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polirilcke Kuncisckau. Der russisch-japanische Krieg. * Ein Zurückqehen der Russen erhellt aus einer Mitteilung des Stadthalters Alexejew, wonach aus Phjöngjang (Nord korea) berichtet wird, daß sich dort japanische Infanterie befindet, die einige Geschütze bei sich führt. Vorräte werden den Japanern auf koreanischen Wagen zugebracht. Größere feindliche Reitermaffen sind nicht zu sehen, nur über das Feld zerstreute Abteilungen. Das Pwrdematerial läßt zu wünschen übrig. Eine russische Erkundungsabteilung stieß in der Nähe von Andschu auf feindliche Infanterie. Der Feind gab Schüsse ab, denen auf russischer Seite nur ein Pferd zum Opfer fiel. * über eine Schlacht am Jaluflusse (China) berichtet ein Privattelegramm aus Tschifu. Die Russen behaupteten, 1800 Japaner zu Gefangenen gemacht zu haben. Wie das .Reutersche Bureau' dazu meldet, rührt das Telegramm von einer russi schen Firma her, es bestehe jedoch keine Möglichkeit, die Richtigkeit der Meldung festzu stellen. *Der Londoner ,Daily Expreß' erfährt aus Kobe (Japan), cs bestätige sich, daß die russische Flotte von Port Arthur nach den Kämpfen vom 10. und 11. März nach Wladiwostok zu gelannen ver suchte. Alle seetauglichen Schiffs verließen den Hafen am 12. d. vor Tagesanbruch; als sie aber in beträchtlicher Entfernung von Port Arthur japanische Schiffe erblickten, kehrten sie in denHafen zurück, wo sie noch sind. — Das Wladiwostok-Geschwa der hat nach einer andern Meldung sich unter Anwendung von Dynamit eine Fahrrinne durch das Eis des Hafens geschaffen. Man nimmt au, daß das Geschwader nach der Insel Sachalin gegangen ist. Bei der Beschießuns Wladiwostoks durch die Japaner befand sich dag Geschwader im inneren Hafen. *Jn der vergangenen Woche verbreitete sich in Petersburg das Gerücht, unter den Offizieren des Generalstabes sei einVerräter entdeckt worden, der mili tärische Geheimnisse an die Japaner ver kauft habe. Es wurde dabei auch ein Name genannt: Rittmeister Jwkow. Der /Regierungs bote' brachte sodann die amtliche Verlautbarung, wonach Rittmeister Jwkow aus dem Heere aus gestoßen worden ist. Jwkow hatte, wie aus dieser Verlautbarung hervorgeht, die Funktionen eines Stabsoffiziers inne. * Das japanisch eParlament wurde am Sonntag in Tokio von dem Kaiser durch eine Thronrede eröffnet. In derselben heißt es u. a: „Die Regierung hatte Verhand lungen mit Rußland eingeleitet, aber mangels Aufrichtigkeit auf feiten Ruß lands sind wir genötigt gewesen, die Ent scheidung der Waffen an zu rufen. Wir können jetzt nicht zögern, bis das Ziel erreicht ist." Die Rede fordert dann alle Untertanen auf, gemeinsam zur Vermehrung des Ruhmes des Reiches zu wirken. * * Der Herero-Aufstand. *Uber ein unglückliches Gefecht mit den Hereros, bei dem 7 Offizier und 19 Mann gefallen, 3 Offiziere und 2 Mann verwundet worden sind, berichtet ein Telegramm des Obersten Leutwein: Major v. Glasenapp, dem Tetjo-Stamm von Rehoro nach Nordwesten folgend, den Kompanien vorauseilend, stieß am 13. d. bei Owikokorero mit seiner berittenen Abteilung von 36 Mann und einem Maschinengewehr auf die Nachhut des Feindes. Diese erhielt unerwartet Ver stärkung, sodaß Major v. Glasenapp gezwungen wurde, zurückzugehen. Das Gefecht spielte sich vor der eigentlichen Kolonne ab. Vom Feinde