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Die „(Ottendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners, tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich j Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahmt von Inseraten bi» vormittag ,o Uhr. Inserate werden mit 40 Pf. für die Sxaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be> sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Nr. 71. Mittwoch, den 15. Juni 1904. 3. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Mtendorf-Wkrilla. 4-1. Juni 1904. — Das am vergangenen Sonntag im Friedrich Wilhelms-Bad stattgefundene öffent liche Sommerfest, welches von dem Ortsverein für Ottendorf-Okrilla und Umgegend ver anstaltet worden war, hatte einen bis jetzt noch nie dagewesenen Besuch zu verzeichnen. Die von dem Festausschuß gebotenen mannigfachen Vergnügungen wie Gabenverlosung, Internatio nales Museum usw. fanden ungeteilten Beifall. Die am Abend im Gartenlokal veranstalteten musikalischen und gesanglichen Darbietungen hstlten die Festteilnehmer bis in späten Stunden beisammen. — Die Obsternteaussichten sind nach den Ermittelungen der Geschäftsstelle deS Landes- obstbauvereinS im Königreiche Sachsen sehr gute. Die vollständige Reife des Holzes im Herbste 1904 hatte reichen und kräftig aus gebildeten Blütcnknospenansatz zur Folge. Der milde Winter hielt den Boden schon in ge ringer Tiefe offen, sodaß die Wurzeln in reger Tätigkeit blieben, wodurch die Knospen blühbar sich ausbilden konnten So wurde denn die Blütezeit auch zu einer wahren Prachtzeit, die jedermanns Herz erfreute. — Die Zündhölzer werden teurer. Die in Berlin tagende Versammlung deutscher Sicher heitszündholzfabrikanten beschloß, eine mäßige Preiserhöhung für Zündhölzer eintreten zu lasten. Zurückzuführen ist dieser Beschluß auf die Erhöhung der Preise für die Rohmaterialien. — Eine kühle Zimmertemperatur zu er reichen ist gar nicht so schwer, wenn man nur systematisch dabei zu Werke geht. Die Haupt sache ist, wenn morgens das Thermometer höher steigt, als die Slubentcmperatur, die Fenster flügel zu schließen. Kommt dann die Sonne, so sind Rouleaus oder Jalousien herabzulasten, doch ja nicht bei geöffnetem Fenster, sonf kommt die Hitze doch ins Zimmer. Ist der Sonnenschein fort, so bleiben die Fenster immer noch etwas geschlossen, bis draußen das Thermo meter ein wenig gefallen ist. Darauf folgt die Oeffnung, und zwar was die zweite Hauptsache ist, der oberen Fensterflügel. Ein Oeffnen der unteren Fensterflügel, wie es der Bequemlich keit wegen in der Regel geschieht, hat keinen besonderen Nutzen. Die warme Luft im Zimmer ist besonders oben an der Decke. Diese Lnft muß zuerst hinaus. Sie tut uns aber nicht den Gefallen, nach unten zu kommen, sie will oben hinaus, darum müssen die oberen Fenster flügel geöffnet werden. Kann man dann für kurze Zeit Zugluft veranstalten, so wird der Erfolg sicherlich nicht auf sich warten lasten —Moch eine Woche, und wir habenSommers- ansang auch nach dem Kalender, Sommers anfang und Sonnenwende. Bon der Höhe steigt er ohne Aufenthalt, anfangs kaum wahr nehmbar, stetig und beharrlich hernieder. In sommerlicher Pracht stehen die Felder. Er wünschter Regen, der in weiten Gebieten des Reichs gerade rechtzeitig niedergegangen ist, ha Wachstum und Gedeihen in erfreulichster Werse gefördert. Die Heuernte ist im Gange, Überall wird ihr reicher Ertrag gerühmt Die Getreideernte verspricht gleichfalls eine lohnende zu werden und auch die Kartoffeln stehen gut und stellen schönen Gewinn in Aus sicht. Möchten nun bloß .nicht Unwetter a diese schönen Hoffnungen vernichten I — Die Betriebscrgebnisse der sächsischen Staatsbahnen gestalten sich im Januar nach den endgültigen Feststellungen günstig ES wurden 