Suche löschen...
Ottendorfer Zeitung : 25.12.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-12-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Privatperson
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190412253
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19041225
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19041225
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-12
- Tag 1904-12-25
-
Monat
1904-12
-
Jahr
1904
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 25.12.1904
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Der kaufmännische Direktor des Berg werks „Glückauf" in Lichtenau bei Laub an, Mgener, wurde am Montag verhaftet und in das Görlitzsr Gefängnis übergeführt; er soll im Verdachte stehen, mittels Nachschlüssels den Geldschrank des Bergwerkskontors erbrochen zu haben. Beim Baumfällen erschlage«. Im Gemeindewalde von Gerhardshofen war der Hkonom Dornauer mit dem Fällen von Bäumen tzeschäftigt. Plötzlich stürzte ein angeschlagener Naum um und erschlug den 16 jährigen Sohn des Dornauer. Süffer Schmuggel. In der Nacht zum 17. d. wurde abermals, und zwar durch einen Gisenbahnbediensteten in Lindau ein Saccharin- schmuggel entdeckt. In dem Zuge befanden sich zwei Frauen, die sich des Schmuggels verdächtig eemacht hatten, und bei denen man zusammen 85 Pfund Saccharintabletten in einer unter den Röcken versteckten eigenen Tragvorrichlung vor fand. Die eine der beiden Schmugglerinnen Miet infolge ihrer Entdeckung in solchen Schrecken und Aufregung, daß sie einigWeit der Erholung brauchte, bis sie mit ihrer SchicMs- genosfin in das Amtsgerichtsgesängnis geschafft werden konnte. Verhaftete Falsrhmnnzerbande. In Agram wurde eine große Falschmünzerbande verhaftet, welche sich hauptsächlich mit der Her stellung von falschen 20 Kronenschcinm befaßte. Eine Grbschletcheraffärs erregt in Paris wegen der beteiligten Personen viel Aufsehen. Es wurde eine gerichtliche Nachforschung im Hotel de Louvre durch eine Anzeige eines Grasen veranlaßt, daß seine 55jäkrige Mmisr seit vier Jahren-in einem Zimmer jenes Hotels von dem eigenen Schwager gefangen gehalten werde. Niemand werde zu ihr gelassen, selbst die nächsten Angehörigen nicht. Der Graf beschuldigt ferner seinen Oheim, der kränklichen Frau, die mehrere Millionen besitzt und demnächst noch eine Erb schaft von sechs Millionen machen wird, ein Testament aufgenötigt zu haben, das diesen zum Alleinerben einsetzt. Im Hotel wurde er- klärt, es sei richtig, daß die Gräfin mit ihrer Schwester und deren Gemahl seit 1900 dort wohne und sich für sich halte. Da die Zahlungen stets pünktlich erfolgten, habe sich die Leitung des Hotels um das Privatleben der Gäste nicht gekümmert. Eine Statistik der Todesfälle in de« Alpe« stellte die Sektion Domodossola zu sammen. Nach ihren Mitteilungen forderte der letzte Sommer im franz ösisch-italienisch-schweize- rischen Gebiete 160 Menschenleben. Zwei Fünftel aller Abgestürzten find Deutsche, sie stehen mit dieser Zahl an der Spitze; dann folgen England, Frankreich, die Schweiz und zuletzt Italien. Ein eigentümlicher Unglücksfall hat sich, nach der Most', Montag nachmittag in der Pariser Vorstadt Maison Blanche ereignet. In der Papiermachö-Fabrik sprang ein Teil des Schwungrades ab, drang durch ein Glasdach hindurch und stog über die Dächer der Nach barhäuser hinweg in eine 120 Meier entfeinte Schuhwarenfabrik, wo zwei Arbeiter getötet wurden. Ein neuer Sammelsport. Das Neueste, womit sich die Leute in London