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Ottendorfer Zeitung : 09.03.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-03-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190403097
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19040309
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19040309
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-03
- Tag 1904-03-09
-
Monat
1904-03
-
Jahr
1904
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 09.03.1904
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politische kunälchau. Der russisch-japanische Krieg. *Aus dem bunten Wirrsal der Einzel nachrichten vom Kriegsschauplätze läßt sich soviel herausfchälen, daß die N u s s e n bei P h j ö n g- jang, Halbwegs zwischen Söul und dem Jaluflusse, „Fühlung" mit den Japanern genommen haben. Ein weiteres Vorrücken von der einen oder andern Seite ist ohne Kampf nicht mehr möglich. *Vom Kriegsschauplatz werden furcht bare Kälte und Schneefälle gemeldet, unter denen die Truppen entsetzlich leiden. In Wladiwostok sind durchschnittlich 19 Grad, in Sachalin 24, in Nikolajewsk 26, am Baikal- See 32 Grad Kälte. * Auf einen japanischen Einfall in die Mandschurei bereiten sich die Russen vor. Dem ,Standard' wird aus Tientsin ge meldet, daß die Russen die Ortschaften südlich von Mulden stark befestigen. In Hailscheng seien tausende von Kulis Tag und Nacht mit der Anlage von Verschanzungen und Wällen beschäftigt. *Die Räumung von Port Arthur von Flotte und Heer hat nach den ,Times' der russische General Dragomirow, der nach Petersburg berufen worden war, um den Bera tungen über die Kriegführung beizuwohnen, energisch gefordert mit der Begründung, ein solcher Rückzug sei notwendig, um noch größere Katastrophen zu verhüten. Der Ratschlag sei aber energisch zurückgewiesen worden. * Admiral Alexejew hatte eine Petition der Bewohner Ostfibiriens abschläglich beschieden, in gewissen Zwischenräumen Proviantzüge aus Rußland kommen zu lassen. In seiner Erwiderung erklärte er, bei aller Teil nahme für die Notleidenden, besonders die Frauen und Kinder, müßten doch bei einer so ernsten Krists des Vaterlandes die Erforder nisse für das Heer allem anderen vorgehen. Es heißt, Hunger und Nahrungs mangel treiben Hunderte ehrlicher Männer unter die Banditen O st s i b i r i ens. In Char- bin kommen bedeutende Truppenmassen vor. * Ein Kenner Koreas spricht im ,Nowy Krai' die Ansicht aus, daß dieKoreaner, die zur Zeit gegenüber Japanern und Russen das gleiche Verhalten zeigen, bei der geringsten Niederlage der Japaner ihrem alten Haß gegen die Be drücker Ausdruck geben und den Japanern in denRücken fallen würden, nicht offen als Verbündete Rußlands, sondern auf eigene Faust. * * * Deutschland. *Der Kaiser hat, wie der .Köln. Ztg.' aus Washington gemeldet wird, die Absicht, während seiner Mittelmeerreise mit dem Ad miral Hvans zusammen treffen. Dieser begibt sich an Bord seines Flaggschiffes „Kentucky" in nächster Zeit von Hongkong über Suez nach New Jork und wird wahrscheinlich im östlichen Teile des Mittelländischen Meeres mit dem Kaiser zusammenkommen. (Hinter diese Meldung gehört wohl ein großes Fragezeichen.) * Die E r k r a n k u n g des G r o ß h e r z o g s von Baden ist nach dem Bericht der behan delnden Ärzte auf einen seit einiger Zeit be stehenden Magen- und Darmkatarry und eine dadurch bedingte Beeinträchtigung des Allgemein befindens zurückzuführen, die sich in dem Gefühl der Ermüdung und dem Bedürfnis nach Ruhe ausspricht. Die Erkrankungserscheinungen seien im Abnehmen begriffen, die Besserung schreite langsam, aber stetig fort. * Feldmarschall Graf Waldersee ist, wie der .Hannoversche Courier' aus guter Quelle erfährt, seit einigen Tagen