4987529 Personen und 1 963930 Tonnen Güter befördert und hierfür 8 714491 M und zwar 2970318 M. aus den Personen verkehr uud 6036 173 M. aus dem Güter verkehr vereinnahmt. Gegenüber dem gleichen Monat im Jahre 1903 war die Gesamteinnahme um 279 875 M. höher. — Telegraphische Vorausbestcllungen von Fahrkarten sind mährend ter Reisezeit an der Tagesorduung. Man beachte hierbei, daß der zur Besorgung angerufcne Beamte vor der Aushändigung der Fahrkarten die im Besitz es ankommenden Reisenden befindlichen Fahr karten dahin zu prüfen hat, ob diese auch bis ur Station der Welterlösung Gültigkeit haben, m Zweifelsfalle ist die Auslieferung der be stellten Fahrkarten zu beanstanden und der Reisende dem diensthabenden Beamten zuzu führen. Läuft die Gültigkeit der Fahrkarten ab, so sind diese abzunchmen, bei Rückfahrkarten oder Fortsetzung der Fahrt hat Rückgabe zu erfolgen. Fahrtunterbrechung hat der dienst habende Beamte zu bewirken und erst dann ist die Auslieferung der telegraphisch voraus- bestellten Fahrkarten zulässig. Werden Be dienstete um Besorgung mit Genehmigung des Vorgesetzten angegangen, so ist dasselbe Ver fahren einzuhalten. Lausa. Am Sonntag fand hier im Hemügschen Gasthofe das zweite Kreisfist des Radeberger Kreisverbandes statt- Die dem Verbände angehörenden evangelischen Arbeiter vereine zu Bühlau-Nochwitz, Loschwitz, Radeberg und Lausa hatten sich zahlreich eingefunden. Dresden. Von dem nachmittags 4 Uhr 30 Min. vom hiesigen Hauptbahnhofe nach Tharandt verkehrenden Personenzuge wurde am lctztvergangenen Sonnabend nahe der Pasteritz-Mühle in Flur Somsdorf ein in Tharandt bedienstetes 17jähriges Mädchen aus Freiberg tätlich überfahren. Nach den näheren Umständen dürfte die Unglückliche den Tod gesucht haben. Ganz in der Nähe wurde das Dienstbuch des Mädchens, das den Tag vorher von seiner Dienstherrschaft entlasten worden war, aufgefunden. — In der letzten Sitzung der Stadt verordneten lag ein an den Vorsteher gerichtetes Schreiben der Firma August Scherl in Berlin vor, welche um Richtigstellung einiger bei der Berichterstattung über den Ankauf des Dresdner Adreßbuchs dem Kollegium gemachter Angaben ersuchte. Es hieß bekanntlich, die Firma August Scherl beabsichtige das Verlagsrecht des Adreß buchs zu erwerben. Der bisherige Verlag, die Firma Schönfeld, gab an, ein Agent Scherls sei bei ihm erschienen und habe wegen des Adreßbuchs angefragt. Als Preis seien ihm 200000 Mk. ^genannt worden. Die Firma Scherl erklärt nun, daß dieser Agent, der geneigt gewesen ist, mit 200 000 Mk. ab zuschließen, nicht in ihrem Auftrage gehandelt hat. Sie würde 200 000 Mark niemals ge zahlt haben, denn das Unternehmen sei höchstens 80—120000 Mark wert. Die unter Ver waltung des Nates stehende Günzstiftnng hat 180 000 Mk. gezahlt. Die Stadtverordneten verwiesen die Angelegenheit, deren Klarstellung man mit eigenem Interesse entgegensetzen darf, dem Rechtsausschuß zur näheren Erörterung. Riesa. Der Bauarbeiterstreik ist zur Tatsache geworden, nachdem die Arbeiter das Angebot der Meister, in diesem Jahre 32 Pf. im nächsten Jahre 35 Pf. pro Stunde zu zahlen, abgelehnt haben. Seit heute vormittag ruht die Arbeit auf den Bauten. Es dürften jetzt zirka 200 Mann ausständig sein. Leipzig. Am Sonnabend ist der Schleisen- fahrer Eclair, der gegenwärtig im Schützen- Hofe auftritt, verunglückt. Als er am Aus gange der Schleife war, stieß er an die Kante und verletzte sich schwer am Kopfe und am Arm- Er wurde nach dem städtischen Kranken hause geschafft. UebrigenS ist Mr. Eclair ein Sachse mit Namen Oskar Gansauge. Er ist im Jahre 1872 zu Ulbersdorf geboren und seit einigen Jahren verheiratet. — Die Königliche Staatsanwaltschaft hat Anklage wegen Raubmordes, begangen am 2. Dezember 1903 an dem