amüsieren, die nichts Besseres zu tun haben, ist, Fingerab drücke zu sammeln. Seitdem die Polizei sich damit beschäftigt und in den Zeitungen soviel die Rede davon ist, denkt man nicht mehr an daS Sammeln von Postmarken oder von An- fichtspoflkarten, man fordert auch seine Freunde nicht mehr auf, Unterschriften herzugeben, sondern man legt ihnen ein fein eingebundenes Fingerabdruck-Album vor. Der Delinquent muß mit seinem Daumen auf ein mit blauer Tinte beschmiertes Kissen fassen, wie man es für Stempel und dergleichen braucht, und dann auf einer Seite des Albums seinen Daumen ab drucken. Wie er ihn wieder rein be kommt, ist seine Sache. Dann wird der Name daneben geschrieben und das Ge schäft ist erledigt. Es wird schließlich noch da hin kommen, daß man eine Unterschrift ohne Fingerdruck überhaupt nicht mehr als gültig anfieht, und daß jeder Bankier auf dem Scheck neben der Unterschrift einen Daumenabdruck ver langt. Ein reiner Daumen wird dann ein Zeichen dafür sein, daß man sehr arm ist und kein Bankkonto hat, überhaupt, daß man keine Gelegenheit hat, seine Unterschrift zu verwerten. Ei« wandernder Sumpf- In der irischen Grafschaft Roscommon hat sich der mehrere Kilo meter große Sumpf bei Cioonsheiver in Be wegung gesetzt, fast das ganze Dorf Cloonsheiver verschlungen und bedroht jetzt die Stadt Castlerea. Die Wanderung des Sumpfes begann in der Nacht zum Sonntag. Nach 24 Stunden war er bereits eine Halbs Meile gewandert. Die Bewohner der verschlungenen Hütten flohen entsetzt, viele find obdachlos. Dis Grasschafis- behördcn lassen schleunigst Abzugskanäle Die Konstruktion des RohrrücklaufgeschützsS hat er erst ermöglicht, wirkliche Schnellfeuergeschütze herzustellen. Denn solange die Kanone durch jeden Schuß 8—10 Schritte zurückgeschleudert wurde und wieder in Stellung gebracht werden mußte, konnte von einem richtigen Schnellfeuer keine Rede sein. Wohl wurden Bremse und Sporn angebracht, die selben konnten die Folgen des Rückstoßes Wohl mildern, jedoch nicht aufheben. Die Kruppsche Konstruktion eines sogenannten Federsporns, der der Lafette einen gewissen Rücklaufspielraum läßt, und sie mit Hilfe einer Federsäule wieder verdrückt, bedeutet daher einen wesentlichen Fortschritt. Ober ingenieur Mohr, der Erfinder der Rohrrücklauf- konflruktion, ist nun kürzlich durch einen Unglücks fall in seiner Fabrik in Kopenhagen ums Leben ge kommen. Mohr, der früher 19 Jahre die Kanonen- fabrik Krupp in Esten geleitet, hat ein Alter von 52 Fahren erreicht. graben, wodurch man die Wanderung anzu halten hofft. Pio Centra, der Kammerdiener des ver storbenen Papstes, ist am 17. d. plötzlich seinem Herrn in die Ewigkeit nachgefolgt. Von ihm ist bekanntlich während der langen Krank heit des Papstes viel die Rede gewesen. Elsa von Schabelsky» die auch in Deutschland bekannte Schauspielerin und Theaterunternehmerin, wird sich am 25. Januar in Petersburg wegen Wschselsälschung vor den Geschworenen zu verantworten haben. Außer dem Kriminalprozeß schweben noch einige Zivil- Prozesse, bei denen es sich um mehr als 100 000 Rubel handelt. Kein Mensch weiß, was die Schabelsky mit den ihr zur Verfügung gestellten großen Summen angefangen hat. Auf dem Wege zum Kriegsschauplatz. Auf der Strecke Novirdza—Watawka stieß ein Zug, dir nach dem Kriegsschauplatz mit Rekruten abging, mit einem Nangierzug zusammen. Die Waggons wurden ineinandergedrückt und gegen 60 Personen die Beine zerrissen. Zurückgezogene Briefmarken. Eine für Markensammler wie für Politiker gleich