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Ottendorfer Zeitung : 04.11.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-11-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190411048
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19041104
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19041104
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-11
- Tag 1904-11-04
-
Monat
1904-11
-
Jahr
1904
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 04.11.1904
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politische Aunäschsu. Ter englisch-russische Zwischenfall. * Es scheint den Engländern im geheimen sehr lieb zu sein, daß sie ihren Konflikt mit Rußland auf den toten Punkt schieds richterlicher Entscheidung haben bringen können. Es ist das der einzige Ausweg, der vor einem Kriege geschützt hat; denn die Volkserregung in England war bis zur Siedehitze gesteigert und die englische Regierung hatte eine so scharfe Sprache geführt, daß sie sich gehörig blamiert hätte, wenn den bramarbasierenden Reden keine Taten gefolgt wären. Nicht alle russischen Schiffe werden bis nach Beendigung des Schiedsgerichtsverfahrens in dem Hafen von Vigo bleiben, sondern nur die an der Affäre von Hull beteiligten und diejenigen, die schon Schäden erlitten haben. Wie sehr die Erregung in England sich inzwischen gelegt hat, zeigt die Meldung, daß der Befehl, keinen Flottenurlaub zu gewähren, aufgehoben wurde, und daß die außergewöhnliche Tätigkeit in der britischen Marine aufgehört hat. * Das Haager Schiedsgericht zur Untersuchung des Streitfalles zwischen Ruß land und England soll schon in den aller nächsten Tagen zusammentreten. * Mit den V e r n e h m u n g e n der F i s ch e r, die die Beschießung durch das baltische Ge schwader auszuhalten hatten, ist am Freitag in London begonnen worden. Die Besatzungen der FMerdompfer „Moulmein", „Minbo", „Gull Bossein", sowie die verwundeten Leute vom Bord des „Crane" leugnen entschieden die An wesenheit von Torvedobooten oder von Schiffen, die sich rasch wie Torpedoboote bewegen, in der Nähe der Fischerflotte. Der Bericht wurde dem Auswärtigen Amt mitgeteilt. * Offiziell wird nunmehr bekannt, daß die unmittelbare Initiative zur Einleitung ver mittelnder Schritte in der schwebenden Ange legenheit vonrussischerSeite ausgegangen ist. Bereits am vorigen Freitag hat der russische Minister des Auswärtigen Graf Lambs dorff an den russischen Botschafter in London Grafen Benckendorff ein Telegramm gerichtet, in dem er den Botschafter aufforderte, der englischen Regierung diese Form zur Lösung der Frage vorzuschlagen. * * . * Der russisch-japanische Krieg. -Die Ruhepause auf dem mandschurischen Kriegsschauplätze scheint zu Ende zu gehen. Nach Meldungen aus Mukdsn begann Sonntag- Nacht eine Kanonade mit schweren Geschützen, die bis zum Morgen dauerte. Zwischen den Aufklärungstruppen finden Kämpfe statt. Die Japaner haben den Schahs südöstlich von Mulden überschritten. Man erwartet, daß noch in dieser Woche eine große Schlacht auf der ganzen Linie entbrennen werde. Kuropatkin selbst, der russische Oberbefehlshaber, teilt diese Vermutung. * Der allgemeineSturm ausPort Arthur, der mit dem Angriff vom 24. Ok tober begann, entwickelte sich nach einer ,Reutet - Meldung am Sonntag zu einer heftigen Schlacht, die den ganzen Tag über wütete. Nach einer Quelle, die sich bisher als zuverlässig erwies, warfen die Japaner große Streitkräfte gegen die Festung bei dem