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Ottendorfer Zeitung : 22.01.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-01-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190401228
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19040122
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19040122
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-01
- Tag 1904-01-22
-
Monat
1904-01
-
Jahr
1904
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 22.01.1904
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politische kunälckau. Der russisch-japanische .Konflikt. * Völlige Kriegsbereitschaft herrscht im Amur gebt et. Die russischen Truvpen ziehen sich in Liaojang, Haitschey und Taschitschia zusammen. Von diesen Punkten aus wird Ruß land bei Ausbruch des Krieges in der Lage sein, das Gebiet zwischen dem Liaofluß und der Großen Mauer in Besitz zu nehmen und sich der Strecke Niutschwang—Schanhaikwan der chinesischen Eisenbahn zu bemächtigen. *Bei der Neujahrsparade in Port Arthur erklärte der Statthalter den Truppen, es sei der Wille des Kaisers, daß der Frieden im fernen O st en bewahrt werde. (Ob der allein entscheidet?) * Zwei Schlachtschiffe von je 16 000 Tonnen hat Japan, wie aus Tokio gemeldet wird, in England bestellt. Deutschland. *Nm Sonntag wurde im Berliner Schloß das Krönungs- und Ordensfest ge feiert. Der Kaiser, der sich während der Festtafel lebhaft unterhielt, trank auf das Wohl der neu ernannten und der früher er nannten Ritter. Die Kaiserin, die in früheren Jahren stets beim Ordensfeste zu gegen war, nahm an der diesjährigen Feier nicht teil. * Die Zahl der am Ordensfest in Berlin verliehenen Orden- und Ehrenzeichen beträgt nach der Ireuzztg/ 2859, 172 mehr als im Vorjahre, darunter 1020 Allgemeine Ehrenzeichen und 954 Rote Adlerorden 4. Klasse. *Jn der Thronrede, mit der der Kaiser den Preuß. Landtag am 16. d. er öffnete, dankte der Monarch zunächst der gött lichen Vorsehung für seine schnelle Ge nesung. Es werden dann die „zahlreichen und schwierigen Aufgaben" genannt, die der Beratung der beiden Häuser harren. Die Finanzlage des Preuß. Staates wird als günstig bezeichnet. Hatte das Rechnungs jahr 1902 mit einem Defizit von 30 Mill. Mk. abgeschlossen, so ergab erfreulicherweise das Rechnungsjahr 1903 nicht nur kein Defizit, sondern läßt sogar einen Uberschuß erwarten, sodaß der zur Verfügung gestellte Staatskredit von 70 Mill. Mk. nicht in Anspruch genommen werden braucht. Die günstige Lage der Eisenbahnen wird besonders erwähnt und gleichzeitig mitgeteilt, daß der gelingst besoldeten Klasse ihrer Angestellten, den Bahnwärtern, eine Gehaltsaufbesserung zugedacht ist. Ebenfalls wird dem Landtage ein Gesetz entwurf betreffend Verbesserung der Vor flut an der unteren Oder, Havel und Spree zugehen. Mit der Be merkung, daß im Hinblick auf den notwendigen und unaufschiebbaren Schutz gegen Hoch wassergefahren sich die Forderungen auf den Ausbau der dringlich st enWasser- straßen im Osten und Westen der Monarchie beschränken werden, schließt die Thronrede. — Der Ministerpräsident Graf Bülow er klärte nach der Verlesung der Rede durch den Kaiser den Landtag für eröffnet. Das älteste Mitglied des Abgeordnetenhauses, Schaffner, brachte darauf ein Hoch auf den Kaiser aus. — Die Eröffnungsfeier war damit beendet. *Die Übersiedelung des kaiser lichen Hoflagers vom Neuen Palais nach dem Berliner Schloß, die ursprünglich am 15. d. statifinden sollte, ist verschoben worden und für den 26. d. festgesetzt, so daß die Geburtstagsfeier des Kaisers in Berlin statt- findet. *Der Großherzog von Hessen wird der .Köln. Ztg.' zufolge in diesem Früh jahr wieder eine Orientreise unternehmen; vorher wird er wahrscheinlich noch einen Besuch in England machen. *Der