Trödler Kohn, dec in seinem Laden in der Seeburgstraße be kanntlich erschossen wurde, gegen den Schuh macher und Trövler Günther erhoben. Oetzsch. Ein schwerer Unglücksfall er eignete sich im hiesigrn Orte beim Bau des Wasterturms dadurch, daß infolge Reißens eines Drahtseiles ein ca- drei Kilogramm schwerer Eisenkloben aus einer Höhe 28 Meter herabfiel und den unten arbeitenden, 42 Jahre alten Kesselschmied Adam Johann Wilhelm LinS, der nicht schnell genug auf das Warnungszeichen ausweichen konnte, mit solcher Wucht auf den Kopf traf, daß er bewußtlos zusammenbrach. Mittels Krankenwagens wurde der Schwer verletzte, der anscheinend einen Schädelbruch davongetragen hat, in das Leipziger Stadt krankenhaus übergefühlt. Chemnitz. Vergangenen Sonnabend gegen 11 Uhr abends hat sich im Mönnerabort des hiesigen Hauptbahnhofes ein Offizier des in Zwickau garnisonierenden Infanterie-Regi ments durch Erschießen zu töten versucht. Der Unglückliche wurde noch lebend dem hiesigen Garnisonlazarctt zugeführt. Plauen. Ueber die Benzincxplosion in der Vogtländischen Drogerie von Gebr. Großer kann heute folgendes Nähere berichtet werden: Der Markthelfer Wolf sollte mit dem Lehrling Oskar Lehmann aus Hof einen Ballon Benzin in den Keller schaffen. Als Wolf beim ersten Treppenabsatz bis auf die vorletzte Stufe ge kommen war, rief ihm der hinter dem Ballon hergehende Lehrling zu, er solle dabei nicht so gewaltsam verfahren. Wolf ließ sich aber nicht beeinflussen und der Ballon kam deshalb mit solcher Wucht auf die steinerne Platte zu stehen, daß der Boden des Behälters absprang und das ausfließende Benzin in die im Kellergeschoß befindliche Backstube sich er goß. Das Benzin entzündete sich am Backofen und mit einem Male stand die ganze Treppe in Brand. Der Kommis Schsuan, der sich ebenfalls im Keller befand, und der Markt helfer Wof brannten sofort über und über. Der Lehrling war, als der Ballon zerbrach, unverzüglich die Treppe hinaufgerannt, um seinem Prinzipal Mitteilung von dem Vorfall zu machen. Das war sein Glück; andernfalls wäre er auch mit verbrannt worden. Feuer wehrleute waren bald zur Stelle nnd es gelang ihnen schnell, die Flammen zu löschen. Der 18 Jahre alte Markthelser Otto Wolf aus Chrieschwitz ist an den Beinen, im Gesicht, an den Händen und am Kopf so schwer verbrannt, daß sein Zustand hoffnungslos erscheint. Ebenso hat der 21 Jahre alte Kommis Scheuan sehr schwere Brandwunden an beiden Händen, am Gesäß, im Gesicht und an den Beinen erlitten; an seinem Wiederaufkommen muß ebenfalls gezweifelt werden. Beide sind nach dem Krankenhaus gebracht worden. Der Mit inhaber der Firma Karl Großer erlitt an den Händen und im Gesicht Brandwunden. — Ein schwerer Einbruchsdiebstahl ist, wie der „Vogt. An;." meldet, am Sonntag Nach mittag im Uhrengeschäft von Eduard Kuhn in der. Johannstraße ausgeübt worden. Den Dieben, die die Abwesenheit des nicht im Hause wohnenden Geschäftsinhabers benutzten, fiel eine reiche Beute, bestehend in mehr als 16o goldenen und silbernen Uhren und anderen Wertsachen, in die Hände. Rochlitz. In dem von der Staatseisen bahn, der Mulde, der Unteren Gärtnerstraße und der Schützenstraße eingeschlostenen Gelände haben sich die wilden Kaninchen so ausgebreitet, daß sie auch in den eingefriedigten Grundstücken großen Schaden an allem PflanzenwuHs an richten. Der Stadtrat hat deshalb dem Jagd berechtigten die Verminderung des Bestandes ver wilden Kaninchen aufgegeben und hinsicht lich der eingefriedigten Grundstücke die Besitzer angewiesen, daselbst die wilden Kaninchen vernichten. Aus der Woche. Man würde falsch berichten, wollte man von einer Pause in den ostasiatischen Kämpfen reden. Dis Außenwelt erfährt nur nichts Näheres und Genaueres. ärtig für die Japaner um die