Versuch, eine beherrschende Stellung zu ge winnen. Das Ergebnis ist noch unbekannnt. Es dürften noch zwei weitere allgemeine An griffe erforderlich sein, bis der Abstand zwischen den Kriegführenden klein genug ist, um den Versuch, die Hauptforts zu besetzen und damit die Festung zu nehmen, ausführbar zu machen. -Alexejew und sein ganzer Stab haben Ostafien bereits verlassen und befinden sich auf dem Wege nach Petersburg. Um die Pille seiner Abberufung zu überzuckern, wird berichtet, der Zar wolle seinen Rat über die Aufstellung des nächsten Feldzugsplanes an hören. * * ch- Deutschland. -Im nächsten Herbst wird das 11. und 18. Armeekorps Kaisermanöver haben. Hierzu sollen auch zwei bayrische Korps hinzugezogen werden. * Graf Posadowskv reist nach Wien, um die Verhandlungen des Handels vertrages zu fördern. * Über den Inhalt der neuen Militär vorlage gehen allerhand unkontrollierbare Meldungen durch dis Presse. So wird neuer dings in den Münch. Reuest. Nachr.' behauptet, der neue Militärgesetzentwurf werde die gesetz liche Festlegung der zweijährigen Dienst zeit für die Infanterie bringen und gleichzeitig Änderungen in der Organisation Vorschlägen, „die die infolge der zweijährigen Dienstzeit zu tage getretenen Mängel verbessern." Namentlich solle die Organisation der Unteroffiziere nnd der niedrigen Offizierchargen gefestigt und verbesfert werden. -Nach einem kaiserlichen Erlaß gelten die KämpfeinSüdwestafrika — der Auf stand der Bondelzwart-Hottentotten vom 25. Oktober 1903 bis zum 27. Januar 1904, sowie der am 11. Januar 1904 ausge brochene Aufstand der Hereros als Feld - züge; für die Beteiligung an der Nieder werfung dieser Aufstände, sofern sie mindestens einen Monat betragen hat oder die Teilnahme an einem Gefechte vorliegt, find den dabei zur Verwendung gelangten Deutschen Kriegs- jahre und zwar für den Aufstand der Bondel- zwart-Hottentotten das Jahr 1903, für den Herero-Aufstand vorläufig das Jahr 1904 an zurechnen. -Amtliche Meldungen aus Deutsch-Süd- westasrika bestätigen nun endlich die Hoffnungen, daß die Widerstandskraft der Hereros völlig gebrochen ist. Ihre Kapitäne find jedoch auf britisches Gebiet geflohen. Sie selbst find halb verhungert und verdurstet. Österreich-Ungarn. * Am Freitag starb Feldzeugmeister Anton Frh. v. Rolinary in Albate bei Como im 85. Lebensjahre. — Mit ihm verliert die österreich-ungarische Armee einen ihrer ver dientesten und bewährtesten Führer, der sich namentlich im bosnischen Feldzuge be sonders hervorgetan hat. Frankreich. -Ministerpräsident Combes erklärte in der Kommission, die jüngste Haltung des Papstes zwinge dazu, die Lösung der Frage der Trennung von Kirche und Staat zu beschleunigen. England. -An der Londoner Börse war am 29. v. ein angebliches Telegramm Kaiser Wilhelms an den Zaren angeschlagen, das nachstehenden Wortlaut hatte: „Herzlichsten Glückwunsch: Heldenmütiger Sieg auf meiner Nordsee. Solche heldenhafte Verrichtungen tragen zu den glorreichen Taten der Geschichte Rußlands bei und binden unsre beiden Länder zusammen. Der Himmel verleihe Dir Hilfe. Du wirst sie brauchen können. Wilhelm." Mit derUnverschämtheit dieser Fälschung kannhöchftens ihre — Plumpheit versöhnen. -Ministerpräsident Balfour sprach der russi schen Regierung für ihre ganze Haltung im englisch - russischen Konflikt uneinge schränktes Lob aus, ließ sich aber sebr schroff über die Darstellung des Admirals Rosch- djeftwensky aus. Die englische Presse ist über die gefundene