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Vie „Vttendsrfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich I Mark. Durch die Post bezogen y20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bis vormittag w Uhr. Inserate werden mit w Pf für die Lpaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Nr. 140. Mittwoch, den 23. November 1904. 3. Jahrgang. Bekanntmachung. Mit Ende dieses Jahres scheidet aus dem Gemeinderate ein Drittteil der Ausschuß- Personen aus und macht sich demzufolge die Wahl von drei Ausschußpersonen nötig und zwar hat die i. Klasse der Ansässigen rvoei Ausschußpersonen und die Klasse der Unsnssssigen eine Ausschußperson und die i. und r. Klasse der Ansässigen, sowie die Klaffe der Un- snlsssigen je i Stellvertreter zu wählen. Die Wahl findet Sonnabend, den 10. Dezember 1904 in den Stunden von 8 bis 11 Uhr vormittags für die I. Klaffe der Ansässigen 12 bis 3 Uhr nachmittags für die II. Klaffe der Ansässigen 4 bis 7 Uhr nachmittags für die Klaffe der UnsnkäMgen im Gemeindeamt — Sitzungszimmer — statt und werden alle stimmberechtigten Gemeinde- Mitglieder geladen, sich zur Vornahme dieser Wahl einzufinden. Die zu Wählenden sind auf dem im Termin abzugebenden Stimmzettel so genau an zugeben, daß über deren Personen kein Zweifel übrig bleibt. Nach den Bestimmungen der revidirten Landgemeinde-Ordnung oom 24. April 1873 und dem Abänderungsgesetz vom 24. April 1886 sind im Allgemeinen stimmberechtigt alle Gemeinde mitglieder, welche die sächsische Staatsangehörigkeit besitzen, das 25. Lebensjahr erfüllt haben uud im Gemeindebezirk ansässig sind oder daselbst seit wenigstens 2 Jahren ihren wesentlichen Wohnsitz haben. Unansässigen Frauenspersonen, sowie juristischen Personen steht ein Stimmrecht nicht zu. Wählbar ist jedes stimmberechtigte männliche Gemeindemitglied, welches im Gemeinde bezirk seinen wesentlichen Wohnsitz hat. Die Fälle der dauernden oder vorübergehenden Ausschließung vom Stimmrecht sind in Z 35, die Gründe der Ablehnung der Wahl in ß 38 der revidirten Landgemeinde-Ordnung bezeichnet. Einsprüche gegen die ausgestellte Wahlliste, welche vom 23. dieses Monats an 14 Tage lang beim Unterzeichnetem zur Einsicht ausliegt, sind innerhalb der in K 42 der revidirten Landgemeinde-Ordnung festgesetzten siebentägigen Frist und zwar bis den 29. November c., abends 6 Uhr hier zu erheben, Einwendungen gegen das Wahlverfahren aber nach § 51 der revidirten Land gemeinde-Ordnung binnen 14 Tagen nach der Stimmenauszählung und zwar bis den 24. Dezember c., abends 6 Uhr bet der Königlichen Amtöhauptmannschaft anzubringen. Ottendorf-Moritzdorf, am 19. November 1904. Der Gemeindevorstand Lincke. OerLliches und Sächsisches. Dttendorf-Wkrtlla, 22. November Der Totensonntag führte die Mensch heit in Scharen nach unserem Friedhöfe, wo die schöne, pietätvolle Sitte, einen Tag im Jahre den Heimgegangenen zu weihen und auf den Stätten ^stillen Friedens Zeichen der Liebe niederzulegen, eine erneute Betätigung gefunden halte. Nur wenige, vielleicht der Vergessenheit anheimgefallenen Hügel entbehrten des Blumen schmuckes. So war der Mahnung: „Vergeßt der teuren Toten nicht" in jeder Weise ent sprochen worden. Das Wetter war trüb und düster, eS herrschte echte Novemberstimmung. So feierte man den ernsten Tag, der wie die jetzige