inter essante Tatsache, die im Auslands vielleicht noch wenig bekannt ist, hat sich vor kurzem voll zogen. Die aus Anlaß der Krönung des Königs Peter hergestellten neuen Briefmarken find plötzlich aus dem Verkehr gezogen worden. Man hat nämlich entdeckt, die beiden Königs- btlder Karageorgs und PsterS, wenn man die Marke so hält, daß die Köpfe nach unten ge richtet sind, bei genauer Betrachtung in ihrer Vereinigung die Totenmaske des Königs Alexander darstellen. Am schärfsten sieht man das, wenn man den linken Kopf ein wenig mit dem Daumen der linken Hand bedeckt. Es soll sich — so erzählt man — um einen Racheakt der Exkönigin Natalie handeln, die sich mit dem Zeichner der in Paris angefertigten Marken in Verbindung gesetzt hatte. Eine eigentümliche Vergiftungs-Ge schichts meldet man aus New Aork: In Ash land (Kentucky), an der Mündung des Aver- River, sanken zwei Frachlkähne. Die durch näßte Mannschaft trank Holzspiritus trotz der Giftmarke auf der Flasche. Beim Einschenken meinte einer: Wir wollen Weihnachten feiern, wenn es Gift ist, sterben wir zusammen. Von 17 Mann der Besatzung find bereits 10 gestorben; drei sind verschwunden. GsricktsbaUe. Stuttgart. Das Schwurgericht verurteilte den früheren Gememdepfleger Frech von Degerloch wegen fortaesetzttr Unterschlagungen im Amte, zusammen mit fortgesetzter Fälschung von Privaturkuuden unter Annahme mildernder Umstände zu zwei Fahr sechs Monat Gefängnis und fünf Jahr Ehrverlust. Zwei Monat werden auf die Untersuchungshaft ungerechnet. Parts. DaS Geschworenengericht von Aix hat das Urteil Aber die Giftmischerin Alics Massot und ihren Geliebten Dubac gefällt. Frau Massot hatte ihren Gatten vergiftet, um ihren Geliebten heiraten zu können. Frau Massot wurde zu lebensläng licher Zwangsarbeit, Dubac zu 20 Jahr Zwangs arbeit verurteilt. KLerlmer Üumor vor Erricht. Als Kunze fensterl'« ging. „Angeklagter Kunze," sagte der Vorsitzende des Schöffengerichts, „das Leugnen hilft Ihnen hier nichts, es sind zwei einwandfreie Zeugen vorhanden, die gesehen haben, wie sie Ihrem Kollegen Bode drei Ohrfeigen ge geben haben. — Angeklagter: Aber wer sagt denn, det ick leuinen Willi Ick jede die Backfeifen jcrne zu und mechte bloß erzählen, wat mir dazu veranlaßt hat. — Vorsitzender.: Sie find Geselle bei einem im Osten der Stadt wohn haften Handwerksmeister und haben den Bode miß handelt, weil sie auf ibn eifersüchtig waren. Jst'S nicht so? — Angekl.: Nee. Eifcrsichtij zu sind hab' ick reich neelij, denn meine Aujuste iS treu wie Jold und kiekt den Bode und seine Jenossen nich cm. Die Sache hatte eenen andern Grund. Ick bin mit die Aujuste, die damals in de Hasenhaide diente, ver lobt. Det heeßt, damals war icks noch nich, aber wir waren schon mit einander cinij und schrieben uns ooch fleißig: EeneS Dages war een Brief von Aujusten aus mein Jackett, det ick in de Werkstätte uffgchängt hatte, verschwunden. Ick jloobte, ick hätte ihn verloren. Zwee Tage druff kriejte ick wieder eenen Brief von Augusten. Ick habe det Ding mitjebracht und werde mir jestatten, et vor zulesen. Er lautet: „Jeliebter Hermanni Ick muß heute schon wieder an dir schreiben. Mein« Herrschaft seht morsen Abend ins Theater, ick bin janz alleene. Also besuche mir. Aber komm« nich die Treppe ruff, da wirst du jesehen. Jehe um Uhre nein« leise in den Jarlen, wo eene Treppe hoch unser Balkon raus jeht. Da wird eene Letter dranstehen. Steije ruff uff den Balkon un warte, bis ick dir rinlasse. Ick erwarte dir sehnsüchtig. Deine jeliebte