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mert. k n Druck nnö Verlag von Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. Lür die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. ik ek. s 1 ack. vorden, wieset Hunde, Hohen Ueber- ebracht» ein chuven Gleich^ auf N'-" ring. lion ltiges Nr. 41. Mittwoch» den 5. April 1905. 4. Jahrgang. Seitliches und Sächsisches. Dttendors'Dkrilla, 4. April ,zo5. — Die sogenannte „geschloffene Zeit" begann am Montag nach dem Sonntag Lätare, in diesem Jahre also mit dem Z- April. Von diesem Tage an bis zu und mit dem ersten Osterfeiertage (23. April) ist sowohl die Abhaltung öffentlicher Tanz- belustigungen, wie die Veranstaltung von Privatdällen verboten, auch wenn diese in Pr'watbäusern oder in Lokalen geschloffener Gesellschaften abgebalten werden. Ebenso dürfen Konzerte und andere mit Musik ver- bundene geräuschvolle Vergnügungen — ab gesehen von Aufführungen geistlicher Musiken und Oratorien in den Kirchen — in der Zeit vom Gründonnerstage an einschließlich bis mit dem darauffolgenden Sonnabend nicht siatlsindcn. In den Theatern sind in der »Allen Wocbe" nur vom Palmsonntag« bis mit Mittwoch vor Ostern Aufführungen ernster Stücke gestattet. Poffen und Luststücke sind ausgeschlossen. Vom ersten Osterfciertage an sind dann wieder Konzerte und Aufführungen am zweiten auch Ballfcstlichkeiten, gestattet. Klotzsche. Am Bußtage ging der so genannte Klingelbeutel zum letzten Male im hiesigen Gotteshause herum. Seine Dienste, denen er seit den ältesten Zeiten treulich nach- gkkommen, übernehmen fortan aufgestellte Becken. Die meisten Gemeinden kennen diese früher ^allgemein verbreitete Sitte schon seit den 70er Jahren nicht mehr. In unserer Nachbargemeinde Lausa und auderorts will Man jetzt noch nicht davon abgehen. Allsonntäglich trägt ein Kirchenvater den an einem langen Stock befestigten Beutel während de« HauptltedeS durchs Gotteshaus und des Tlöckleins Stimme quittiert prompt über jeden eingeworfencn Pfennig oder „Kirchentaler." Schandau Sonnabend nachmittag brachte man in das Winterberggasthau» einen Mann sn mittleren Jahren, der seinen Anzuge an- Messen, den besseren Ständen angehörte. Man hatte ihm ganz erschöpft und abgemagert in dem Rindenhäuschen am Frcmdenwege nach dem Prebischtor aufgefunden, das der bekannte Leierkastenmann im Sommerhalbjahr mit seiner Frau bewohnt. Der Mann hat sich dort in der Absicht aufgehaltcn, zu verhungern. Er stammt aus Chemnitz und wurde der österreichischen Ortsbehörde HerrnSkretschen ^geführt, die sofort dessen Angehörigen von diesem Vorfälle Meldung machte, so daß der BedauerSwerte am Sonntag von seinen Ver wandten in HerrnSkretschen abgeholt werden konnte. Aus der Sächsischen Schweiz. Im ersten Vierteljahr 1905 wurden in den LlaatSrevieren des Oberforstmeistereibezirkes Schandau insgesamt 33434 weiche und Ü5 harte Stämme, 100 768 weiche und 3125 harte Klötzer, 15532 Derb- und 155810 Reisstangen, 20320 Wein-, 1450 Baum- und 13 880 Spundpsähle, sowie 16270 Stangenklötzer und 1930 Schalhölzer »ersteigert und abgefahren. Lampertswalde. Ein Herrn Gutsbesitzer A- Kühne, hier, gehöriges 14 Tag« altes 8'ckel hat verkrüppelte Vorderbeine. Es lauf aber auf den Hinterbeinen, aufgerichtet wie ein Mensch, ganz fidel im Stall umher. Strauch. Am Sonnabend weilte ein Königlicher Bergmeister aus Leipzig - Gohlis iweckS Untersuchung des in hiesiger Gegend entdeckten Braunkohlen - FlötzeS, das sich als »n ziemlich großes und garnicht tiefliegendes »weist, hier. Es zieht sich wahrscheinlich von brauch - Uebigau - Krauschütz bis nach dem preußischen Grenzorte Hirchfeld hin, immer im "le entlang. Das Untersuchungsergebnis ist zwar noch