Jahreszeit und die Natur selbst an die Vergänglichkeit alles Irdischen mahnt, den letzten Sonntag des evangelischen Kirchenjahres in erhebender Weise. Nach ihm, den Toten gedenktage, hat nunmehr die Adventszeit be gonnen, und damit ist auch der osfizielle Beginn der Weihnachtszeit gekommen, in welchem für die Jugend der Weihnachtsmann das Haupt gesprächstema bildet, wo die Weihnachtslieder erklingen, das Abfaffen der Wunschzettel anhebt Und die Großen darnach wohl oder übel sich auch bequemen müssen, der Zeitströmung, wie es bei politischen Ereignissen heißt, Rechnung zu tragen. — In Sachen der Betriebsmittelgemeinschast der deutschen Eisenbahnen wird, wie die „A A." erfährt, zu Beginn des nächsten Jahres eine weitere Konferenz in Berlin stattfinden. Dresden. Die Königliche Stattsanwaltschaft lehnte die kriminelle Verfolgung des Direktors der zoologischen Sammlungen Geheimen Hof- rats Dr. Meyer ab. Ob noch eine Disziplinar untersuchung eingeleitet wird, ist von der Generaldirektion der König!. Sammlungen, an deren Spitze Finanzminister Dr. Rüger steht, noch nicht entschieden. — Sonnabend vormittag gegen ^10 Uhr kam die 22jährige Kaufmannsehesrau Zschieschke beim Baden ihres Kindes dem Spirituskocher zu nahe, auf dem sie Milch für das Kind wärmen wollte, ihre Kleider fingen Feuer und sie erlit schwere Brandwunden, an denen sie abends im Johannstädter Krankenhaus verstarb. — Am Sonntag vormittag beförderte in einer Fettniederlage der Schäferstraße der Ge legenheitsarbeiter Friedrich Heinicke, ein etwa 50 Jahre alter Mann, ein Faß Oel in den Keller, verlor aber dabei die Mackt über das selbe und wurde von ihm erdrückt. Der Tod des Mannes war sofort erfolgt. Königsbrück. Sonnabend nachmittag gegen b Uhr wurde aus der Hausflur, Bad weg No. 8 des Herrn Steinarbeiter Karl Rehor gehörige Rad (Rover) gestohlen. Das selbe hatte schwarzen Rahmenbau und schwarze Griffe. Kamenz. Der auf dem hiesigen Bahnhof verunglückte Hilfsweichensteller Bernhard Nitzsche ist seinen schweren Verletzungen erlegen. Reick. 100 Bewerbungen sind um die hiesige berufsmäßige Gemeindeoorstandsstelle die am 1. Januar 1905 zu besetzen ist, ein gegangen. Radebeul. Jo einer hiesigen Blechwaren fabrik wurde am Freitag einein 16 jährigen Mädchen, das in der Prägerci beschäftigt war, die linke Hand von der Maschine schwer verletzt. Großenhain. Um die hiesige Bürgermeister stelle haben sich 22 Herren beworben. Meißen. Schwere Havarie erlitt Sonn abend früh an der hiesigen alten Brücke ein mit 12000 Zentnern Kohlen beladener, nach Tangermünde bestimmter Kahn des Schiffs eigners Ehr. Schmidt. Der Kahn mußte einen Floß ausweichen und geriet dadurch aus der Fahrrinne und mit der Spitze auf das Vor lager des rechtsufrigen Strompfeilers, worauf er sich nach dem rechten Ufer zu drehte und auf dem Damm völlig festfuhr. Kahn und Ladung sind versichert, immerhin erwächst dem Eigentümer beträchtlicher Schaden. Die Ladung wird voraussichtlich zu retten sein. Die Tal- chiffakrt war bis mittag gesperrt, von da an chleppten zwei Schraubendampfer die Fahr zeuge durch die Brücke. Riesa. Die Befürchtung, daß die Elbe wieder in die alte Wofferarmut aufs neue verfallen werde, scheint sich leider zu verwirklichen Ganz wesentliche Rückgänge des Wasserspiegels wachten die letzten Tage. Hier fiel der Wafferstand