Einnahme, für w! Rusten um die Verteidigung von Port rthur. Diese Festung neuesten Datums wurde vor 10 Jahren schon einmal von den Japanern erstürmt; allerdings bestand die Besatzung da mals aus Chinesen. Die unglaublichsten Widersprüche über die gegenwärtige Situation werden jetzt verbreitet. Die Besatzung soll eichlich für ein Jahr mit Lebensmitteln und Munition versehen sein oder bereits unter dem Mangel leiden; Rußland chartert alle Dschunken, um alle Chinesen aus der Festung zu ent- ernen; sie hält die Chinesen gewaltsam fest, liefe müssen umsonst an den Befestigungs werken arbeiten; ließe man sie hinaus, würden -ie alles den Japanern verraten. Der Hafen- ingang ist vollständig frei, d. h. nach andrer Meldung durch die versenkten japanischen Brander unpassierbar geworden. In diesen Widersprüchen bewegt sich die gesamte Bericht erstattung, der sich dann noch das Geheimnis volle hinzugesellt; so soll Kuropatkin an den Zaren die inhaltschwsren Worte gedrahtet haben: Es ist geschehen! Nun denke man sich im fernen Asien vier Dutzend gut bezahlter aber unbeschäftigter Zeitungskorrespondenten, denen so ein fetter Brocken zufällt. „Es ist ge schehen!', Dabei kann man sich allerhand denken, und das tun die genannten Herren auch und die Furcht des Denkens telegraphiert jeder von ihnen für teures Geld nach Hause. Indirekt mit dem Kriege zusammenhängend, kommt von mehreren Seiten die Nachricht. Rußland wolle in die Reihe der zivilisierten Staaten einrücken und sich eine Konstitution nach deutschem Muster zulegen. Das berührt sonderbar zu einer Zeit, wo in Deutschland selbst Anläufe aller Art genommen werden, um die bestehenden Verfassung grundlegend zu ändern und das allgemeine Wahlrecht zu be schneiden. In diesen Bestrebungen zählen die bekannten Herrenhausreden, die Auseinander setzungen des Herrn v. Jagemann und a. m. Es ist sehr bedauerlich, wenn von oben her an einem Umsturz gearbeitet wird, weil man sich dadurch auf den Machtstandpunkt stellt und bei dessen Verückung auch den Umsturz von unten sanktioniert würde. Daß gerade jetzt in Rußlaud der Wunsch nach einer Verfassung laut wird, dessen Aussprcchen früher so mancher russische Patriot mit Verbannung nach Sibirien büßen mußte, und daß der Zar eine Kommission zur Prüfung der Frage eingesetzt hat, zeigt, daß auch in Rußland die Not beten lehrt. — Eine recht unbehagliche Angelegenheit hat der wieder aufgenommene Pommernbank-Prozeß an die Oeffentlichkeit gefördert, nämlich wie das ge nannte Institut Hofbank der Kaiserin wurde und wie die Bankdirektoren mit dem ihnen von den Aktionären anvertrauten Geldern förmlich in Wohltätigkeit geschwelgt haben. Dabei wird immer und immer wieder der Freiherr v. Mirbach genannt, den man wohl die rechts der Kaiserin in Kirchbausachen nennen darf. Was diese rechte Hand tat, hat offenbar die linke nicht immer gewußt, sonst wären so schwere Mißgriffe nicht vorgekommen. Es ist aber wohl selbstverständlich, daß schon seiner hohen Stellung wegen der genannte Freiherr die sehr beträchtlichen Summen, die er von der verkrachten Bank erhalten hat, an die Konkurs masse bei Heller und Pfenuig zurückgeführt; wenn er auch von Rechts wegen nicht dazu verpflichtet ist. Es ist selbstverständlich, daß alle Skandalblätter nicht nur, sondern auch ein guter Teil der sonst loyalen Zeitungen die Ge legenheit benutzen, um das Moralrößlein zierliche Pirouetten tänzeln zu lasten; die Schreiber müssen sich natürlich riesig in acht nehmen von wegen der M 94 bis 97 des Strafgesetzbuches und des Dolus ovoutualis. Solche schwierigen Stil-Uebungen hat man während der letzten Tage dutzendweis in den Tagesblättern finden können: etwas grobe K-st — saure Gurke! — aber dafür ist jetzt Vor allem handelt es sich gegen-,even die Zeit.