bedenklich er krankt. Mitteilungen vom Freitag zufolge wird eine besorgniserregende Abnahme der Kräfte konstatiert. Die Erkrankung besteht in einer Darmstörung. *Die Reichstagskommission, die den Entwurf über die Kaufmannsgerichte zu beraten hat, verwarf in der zweiten Lesung dieses Eniwurfes sämtliche Anträge bis zum 8 10. Das passive Wahlrecht der Frauen wurde mit Stimmen ¬ gleichheit (8 zu 8) bei einer Stimmenthaltung ab - gelehnt. Vier Mitglieder der Kommission fehlten. Der Antrag auf Einführung des passiven Wahl rechts wird in zweiter Lesung im Plenum nochmals von freisinniger und sozialdemokratischer Seite ge stellt werden; doch würde nach den Erklärungen der Regierung mit der Annahme eines solchen Antrages das Gesetz scheitern. * Die Militärpflicht ausge wanderter Reichsangehöriger be trifft eine gemeinsame Verfügung des Preuß. Ministers des Innern und des Kriegsministers. Die Verfügung weist zur Vermeidung von Irr tümern darauf hin, daß frühere militärpflichtige Reichsangehörige, die ausgewandert waren und die Reichsangehörigkeit nunmehr wieder erwerben, ohne Ausnahme bis zur Vollendung des 31. Lebensjahres, aber auch nur bis zu diesem Zeitpunkte, im aktiven Dienst zurückbehalten werden können. Dagegen können ausgewanderte Militärpflichtige, die nach Vollendung des 31. Lebensjahres wieder Reichsangehörige wer den, zum aktiven Dienst überhaupt nicht mehr herangezogen werden. *Die freisinnigen Gruppen des preußi schen Abgeordnetenhauses haben Fühlung mit den Nationalliberalen genommen behufs Aus arbeitung eines gemeinsamen Antrages auf Änderung des Wahlrechtsgesetzes und Neueinteilung der Wahlkreise. Die Nationalliberalen erklärten ihre prinzipielle Geneigtheit zu einem solchen Schritt. *Der Oberbürgermeister und die Stadtver ordneten von Köln haben im Namen der Stadt Köln an das preußische Abgeordnetenhaus eine Petition um Ablehnung des Gesetzentwurfs über die Errichtung eines Oberlandesgerichts in Düsseldorf gerichtet. *Zur Beseitigung der durch die Hoch wasserkatastrophe in Schlesien ent standenen Schäden ist von der Staatsregierung unter der Voraussetzung, daß der Provinzial verband von Schlesien sich mit 20 Prozent be teiligt, ein weiterer Betrag von 1124 000 Mk. ausgesetzt worden. Dieser neue Betrag wird zum größten Teile sofort zur Auszahlung gelangen; 45 000 Mk. davon sind zur Wieder herstellung der katholischen Kirche in Arnolds- dorf, die bekanntlich infolge bes Hochwassers einstürzte, bestimmt. * Die oldenburgische Staatsregierung hat beim Landtag die Bewilligung von 153 000 Mark zur Erweiterung und Verbesserung des Braker Hafens beantragt. *Die Münzfrage in Ostafrika ist dahin entschieden worden, daß die Rupie bei behalten werden soll; doch sollen die Neuprä gungen von Reichs wegen geschehen. Frankreich. *Die Revisionsverhandlung im Dreyfus-Prozeß hat am Donnerstag vor der Strafkammer des Kassationshofes in Paris begonnen. Es war nur wenig Publikum erschienen. England. *Jm Unterhause wurde die Regierung um Aufklärungen über den Stand derenglischen Seestreitkräfte im fernen O st en er sucht. Parlamentssekretär Pretyman beantwortete die Anfrage dahin, daß sich die britische Flotte in Ostasten zusammensetzt aus 5 Schlachtschiffen, 4 Kreuzern 1. Klasse, 4 Kreuzern 2. Klasse, einem Kreuzer 3. Klasse, 8 Kanonenbooten, 9 Torpedo bootszerstörern, 4 Torpedobooten und 12 Fluß- Kanonenbooten. (Sie ist also stärker, als die der Russen.) Spanien. *Der Ministerrat beschäftigte sich mit der Frage der B r o t v e rt eu e r u n g, die an manchen Orten bereits eine Gärung verursacht und eine Folge der durch den Krieg und das hohe Goldagio gesteigerten Getreidepreise ist. Wahrscheinlich dürfte eine zeitweilige Herab setzung desGetreidezolles beschlossen