nicht bekannt, doch sprechen alle bisher gemachten Wahrnehmungen dafür, daß es mit keiner Brikett-, sondern mit einer Mt brennenden Wirtschaft-kohle zu tun Hot, )eren Anbau für die Großenhainer Pflege von unberechenbarem Nutzen sein wird. Ortrand. Der Verdacht, der Verüber der Arnsdorfer Mordtat zn sein, hat sich neuer dings auf einen gewissen Clemens Sahre, von Beruf Eisenarbeiter und Zuschlagschmied, gelenkt. Er hat sich seit dem Morde aus iesiger Gegend unsichtbar gemacht. Die Gendarmerie fahndet eifrig auf ihn. Man vermutet, daß er sich nach Sachsen gewendet hat. Zittau. Spurlos verschwunden ist seit inigen Tagen der 32 Jahre alte unverheiratete Mrgerschullehrer Max Hillmann von hier. Er hatte ein Sittlichkeitsverbrechen an einem Schulmädchen verübt und es war bereits ein Haftbefehl gegen ihn erlassen worden. Es wird angenommen, daß Hillmann Selbstmord verübt hat. — Beim Rangieren von mit Langholz be- adenen Waggons auf dem Rangierbahnhofe zu Zittau wurde der 44 jährige Güterboden arbeiter Schmidt aus Pethau, als dieser den luppelbaum zweier Wagen nicht schnell genug n die richtige Lage bringen konnte, von dem überstehenden Holz an die Wand eines nach rückenden Wagens gepreßt. Dem Unglücklichen wurde dadurch die Kinnlade zerschmettert und das Nasenbein eingedrückt, auch erlitt er auf )er rechten Brustseite schwere innere Ver- etzungen. Mühlberg. Zu dem Vorfall in Lunzenau ist zu bemerken, daß die Ziaarrenmacher Jantke und Hornauer beide van hier gebürtig sind. Die Eltern des Hornauer, dessen Vater Arbeiter in der hiesigen Zuckerfabrik ist, erhielten ein Telegramm, daß ihr Sohn schwer verunglückt ei, Die Mutter, welche sofort nach Lunzenau reiste, fand ihren Sohn als Leiche vor. Leipzig. An Händen und Füßen gefesselt, wurde am Sonnabend früh dee Leichnam des 23 jährigen Handarbeiters Bruno Kühn in der Pleiße aufgefunden. Es ist nicht unwahr- cheinlich, daß Kühn, der infolge Krankheit wiederholt Selbstmordgedanken äußerte, diese Fesselung selbst vorgenommen hat. Die be hördlichen Erörterungen sind im Gange. — Rund 20 Arbeitgeber, welche dem Steindrucker- und Lithographenverband nicht angehören — das sind in der Hauptsache die kleineren — haben die Forderungen der Gehilfen bewilligt. Zwischen den Verband der Arbeitgeber und dem der Arbeitnehmer sind neue Verhandlungen über die Gestaltung des Tarifs angebahnt, die am Dienstag beginnen sollen. An demselben nimmt auch der Vor sitzende des Arbeitgeberverbandes, Kommerzien rat Meißener teil, der seinen Urlaub in Italien unterbrochen hat. Die Gehilfen be schlossen, die Kündigung vorläufig auszusetzen, aber sofort in den Generalstreik einzutreten, wenn die Verhandlungen scheitern sollten. — Im Kürschnerstreik hat sich die Lage verschlechtert, da der Arbeitgeberverband erklärt hat, auch auf die reduzierten Lohnforderungen nicht eingehen zu können, was als gleich bedeutend mit der Ablehnung eines Mcnial- lohncS überhaupt angesehen wird. Es wird daher bei allen Arbeitgebern die Arbeit sofort wieder niedergelegt, die sich ans die Beschlüsse des Arbeitgeberverbandes gebunden erachten. — Freitag abend ist zwischen Naundorf und Großsteinberg der Buchhändlergehilfe Riedrich von hier vermutlich durch den abends 11 Mr 25 Minuten vom hiesigen Dresdner Bahnhofe nach Grimma verkehrenden Personen zug überfahren und sofort getötet worden. Crimmitschau. Ueber Streiknachwehen schreibt man von hier: Als recht ungünstig muß die gegenwärtige Lage der hiesigen Textilindustrie bezeichnet werden, was ohne Zweifel als eine Folge de» verflossenen großen Textilarbeiterkampfes anzusehen ist, da aus wärtige Konkurrenzfirmen jetzt die Waren mi anfertigen, die vor dem Kampf ausschließlic