vom Dienstag bis zum Donners tag um 40 am. Wenn es noch eine Reihe Tage so fort geht, steht man gor bald wieder vor der kaum überwundenen Kalamität. Die Winternähe verstärkt noch ganz besonders die Besorgnisse. Oederan. Der abends */, 14 Uhr von Hilbersdorf nach Dresden verkehrende Güterzug ist in der Nacht zum Sonnabend bei der Ein fahrt in den hiesigen Bahnhof zerrissen, wobei ein Wagen entgleiste. Hierdurch war das eine Hauptgleis der Dresden—Reichenbacher Linie zwischen Falkenau und hier bis gegen 1 Uhr nachts gesperrt. Der Verkehr wurde eingleisig aufrecht erhalten. Mutzschen. Eine unglaubliche Frechheit ist hier am Bußtage beim Abendgottesdienst, mit welchem die Feier des heiligen Abendmahls verbunden war, von einigen Knechten aus Jeesewitz verübt worden. Diese haben einen Schulknaben mit an den Tisch des Herrn ge nommen, und der Knabe hat auch mit an der AuSspendung des heiligen Mahles teilgenommen. Von den rohen Burschen ist ferner eine Fensterscheibe in der Kirche zerbrochen worden. Leipzig. Bei dem Deckeneinsturz im Fest saale des Palmengartens, welcher einer Dame aus Stettin das Leben kostete, wurde ein Fräulein Michura schwer verletzt. Nachdem im September 1903 die bauausführenden Architekten freigesprochen worden waren, hat jetzt Fräulein Wichura — nach drei Jahren die Aktiengesellschaft „Leipziger Palmengarten", die Bauräte Johsige und Schmidt, sowie die Stadtgemeinde Leipzig auf Schadenersatz ver klagt. Sie macht unter anderem geltend, die Baupolizei der Stadt Leipzig habe eine zu leichte Dachkonstruktion zugelaffen, gegen die Anbringung einer schweren Stuckdecke keine Einwendungen erhoben und das Gewicht der Kronleuchter nicht geprüft. Sie verlangt 8975 M. Schadenersatz und eine jährliche Rente von 1200 M. Der Rat der Stadt Leipzig muß wohl oder übel diese Klage über sich ergehen lassen, hat aber seinerseits be schlossen, zugleich die für Deckenarbeiten iu betracht kommenden Firmen BoSwau und Knauer regreßpflichtig zu machen — Der 1872 in Angermünde geborene Arbeiter Daberkob, verheiratet aber getrennt lebend, erschoß Montag Vormittag seine Ge liebte, die 20 jährige Näherin Kolster, in deren elterlichen Wohnung und tötete sich dann eben falls durch Erschießen. Die Ermordete hatte erst am 23. Oktober einem Mädchen das Leben gegeben und lag noch im Wochenbett. Graupen. In Interessentenkreisen besaßt man sich mit der Idee einer Zahnradbahn von der Bergstadt Graupen über den Mückenberg (Mückentürmchen) nach Sachsen (Müglitz oder Lauenstein-Geising). Die Ausarbeitung eines eingehenden Projektes dürste ein auf dem Gebiete der Bergbahnen bekannte Schweizer Ingenieur übernehmen. Die Realisierung der Idee dürste wohl noch sehr fern liegen. Nus der Woche. Auf dem Kriegsschauplätze im fernen Osten ist es verhältnismäßig ganz still geworden. Ruffen und Japaner gleichzeitig holen aus der Heimat immer mehr Verstärkungen an, Japan hat in London neue Munition in Gestalt einer anständigen Anleihe erhalten und da in Japan nie so fortgesetzte Unterschlagungen stattfinden wie in Rußland, da Japan auch für seine im Felde stehenden Truppen gewissenhafter sorgt und die japanischen Generale sich im allgemeinen besser bewährt haben als die russischen, so dürfte sich das wehmütige und unser Gerechtigkeitsgefühl so schwer beleidigende Schauspiel von Transvaal