werden. Balkanstaaten. * In Serbien soll nach der ,Köln. Ztg.' die Frage der Verschwörer im Hof dienst bestimmt in allernächster Zeit gelöst werden, so daß die Rückkehr der Ge sandten ermöglicht wird. Uus äem Aei^stage. Der Reichstag erledigte am Donnerstag den Etat der Reichs-Justizverwaltung. In der Debatte kamen fast nur Gegenstände zur Sprache, die bereits an den vorhergehenden Tagen der Beratung des Justizetats ausgiebig besprochen worden waren. Am Freitag begann der Reichstag die zweite Beratung des Reichs-Haushaltsetats (Militäretat). Zu Tit. 1 der dauernden Ausgaben (Gehalt des Kriegsministers) sind verschiedene Resolutionen ein gebracht. Abg. Müller- Fulda (Zentr.): ES sei gelungen, in der Kommission kleine Abstriche an dem hohen Militärelat zu machen. Was die im nächsten Jahre zu erwartende Militärvorlage angehe, so könne nicht davon die Rede sein, daß eine Vorlage eine Mehr heit im Hause finde, die sich auf eine Vermehrung der FriedenSpräscnzstärke bezieht. Abg. Bebel (soz.): Wir meinen, daß die Grenze der Leistungsfähigkeit der Nation nachgerade erreicht ist. Weite Kreise glauben, daß die Miß handlungen nicht ab-, sondern zugenommen haben. Das werde in vielen Schriften ehemaliger Offiziere offen zugegeben. Redner tadelt sodann, daß bei der Beurteilung der Leistungen höherer Offiziere zuviel Gewicht auf Drill und Parade, zu wenig auf kriegs mäßige Ausbildung gegeben werde. Bei Mißhand lungen der Unteroffiziere zeige sich ein unglaub liches Maß von Roheit, Grausamkeit, Brutalität, Raffinement. Redner will auf einzelne Fälle von Mißhandlungen eingehen. Graf v. Ba llest rem bittet den Abg. Bebel, dieses Thema verabrcdungsgemäß jetzt auszuschalten. Abg. Bebel verspricht, diesem Wunsch nach Möglichkeit nachzukommen. Man nenne den Osfi- ziersst-rnd drn ersten Stand des Staates; er wolle den Offizieren nicht zu nahe treten, aber warum soll ein junger Leutnant, der eben aus der Kadetten anstalt kommt, plötzlich zum ersten Stande deS Staates gehören? Redner bespricht die häufige vor zeitige Verabschiedung höherer Offiziere. In weiten Kreisen der Armee und des Volkes herrsche die Über zeugung, daß, wenn im Ernstfälle ein Krieg so ge führt werden würde wie die großen Kaisermanöver, die Niederlage Deutschlands unabwendbar sei. Bei den Kaisermanövern werde nachgerade die Schau stellung die Hauptsache. Kriegsminister v. Einem: Die meisten ollen Kamellen des Abg. Bebel entbehren der Begründung. Kritiken von seiten nicht mehr im Dienst stehender Offiziere werden nicht eingeschränkt. Von den Kritiken aber, die „natürlich" nur aus Liebe zur Armee diktiert sind, kann man sagen : Die Liebe geht manchmal eigentümliche Wege. Wenn Herr Bebel glaubt, daß die französischen Generale größere Freiheit hätten, so ist das möglich. Wir brauchen aber noch lange nicht das einzuführen, was in Frankreich Mode ist. Der französische Kriegsminister versteht aber erheblich weniger Spaß als wir. Die Ver setzung nach Algier ist dann ziemlich sicher, über die militärische Intelligenz der Sozialdemokratie hat mich ein Inserat belehrt, das für die Wahl auf forderte : Wählt M. Er ist Feldwebel der Reserve, also geeignet, im Falle eines Krieges ein Bataillon zu führen. Das Führen eines Bataillons ist nicht so leicht, wie Sie (Soz.) es sich denken. Bezüglich des Bedauerns des Abg. Bebel über Unterlassung von Beförderungen von intelligenten Sozialdemo kraten zu Unteroffizieren befolgen wir das Beispiel der Linken, wo alles, was nicht waschecht ist, ob in telligent oder nicht, munter hinausfliegt. Heute wäre ein Jena unmöglich, wenn nicht etwa von einer gewissen Seite dem Volke aller Patriotismus aus der Brust herausgcrissen und die rote Fahne der Sozialdemokratie uns nach Jena führen