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Die „Ottendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Druck und Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bi, vormittag w Uhr. Inserate werden mit io Pf. für die Spaltzetle berechnet. Tabellarischer Satz nach be- sonderem Tarif. Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. Nr. 110. Mittwoch, den 14. September 1904. 3. Jahrgang. Die Bedienung der hiesigen Straßenlaternen soll vom 1. Oktober d. I. ab ver geben werden. Angebote mit Entschädigungsansprüchen sind bis 20. dss. Mts. bei dem Unterzeichneten schriftlich einzureichen. Ottendorf-Moritzdorf, am 13. September 1904. Der Gemeindevorstand. Lincke. Oertliches und Sächsisches. Ottendorf-Okrilla, iz. September 190^. — Am morgenden Mittwoch findet im Gasthof zum schwarzen Roß Militär-Konzert mit anschließenden Ball ausgeführt von der Kapelle des 4. Infanterie Regiments Nr. 107 aus Bautzen statt. In Anbetracht dieses gewiß sehr selten gebotenen Konzertes wäre eine recht zahlreiche Beteiligung der hiesigen Einwohner und der näheren Umgebung sehr wünschenswert, umsomehr da Hern Stabshoboist Lauterbach ein sehr guter Ruf vorausgeht. Alles Näheres siehe im Inseratenteil heutiger Nummer. — An Stelle des am 1- Januar 1905 von hier scheidenden Gemeindevorstandes Lincke wurde der bisherige Gemeindekassierer Herr Pirnbaum einstimmig zum Gemeindevorstand von Ottendorf gewählt. — Herr Gemeinde- ältester Mißbach wurde in dankbarer Würdigung seiner Verdienste um die Gemeinde abermals — bereits zum dritten Male — auf 6 Jahre zum Gemeindeältesten gewählt. — Die Ergebnisse der diessährigenMebhuhn^ jogd sind, was Qualität der Hühner anlangt recht zufriedenstellende. Auch mit der Quantität ist der Jäger zufrieden, denn dies Jahr werden die Hühner, wie er sagt, „nicht alle". Aber — sie halten nicht. Das magere Kraut gewährt keine Deckung und so lassen die Tiere den Jäger nur schwer zum Schuß kommen. An- geschoffene Rebhühner, die von dem Schützen oder seinem Hunde nicht gefunden werden, eignen sich häufig nichljagdberechligle Personen an, die sie dann zum Kauf anbielen. Hierbei sei daran erinnert, daß unerlaubtes Aneignen von W'ld strafbar und es daher Jedermanns Pflicht ist, gefundenes Wild dem Jagdpachter abzuliefern, der in der Regel die Ehrlichkeit belohnt. Radeberg. Schlechte Erfahrungen haben die Milchlieferanten Radebergs und Umgebung mit einer versuchten Preiserhöhung gemacht. In öffentlicher Bekanntmachung erklärten sie, des Futtermangels wegen von 1ö und 18 auf 18 Pfg. für den Liter Milch heraufgehen zu müssen. Der Milchverbrauch ging hierdurch aber so sehr herab, daß die Lieferanten bereits acht Tage später für 16 Pfg. verkauften, nur um Abnehmer zu finden. — Die hiesige Apotheke ging für 200 000 M. in anderen Besitz über. Der seitherige Eigen tümer bewirtschaftete diese 2ö Jahre. Kleindittmannsdorf. bei Pulsnitz. Freitag nachmittag kam in dem Hausgrundstück des Bandwebers Alwin Gneuß ein Schaden feuer, aus, daß nicht nur das Haus und sämtliches Mobiliar vernichtete, sondern auch einem jungen Menschenleben den Flammentod brachte. Um »/,« Uhr abends zog jman die Ueberreste des dreijährigen Söhnchen des Besitzers aus dem glühenden Trümmerhaufen. Auch dem hochbetagten Eichlerschen Ehepaar' das als Auszügler in dem sehr beengten Hausgrundstück wohnte, verbrannte sämtliches Hab und Gut. ^Meißen. Zwei Schuhmacherlehrlinge, die ein Meister aus der Bräunsdorfer Erziehungs anstalt übernommen hat, haben an mehreren Sonntagen, während die Meisterfamilie aus gegangen ist, durch Einsteigen in die Ladenstube Gelddiebstähle