wurden 20 Tote gesehen. Um den Gegner in seiner jetzigen Stellung umfassend an zugreifen, sind Maßnahmen eingeleitet. * Der Führer der aufständischen Hereros Samuel Maharero ist seit 1899 Ehrenmitglied der deutschen Kolonialgesellschaft. Samuel erhielt seinerzeit von der Abteilung Mannheim eine schöne Schreibmappe mit einer Widmung, die ungefähr lautete: „Dem treuen Freunde deutschen Rechts und deutscher Sitte." * Wie verlautet, werden in der nächsten Zeit folgende Truppentransporte auf Dampfern der Woermann-Linie nach Deutsch- Südwestafrika abgehen: Am 25. d. 400 Mann auf dem „Feldmarschall", am 30. d. der „Margraf" mit 500 Pferden und der „EntrerioS" mit 100 Mann und 400 Pferden; am 7. April endlich die „Lucie Woermann" mit 400 Mann. * * Major v. Glasenapp. Deutschland. Die Ankunft des Kaisers Wilhelm in Neapel, war auf Donnerstag fest gesetzt. Dort hatte sich eine italienische Motten- abteilung zusammengefunden, um den Kaiser zu begrüßen. Montag, Dienstag und Mittwoch kreuzte der Kaiser im Mittelmeere. *Wie in militärischen Kreisen verlautet, soll der Generalinspekteur der zweiten Armee inspektion Erbprinz von Sachsen- Meiningen die durch den Tod des Grafen Waldersee erledigte Stelle des Generalinspekteurs der dritten Armee inspektion übernehmen. Generalinspekteur der zweiten Armeeinspektion soll der komman dierende General des zwölften Armeekorps, Kronprinz Friedrich August von Sachsen werden. * Zur Diätenfrage wird der mitunter offiziös bedienten ,Südd. Reichskorresp.' ge schrieben: „Wann die Sache als spruchreif an den Bundesrat nnd später an den Reichstag kommt, kann vorläufig noch niemand wissen, nur daß es keineswegs sehr bald ge schehen wird." * Die Börs ensteuernovelle wird voraussichtlich in dieser Woche den Bundes- r a t passieren. Die Vorlage wird alsdann noch während der Ferien an die Mitglieder des Reichstags verteilt werden. * Die Aufhebung der Gemeinde abgaben auf Lebensmittel ist in dem neuen Zolltarifgesetz ausgesprochen. Von Vertretern einzelner Städte, in denen solche Gemeindeabgaben noch bestehen, ist eine Agi tation gegen diese Aufhebung der städtischen Abgaben eingeleitet worden. In Mainz be schlossen unter dem Vorsitz des Dresdener Oberbürgermeisters Beutler Vertreter städtischer Behörden, prinzipiell an der Forderung festzu halten, daß die Bestimmung über die Aufhebung städtischer Abgaben aus dem Zolltarifgesetz zu beseitigen sei. Falls aber dieses Ziel nicht erreicht werden könne, so soll auf eine Ver längerung der für die Aufhebung der städti schen Abgaben vorgesehenen Frist gedrungen werden. Auch in dieser Richtung wird die Agitation kaum Erfolg haben. *Die Regelung des Verh ält nisses zwischen Krankenkassen und Ärzten durch einen noch in dieser Session vorzulegenden Gesetzentwurf fordert ein nationallibe raler Antrag im Reichstage. Erforderlichen falls soll diese Regelung „auch außerhalb des Rahmens einer Gesamtreform des Kranken- verfichcrungsgesetzes" erfolgen. *Die Reichstags st ichwahl in Lüne burg zwischen dem nationallibcralen Kandidaten Jaenecke und dem Welfen Frh. v. Wangenheim findet am 24. d. statt. Österreich-Ungarn. * Wie in parlamentarischen Kreisen verlautet, beabsichtigt die Regierung, nochmals einen Ausgleich zwischen Tschechen und Deutschen herbeizuführen. Die letzte Audienz Körbers beim Kaiser