würde. Die schweren Strafen in dem Heidelberger Fall waren durchaus gerechtfertigt. Das war kein harm loser Scherz, sondern eine schwere Meuterei. Sie ging gegen die Disziplin und die ist unser Lebens nerv, au den wir uns nicht kommen lassen, über den Fall in Pirna mich hier zu äußern, möchte ich vermeiden, da Damen auf der Tribüne sitzen. Wenn der Abgeordnete meine Meinung darüber wissen will, so möge er die Worte des sterbenden Valentin an Gretchen in Goethes „Faust" nachlesen. Da steht es ganz deutlich. Wenn Herr Bebel in Dresden gesagt hat: Auch die Armee, das letzte Bollwerk des Staates, wankt schon, so irrt er doppelt. Denn einmal ist die Armee nicht das letzt« Bollwerk, son dern das sind die köstlichen Schätze, die in bürger lichen und Arbeiterkrcisen, in Adel und überall uns noch erhalten sind: Gottesfurcht, Vaterlandsliebe und Königstreue, und dann wankt auch die Armee nicht. Manöverkritiken sind sehr billig. Gewiß bin auch ich nicht immer mit der Anlage und Durch führung eines Manövers einverstanden, aber ich sage mir, ich kenne vielleicht nicht alle Voraussetzungen, unter denen gehandelt werden muß. Das, was das Heer zusammenbält, ist die sittliche Pflicht, den Dienst zu tun, aus Freude am Vaterland. Abg. Frh. Heyl zu Herrnsheim (natl.) er ¬ klärt, daß seine Partei dem Kriegsministcr ihr volles Vertrauen zu seiner Amtsführung ausspreche. Abg. v. Normann (kons.) wendet sich gegen die Ausführungen des Abg. Bebel und nimmt sich insbesondere des Unterossizierstandcs an. Abg. Müller- Meiningen (fr. Vp.): Die Armee sei tatsächlich unzufrieden, nicht bloß inaktive, son dern auch aktive Offiziere sind verstimmt, in einer Weise, wie es bisher niemals der Fall gewesen ist. Die Armee gehorcht, aber sie räsonniert. Die zahl reichen Uniformändcrungen hätten absolut keinen Zweck. Statt dessen hätte lieber eine kriegsmäßige Uniform eingeführt werden sollen. Kriegsminister v. Einem: Die Abzeichen an den Mänteln der Offiziere seien durchaus praktisch. Auszeichnungen einzelner Truppenteile durch den Kaiser seien Akte eines gnädigen Wohlwollens bei besonderer Gelegenheit. Es sei schwer, eine praktische Farbe für die kriegsmäßige Uniformierung zu finden; so habe sich z. B. das Hechtgrau nicht in allen Fällen bewährt. Graue Litewken seien für die Land wehr reserviert. Wenn in Offizierskreisen Unzu friedenheit bemerklich sei, so habe sic gewiß nicht den tiefgreifenden Charakter, den ihr der Vorredner zu spreche. Ein Ventil muß immer da sein. Ein Vor gesetzter kann es allen Untergebenen nie recht machen. Aber schließlich: die Offiziere mögen räsonnieren, aber sie gehorchen, und der Staat wird dadurch nicht gefährdet. Bayrischer Generalmajor Ritter v. Endres: Es ist schon durch Verträge festgestellt, daß Bayern Uniformänderungen der preußischen Armee nicht mit zumachen brauche. Wenn es sie bisher doch mitge macht hat, so ist daraus zu schließen, daß es die Änderungen als sehr zweckmäßige anerkannt hat. Einige dieser Änderungen sind überhaupt aus der bayrischen Armee entnommen. Abg. Iaunez (Lothr.) bringt die Verhältnisse der Bouillonquelle bei Metz und die Wasserversorgung von Metz zur Sprache. Äommistar der Landesverwaltung für Elsaß- Lothringen Geheimrat Halley: Die Stadt Metz habe sich endlich nach zwei Jahre langem Zögern bereit erklärt, zwei neue Grundwasserleitungen an ,u- legen. Alsdann werde genügend und gutes Wasser in Metz vorhanden sein. Darauf vertagt sich das Haus. Dr«»8isch»r Landtag. Am Donnerstag kam es im Herrenhause bei der Beratung des Ansiedclungsgesetzes zu scharfen Aus einandersetzungen zwischen den Polen Fürst Radziwill und. v. Koscielski auf der einen und den Ministern Frh. v. Hammerstein und v. Podbielski auf der andern Seite. Die Vorlage