ausgeführt. Insgesamt sind ihnen 31 Mark zur Beute geworden, die sie gleichmäßig geteilt haben. Seit Sonntag sind die Burschen verschwunden. — Em« in eimm Flelschwarenladen tätig gewesene und vor einigen Tagen wegen kleiner Unregelmäßigkeiten gefänglich eingezogene Verkäuferin ist auf dem Transporte nach dem Krankenhause nach nur kurzem Unwohlsein ver storben. Die Todesursache ist unaufgeklärt; sie soll durch Oeffnung der Leiche festgestellt werden. Man nimmt an, daß das junge Mädchen, das übrigens in anderen Umständen war an den Folgen der Aufregung infolge ihrer Inhaftnahme gestorben ist. — Hier wird demnächst eine Filiale des Dresdner Bankvereins eröffnet werden. Freiberg. Ein äußerst frecher Raubüberfall wurde an der Tochter des hiesigen Bäcker meisters Hammer verübt, als sie sich vom Bahnhof Bienenmühle nach Kämmerswalde zu einer Beerdigung begeben wollte. Auf dem sogenannten Buitersteige gesellte sich ein schlechtgekleideter Mensch zu ihr und forderte an einem Busch angekommen, die Barschaft. Als sie dieses verweigerte, wgrde sie nieder- gerissen und ihr die Geldbörse mit 35 Mark Inhalt entrissen. Der Räuber suchte hierauf das Weile. Auf die Hilferufe kamen jedoch Leute herbei, die den Täter anhielten und der Gendarmerie überlieferten. Bautzen. Seitens der hiesigen Königlichen Kreishauptmannschaft ist dem Gärtnereibesitzer Herrn Georg Max Mulanöky hier für die entschlossene Rettung eines Kindes vom Tode des Ertrinkens deren Anerkennung ausgesprochen worden, ferner wurde den Former Ernst Rudolf Ryschka hier von der Kreishauptmann- schafl für die Rettung eines vierjährigen Knaben aus der Gefahr des Ertrinkens in der Spree eine Geldbelohnung bewilligt. Oederan. Der Bleilöter Günther fiel in der hiesigen Bleifabrik mit dem Gesicht und den Händen in einen Kessel mit schmelzendem Blei und erliitt dabei schwere Brandwunden. Frankenberg. Die bereits vor einigen Jahren begonnenen, aber wieder aufgegebenen Bohrversuche nach Steinkohlen im Ebersdorfer Kohlenrevier sollen nunmehr von der im vorigen Monat in Berlin konstituierten Chemnitzer Steinkohlenbergbaugesellschaft wieder ausge nommen werden. Die Bohrungen werden sich auf eine Tiefe von 200 m erstrecken. Aue. Unter dem Verdachte der Hochstapelei wurde hier die aus Sachsen-Meiningen ge bürtige 47 jährige Klavierlehrerin Viktorine Freiin v. Wolff-Todtenwardt, verehelicht ge wesene Rittergutsbesitzer Dathe, verhaftet. Sie hatte sich in Begleitung ihren 20 jährigen Sohnes in einem Hotel hier einlogiert, trat vornehm auf und stellte in Aussicht, daß sie von ihren in Dresden und Meiningen wohnenden Verwandten, die den höchsten Kreisen angehörten, demnächst Geld erhalten werde. Als dieses aber ausblieb, erstattete der Wirt Anzeige bei der Polizei. Die Angaben der Freiin stellten sich als erfunden heraus und es erfolgte die Verhaftung der Verdächtigen. Dem Vernehmen nach wird sie von verschiedenen auswärtigen Behörden gesucht. Plauen. Eine Polizeistunde auf abends 10 Uhr hat die Königliche Amtshauptmannschaft hier für ihren Bezirk für die Gast-, Schank-, Wein-, und Kaffeewirtschaften festgesetzt, in denen Kellnerinnen, Kassiererinnen und andere weibliche Persnnen bedienen. Altenburg. Am Sonntag mittag gegen 1 Uhr ist ein von Leipzig kommendes, mit vier Personen, zwei Herren und zwei Damen be setztes Automobil auf der Strecke Treben— Altenburg wahrscheinlich infolge Versagens der Bremsvorrichtung gegen einen Prellstein ge stoßen. Alle vier Personen wurden hinaus geschleudert. Eine Dame flog gegen einen Baum und war sofort tot; die beiden Herren trugen Schädelbrüche beziehungsweise Gehirn erschütterungen