soll mit dieser Frage in Zusammenhang stehen. Falls diese neuerlichen Verhandlungen abermals scheitern, werde die Aufl ö su n g des R ei ch s - rates erfolgen. Italien. *Jn diplomatischen Kreisen wird versichert, daß zwischen Österreich und Italien Unterhandlungen im Zuge find, um ein Ein vernehmen bezüglich der Balkanfragen in derselben Weise zu erzielen, wie das 1897 mit Rußland zustande gekommen ist. Deutscher Keiekstag. Am 19. d. wurden in dritter Beratung die Etatsno tgesetze ohne Debatte endgültig an genommen. Darauf tritt das HauS in die zweite Beratung des Nachtragsetats für Südwcstafrika. Es handelt sich um zwei Vorlagen zum Reichs haushaltsetat und zum Etat der Schutzgebiete für 1903. Die Budgetkommission beantragt, beide un verändert anzunehmen. Abg. Bebel (soz.) nennt die Angriffe, die wegen seiner Rede aus der ersten Beratung gegen ihn gerichtet worden sind, ganz ungerechtfertigt. Erst neuerdings habe der Tierarzt Dr. Baumgarten- Windhoek mitgeteilt, daß alle Hereros, die den Deutschen in die Hände fallen, selbst kampfunfähige, erbarmungslos niedergemacht werden. Der Krieg habe also einen Ebarakter angenommen, der den Interessen und der Ehre Deutschlands nicht dienlich sei. Die Berichte über die von Deutschen in Afrika verübten Grausamkeiten müßten demoralisierend auf das deutsche Volk wirken, das sei sicher. Auf der andern Seite konimen gewiß auch Grausamkeiten vor, aber sie würden vielfach übertrieben, es würden geradezu Schauermärchen hierher berichtet. Das Urteil der Missionare lautet ganz anders. Jeden falls habe der Häuptling Samuel Maharero zur Schonung der Deutschen gemahnt. Wenn seinem Befehl mitunter zuwidergehandelt werde, nun es komme auch bei uns vor, daß kaiserliche Kabinetts orders nicht genügend beachtet würden. Abg. Arendt (freikons.): Ick freue mich, daß der Abg. Bebel doch für notwendig gehalten hat, seine neulichen Ausführungen etwas abzuschwächen. Aber auch heute hat er wieder alles hervorgesucht, was zugunsten der Hereros borgebracht werden konnte, während er für das, was Deutschland tut, nur nach Anlaß zum Tadel sucht. Herr Bebel glaubt eben, was er glauben will, und deshalb nimmt er Nachrichten und Briefe für Tatsachen, auf denen er sein Urteil aufbaut. Wenn wir wirk lich über Tatsachen unterrichtet find, werden auch Wir es an der nötigen Kritik nicht fehlen lassen, aber solange unsere Soldaten fechten, ist dazu keine Zeit. Nach einigen weiteren Bemerkungen wird der Etat gegen die Stimmen der Sozialdemokraten an genommen. Sodann wirb die zweite Beratung des Marin eetats fortgesetzt und eine Reihe von Kapiteln ohne Debatte erledigt. Beim Kapitel „Instandhaltung der Flotte und der Werften" wendet sich Staatssekretär v. Tirpitz gegen die von der Kommission vorgeschlagenen Abstriche, da die Werften dringend die von der Negierung vorgeschlagene Ver mehrung des technischen Personals bedürften. Abg. Zubeil lsoz.) bringt eine Reihe von Miß ständen in den Arbeitsverhältnissen in Danzig zur Sprache, die Geheimer Admiralitätsrat Harms zum Teil in Abrede stellt, zum Teil abzustellen verspricht. Abg. Mommsen (frs. Vgg.) bezeichnet es als angebracht, Einzelfälle hier vorzubringen. Abg. Legien (soz.) erörtert ebenfalls die Arbeiter-Verhältnisse bei der Marineverwaltuug in Danzig. Staatssekretär v. Tirpitz wendet sich gegen