Aufstand der Hereros nimmt eine immer gefährlichere Ausdeh nung an. Schlag auf Schlag treffen die Hiobsposten aus Deutsch-Südwestafrika ein, eine immer trosiloser, schreckensvoller als die andere. Ein amtlicher Bericht der Kolonialverwaltung lautet: Nach eingetroffenen Nachrichten aus Windhoek vom 14. Januar war Okahandja schwer bedrängt. Ersatzversuche von Wind hoek aus waren gescheitert. Windhoek selbst ist sehr bedroht. Zahlreiche Verluste sind zu verzeichnen. Der Land sturm ist eingezogen. Sofortige Hilfe wird erbeten. Die Hereros sind durch Plünde rung gut beritten und bewaffnet. Über die vor bereitenden Maßnahmen wird amtlich bekannt gegeben, daß bereits am 16. d. auf Befehl des Kaisers in Kiel und in Wilhelmshaven je 250 Mann der Marineinfanterie mobil gemacht worden sind, denen ein Detachement der 2. Matrosendivifion mit vier Maschinenkanonen beigegeben wird. Am Donnerstag werden die Mannschaften von Wilbelmsvaven abfahren. *Für die Bewältigung des Auf standes in Deutsch-Südwestafrika werden in zwei Nachträgen, die zu den Kolonial etats für 1903 und 1904 dem Reichstage zu gegangen find, im ganzen 2 821 200 Mk. ge fordert. Österreich-Ungarn. *Der Budgetausschuß der österreichischen Dele gation hat das Heeresordinarium angenommen. Im Laufe der Besprechung erklärte Kriegsminisier v. Pitreich, daß Nichtkenntnis derdeutschen Sprache bei der Ernennung von Mannschaften zu Unteroffizieren absolut kein Hindernis sein könne. Bei länger dienenden Unteroffizieren müsse allerdings die Kenntnis der Kommando- und Dienstsprache in gewissem Grade aus militärischen Gründen gefordert werden. *Die ungarischeObstruktion,mehr als hundertmal totgesagt, ist immer noch nicht gestorben. Die katholische Volkspariei beschloß angesichts der Rede des Ministers Pitreich den den Kampf gegen das Kabinett Tisza offen fortzusetzen. England. * Bei einer Ersatzwahl zum Unterhause in Norwich für den verstorbenen konservativen Abgeordneten wurde der freihändlerische Liberale gegen den Anhänger der Chamber- lainschen Schutzzollpolitik gewählt. Italien. *Der Führer der mazedonischen Auf ständischen Boris Sarafow wurde vom Papste empfangen, den er ersuchte, zu gunsten der christlichen Bevölkerung in Mazedonien zu vermitteln. Sarafow reiste von Nom nach Paris weiter. Holland. * Die Schiedsrichter in dervenezolani- schen Streitfrage werden im Haag vom 13. bis zum 17. Februar zusammentreten, um sich über das Urteil schlüssig zu machen. Balkanstaaten. *Zum Adjutanten des Oberkomman danten der mazedonischen Gendarmerie wird Deutschland einen Oberstleutnant ernennen. Durch das Hinzutreten Deutschlands, das auf mehrfachen Wunsch Rußlands und Österreichs erfolgt sein soll, sind nunmehr alle europäischen Großstaaten bei der mazedonischen Gendarmerie vertreten. Amerika. * Die Versammlung zur Festsetzung der Verfassung der neuen Republik Panama ist eröffnet worden. * Gerüchtweise verlautet, daß in Uruguay die Regierungstruppen die Ausständi- schen unter Saravia geschlagen haben. Ein Zug mit Verwundeten ist in Montevideo angekommen. Afrika. *Ein amtliches Telegramm berichtet, daß die Engländer im Kampfe mit den Leutendes Mullah 250 Gefangene machten und 360 Gewehre erbeuteten. Die Zahl der Toten auf feiten des Mullah wird auf 1200 geschätzt. Aussagen von Gefangenen und Fahnenflüchtigen zufolge beläuft sich die Zahl der Derwische auf 6000. Der Führer derselben konnte entfliehen. Der Mullah ver fügte über bedeutenoe Streitkräfte. *Das französische Segelschiff „Pauline", das zwischen Mazagan und Casablanca ge- K k>erta falk. 19 s Roman von Theodor Almar. (Fortsetzung.) „Genug, von diesem dritten, Hirta! — Weißt du auch, daß du mir soeben ein voll ständiges Liebesbekenntnis abgelegt hast und ich beinahe weidlich darüber lachen könnte, daß