch die schöne alte Hospital- oder Torstenson-Linde schweren Schaden erlitten, in dem seiner der Wipfel in einer Längs von 3 bis 4 Meter abgebrochen wurde. Die Linde gehört zu den ältesten und stärksten Bäumen Sachsens. Schon im dreißigjährigen Kriege benützte der schwedische Feldherr Torstenson den riesigen Stamm als Schutzwand, hinter der er seinen Kommandositz während der Belagerung Freibergs aufschlug. Königsbrück. Der 54 Jahre alte Handarbeiter Sauer erhängte sich vor drei bis vier Tagen. Jetzt wurde sein Leichnam gefunden. Wilschdorf bei Rähnitz. Hier wurde die bedienstete 24 Jahre alte Magd Barbara Hartel festgenommen und an das landgerichtliche Untersuchungsgefängnis zu Dresden übergeführt. Gegen die Inhaftierte liegt der Verdacht vor, daß sie vor zwei Jahren — sie befand sich damals in einem bayrischen Grenzorte im Dienst — ihr uneheliches, 1 Jahr altes Kind ausgesetzt habe. Da seit jener Zeit von dem Kinde nichts zu hören war, so ist nicht aus geschloffen, daß die Hartel dasselbe auf eine unnatürliche Weise aus dem Leben beför dert hat. Crimmitschau. In unseren Textil fabriken haben bereits eine ganze Anzahl fremder Arbeiter Beschäftigung gefunden und in den nächsten Tagen wird dem Eintreffen weiterer Arbeiter entgegengssehen- Auch von den hiesigen, nun seit 14 Wochen feiernden Arbeitern kehren immer mehr in die Fabriken zurück. Plauen i. V. Seit Donnerstag vormittag herrscht hier und im übrigen Vogtlands ein äußerst heftiges Schneegestöber. Die Fernsprech leitungen sind teilweise zerstört. — Aus dem Vogtlande. Der Ver sand der Tannenbäume für die Weihnachtszeit hat seit einigen Tagen begonnen. Neben den aus Bayern abgehenden Tannen werden jetzt auch aus Böhmen ganze Wagenladungen, wie sich auf der Bahnlinie Klingenthal-Falkenstein faßt täglich beobachten läßt, befördert. Diese Bäume gehen nach allen Gegenden Deutschlands. Im Vogtlande selbst wird die Tanne immer seltener. Die BlutssÄt. Von Karl Pauli. (Schluß). (Nachdruck verboten.) Aber die Siegesgöttin hatte ihm auf einmal den Rücken gewendet, so wie er zuerst gesiegt — wurde er jetzt überall geschlagen, und sah sich endlich abermals zur Flucht nach Oesterreich genötigt, Serbien schi-n verloren, alle Partei führer waren gefallen oder geflohen, nur einer setzte mit einer kleinen Schar den Verzweif lungskampf fort. Es war Milosch Obrenowitsch. Ein Bauer gleich Kara Georg, hatte er unter diesem am Befreiungskämpfe seines Vaterlandes teilgenommen und sich dnrch Mut, Umsicht und Tapferkeit hervorgetan, ihm glückte, was jenem zum zweiten Male nicht gelungen, er schlug im Jahre 1815 bei Matschaw in entscheidendem Kampf die Türken unter Ali Pascha und endete siegreich den Befreiungskampf. Trotzdem ein Preis auf seinen Kopf gesetzt war, kehrte der schwarze Georg nach Serbien zurück. — Es war in der Nacht, als der Flüchtling an die Tür des ehemaligen Waffen bruders klopfte. Wohl wußte er, daß — Milosch ihn mit bitterem Neid haßte, aber er wußte auch, daß dem Slaven der Gast heilig. Milosch erschrak, als er den Gast vor sich sah — freilich waren die Türken besiegt und er war der Sieger, aber es mußte ihm alles an dem guten Einvernehmen mit dem Sultan liegen, sollte er den Geächteten beschützen, konnte er es, und war es klug getan? Ec hoffte sich zum Fürsten des Landes aufzuwerfen, dessen Herr er eigentlich schon war, trotzdem er still und bescheiden wie ein Bauer in seiner niederen Hütte wohnte, noch war der schwarze Georg trotz seiner Mißerfolge der gefeierte Volksheld, den Sie Gesänge verherrlichten, die das Volk zur Guzla sang, weit mehr wie ihn — den Sieger von Malschowa — wenn jener Lust bekam, sich zum Fürsten ausrufen zu lassen, wer weiß, wie die Würfel fielen? Aber er nahm den Gast doch auf, reichte ihm Brot und Salz, und lange saßen beide beim Wein, das künftige Geschick des Vaterlandes beratend. Lange schon schlief der Gast, als Milosch immer noch sinnend am Tisch saß, er kämpfte schwer und lange und seine breite Brust hob und senkte sich in mächtigen Atemzügen. Als er sich er hob, hatte sein Gesicht einen finsteren Ausdruck, er nahm den Handschar vom Tisch und zog ihn aus der Scheide. Dann schritt er auf die Kammer zu, wo der schwarze Georg schlief. Leise trat er ein. Der Schlafende lag lang ausgestreckt auf der Holzpritsche, die in Serbien als Schlafstelle dient, nur einen Blick warf Milosch auf den Schlafenden, machte mit der Linken ein Kreuz über Stirn und Brust des Schläfers und stieß ihm mit der Rechten den Handschar in die Brust. Der Getroffene bäumte hoch auf und suchte mit den Händen das emporspritzende Blut zurückzuhalten. Als er fühlte, daß er zu Tode getroffen war, hob er die Hand gegen den Mörder und rief mit verröchelnder Stimme: „Fluch Dir, daß Du mir das getan, mein Blut komme über Dich und Deine Kinder, Dein Name sei der Pesihauch Serbiens und Dein letzter Enkel falle unter Bruderhänden, denen er vertraute, wie ich unter Deinen!" Dann sank er zurück und war tot. Wie ein Gerichteter wankte Milosch hinaus. Am andern Tage schickte er den abge schnittenen Kopf des Toten nach Konstantinopel, bald darauf wurde er zum Fürsten von Serbien ausgerufen. Ob der Sterbende diesen Fluch wirklich auS- gestoßen, ob das Volksgewiffen empört über den Brudermord, der nicht ohne Rache bleiben darf, ihm den Gemordeten in den Mund gelegt, ist nie ermittelt worden, nur im Volke lebt die Sage scheu und geflüstert, denn es gab Zeiten, da wurde der mit dem Tode bestraft, der ihrer erwähnte. Aber verfluchte nun der schwarze Georg das Haus des Nebenbuhlers oder nicht, es lastet doch wie ein Fluch auf dem Hause Obrenowitsch. Die Regierung von Milosch war unglücklich, wenn auch nicht ohne Erfolge. Er wurde zwar zum erblichen Fürsten erhoben, aber die Aufstände nahmen kein Ende und endlich wurde er des Throns entsetzt. Achtzig jährig kam er nochmals auf den Thron, starb aber bald. Sein Sohn Michael wurde am 10. Juni 1868 im Park von Tschobschieder ermordet. Milan, der erste serbische König, starb entthront in der Verbannung und am 10. Juni 1903 endete der letzte Obrenowitsch, König Alexander, sein Leben unter den Mord- schüffen seiner Untertanen.