wurde einer Kommission überwiesen. Das Herrenhaus nahm am 4. d. nach längerer Diskussion, an der sich der Landwirtschaftsminister beteiligte, das Wildschongesetz nach den Vorschlägen seiner Kommission an und vertagte sich auf un bestimmte Zeit. Am 3. d. führte das Abgeordnetenhaus die zweite Beratung des Etats der Äauverwaltung zu Ende. Die Positionen des Extraordinariums gaben zu er heblichen Debatten keinen Anlaß. Das Abgeordnetenhaus begann am Freitag die Beratung des Eisenbahnetats. Ein Antrag Wiemer (frs. Vp.) auf Reform des Personentarifs sowie ein Antrag Gamp (freikons.) wurde an die Budget kommission verwiesen. Unterstaatssekretär Fleck ant wortete den Antragstellern. Er erklärte, der Minister wende der Frage der Personentarifreform sein volles Interesse zu. Sodann kam ein Antrag der Natio nalliberalen und Freikonservativen auf kräftigeren Ausbau des Staatsbahnnetzes und auf Herabsetzung der Gütertarife zur Erörterung. Die Minister Budde und Frh. v. Rhcinbaden warnten vor einem Experiment bei der Herabsetzung der Gütertarife und betonten, daß der Bau von Nebenbahnen auch in finanziellen Rücksichten schließlich seine Grenze finde. Das Haus vertagte sich darauf. Von und fern. Prinz Prosper Slrenberg freigesprochen. Im Wiederaufnahmeverfahren ist Prinz Prosper v. Arenberg sreigesprochen worden, nachdem sämt liche Sachverständige sich dahin ausgesprochen Hatten, der Angeschuldigte habe sich zur Zeit der Tat in einer krankhaften Störung der Geistes tätigkeit befunden. (Allerdings muß dieser Zu stand schon sehr lange bestehen, denn Zeugen versicherten, daß der Prinz schon im jugendlichsten Alter seine Freude an besonders raffinierten Tierquälereien gehabt habe.) Das deutsche Turnfest in Nürnberg ergab einen Uberschuß von rund 26,000 Mark. Davon werden 22 000 Mark den Nürnberger Turnvereinen für turnerische Zwecke überwiesen und 4000 Mk. als Rückhaltsvermögen einbehallen. K Vie Mläernleben Erben. 12j Roman von M. Brandrup. (Fortsetzung.) „So ist Hagel also, wofür ich ihn gehalten, das heißt ein guter, rechtlich denkender Mensch und verdient somit, daß ich versuche, ihn glück lich zu machen?" Der Offizier nickte traurig mit dem Kopf. Fanny aber begann nun, ihm mit zuckenden Lippen zu erzählen, daß sie auch Stiefmutter werden sollte. „Von einem halbelMSchsenen juMn Mäd chen," setzte Leo hinzu. „Nun, die Kleine kann sich gratulieren, du wirst ihr immer eine liebend nachsichtige Schützerin sein. Das weiß ich!" „Und ich hoffe es," flüsterte Fanny. Man sah es ihr aber an, wie überaus pein lich ihr dieses ganze Gespräch war. lind Leo sühlte mit ihr. Er sagte sich auch, daß jedes weitere Verweilen bei der Geliebten die Gefahr für ihn enthielt, vollends aus der Rolle zu fallen, die seine Vernunft ihm zu erteilt hatte. So schützte er denn den Dienst vor und empfahl sich von Fanny. „Wohl für lange, lange Zeit," sagte er mit bebender Stimme. „Ich denke nämlich einen längeren Urlaub zu erbitten, den ich zu Be suchen bei lieben Freunden benutzen will, da ich vorläufig nicht nach Groditten gehe. Wenn ich aber wieder hierher zurückgekehrt sein werde, bist du . . ." Er preßte die Lippen aufeinander und der Ausdruck namenlosen Wehs zuckte wieder über sein schönes Gesicht. Sie verstand ihn. .... bin ich nicht mehr hier," setzte sie mit Aufgebot all ihrer Kraft hinzu. Er nickte. „So lebe also wohl," sagte er und faßte ihre Hand. Als er die kleine harte Rechte in der seinen zittern fühlte, überkam es ihn jäh mit elementarer Gewalt. Und plötzlich zog er das bleiche Mädchen an seine Brust und bedeckte Fannys Lippen mit glühenden Küssen. Und sie? Sie erwiderte seine Zärtlichkeit mit einer Leidenschaft, die Wohl niemand in dem sanften Geschöpfchen vermutet haben würde. Dann