ich aus einen armen Tropf, wie dieser Falk ist, so lange habe eifersüchtig sein können? — Nun aber, vielliebe Herta, nun erzähle mir, wie du, so stolz und unnahbar, dich doch end lich der süßen Macht in deinem Herzen hast beugen müssen. Aus unsem Begegnungen bei Millners hätte wohl niemand einen solchen mich beseligenden Schluß ziehen können. Als dein Vater aber an jenem Morgen zu mir hinaus kam, um mir mitzuteilen, wie sehr du bereust, mich so lange verbannt zu haben — ach, Herta! ich war wonneberauscht und hatte die größte Mühe, mein Entzücken vor deinem Vater zu verbergen. Dann endlich standen wir uns gegenüber — du konntest kaum Worts finden, aber dein Auge blickte so lange und so fies in das meinige, daß ich alles verstand, was dein Mund auszusprechen nicht imstande war. Seit dem liege ich fester denn je in deinen Banden und wehe mir, wenn du jetzt noch Bedenken tragen könntest, die Meine zu werden!" Indem Werden frohbeglückt diese Worte be endete und Frau Falk unsicheren Blickes vor ihm stand, nicht wissend, was sie ihm ant worten solle, kam ihre Haushälterin den Fuß pfad daher und überreichte ihr einen Brief; es war derjenige von Assessor von Rosen. Gleichgültigen Blickes betrachtete sie einen Moment die Adresse, dann öffnete sie langsam den Umschlag. Doch kaum hatte sie die wenigen Zeilen überflogen, da mußte sie an einem nahe stehenden Baumstamm sich sesthalten, um nicht umzufinkeu. Das Blatt Papier fiel zur Erde. Einen Augenblick schwankte Werden, ob er Herta beispringen oder sich des Briefes be mächtigen sollte; er entschloß sich zu letzterem, indem er rasch sich bückte und die Hand nach dem Papier ausstreckte; doch ehe er noch das selbe berührte, rief ihm Herta zu: „Gilbert l rühren Sie den Brief nicht an — ich will es nicht, hören Sie?" „Wie, soll ich den Brief nicht lesen, der Sie so bestürzt gemacht und aller Fassung beraubt hat? — Soll ich nicht mindestens das Recht haben zu wissen, von wem er ist?" „Von wem er kommt, sollen Sie wissen, der Absender ist der Assessor von Rosen." Wie von einerNatter gestochen fuhr Werden auf. „Herta, du willst mich rasend machen! Du nennst mir den Namen eines Menschen, den ich noch mehr hasse als ich deinen Diann je ge haßt habe. Soll ich diesen Brief wirklich nicht lesen?" und wieder bückte er sich danach, doch schon hatte Frau Falk den Fuß auf das Papier gesetzt. „Gilbert, beherrschen Sie sich; denn sobald Sie mir dies Papier hier gewaltsam abzwingen, scheiden wir für immer!" Betroffen zog er die Hand zurück und sah der bleichen Frau forschend in die Augen. „Was soll ich glauben, Herta?" Den Brief am Boden liegen lassend, trat strandet war, wurde von Kabylen völlig geplündert. Der französische Kreuzer „Galilöe" ist nach Casablanca gegangen, um Bestrafung der Täter zu fordern. Deutscher Keickstag. Am 18. d. eröffnet Präsident Graf Balle- strem die Sitzung mit der Mitteilung, daß der Kaiser dem Reichstage eine Nachtragstabelle über die englischen Kreuzer erster Klasse geschenkt habe. Vor der Tagesordnung erhält das Wort Reichskanzler Graf Bülow, um Mitteilung von dem ernsten Stande der Dinge in Südwest- Afrika zu machen und die darauf bezügliche schleu nige Nachtragsforderung dem Hause zu überreichen. Die Ursache des Aufstandes sei dunkel. Binnen einer Woche habe er gefährliche Dimensionen an genommen. Nur ein Teil der Farmer-Familien habe sich in die Stationen flüchten können, um dort ihr Leben zu verteidigen. Die Arbeit eines Jahr zehnts scheine vernichtet. Die Kräfte der im Lande zersplitterten Kolonialtruppe seien der großen Ge fahr gegenüber unzulänglich und schleunige Ent sendung von Verstärkungen notwendig. Das Ka nonenboot „Hagen" dürfte aus Kapstadt am Montag in Swakopmund eingetroffen sein. Die bisher getroffenen und dem Hause