davon, der eine erlitt außerdem einen Armbruch. Die andere Dame kam un verletzt davon. Der Besitzer des Automobils heißt Arnold, sein Begleiter Hucke. Beide liegen im hiesigen Krankenhause hoffnungslos danieder. Das Automobil war ein Versuchs fahrzeug der Rönneburger Automobilfabrik. Weiter wird gemeldet: Die getötete Dame heißt Frida Drechsel und stammt aus Adorf i. Erzg. Sie hat die Fahrt auf Veranlassung ihrer Freundin der unverletzten Marta Kalb aus Leipzig, mitgemacht. Letztere ist die Braut des Chauffeurs Buche. Die beiden verletzten Herren sind die Motorwagenhändler Arnold und Buche aus Leipzig. Nus der Woche. Weshalb sich eigentlich die Völker in der Mandschurei herumschlagen, ist schwer einzu sehen, besonders wenn man zwei Aeußerungen miteinander vergleicht, die aus ten entgegen gesetzten Lagern kommen. Ueber die Kämpfe ver Japaner bei Liaujang äußerte sich ein japanischer Generalstabsoffizier: „Es ging durchaus wie bei einem Manöver zu; nichts wurde überstürzt, alles wurde in Ruhe aus geführt, wie es geplant war." Und Kuropatkin soll geäußert haben: „Alles hat sich bisher so abgespielt, wie es sich meinem Programm nach abspielkn mußte, und wie ich stets vorausgesetzt habe." Also auch Kuropatkin scheint mit Liaujang zufrieden zu sein! Wenn man so übereinstimmend und einig ist, warum schlägt man sich dann eigentlich? In Petersburg richtet sich der ganze Groll wegen der zwar offiziell nicht eingestandenen Niederlage gegen den Statthalter Alexejew, dessen Abberufung allgemein gefordert wird- Kuropatkin hat nur auf hartnäckiges Drängen vonseiten Alexejews und dessen Partei am Zarenhofe die Schlacht angenommen. Kuropatkin selbst wirft man eine zu enge Gruppierung seiner Truppen vor, rühmt aber allgemein die energische Art, in der er den Kampf, geführt hat, und die eiserne Ruhe, die er bewahrte, als die Aussichten auf einen Erfolg immer mehr dahinschwanden. Dem Verhalten der Truppen zollt man insofern nicht rückhaltlose Anerkennung, als man durch das gänzliche Versagen der Kavallerie enttäuscht ist. Von der in der Gesamtstärke von beinahe fünf Kavalleriedivisiynen zur Stelle befindlichen Reiterwaffe haben allein die Brigade Samffonow- Dragoner und ein Grenzwach-Regiment am zweiten Schlachttage rühmenswerte Ausnahmen gemacht. Dagegen haben die Kosaken versagt. Die sibirische Kosakendivision Simonow hat derart schlecht abgeschnitten, daß ihr Führer und beide Brigadekommandanten bereits von ihren Posten enthoben worden sind. — Der ver gangene Sonntag hat uns überraschenderweise die Meldung von der Verlobung des deutschen Kronprinzen Wilhelm mit der Herzogin Cecilie von Mecklenburg gebracht, Die sich damit neu anbahnende fürstliche Verwandtschaft stärkt nur die schon bestehenden Beziehungen. Wenn der Riß zwischen Katholizismus und Protestantismus nicht bestände, wären alle Fürstenhäuser Europas enge miteinander verwandt, die halb wilde Türkei, Serbien und Montenegro aus genommen. Der deutsche Kronprinz aber tritt nun in ein Schwagerschaftsverhältnis zum Welfenhause, wie ja auch sein badischer Vetter eine Cumberländerin heimgeführt hat. Wenn man bedenkt, mit welch' ausgesuchter Courtoisie der Kaiser bei der Parade die junge Herzogin von Mecklenbnrg-Schwerin behandelt hat, könnte man vermuten, daß eine AuSsühnung zwischen den Hohsnzollern und Welfen in der Anbahnung begriffen sei; aber auf welcher Grundlage könne die wohl zustande kommen, so lange das Welfenhaus nicht die durch 1866 geschaffene Neugestaltung der Dinge in Deutschland anerkannt! — Aus Deutsch- Südwestafrika liegen neue Meldungen nicht vor außer der, daß viele