Lösung geteilter Ansicht. Italien. * In der italienischen Presse erhält sich das Gerücht von einer bevorstehenden Zusammen kunft des Kaisers Wilhelm und des KönigsvonJtalienin Livorno. Spanien. * Die parlamentarischen Kämpfe in der spanischen Deputiertenkammer sind am Montag vormittag, nachdem die Kammer schon 36 Stunden ununterbrochen getagt hat, zu wirklichen Schlägereien ausgeartet. Balkanstaaten. -Entlassene, aus Mazedonien zurückgekehrte Truppen in Makri (Wilajet Smyrna) schlossen den Kommandanten und die Offiziere in die Kaferne ein und erklärten, dieselben nicht früher frei zu geben, als bis sie selbst den rück - ständigenSold ausgezahlt erhalten hätten. Es wurde sofort ein Befehl an die zuständigen Kassen zur Vorstreckung der nötigen Gelder er lassen. -Die bulgarische Sobranje ist am 29. Oktober vom Fürsten Ferdinand mit einer Thronrede eröffnet worden. In ihr heißt es, die Zusammenkunft des Fürsten mit dem Kaiser Franz Joseph und dem König von England sei ein Beweis des allgemeinen Vertrauens zu Bulgarien, die Rischer Zusammenkunft mit König Peter sei der erste Schritt zur Verwirklichung eines serbisch-bulgarischen Einver nehmens. Amerika. -Die letzte Woche vor den Präsident« schaftswahlen in Nordamerika zeitigt un geheure Anstrengungen beider Parteien. Die Republikaner kündigen allein im Staate New Jork 450 Volksversammlungen an. Die Wahl wetten stehen jetzt sechs zu eins für Roosevelt. Afrika. -In Marokko gehen die Dinge wieder dmnter und drüber. Die Konsuln in Larasch find in das belgische Konsulat geflüchtet. Ein Boot des deutschen Dampfers „Nordsee" von der Oldenburger Linie soll beschossen und ein Mann getroffen worden sein. OeMlck-SüäweftLfrikL. Zu den Pflichten der Regierung bei dem gegenwärtigen Aufstand in Deutsch-Südwest afrika rechnet auch die ,Deutsche Kolonial zeitung', daß ausführlichere Nachrichten geliefert werden: Wird im deutschen Publikum der Feldzug in Südwesiafrika mit dem gebührenden Interesse ver folgt? Oder muß der Vorwurf einer gewissen Teil- nahmlosigkeit ausgesprochen werden? Sicher lich trüge an dieser Teilnahmlofigkeit ein gut Teil Schuld die Reichsregierung bezw. Chef des Generalstabs, der sehr magere Nachrichten veröffentlicht. Es ist im deutscben Publikum viel zu wenig bekannt, welchen Strapazen und Entbehrungen unsre Truppen ausgesetzt find, welche Tapferkeit unsre Offiziere bewiesen haben. Die Öffentlichkeit wird mit einigen kurzen Telegrammen abgespeist. Auch der Reichstag würde bewilligungsfreudiger sein, wenn ihm immer wieder klargemacht wird, daß unsre Truppen in einer erheblichen Minder zahl gegen die Hereroscharen gekämpft haben. Wir möchten dem hinzufügen, daß in der letzten Nummer des (regelmäßig um ein paar Tage zu spät erscheinenden) amtlichen,Kolonialblattes' dem Ausstande in Südw-st ganze zweieinhalb Spalten gewidmet sind, d. h. nur die knappen Telegramme Trothas und Leutweins veröffent licht werden. In früheren Jahren, z. V. aus den Witboikämpfen von 1894, find recht aus führliche und interessante Mitteilungen im ,Deutschen Kolonialblatt' veröffentlicht worden. Warum wird dieser Brauch jetzt nicht mehr geübt? Die Fehler, die von uns in Südost früher und dann bei der Bewältigung des Aufstandes begangen wurden, werden im neuesten Heft der .Zukunft' wie folgt angekreidet: Wenn wir vernähmen, England, Rußland, Frankreich, irgendeine Großmacht könne ihre zur Besiedlung ferner Gebiete ausgewanderten Kinder nicht schützen, nicht die zum