zur Genehmigung unterbreiteten Maßnahmen seien das Mindestmaß dessen, was das Reich den in der Kolonie in vollster Pflichttreue tätigen Beamten und Sol daten schuldig sei, wie denjenigen, die sich dort im Vertrauen auf den mächtigen Schutz des Deutschen Reiches niedergelassen haben, vor allem den Mitbürgern, die dort deutscher Sitte eine neue Heimstätte gegründet haben. Er hoffe zuversichtlich, daß die Hilferufe der aufs äußerste Gefährdeten den deutschen Reichstag einig finden werden, unver züglich einzutreten für Gut und Leben der Lands leute und für die Ehre der deutschen Flagge. Auf der Tagesordnung steht die Interpellation des Abg. Rogalla v. Bieberstein (kons.) u. Gen. wegen Kündigung der in den Jahren 1891 bis 1894 abgeschloffenen Handelsverträge. Graf Posadowskh erklärt sich bereit, die Interpellation sofort zu beantworten. Abg. Graf Kanitz (kons.) führt zur Begründung aus: Alle Länder haben jetzt Tarife mit hohen Sätzen aufgestellt. Die Schwierigkeiten eines neuen Abschlusses liegen jetzt in den Hohen Jndustriesätzen des russischen Tarifes. Redner wendet sich dann weiter gegen die Forderung Österreichs nach Öffnung unserer Grenzen für österreichisches Vieh, Gegen Italien müßten unsere Gärtnereierzeugnisse besser geschützt werden. Auch unser Weinbau hahe unter den obwaltenden Verhältnissen zu leiden. Auch Staaten mit hochentwickelter Industrie hätten sich ohne Handelsberträge günstig entwickelt. Es handle sich um eine Lebensfrage der Landwirtschaft. Er verlange ausgleichende Gerechtigkeit. Staatssekretär Graf Posadowskh: Die Re gierung erkennt die schwierige Lage der Landwirt schaft ohne jeden Vorbehalt an. Wir sind ernstlich bemüht, ihr erhöhten Schutz zuzuführen. In der Sache sind wir also einig. Der Unterschied zwischen uns und den Interpellanten besteht nnr in der einzuschlagenden Taktik. Wir haben nicht erklärt, daß wir die Verträge zu einem bestimmten Termin kündigen würden, und haben uns nachdrücklich gegen eine derartige Bestimmung im neuen Zolltarif ge wehrt. Unser Programm war stets, möglichst die alten Verträge unmittelbar in neue zu konvertieren, um das deutsche Wirtschaftsleben vor schweren Er schütterungen zu bewahren. Wir sind ein großer, leistungsfähiger und sehr zahlungsfähiger Staat, der für den Bezug seiner Rohmaterialien und Nahrungsmittel auf einen bestimmten Markt an gewiesen ist. Wir haben also für die Zukunft freie Hand. Neue Verträge abzuschließen ist sehr leicht, es kommt aber darauf an, wie sie anssehen. Eine sachliche Mitteilung über den Stand der Verhand lungen kann ohne schwere Schädigung der Landes interessen von dieser Stelle aus nicht erfolgen. Auf Antrag des Abg. v. Kardorff (freikons.) erfolgt die Besprechung der Interpellation. Äbg. Herold (Zentr.) erklärt sich damit ein verstanden, daß die Handelsverträge nicht gekündigt werden, bevor neue abgeschlossen sind. Abg. Bernstein (soz.): Graf'Kanitz hat die alten, wohlbekannten Ladenhüter der Schutzzöllner in schönster Vollständigkeit wieder vorgeführt. Im ganzen aber wurden alle drei Vorredner die besten Bestätiger der Kritik unserer Fraktion an dem neuen Zolltarif. Findet der Abschluß von Handels verträgen auf Grund der Mindestzölle statt, gegen die sich unsere 3 Millionen Wähler erklärt haben, dann wird unsere Fraktion sür derartige Handels verträge nie nnd nimmer zu haben sein. Abg. Gothein (freis. Vgg.): Die gegenwärtige Unsicherheit in allen handelspolitischen Beziehungen ist höchst unbequem für Handel und Industrie. Der Export leidet darunter. Eine Regierung, die nur einen Funken Verantwortlichkeitsgefühl hat, darf die Verträge nicht kündigen, hevor sie nicht neue hat. Früher galt eS als Pflicht, die Regierung bei ihren Verhandlungen durch solche Debailen nicht zu stören. Jetzt erntet sie den