Aujuste." — Ick zöjerte lange, ob ick hinjehen sollte. Die Sache schien mir een bißken jefährlich zu find. Aber schließ lich fiejie die Liebe un ick wagte et. Der Jarten lag hinten raus und war fiockduster. Di« Letter stand schon da. Ick kroch leise ruff und ver steckte mir mit kloppenden Herzen hinter een Wein spalier. Da jloobte ick unten leise Schritte zu hören. Zu meinen Entsetzen sah ick, wie zwee dunkle Gestalten »ff die Letter zukamen, diese um stießen, so det ste dröhnend uff die Erde fiel und dann wie zwes Fespenster wieder ver schwanden. Im Balkonzimmer tapsten eilije Schritte; denn wurde die Balkontüre ufffe- risscn der Aujuste ihr Dienstherr und sein ältester Sohn stürzten raus nnd wollten in den Jarten runterkieken — da sahen fie mir in de Ecke kauern. Vor Schreck war ick unfähig, een Jlied zu bewejen, und kam erst wieder zu mir, als ste mir schon winvel- wssch jeprügelt hatten. Ick wäre sicher wie een Ver brecher nach die Polizeiwache jebracht worden, wenn nich im letzten Oogenblick Aujuste dazwischenjestürzt und wäre und mir uff die Kniee sreijebeten hätte. — Ick habe aus een Jespräch zwischen Bode und sein« Freund Willem, wat ick belauschte, erfahren, det Bode mir auS det Fakett den richtigen Brief von Aujuste jenommen und det Falsifikat anjefertigt hatte, wat ick vorjclesen habe. Die beeden haben natürlich ooch die Letter umjestoßcn, die sie vorher selber anjelejt hatten. Et war eene alte Jartenleiter. Sagen Sie selber, Herr Jcrichtshof, find for eene solch« Jemeinheit drei Ohrfeijen zu Ville? — Eine Antwort erhielt der Angeklagte nicht, aber das Urteil lautete auf nur 10 Mk. Geldstrafe. freunäe als femäe. Uber ein enges Freundschaftsverhältnis - zwischen Kuropatkin und dem japanischen Kriegs minister General Terautschi bringt die Most' folgende interessante Einzelheiten: Es dürfte neu sein, daß die beiden besreundsten Gegner am Vorabende deS Krieges als Geschenke Ehrensäbe! mit einander austauschteu. Die beiden Generale lernten sich vor 20 Jahren in Paris kennen. Terautschi war damals Major und Militärattache bei der japanischen. Gesandt schaft in Paris, und Kuropatkin war als russischer Generalmajor nach Frankreich geschickt worden, um den französischen Manöver« beizu wohnen. Die beiden Offiziere lernten sich zuerst in offizieller Weise kennen. Es entstand aber bald zwischen ihnen das Gefühl einer warmen Freundschaft und Achtung. Sie schieden von einander und sahen sich nicht wieder, bis Kuro patkin im letzten Jahre nach Japan kam. Der Verlauf der Jahre hatte für beide Freunde Rangerhöhungen und Ministerstellungen ge bracht. Ihr Zusammentreffen war interessant. Die Ereignisse trieben einander, und alles deutele auf den Krieg hin, wenn auch der eigentliche Kriegsausbruch noch nicht erfolgt war. Die beiden Freunde begegneten sich in alter herzlicher Weise und genossen das Wiedersehen von ganzem Herzen. Als Kuropatkin im Be griff stand, Japan zu verlassen, um nach Hause zurückzukehren, schenkte ihm Terautschi ein japanisches Schwert mit alter Klinge von feinster Arbeit, an der ein interessantes Stück Geschichte hing. Als Kuropatkin in Petersburg eingetroffen war, gab er Auftrag, für seinen Freund ein Schwert russischer Arbeit zu fabri zieren. Im Dezember wurde das Schwert ab geschickt und erreichte den japanischen General eine Woche vor dem Augenblick, in dem die Geschütze Togo? den Krieg eröffneten. Es fiel in Japan auf, daß das russische Schwert, als eS Tokio erreichte, eine scharf geschliffene Klinge hatte. Die