das Bestreben des Abg. Legien, Mißtrauen zwischen der Verwaltung und den Arbeitern zu säen. Nach kurzen Bemerkungen der Abgg. Zubeil und Legien (soz.) schließt die Erörterung. Die nationalliberal-konservativen Anträge auf Wieder herstellung der Regierungsforderungen werden ab- gc lehnt und der Rest des Etats nach den Be schlüssen der Kommission, einschließlich der von ihr vorgeschlagenen Resolutionen, erledigt. Präsident Graf Ballestre m schlägt vor, die nächste Sitzung um 5 Uhr nachmittags abzühalten mit der Tagesordnung: Dritte Lesung des Nach tragsetats. Abg. Sattler (nat.-lib.) bedauert, daß der Präsident offenbar die Absicht hab-, heute schon die Osterferien beginnen zu lassen. Seine Partei wäre bereit gewesen, noch bis Mittwoch zu arbeiten. Präsident Graf Balle st rem: Ich habe sehr triftige Gründe, heute den Eintritt der Ferien vorzuschlagen. Die Misere der Beschlußunfähigkeit, unter der wir jetzt schon sehr leiden, würde ver mutlich in der nächsten Woche noch schlimmer werden. Dazu kommen noch andere Gründe, die ich nicht gerade im stenographischen Bericht bringen möchte. Abg. Singer (soz.) stimmt gleichfalls dem Prä sidenten zu. Äuf ein beschlußfähiges Haus sei nicht zu rechnen, der Etat werde doch nicht fertig, und es sei ganz gleich, ob noch einige Tage vor Ostern Sitzungen gehalten würden, oder ob diese Etatsteilc nach Ostern zur Verhandlung kämen. Nach weiteren Bemerkungen der Abgg. Gamp (freik.), Schrader (frs. Vgg.) und Gröber (Ztr.) betont Aba. Singer dem Abg. Gröber gegen über, daß aus seinen Worten keineswegs hervor gegangen sei, die Sozialdemokraten wollten Montag die Beschlußuufähigleit feststellen. Hätten wir so- schwarze Pläne, so hätten wir sie schon längst aus- : führen können. Es bleibt beim Vorschlag des Präsidenten. In der nach halbstündiger Pause folgenden zweiten Sitzung steht die dritte Lesung der neuen Nachtragsetats für Südwest-Afrika zur Beratung. Die Etats werden debattelos bewilligt. Damit ist die Tagesordnung erschöpft. Präsident Graf Balle st rem beraumt die nächste Sitzung auf Dienstag, den 12. April an und schließt mit den Worten: Meine Herren! Ich wünsche Ihnen gute Erholung während der Oster- pausc und frohe Oftcrfeiertage! Vr«ufttsch«r Landtag. Das Abgeordnetenhaus erledigte am 19. d. vom Kultusetat den Titel „Ministergehalt". Die Erörte rung der oberschlcsischen Schulvcrhältnisse wurde fortgesetzt, wobei es von seilen des Abg. Korfanty (Pole) und den Zcntrumsabgeordneten Porsch und Faltin zu einer scharfen Auseinandersetzung über den Vorstoß der Polen gegen das Zentrum bei den letzten Wahlen kam. Am Montag wurde im Abgeordnetenhaus die Beratung des Kultusetats fortgesetzt. Eine Art Generaldebatte knüpfte sich an das Kapitel „Volks schulwesen", wobei mit Zustimmung des ganzen Hauses im Interesse der schnelleren Erledigung des Etats die Fragen der Lehrerbesoldung und der Schulunterbaltung zunächst ausgeschieden wurden bis zur Beratung des einschlägigen Zedlitzschen Antrages. Um der Verrohung der Jugend wirksam cntgcgenzutreten, empfahl Abg. Dittrich (Ztr.) die Vermehrung der geistlichen Schulinspektoren: Abg. Frh. v. Zedlitz sprach sich für rein konfessionelle Volksschulen, aber für Abschaffung der geistlichen Schulinspektion und Heranziehung von Fachleuten aus. Kultusminister Studt gab der Ansicht Aus