notdürftigsten Schutz ausreichende Truppenzahl landen: ein Hohngelächter würde der Kunde als Echo folgen. Und ein Dank an die Vorsehung, daß solche Lotterwirtschaft bei uns nicht möglich ist. Jetzt? Die liebe öffentliche Meinung ist mit der neuesten Kanaldummheit der Russen, mit Oyamas Heldenruhm und der Narrheit des Grafen Pückler beschäftigt und hat keine Zeit, sich um Südwestasrika zu kümmern. Wozu auch? Wir haben die beste Heeresorganisation der Welt, eine Flotte, vor deren Anblick John Bull das Herz in die Hosen fällt, und so glorreiche Erinnerungen wie kaum eine andre Nation. Daß in Swakopmund die Mole nichts taugt, ist ja unangenehm; aber die Firma Woermann hat für ihre auf Löschung wartenden Dampfer schon mehr als drei Millionen Mark Liege gelder gefordert und erhalten, und es wäre unklug, durch übereilte Truppentransporte diese Summe noch zu erhöhen. Auch da drüben wird's wieder ruhig werden. Gegen Elementar ereignisse ist nun einmal kein Kraut ge wachsen, und niemand dafür verantwortlich zu machen, daß eine Mole unbrauchbar ge worden ist. Wirklich niemand? Ich bin andrer Meinung. Seit Jahren wird über die Landungsverhältnisse in Swakopmund geklagt. Schon in Kolonialschriften aus dem Jahre 1898 ist zu lesen, daß die kleinen Schiffe der Woermann-Linie zum Löschen der Ladung unge fähr vierzehn Tage brauchten. Dann hörten wir, nun werde ein brauchbarer, dauerhafter Hafendamm gebaut. Ist er nicht fertig ge worden oder war die Anlage so jämmerlich, daß er nach drei Jahren schon wieder völlig ver sagt ? Ich weiß es nicht, kann mich überhaupt, da ich nie in Deutsch-Südwestafrika war und von der Literatur nicht viel mehr als dis Schriften von Francois, Bülow und Leuiwein kenne, nicht für sachverständig ausgeben. Weiß aber, daß auch die Herren, die in der Wilhelm straße das Geschick dieser unglücklichen Kolonie bestimmen, das Land nicht kennen. Weiß, daß sie für Südwestasrika nichts getan haben, weil's ihnen nur darauf ankam, dem Reichstag Renta bilitätsberechnungen vorzulegen, wie sie kein Bankdirektor ungestraft, wagen dürfte. Und weiß, daß drüben seit fast einem Jahr Krieg geführt und die Lage für die deutschen An siedler und das deutsche Ansehen von Tag zu Tag gefährlicher wird, weil die Vorbereitung für den Kriegsfall in skandalöser Weise ver nachlässigt war. Herr v. Trotha ist nicht schuldig. Er kam mit unzureichender Mannschaft und fand die fchwierigste Situation. Vor rhm war der Oberst Dürr — der inzwischen, wie hier vorausgesagt worden war, Flügeladjutant des Großherzogs von Baden geworden ist — drüben gewesen; und der Konflikt Dürr-Leutwein hatte den Refpekt der Schwarzen vor der Stetigkeit deutscher Herrschaft gewiß nicht vermehrt. Viel leicht war's überhaupt ein Fehler, dem Obersten Leutwein gerade in der Kriegszeit das Kom mando zu nehmen. Die Sehweite seines AugeS hat sich als unzulänglich erwiesen; aber er kennt das Gelände und hat über die unter worfenen Stämme eine persönliche Gewalt, die der beste Mann nicht in kurzen Wochen er werben kann. Als Herr v. Trotha ernannt war, schickte der Hauptmann a. D. Dannhauer an den .Berliner Lokalanzeiger' eine Depesche, die den Vermerk trug: „Dem Reichskanzler vorzulegen!" Darin war gesagt: unsre ältesten Afrikaner seien überzeugt, daß die bisher treu gebliebenen Stämme abfallen und zu den schlimmsten Mordtaten bereit sein würden, wenn Leutwein zurückträte. So ist's gekommen. Hendrik Witboi selbst, der Treueste der Treuen, dessen Hottentottcnbrust