aber riß sie sich los und tief erbleichend, hauchte sie förmlich entsetzt: „Aber das ist Sünde — seit ich mich dem andern versprochen." Ein qualvoll bitteres Lachen entrang sich den Lippen des jungen Offiziers. Jetzt nickte er. „So laß mich scheiden, endgültig," sagte er. Noch ein Blick, ein leiser schmerzvoller Ruf von Fannys Lippen, und sie sah ihn gehen. Wenige Minuten stand Fanny mit vorge beugtem Oberkörper und schaute der hohen, ritterlichen Gestalt Leo v. Gröns nach, dann sank sie auf die Knie. Den Arm um den Stamm einer alten Linde geschlungen, gab sie sich nun widerstandslos ihrem Schmerze hin. * * * Wieder reihte sich Tag an Tag, Wochen wurden daraus, Monate. Während Herr v. Mildem in ihrem Verlauf auch nicht eine beglückwünschende Zeile für seine Großnichte gehabt, hatte Fräulein Charlotte Main in wahrhaft herzlichen Worten an Hannas Tochter geschrieben und Fanny gebeten, die beiliegenden fünf neuen Hundertmarkscheine freundlichst hinnehmen zu wollen. „Ich habe Ihrem armen Mütterchen ja so nahe gestanden, teure Fanny," hieß es in dem Briefe des alten Fräuleins, „daß Sie allen Stolz beiseite setzen und mir gestatten müssen, wenn auch nur ein ganz klein wenig, dafür zu sorgen, daß Sie nicht mit leeren Händen zu dem Mann Ihrer Wahl gehen. übrigens glauben Sie gar nicht, wie sehr ich mich gefreut habe, daß es Johannes von Hagel ist, dessen Gattin Sie werden! Ich er innere mich ja des lieben Menschen noch so genau und seiner vielen guten Eigensckasten!" In gleicher Weise ging das Schreiben noch seitenlang sort, ohne daß Charlotte auch nur mit einer Silbe Herrn v. Milderns gedacht hätte. „Wie himmlisch gut das Fräulein ist I" sagte Fanny gerührt, als sie der Tante den Brief vorgelesen. Gleich darauf setzte sie jedoch in ganz anderem Tone hinzu: „Aber was nur Hagel denken wird, wenn ich ihm mitteile, auf wie rücksichtslose Weise sich der Großonkel wieder gegen mich zeigt!" Frau Erna war erschrocken zusammen gefahren. „Um Gotteswillen, Kind," sagte sie nun, wäh rend sie ihre Hand auf den Arm der Nichte legte, „du willst doch nicht im Ernst schon vor der Hochzeit deinen Bräutigam in die Zerwürfnisse der Familie Mildern einweihen? Dazu ist doch, weiß Gott! noch Zeit genug in der Ehe. Für bräutliche Briefe find derartige Mißhellig- ketten nicht, das glaube mir!" Gänzlich ahnungslos, welche Gründe di» Tante in Wahrheit dafür hatte, Hagel zur Zeü noch nicht mit dem traurigen Verhältnis, das zwischen Herrn von Mildern und seiner Groß nichte bestand, bekannt zu machen, erwiderte Fanny: „Vielleicht Haft du recht, Tante. Aufrichtig gestanden, schweige ich ja auch gem darüber, denn nichts in der Welt ist mir fürchterlicher, als der Gedanke an den grausamen alten Mann auf Groditten." Damit erhob sie sich. Ema aber hielt sie am Kleiderärmel fest. Dem Gespräch geschickt eine Wendung gebend, kam sie auf die Zeiten Charlotte Mains und das Geldgeschenk des alten Fräuleins zurück. Dann mahnte sie die Nichte, nun auch den Wünschen Charlottens Genüge zu leisten und meinte, daß man sofort die nötigen Einkäufe machen müsse, wenn die Aussteuer noch zur rechten Zeit fertiggestellt werden solle. Da sich aber das Mädchen fast interesselos in die Wünsche der Tante sügte, besuchten die Damen zur höchsten Genugtuung der älteren noch an demselben Tage die renommiertesten Geschäfte Hohenburgs. Ema schwelgte dort in dem Genuß, wählen zu dürfen, und daß fie dabei auch manches schöne Stück für sich be anspruchte, fand die egoistische Person nur selbstverständlich. Fanny war weit entfernt davon, sich dagegen aufzulehnen, fie hätte ja am liebsten auf die ganze Aussteuer verzichtet,, wenn fie sich damit hätte freikaufen können.
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