Waffe ist schön, etwas gekrümmter als der im Gebrauch befindliche Osfizierssäbel. Der Griff ist von Gold und die schwarze Scheids, in der das SLwert ruht, ist mit Gold beschlagen. Trotz der Kluft, die heute beide Völker trennt, trotz der Tatsache, daß die Sol daten beider Nationen in wütendem Kampfe ringen, fpücht Terautschi mit Wärme und Hoch achtung von seinem alten Freunde. Kuropatkins Ansehen ist überhaupt groß in Japan und man hört eS ost aussprechen, daß es niemals zum Kriege gekommen wäre, wenn Kuropatkin in der kritischen Zeit, wo Krieg und Frieden in der Wagschale lagen, statt in Japan in Petersburg gewesen wäre und dort der hetzenden SriegSpartei hätte entgegentreten können. . Kuntes Allerlei. Die berühmte Sopranistin setzte gerade mit ihrem Solo ein, als der kleine Fritz seine Mutter fragte: „Warum schlägt dcnn der Kapell meister mit seinem Taktstock nach ihr?" — „Sei still,* sagte die Mama, „er schlägt doch nicht nach ihr/ — „Warum schreit sie daun aber so?" Erwö«schter Zustand. Mann: „Nun, waS sagst du zu diesem prächtigen Wasserfall?" — Frau: „Ich bin vor Bewunderung sprach los? — Mann (schnell): „Wollen wir uns hier nicht ein Wohnhaus bauen lassen?" c^-ch. JarrS.q Reizendes Zusammentreffen. Arzt (nach dreimonatlicher Ehe zu seiner kranken Frau): „Aber das ist doch zu reizend, Amalie, daß du dank wurdest — nuu bist du gleich meine erste Patientin." cM^-) " — stündigen Zusammenseins keine Sympathie in mir, worüber ich mir innerlich bittere Vorwürfe machte, mußte ich mir doch sagen, daß ich mich noch nicht zu jenem Heroismus der Liebe und Freundschaft bindurchgerungen hatte, der selbst, los Ms Gliick des Freundes sieht. Es wurde mir nicht leicht, ihnen daS Ver sprechen zu geben, die Pfingstferien auf dem Gute von Marias Eltern zu verleben, wo auch er die Feiertage zubrinzen wollte. Aber es galt mein eigennütziges Fühlen mit der Wurzel auszureißen, und so gab ich nach. Pfingsten war ich bei ihr; aber er kam nicht, wie sehnsüchtig fie auch harrte. Statt feiner kam ein Brief — schöne, tönende Worte von Entsagen und Opfern, die der Wissenschaft gebracht werden müßten, von Freisein von allen beengenden Verhältnissen. Maria hatte schon gehört, daß ihr Bräutigam ein auffallend häufiger Gast in dem -Hause eines reichen Gutsbesitzers sei, dessen Besitzung an das Dorf grenzte, das er sich zu sei.iem Wirkungskreis ersehen hatte. Das Gerücht hatte ihn in Ver- bindung mit der schönen Tcchter dieses Guts besitzers gebracht, aber Maria hatte dazu gelacht, er tonnte ihr ja nicht untreu werden. Ich war dabei, während sie den Brief mit zitternden Händen öffnete und las. Dann reichte fie ihn mir mit einem Lächeln." Wieder legte Gertrud die Hand über die Augen, allmächtig kamen dir Erinnerungen über fie. „Sprechen Sie nicht weiter, es lut Ihnen weh," bat der Doktor. Sie schüttelte den Kopf. „Es tut mir weh, ob so oder so; aber heute, als er mir gegenübertrat, so schön und so falsch, da war's mir, als sei das Unselige erst gestern geschehen. Also weiter." Maria zog den Ring vom Finger und reichte ihn mir. „Du wirst ihm antworten in meinem Sinne," sagte sie. „Meine Hand soll auch nicht einmal mehr seinen Namen schreiben." Sie sprach zu niemand sonst von dem Briefe, den fie in die Flammen warf. Zu mir war ste ungewöhnlich weich. Am Abend legte fie mir noch ein nasses Tuch um den Hals, da ich infolge heftiger Erkältung total heiser ber ihr angelangt war, so daß ich nicht sprechen konnte und hieß mich freundlich einschlafen. Auch fie legte sich