Dank vom Hause Österreich. DaS beste wäre eine internationale Regelung und Abschaffung aller Zölle, wie es beim Zucker durch die Brüsseler Konvention geschehen ist. Im Gegensatz zu Ihnen (nach rechts) treten wir für eine Politik des Schutzes der nationalen Arbeit ein, die nur möglich ist unter neuen Handelsverträgen. Abg. Graf Schwerin-Löwitz (kons.): Es ist nicht die Höhe der Getreidezölle, sondern die un glückliche Meistbegünstigungsklausel, die den Stein des Anstoßes für Rußland bildet. Redner tadelt die Langsamkeit der Handelsbertragsverhandlungcn. Wenn man nicht erschlossen ist, den neuen Zoll tarif in Kraft zu setzen und die bestehenden Ver träge zu kündigen, dann sollte man sich die Kosten sür die Entsendung von Unterhändlern nach PeterS- hurg und Rom sparen. Abg. Kämpf (ff. Vp.): Wir halten eS nicht für ratsam, die Regierung mitten im Laufe der Verhandlungen mit anderen Staaten zn einer Erklärung zu provozieren. Wir müssen Waren oder Menschen exportieren. Menschen exportieren bedeutet aber den moralischen Ruin eines Landes. Ist denn die Geschichte der englischen Kornzollbewegung spurlos an uns vorübergegangen? (Rufe rechts: Chamberlain I) Der neue Zolltarif hat vollständig seinen Zweck verfehlt. Als Instrument zu Verhandlungen ist er nicht ge eignet, da er von vornherein eine Drohung ist. Staatssekretär Graf Posadowskh: Es ist sehr bedenklich, während des Ganges der internatio nalen Verhandlungen in lolche Fragen einzugreifen. Wenn hier im Hause erklärt wird, der neue Zoll tarif könne nicht in Kraft treten, er sei ein ganz ungeeignetes Instrument zu Verhandlungen, so wird damit die Stellung der deutschen Regierung nicht gestärkt. Hält man unsern Zolltarif für eine Drohung, dann muß man auch die Tarife anderer Staaten dafür halten. Aber alle Staaten sind doch zu Verhandlungen bereit. Ich hoffe, daß wir schließ lich zu einem Kompromiß kommen infolge der starken Stellung, die Deutschland im wirtschaftlichen Leben hat. Wir können nicht die geringsten sachlichen Mitteilungen über den Stand der Verhandlungen machen, dadurch würden wir das Vertrauen aller anderen Regierungen verscherzen. Abg. Paasche (nat.-lib.): Durch die Inter pellation ist zweifellos die Schwierigkeit der Ver Handlungen noch vermehrt, vor allem aber durch die Reden der Linken. Abg. Wolff (Wirtschaft!. Vgg.): Wir werden auf keinen grünen Zweig kommen, wenn wir nicht den Mut haben, die alten Caprivischen, dem Aus lande günstigen Verträge zu kündigen. Unsere Bauern sind durch das Verhalten der Regierung aufs äußerste erschüttert. Liegt das im Interesse der Regierung? Abg. v. Czarlinski (Pole): Graf Kanitz will nur die deutschen Agrarier, nicht bie polnischen schützen. Die Herren der Rechten wollen der pol nischen Landbevölkerung nichts geben, den deut schen Agrariern aber einfach das Geld in die Tasche stecken. Hieraus wird ein Vcrtagungkantrag angenommen. vrenKUchrr Landtag. Das Herrenhaus, das seine Sitzungen jetzt in seinem neuen Heim in der Leipzigerstraße abhält, wählte in seiner ersten Sitzung am 16. d. den Fürsten zu Inn- und Knyphäusen zu seinem Präsi denten. Nachdem der Vizepräsident Frh. v. Man teuffel der Genesung des Kaisers gedacht und der Übersiedelung in das neue Heim einige Worte ge widmet hatte, richtete auch der Reichskanzler Graf Bülow eine hierauf Bezug nehmende Ansprache an das Haus. Im Herrenhaus wurde am Montag der Gesetz entwurf bctr. die Befugnis der Polizeibehörden zum Erlaß von Vorschriften über das Feuerlöschwesen an die Gemcindekommission verwiesen. Bei der Be sprechung der Interpellation des Grafen v. Schlieben betr. gesetzliche Maßregeln gegen Körper- und Sach beschädigungen durch Automobile erklärte Justiz minister Schönstedt die Materie zurzeit für gesetzliche Regelung noch nicht spruchreif. Darauf begründete Frh. v. Durant seine Interpellation, die die Regie rung auffordert, Maßnahmen zu treffen, durch die die Landbank verhindert wird, große Güter in Ober- fchlesien zu zerschlagen. Landwirtschaftsminister von Podbielski erwiderte, daß er für den Februar eine Kommission von Vertretern der Generalkommissionen und der Landbank nach Breslau berufen habe, um diese Frage zu prüfen. Nächste Sitzung unbestimmt. In der ersten Sitzung des Abgeordnetenhauses am 16. d. brachte der Alterspräsident Schaffner (nat.