Hereros der deutschen Verwaltung treu geblieben sind und sich jetzt sehr gut bewähren. Auch Hendrik Witbois Treue ist über jeden Zweifel erhalten, wodurch sich im allgemeinen die zukünftige Gestaltung eher schwieriger darstellt, als wenn man alle Farbigen über einen Kamm scheren und ihnen gemeinsam ein strammes Joch auferlegen könnte. — Der Kaiser hat in Hamburg ein schönes Wort gesprochen, womit er die Herzen vieler Hanseaten gewonnen haben dürfte, die auf ihre bürgerlicken Freiheiten und ihren Republikanismus stolz sind. Er sagte, anfangs sei er in Hamburg fast als „fremder Sou verän" ausgenommen, jetzt dagegen mehr wie ein „alter Bekannter". Und an eine bestimmte ausländische Adresse waren die Worte derselben Rede gerichtet, daß Deutschland ein Recht auf eine starke Flotte habe. Wie die Nattern sind die englischen Blätter, besonders die Wochen schriften auf diesen Satz losgeschossen und dabei ihr Innerstes offenbart, nämlich daß Englands hauptsächlichste Politik auf die Isolierung Deutschlands gerichtet sein muffe. „Wir laufen niemand nach!" hat einst dec alte Bismarck stolz im Reichstage gesagt und sein Nachfolger mag zusehen, daß er auch den Anschein vermeide, als ob dies jetzt der Fall sei. Wir haben unsre Verbündeten, an deren Vertragstreue nicht gezweifelt werden soll und deren Hilfe ja auch nur im Falle eines An griffs auf unsre Grenzen verlangt werden darf, wenn uns zwei Gegner gleichzeitig bedrohen. Mit dem östlichen und westlicheu Nachbarn wollen wir Gutfreund sein und mit England auf dem Grußfuß stehen, im übrigen aber allen gegenüber fest in der Art, milde in der Form unsre Interessen vertreten. Deutschland will nicht allein in der Welt herrschen, aber seinen Platz an der Sonne haben. Dazu bedarf es keiner allzusehr klügelnden Politik und noch weniger haben wir irgendwie nötig, andern nachzulaufen oder ihnen mehr Höflichkeiten zu erweisen als sie uns. Besonders trifft dies hinsichtlich Rußlands zu. Dinge wie der Königsberger Prozeß und die Zurückschickung politischer Flüchtlinge an Rußland sollten nicht wieder vorkommen. Rußland zollt uns dafür keinen Dank und im Inlands schafft das nur böses Blut und stärkt ganz unnötig die Reihen der Unzufriedenen, die dann bei den Reichstags- wählen die Millionenziffern zusammenbringen. — Es ist jetzt viel davon die Rede, daß zum Nachfolger des preußischen Ministers des Innern, Herrn v. Hammerstein, der im preußischen Landtage bei seinem Wiederzusammen tritt eine sehr fatale Mirbach-Interpellation beantworten soll und wohl lieber vorher zurück tritt, der bisherige Oberpräsident von Hannover Dr. Wentzel, ausersehen sei. Herr Dr. Wentzel wird von allen, die ihn kennen, als ein aus gezeichneter Charakter und pflichttreuer Ver waltungsbeamter anerkannt, aber die Gabe dec Rede ist ihm etwas spärlich verliehen und Leuten, die darin gewaltige Uebung haben, wie z. B- Herr Bebel, kann er nicht stehen. ES müßte in Preußen-Deutschland eine oratorische Ministerschule errichtet werden mit Abteilungen für Schneidigkeit, Geläufigkeit, Schlagwörtern und Zitaten. — Ob hier die Stelle ist, wo sich ein Berliner Platz-Kalauer anbringen läßt? Die verehrliche Redaktion mag ihn wegstreichen, wenn sie ihn für unangemessen findet. (Mag seiner außerordentlichen „Fäule" wegen ungehindert passieren. Red.) Fritz Friedmann, der jetzt aus der Liste gestrichen, früher so sehr beliebte Berliner Rechtsanwalt und unverwüstliche juristische Rettungsanker aller Fälscher, Gauner und Betrüger, ist von den Ruffen nach Port Arthur berufen worden; so erzählt man an der Berliner Börse. Er soll dort die „Verteidigung" übernehmen.