zu Bett. Ich lauschte auf ihre Atemzüge. Dann schlief ich ein. Aber die Angst trieb mich bald empor, ich zündete Licht an — ihr Bett war leer, die Tür von außen zugeschloffcn. Ich klingelte. Man befreite mich bald. Ich mußte mich ihren Eltern entdecken, durch ein paar Zeilen, die ich ihnen aufschrieb. Wir Haden ste gesucht, zwei Stunden lang, am Fluß, im Walde, überall. Ich wollte ihren Namen rufen und hatte keine Stimme. Endlich fand ich sie, aber Wiel Sie kannte mich nicht and floh vor mir, wilde Reden gegen mich führend. Ich konnte niemand zu Hilse rufen, sondern ihr nur folgen. Da kam ihr Valer. Und fie lebt noch heute in diesem traurigen Zustande und kann nicht sterben. Ich habe wiederholt versucht, fie zu sprechen, der Anftaltsdirekwr versprach sich viel davon. Aber mein Anblick regte sie stets furchtbar auf, fie schien mich für den Verräter zu halten. Und er ist Professor geworden und hat fich durch eine reiche Heirat den Weg geebnet. Ist das Gerechtigkeit?" „Doch, es gibt eine Gerechtigkeit. Der Mann ist gerichtet in seinem Herzen," ent gegnete Haller. Sie lachte kurz auf. „Der? Hat der ein Herz?" „Weitz hier niemand von dem, was Sie mir soeben erzählten?" „Nein. Er mag übrigens gefürchtet haben, datz ich ihm die Maske von dem gleitzenden Antlitz reißen wollte, darum versuchte er vorhin, fich in meinen Augen zu rechtfertigen. Er kann ganz ruhig sein, ich werde die Welt nicht zu seinem Richter amusen." Sie reichte dem Doktor die Hand. „Vielleicht ist es unrecht von mir, daß ich zu Ihnen davon gesprochen habe. Sie kommen manchmal in Berührung mit ihm, er kann hinreißend sprechen, ost habe ich das von Maria gehört. Glauben und trauen Sie ihm nicht." „Können Sie ihm nie vergeben, und wenn er noch so schwer büßen sollte?" Sie lächelte trübe. „Vergeben ist himmlisch — ich bin nur ein Mensch; ich kann wohl dem vergeben, der mir selbst ein Leid tut, ich richte mich schon wieder auf. Hier kann ich nicht vergeben, Sie wissen ja nicht, wie weh das tut, all' die langen Jahre." Sie lehnte sich still in die Sofaecke zurück, einen schmerzlich bittern Zug in dem sonst so klaren Antlitz. Er sah fie in dem dunklen Walde umherirren, Verzweiflung im Herzen. Nun wußte er auch, seit wann ste nicht mehr fingen konnte, nun verstand er das schmerzliche Zucken um ihre Lippen, als er fie danach fragte. „Menn wir Menschen hier auf Erden nach Verdienst bestraft würden, dann müßte man ihn meiden und fliehen wie einen Aussätzigen," sagte fie endlich leise. Da sah er fie mit einem Blick stummer Verehrung an. Es drängte ihn, vor ihr niederzufinken und die Hände zu ihr empor zuheben wie zu einer Heiligen, die geläutert ist in dem dreimal heiligen Feuer des Schmerzes. Wie viele Schmerzen verschwieg wohl noch ihr stolzer Mundt O dürfte er ihren Kopf an seine Brust legen und sprechen: „Hier ruh' dich aus von allem Leid." Da trat der junge Böhmer mit seiner Frau am Arme ein. .Wir kamen nicht früher ab," sagte fie, sich zu Gertrud aufs Sosa setzend und vertraulich den Arm um ihre Schütter legend. So plauderten fie eine Welle fort, bis der jungen Frau eiustel, daß fie doch gewissermaßen in diesem Hause zu repräsentieren habe und so zog fie Gertrud mit fort zu den übrigen Damen, während der Oberlehrer und der Doktor ihnen folgten. Der Frau eines jungen Richters war etwas an ihrer Toilette in Unordnung geraten und Gertrud begleitete fie in das Garderobenzimmer, um dem Schaden abzuhelfen. ««i» Fortsetzung folgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)