eine weise Regierung mit Medaillen und andern Ehrenzeichen behängt hat, ist in offenem Krieg gegen Deutschland und hat einen Bezirkshauptmann ermordet. Das war zu erwarten; ist, als mindestens wahr scheinlich, auch in Privatbriefen schon vor zwei Monaten vorausgesagt worden. Wußte man'S in der Wilhelmstraße nicht? Konnten die Aktenstapler sich nicht an den fünf Fingern der vom Schreibkrampf verschonten Hand abzählen, daß 2-j-2---4 ist? Daß die Witbois eine günstigere Gelegenheit zum Kampfe für ihre Unabhängigkeit niemals zu finden, nie zu träumen vermochten? Der Burenkrieg hat sie den Hader der Weißen erkennen gelehrt. Jetzt sahen sie, daß die Deutschen in langen Monaten mit den Hereros nicht fertig wurden; daß Leutwein, der ihr Herrgott gewesen war, über Nacht die Kommando gewalt verlor und sich dem Befehl eines neuen Mannes fügen mußte; und daß Deutschland in absehbarer Zeit keine annähernd genügende Truppenzahl landen konnte. Dazu das Gerüch von Konflikten der militärischen und bürgerlichen Behörden, von der Unzufriedenheit der schlecht oder gar nicht entschädigten Ansiedler: jetzt oder nie hatte ihnen die Stunde zum Krieg für die Freiheit geschlagen. O Gin famUieii-Geheimnis. 29) Kriminalroman von Eberhard Woldenberg. „O, wenn du wüßtest, wie es in meinem Innern ausfieht," sprach Bruno weiter, „wenn ich dir nur recht sagen könnte, wie Hartungs bloßer Anblick ihn mir hassenswürdig machte! Und dabei immerwährend das Gefühl zu haben, in ihm den künftigen Besitzer der Geliebten zu sehen! O, da soll man noch ein ruhiges Leben führen, da soll man nicht in Zerstreuungen Vergessenheit suchen? Das Leben ekelte mich an, und ich wollte mich betäuben in Gesell schaft jeder Art. Du siehst, Hilda, ich will mich nicht besser machen, als ich bin. Aber, bei Gott, wenn ich schon nahe daran war, bei diesem Leben mich vor mir selbst zu schämen, so schwöre ich dir, ich bin in meinem Innern noch deiner würdig. Denn vergesse nicht, daß nur der Gedanke allein, dich nicht besitzen zu können, mich nahe diesem Abgrunde brachte. Glaube mir, Hilda, ein Leben an deiner Seite würde mich stählen zu neuer Tatkraft, würde bald wieder einen andern aus mir machen. Jetzt empfinde ich Scham und bittere Reue darüber, daß ich die sittlichen Zwecke des Lebens nicht ernster aufgefaßt habe. Wirst du mir verzeihen? Hilda, meine heißgeliebte Hilda, nimm mir nicht mein Leben, mein Glück, indem du mich für immer von dir weisest!" In fieberhafter Aufregung lag er zu ihren Füßen, er umklammerte ihre Kme und suchte dann mit zitternden Händen die ihren zu er fassen, und wie er jetzt glühende Küsse auf die selben preßte, wie er dann sein Gesicht in ihren Kleidern barg, bot er das Bild eines Menschen, der halb krank im Gemüts erscheint. Sie blieb noch immer stumm, aber ihr Ge sicht, der Ausdruck ihrer tränenvollen Augen zeugten für die Erschütterung, die sie, die bis her Kalte, fast Gefühllose plötzlich zum empfindenden Weibe umgewandelt hatte. „Steh' auf," sagte sie leise und suchte ihn sanft von sich abzuwehren. „Nicht eher, bis du mich erhörst," flüsterte er. „Sage mir, daß du mich liebst, oder wenn das nicht, ob du glaubst, mich einst lieben zu können!" Er sah bei diesen Worten flehend zu ihr auf und als er die Tränen in ihren Augen bemerkte, zog er sie an den Händen zu sich nieder und küßte der alsbald willenlos an seiner Brust Ruhenden die Tropfen von den Wangen. Da wallte auch in ihrem Herzen heißes Empfinden auf, sie schlang ihre Arme