nicht wiederholen, wo ein kleines Heldenvolk der brutalen Ueber- macht unterlag. Das Eigenartige des Riesen kampfes in Ostasien ist aber, daß das eigent- ichste und wirklichste Rußland — nämlich die mmerhin nicht geringe Zahl der Gebildeten und Ehrlichen in Rußland — den Sieg Ruß- ands nicht wünscht, weil es davon die Ver- Lagerung der grauenhaften politischen Zustände Rußlands fürchtet, die bei einer entscheidenden Niederlage dagegen unter ihrer eigenen Schmach usammenbrechen müßten, Es sind durchweg onservative Elemente (nicht reaktionäre), die den Zusammenbruch wünschen. Der Wiener Journalist Ganz, der sich längere Zeit in Rußland aufgehalten und die dortigen Zustände tudiert hat, entwirft ein anschauliches Bild )avon in einem in Frankfurt a. M. er- chienenen Werke „Vor der Katastrophe", nach )em die Grundbestimmungen in Rußland ist: „Gott helfe uns und lasse uns Schläge kriegen." Die an vielen Orten ausgebrochenen Reservistenunruhen bestätigen nur die Stimmung des niedrigen Volkes. Am meisten kann einem die kaiserliche Familie leid tun, die gegenüber den Einflüssen der alten Bojarenfamilie macht los ist. Rußland hat nie ein eigenes Fürsten- Ms hervorbringen können. Rurik war ein Waräger (Normane), Romanow ein Litauer und das jetzige Zarenhaus Holstein-Gottorp ist deutscher Abstammung. — Die Schieds gerichtsverträge kommen jetzt erst in Mode. Im Laufe der Woche wurden mehrere der gleichen abgeschloffen, unter andern auch ein solcher zwischen Deutschland und der Schweiz. Außerdem sind die lippischen Truppen auf den neuen Graf-Regenten vereidigt worden, sodaß wieder einmal ein kciegdrohender Konfliktstoff beseitigt ist. Dazu kommt, daß die Enthüllung des alten Fritzen-Standbildes in Washington unmittelbar bevorsteht. Auch mit dieser An gelegenheit verschwindet eine etwas peinliche Stimmung aus den Zeitungsbetrachtungen. König Don Carlos weilt mit seiner Gattin in England und ist dort Gegenstand besonderer Aufmerksamkeit — England behandelt seine gehorsamen Vasallen immer gut und Don Carlos hat es an Unterwürfigkeit nie fehlen lassen. Die Delagoa-Bai war beim Transvaal kriege den Engländern freundschaftlich geöffnet; sie konnten ganz darüber verfügen, als ob sie ihr Eigentum gewesen wäre. — Der Hüller Vorfall, dessentwegen drei Tage lang ein Krieg zwischen England und Rußland in Sicht war, wird sich wohl in ein sanftes Wohlgefallen lösen. Die russische Botschaft in London ist vom englischen Pöbel etwas molestiert worden; England hat in Petersburg deshalb um Ent schuldigung gebeten. Die Sache ist beigelegt; Rußland verzeiht großmütig. Daß Rußland schon wegen der in Grund geschossenen Fischer böte in London um Entschuldigung gebeten hätte, ist nicht bekannt geworden. Berlin. Hauptmann von Hahnke, der Führer des Transportes I-, meldet in der Nacht vom 20. zum 21. aus Swakopmund: „Gertrud Wörmann" 1b km nördlich von Swakopmund bei Mebel gestrandet. Welter ruhig. Mannschaften zum größten Teil in Sicherheit. Hoffe, Pferde und Ladung zu bergen. An Bord der „Gertrud Wörmann" befinden sich: Feldvermeffungstrupp, 4. Ersatz« kompanie, 2. Ersatzbatterie, zusammen 24 Offi ziere, 382 Mann und 300 Pferde. — Der Dampfer „Gertrud Wörmann" ist vollständig verloren. Das Expeditionskorps wurde vom Kriegsschiffe „Vineta" an Bord genommen und nach Swakopmund gebracht.