hier gemacht wurden. Eine vorgenommene Zählung ergab, daß zur Zeit rund 250 Web- 'tühle leer stehen. Manche Firmen sind zwar M beschäftigt, in anderen Betrieben hingegen wird nur von 8 bis 4 Uhr gearbeitet, ja in manchen Fabriken muß ein Teil der Arbeiter ogar ganze Tage aussetzen. Am empfindlichsten macht sich die ungünstige Lage für die davon betroffenen Arbeiter bemerkbar. Sch necken grün- In einem Konkurse, und zwar in demjenigen über das Vermögen der Champignonzüchterin Baronesse Elvira 0. Barth ;at der verfügbare Maffestand nur zur teil weisen Befriedigung der bevorrechtigten Forderungen ausreicht. Aue. Hier hat der Kirchenoorstand wider sie städtischen Kollegien den Beschwerdeweg be- chritten, weil letztere ihn zur Sparsamkeit mahnten. Nus der Woche. Auf der Tagesordnung der Zeitgeschichte letzt gegenwärtig eine ganze Menge auf regender Gegenstände, die schon lange zu einem Endwedsr — Oder drängen, fast täglich eine Explosion befürchten lassen und trotzdem als Würmer erscheinen, die nicht sterben können. In Rußland beispielsweise steht es zweifellos chlimmer, als die von dorther kommenden Drahtberichte ahnen lassen und die Regierung st ohnmächtig um überall im Riesenreiche die „Ordnuna" — man verzeihe diesen harten Ausdruck in seiner Anwendung auf das Zaren reich — aufrecht zu erhalten. Man hat eben nicht Kosaken genug und diese Unzulänglichkeit wird Rußland ebenso zum Verderben gereichen, wie die Beamten-Korruption, die den riesigen Staatskörper in allen seinen Teilen völlig rurchseucht, und die Willkür, die die Stelle des Rechts vertritt- Die Japaner sind im Zeitraum von fünfzig Jahren aus einem halb wilden Volke ein Kulturvolk geworden. Sie haben sich alle Fortschritte der Kultur an geeignet, dabei aber ihre alte Einfachheit im Leben und Genießen beibehalten; der Alkohol ist ihnen fremd geblieben. Rußland hat sich bereits seit zweihundert Jahren der europäischen Kultur angenähert, aber es hat sie nicht aus genommen. Während es in Japan fast gar keine Analphabeten gibt, ist in Rußland der des Lesens und Schreibens Kundige in den Augen der übrigen fast ein Gelehrter. Die „Intelligenzen" in Rußland sind die eigent lichen Träger der gegenwärtigen Volksbewegung aber ihre Zahl beträgt kaum fünf von Hundert der Bevölkerung. Aber der Instinkt, der Wutki und die Unzufriedenheit stellen das unwissende Volk auf die Revolutionsseite und das verschärft die Gefahr der Regierenden. Das Aufknallen einzelner Revolver und Bomben, wie das jetzt in Rußland etwas fast Alltägliches ist, spiegeln die wilde Bewegung im russischen Volke nicht völlig wieder. Der ungeschlachtete Riese zittert vor Zorn am ganzen Leibe, aber in jahrhundertlanger Knechtschaft hat er seine Glieder noch nicht zu gebrauchen gelernt und darum ist es momentan noch leicht, ihn zu bändigen. Daß der Zar des guten Willens ist, die schreiendsten Miß stände seiner Regierung abzustellen, ist woh nicht zu bestreiten. Aber erstlich wird er künstlich vom Volke getrennt gehalten und kennt infolge davon dessen Anschauungen und Ziele nicht, und zweitens umschmeichelt ihn eine Kamarilla, die ihn in Unkenntnis über seine Ohnmacht gegenüber den Bedürfnissen der Zeit läßt. Daher kommt es denn auch, daß die Proklamationen des Zaren sich in Bildern und Ausdrücken bewegen, die alles eher als Beruhigung erzeugen und daß trotz aller Kon ferenzen unb Beratungen des Ministerkomitees, des Staatsrates, der Minister, der Kom missionen und Subkommissionen nichts Brauch bares und Vernünftiges zustande kommt. Mi dem Kriege geht es ebenso. Rußland ha nicht daran geglaubt, daß der kl., v -chtliche Gelbe es wagen würde, sich an dem russischen koloß zu vergreifen. Nikolajew