um seinen Hals und lispelte: „Ja, ich liebe dich. Jetzt bin ich mir dessen bewußt, daß ich dich stets geliebt habe, und daß ich es dir nur nicht immer zeigen konnte sichtbar und in Worten." Bruno stieß einen Jubelruf aus tiefstem Herzen aus, er sprang auf und zog Hilda zu sich empor in seine Arme. Nicht wenig bestürzt war die Frau Mama, als Hilda und Bruno Hand in Hand, mit ge röteten Gesichtern und leuchtenden Augen eine Stunde später vor ihr erschienen und die Mit teilung machten, daß sie sich soeben verlobt kätten. Im ersten Augenblick war sie schon bereit, den um ihre Zustimmung Bittenden ein hartes „Nein" entgegenzuschleudern; aber die kluge Frau bedachte, daß ja eigentlich gar kein vernünftiger Grund dazu vorhanden sei. Bmno war immerhin eine ganz anständige Partie, er besaß zwar im Vergleich zu ihrem eigenen, kein großes Vermögen, aber darauf brauchte man ja, Gott sei Dank, nicht zu sehen. Mit Hartung war es doch ein für allemal zu Ende, und auf diese Weise konnte man sich am besten über das Verlorene hinwegtrösten. Das Paar fand also bei der Mama keinen Widerspruch, wie es anfangs wohl gefürchtet haben mochte; jetzt galt es nm noch, den Papa im Sturm zu überrumpeln. AIS der Bankier am Abend zum Tee aus seinem Arbeitszimmer herauskam, war er fast noch mehr überrascht, als es seine Frau vor ein paar Stunden gewesen. Er sagte zuerst nicht ja und nicht nein, sah aber mit einem eigentümlichen, fast traurigen Blicke die beiden glücklichen jungen Leute an, mit einem Blicke, der das Lächeln auf ihren Gesichtern ver schwinden machte und der sie seltsam berührte. Es war, als sei er mit seinen Gedanken noch immer ganz wo anders und vermöge sich nur schwer in dis Wirklichkeit zurückzufinden. Erst als seine Gattin ihn darauf aufmerksam machte, daß seine Antwort mit Spannung erwartet werde, sagte er mit erzwungenem Lächeln: „So — so! — Ihr liebt euch also — aber wann wollt ihr denn heiraten?" „Wenn Bruno Doktor geworden ist!" rief Hilda lustig. „Hm! — Das ist doch aber —Kopf schüttelnd und augenscheinlich nicht besonders erbaut von dieser Aussicht brach er ab. Da flog aber Hilda schon auf ihn zu und sah ihn mit kindlich bangem Blick unter Tränen an. „Nicht „nein" sagen, Papa! Bitte, bitte!" flehte sie. Der alte Herr wiegte fassungslos den Kopf. Er erkannte seine Tochter gar nicht wieder, sie war so weich, so demütig geworden. Und jetzt schmiegte sie sich schmeichelnd an seine Schulter und setzte listig hinzu: „Mama hat bereits ein gewilligt, und nicht wahr, lieber Papa, du wirst unser Glück nicht zerstören wollen?" „Wenn du wirklich — aber wie ist denn daS so schnell —" Hilda legte ihm die Hand auf den Mund und wiederholte ihr ängstliches Flehen: „Bitte, sage „ja"!" „Nun denn, ja!" erklärte er sich losringend! „Ich tue ja alles, was du willst. — Werdet recht glücklich," sagte er darauf mit einem tiefen Senfzer. . . . Gleich nach dem Abendessen zog sich Wechsler wieder in sein Arbeitszimmer zurück. An dem Tischgespräch hatte er sich nicht beteilig: und nur kurz geantwortet, wenn man eine direkte Frage an ihn richtete. Man merkte es seiner geistesabwesenden, bleichen Miene deutlich an, daß er nur einem Mechanismus gehorchte, daß seine Gedanken weitab weilten; aber wenn er sich unbeobachtet glaubte, ruhten seine Augen mit schmerzlichem Ausdruck auf den Verlobten, und ein Zug bitterer Sorge Kat in sein Gesicht- Als ihn jedoch seine Frau um den Grund
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