-lib.) daS Kaiserhoch aus und machte, nachdem ' er die vorläufigen Schriftführer ernannt, dem Hause ! den Vorschlag, die nächste Sitzung am 19. d. statt- ! finden zu lassen, welcher Vorschlag angenommen wurde. sie jetzt dicht an ihn heran. Es lag viel an dem rechten Erfassen dieses Augenblickes. „Gilbert, der Brief enthält das, was Sie vorhin andeuteten, er spricht von der Bosheit der Menschen! Man sitzt bereits wirklich schon zu Gericht über uns beide und schleudert mir es ins Gesicht. DaS kann mir unmöglich gleichgültig sein — allein ich kann nicht mehr zurück; überdies will ich auch meinen Glücks anteil am Leben! Darum setze ich mich über alles hinweg und vertraue dem Manne ganz mich an, der es so sehr um mich verdient hat. Gilbert, Sie haben längst ein entscheidendes, bindendes Wort von mir begehrt; bis jetzt widerstand ich noch, dieser Brief hier bringt mich aber zum Entschluß. In wenigen Tagen soll alles bei mir ge ordnet sein. Die Kinder schicke ich mit der Dienerin nach Berlin zu meinen Eltern; ein ausführlicher Brief soll meinen Vater von allem hinlänglich unterrichten — alsdann reise ich ab, Sie folgen mir, wir treffen an einem Ort zu sammen und Sie sollen entscheiden, wo ich so lange Wohnsitz nehme, bis alle Hindernisse be seitigt sind und unserer Vereinigung nichts mehr im Wege steht." „Ja, bis ich dich im Triumphe in deine neue Heimat führe, wo wir nur ganz unserer Liebe leben werden." „Bis dahin gilt es aber mit größerer Vor sicht als bisher zu handeln, um den Klatsch basen die Gelegenheit zu entziehen, ihr Gift über mich ausspritzen zu können, so lange ich noch gezwungen bin, hier zu bleiben. Von nun an können wir uns nur noch in später Stunde sehen, und — wenn ich Sie bitte, mich jetzt zu verlassen, so glauben Sie nur, daß eS mit Verleugnung meines eigensten Wunsches geschieht; aber was hilft es, man muß der Welt Konzessionen machen." „Deine endliche, so lange ersehnte Ent scheidung, mein Herz, beglückt mich so sehr, daß ich mich selbst ohne Murren in deinen grau samen Wunsch füge, er ist mein Befehl! Doch wann darf ich wiederkommen?" „O bald, sehr bald, vielleicht schon morgen; aber ich schreibe Ihnen vorher." „Ja, schicke mir einen Herzensgruß, den ersten greifbaren Boten deiner Liebe, du schöne, grausame, über alles geliebte Herta!" Nach langem Zögern und Schwanken ging er endlich. Sie aber rührte sich nicht von der Stelle, bis sie das Gartentor hinter ihm ins Schloß fallen hörie. Alsdann erst hob sie den Brief von der Erde auf, glättete ihn, und unter tief aus dem Herzen quellenden Tränen las sie wieder und immer wieder die Stelle: „Schon zu lange habe ich es Ihnen zu verbergen ge sucht, daß ". Er krank, hinsichend, ahnungslos, was hier vorgeht, und — und — Was knüpfte sie bebend an dieses Und? Hatte sie sich einer Versäumnis anzuklagen, daß der Freund sie zu schnellerem Handeln mahnt? — War sie mutlos, war sie feige, lebte in ihrem Herzen etwa noch die Liebe zu dem Manne, den sie für den Todfeind ihres Gemahls hielt? Sie hatte eine Selbstbeherrschung geübt, wie vielleicht nie zuvor ein Weib getan. Sie hatte auch keine Zeit verloren, denn all die Tage hatte sie gebraucht, um Werden sicher zu machen.
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