druck, daß das pädagogische Ideal der Schüle nicht einseitig hinter der Pflege des Wissens zurückgestellt werden dürfe. An der Verrohung der Jugend trage auch das heutige Familienleben mit Schuld. Abg. Wolgast (frs. Vp.) trat für die Simultan schulen ein und wandte sich gegen das jetzige System der geistlichen Schulinspektion. Von unä fern. Erster deutscher Volksschuttag. Unter reger Beteiligung der Universitäten und tech nischen Hochschulen Deutschlands und Österreichs fand am 19. d. in der Wiener Universität die Eröffnung des Ersten deutschen Volksschul tages statt. Oberpräsidrnt v. Bötticher wird nun doch Ehrenbürger von Stendal werden. Wie der Magi strat der Stabt Stendal schreibt, sei es unrichtig, daß die Stadtverordnetenversammlung in Stendal die Ernennung des Herrn Staatsministers und Obcrprüsidentcn v. Bötticher zum Ehrenbürger der Stadt abgelehnt habe. Die Stadtverordneten hätten vielmehr ihr freudiges Einverständnis erklärt. K Oie Mläern leben buben. 19s Roman von M. BrandruP. Bal- saß Frau von Hagel denn auch neben der Kranken, während Ada auf einem Fußbänkchen vor der gütigen Schätzerin hockte. So manches freundliche Wort klang herüber, hinüber. Dann aber ergriff der Oberförster, der an der andern Seite des Tisches Platz genommen, über diesen hinweg Plötzlich die Rechte der jungen Witwe und sagte in seiner derben, aber herzlichen Weise, daß es jetzt vor allem gelte, ihr die Mitteilung zu machen, er wie seine Frau seien sest entschlossen, sie nicht wieder von Zarnowo zu lassen. Zum Vormund Adas wäre er ja überdies ernannt und . . . So weit gekommen, ward der Oberförster unterbrochen, denn die Kranke flüsterte mit tiefer Bewegung: „Ja, ja, Sie sollen uns beide liebe Töchter sein — ein längst gewünschter Ersatz für die füßen kleinen Mädchen, die Gott uns vor unsern Buben geschenkt und leider so schnell wieder genommen hat." Mit den Gefühlen der Überraschung und einer innigen Dankbarkeit zugleich hatten Mutter und Tochter den Worten der edlen Menschen gelauscht, aber Fanny entgegnete: „Wie sehr mich auch Ihr großmütiges An erbieten rührt, Sie Lieben, so kann ich dasselbe doch unter keinen Umständen annehmen. Freilich für einige Wochen wollen wir uns Ihrer Gast lichkeit erfreuen, dann aber heißt es auch: in das Leben hinaus! Während der langen schlaf-1 losen Nächte," setzte die junge Frau nach einem kleinen Seufzer hinzu, „die die letzte Bra- docziner Zeit mir gebracht hat, rang ich mich nämlich zu dem festen Entschluß hindurch, mir und Ada durch eigene Kraft eine Existenz zu begründen. Ich schrieb das auch Charlotte Main, als sie sich teilnehmend nach meinen Plänen für die Zukunft erkundigte, und die treue Seele versah mich darauf, gütig, wie sie es in so hohem Grade ist, mit den notwendigen Mitteln." „So, so!" Herr und Frau Braun wechselten Blicke der Enttäuschung. Dann wiederholte der Oberförster seinen ärgerlichen Ausruf, indem er unwirsch an den Fransen der hübschen Kaffee decke auf dem Tisch zupfte, fuhr darauf jedoch fast in demselben Atem fort: „Also allein wollen Sie sich durch die Welt schlagen, meine Gnädige? Na, darf ich aber auch fragen, womit Sie sich und unser Kleines zu ernähren gedenken ?" „O, ich habe alles mögliche gelernt, dank der Opferfreudigkeit Onkel Hellwalds," er widerte die junge Witwe. „Da ich aber auch auf dem