sprach in der sanier der Pariser von 1870 von einem Spaziergang nach Tokio. Kuropatkin proklamierte vor Liaujang, jetzt werde er die Japaner wingen, seinen Willen zu tun. Nikolajew ist ohne Sang und Klang in der Versenkung ver« chwunden, Kuropatkin ist „einen herunter gekommen" und die russische Mandschurei- lrmee befindet sich in einem bejammernswerten Zustande. Rußland ist tatsächlich besiegt und ;at nicht die geringste Hoffnung mehr, die erhaltenen schweren Schlappen wieder gut zumachen, ja selbst auch nur seine „militärische Ehre wiederherzustellen." Die Franzosen pumpen nichts mehr, während die viel höhere apanische Anleihe mehr als fünfmal über zeichnet worden ist. Das zeigt deutlich, wie tief der moralische und finanzielle Kredit Rußlands schon gesunken ist; denn die Börsen, )as Gewissen der Geldleute, sind außer ordentlich feinfühlig. — Kaiser Wilhelm hat am Freitag seinen vorher schon vielbesprochenen Besuch in Tanger abgestattet und die ranzösische Regierung mußte geschehen laffeu. vas sie nicht verhindern konnte. Dem Dauer minister Delcaffs besonders ist die ^Geschichte ehr unangenehm. Die Forderungen Deutsch- ands in Marokko sind so einfacher und lelbstverständlicher Art, daß sich gegen sie absolut und von keiner Seite etwas einwenden äßt. Es verlangt doch keine Gebiets erwerbungen, will aber seinen Handel dort unter den gleichen Bedingungen treiben, wie ,eder andre europäische Staat und sich daran nicht durch separate Abmachungen zwischen andern Staaten hindern lassen. Außerdem oll Marokko nicht etwa „aufgeteilt" werden. Herr Delcasss hat seinen Vertrag mit England wegen Marokko der deutschen Regierung nicht mitaeteilt — wozu auch mit Deutschland soviel Imstande machen! — und muß es sich nun gefallen lassen, daß Deutschland sagt: Wir "ennen diesen Vertrag nicht! In diesem Falle empfindet das französische Volt viel richtiger wie seine Regierung. In der französischen Presse sind die Vorwürfe wegen des Kaiser besuchs in Tanger viel weniger gegen Kaiser Wilhelm als gegen die unzulängliche Politik Delcaffss gerichtet, der damit die Stimmung gegen die Republik sehr ungünstig beeinflußt. Der Herzog von Orleans hat denn auch den Zeitpunkt benutzt, um sich den Franzosen wieder einmal durch eine Proklamation in geneigte Erinnerung zu bringen. In Frankreich muß es schwer halten, überzeugter Monarchist zu sein. Mit dem Grafen von Chambord ist (1883) das alte Königsgeschlecht der Bourbonen auSgestorben, Die jetzigen Orleans sind eine Seitenlinie, deren Mitglieder sich von alters her gegen die Verwandten der Hauptlinie mit großer Treulosigkeit und Falschheit benommen haben. Während der großen Revolution legte das Haupt des Hauses Orleans seinen Herzogs titel ab, nannte sich Philipp EgalitL („Gleich heit") und stimmte auch für die Hinrichtung seines Vetters, des unglücklichen Ludwig des Sechzehnten. Diese Perfide hinderte aber nicht, daß das Haupt Philipp Egalitks gleich falls unter der Guillotine fiel, da sein Streben selber den Königsthron zu besteigen, all zudurchsichtig wurde. Sein Sohn Louis Philipp machte es nach der Julirevolution 1830 nicht besser. Anstatt nach dem Sturze Karl X. die Krone seinem bourbonischen Vetter zu erhalten, setzte er sie sich selbst aufs Haupt und trug sie achtzehn Jahre lang, bis ihm die 1848 er März-Revolution beseitigte. Aber er hatte die achtzehn Jahre seiner Regierung gut angewandt. Die Familie Orleans ist jetzt eine der reichsten Fürsten geschlechter von Europa und seine Tochter hat ihrem Sohne sogar den bulgarischen Fürsten thron kaufen können. Die Franzosen kämen, wenn sie die Republik für eine orleanistische Monarchie eintauschen, sicherlich vom Regen in die Traufe.