Konservatorium der Musik in G. im Klavierspiel ausgebildet worden bin und hier über ganz besonders glänzende Zeugnisse besitze, denke ich zunächst den Beruf einer Musiklehrerin zu dem meinen zu machen. Zu diesem Behufs will ich jedoch vor allem nach Posen ziehen, wo ich mir auch ein altes Instru ment zu kaufen gedenke." „Klavierlehrerin werden — nach Posen ziehen!" brummte der Oberförster. Und wieder sahen sich die Eheleute in die guten Gesichter. Dann setzte Braun aber, indem er sich von neuem an Fanny wendete, hinzu: „Das ließe sich freilich hören, nur müßte Ihnen bei Aus führung Ihrer Pläne das Glück ganz besonders hold sein." Vielleicht lächelt es mir auch, nun ich eS so notwendig gebrauche," entgegnete Frau von Hagel, unterbrach sich hier jedoch, denn eine Magd war in das Zimmer getreten und hielt ihr einen Brief entgegen, mit dem der Post bote die junge Witwe in Zarnowo aufgesucht hatte. Das Schreiben kam von Frau Hellwald und war in einem Tone gehalten, die der Adressatin die Röte der Entrüstung in die blassen Wangen trieb. Nannte die Tante den Heim gegangenen Johannes doch nicht anders als „Betrüger", meinte auch in ihrer bmtalen Weise, Fanny sollte die „Hagelsche Brut" ihrem Schicksal überlassen. Irgendwo, vielleicht in einem Waisenhause, fände dieselbe gewiß eine geeignete Zuflucht. „Bist Du das Balg aber los," setzte Erna ihren unweiblichen Zeilen hinzu, „so komm in Gottes Namen wieder zu mir. Ich will Dich mit offenen Armen empfangen nnd das gewohnte Schaffensfeld für Dich bereit halten. Die Wahrheit gestanden, Liebe, halte ich es auch kaum länger mit den bezahlten Mädchen für alles aus. Wenn sie merken, wie wenig ich in die Suppe zu brocken habe, werden sie frech, und ich bin gezwungen, mindestens alle vierzehn Tage zu wechseln. Das aber ist mir ein Greuel. Und deshalb bitte ich Dich: Komm komm! Natürlich ohne die lebende Hinterlassenschaft des sauberen Toten — ich muß das noch einmal bemerken, denn die will ich unter keinen Umständen füttern!" Mit dem Ausdruck höchster Empörung in den feinen Zügen hatte Frau von Hagel diese Zeilen bis zum letzten Wort gelesen. Nun aber konnte sie nicht anders als das Briefblatt in Atome zu zerreißen. „Na nu!" rief der Oberförster zu dem sonderbaren Hantieren der jungen Witwe. Hatte er diese doch bisher nur sanftmütig gesehen, ja in den letzten Monaten sagar, in denen er täglich mindestens eine Stunde auf Bradoczin weilte, um der Witwe seines Freundes bei den Regulierungsarbeiten zu helfen, nur zu oft die grenzenlose Geduld Fanny von Hagels be wundert. „Na nu!" wiederholte das dicke Männchen, mit dem guten roten vollwangigen Gesicht, auf dem nur die Oberlippe einen grob- fadigen grauen Schnurrbart zeigte, „ua nu, seit wann geht denn unsere Gnädige in dieser Weise mit ihrer Korrespondenz um?" „Seit dieselbe sie zu Herzlosigkeiten nötigen will," entgegnete Fanny. Dann erhob sie sich und trat an das Fenster, wohin sich Ada wäh rend Mamas Lektüre begeben hatte und jetzt nach der Richtung blickte, in welcher der kleine Bradocziner Kirchhof lag. „Sehnt sich mein Liebling wieder nach seinem Papa?" fragte die junge Stiefmutter leise, während sie ihre Arme um den Hals des Mädchens legte. „O, Mama, sei mir nicht döse deshalb," hauchte die Kleine, während sie sich rasch nach Fanny umwandte. „Das Unglück kam ja so