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Die „Gttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich t Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Leid und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bis vormittag w Uhr. Inserate werden mit w Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Bkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Mittwoch, den 3l. Dezember 1902. 1. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Vttendorf-Gkrilla, zo. Dezember 1902. D Die am Sonntag im Gasthof zum Hirsch abgehaltene Weihnachtsfeier des Turnvereins „Eiche" Groß-Okrilla erfreute sich eines sehr zahlreichen Besuches und hielt die Festteilnehmer bis in die frühesten Morgenstunden zusammen. /X Ottendorf. Am heutigen Tage beging der Gutsbesitzer Fr. Pietsch und der Stell- machcrmeister W. Tamme das Fest der silbernen Hochzeit und wurde ihnen heute früh vom hiesigen Musikchor ein Ständchen gebracht. Möge es den beiden Ehepaaren vergönnt sein, auch die goldene Hochzeit in körperlicher Frische und Rüstigkeit zu begehen. Neujahrskarten. Die bevorstehende Neujahrszeit stellt eine Hochflut von Glück wunsch- und Ansichtskarten in Sicht. Die Schaufenster der Papierhandlungen zeigen nach Form und Inhalt die verschiedensten neuen Muster. Manche von ihnen lassen Zweifel über ihre Zulässigkeit zu, eine große Zahl aber wird, wie alljährlich mit dem „Unzulässig" des Postbeamten ihren Zweck verfehlen oder aber, mit Nachtaxe versehen, der Freude über den Empfang den bitteren Tropfen der Porto zahlung beimischen. Hinsichllich der Zulässigkeit gelten folgende Bestimmungen. Nach der Post, ordnung dürfen die von der Privatindustrie hergestellten Formulare zu Postkarten in Größe, Papierstärke und Form nicht wesentlich von den durch die Post ausgegebenen Formularen ab- weichen. So sind beispielsweise Postkarten mit erheblich abgerundeten Ecken zur Beförderung gegen die Postkartentaxe nicht zugelassen. Da Postkarten aus Papier hergestellt sein müssen, sind solche aus Metall und Holz oder anderem Material unzulässig. Unzulässig gegen die Postkartentaxe sind auch Karten in Kästchen form mit Quitschvorrichtung, sogenannte Quitsch- karlen; ihnen fehlt der Charakter als offener Versendungsgegenstand. Postkarten, die diesen Bestimmungen nicht entsprechen, werden zwar offen befördert, unterliegen aber dem Briefporto. Gänzlich ungeeignet zur offenen Versendung sind dagegen Postkarten mit aufgeklebtem Mi neralstaub, Glimmer, Glassplitterchen, Sand, Melallteilchen u. s. w. sowie Postkarten mit Ausschnitten, durch welche die Festigkeit der Karte leidet, solche mit angehängten Siegeln aus Staniol, Karten in Form von Bierseideln, Flundern und ähnliche. Diese Gegenstände können nur unter Umschlag gegen Briefporto versendet weiden. Soweit Neujahrskarten gegen die Drucksachentaxe befördert werden sollen, ist es zulässig, handschriftlich eine Wid mung hinzuzufügen. Unter Widmung sind jedoch nur solche Aeußerungen zu verstehen, aus denen klar und deutlich hervorgeht, daß sie lediglich eine Zueignung bedeuten sollen; z. B. „Herrn N. N. zur freundlichen Erinnerung." Handschriftliche Zusätze wie „Mit herzlichem Gruße", „Mit verbindlichem Danke" und der gleichen sind für sich allein oder neben der eigentlichen Widmung unzulässig. Vielfach ist die Ansicht verbreitet, daß auf Ansichtskarten u. s. w- die als Drucksachen frankiert sind, gute Wünsche, Glückwünsche, Danksagungen oder andere Hösiichkeitsformen mit höchstens 5 ge schriebenen Worten h nzugefügt werden dürfen. Diese Ansicht ist unzutreffend. Die ange führten schriftlichen Zusätze sind nur bei ge druckten Visitenkarten, nicht auch bei Ansichtspostkarten zulässig. Die Worte und Buchstaben müssen aber in allgemein verständ lichen Schriftzeichen, wozu z. B. stenographische Zeichen nicht gehören, nieder geschrieben sein. Ganz besonders soll noch hervorgehoben werden, daß Sendungen, deren Außenseite oder Inhalt gegen die Gesetze verstößt oder aus Rücksichten des öffentlichen Wohles oder der Sittlichkeit für unzulässig erachtet wird, von der Post beförderung ausgeschlossen sind. Der Weihnachts- oder Christmas- Pudding in England. Dieser vertritt dort die Stelle unsrer Stollen, sie werden vom Bäcker und Kaufmann ganz oder geteilt Pfund weise verkauft, sehr oft aber auch von den Hausfrauen selbst erzeugt- Von dem Ge lingen hängt zum großen Teil die Laune ab, welche eine Hausfrau während der Feiertage entwickelt, es ist der Stolz jeder Hausfrau einen wohlgeratenen Pudding Herstellen zu können, gerade so wie bei unseren Frauen, welche ihre Stollen selbst backen oder den Teig dazu bereiten. Die Güte der Stollen sowohl als des Pudding wird gewöhnlich nach der Zuthat beurteilt, diese hängt aber auch viel davon ab, das richtige Maaß von Hefe oder Backpulver zu treffen und so wie das weitere Geraten beim Stollenbacken von der Be schaffenheit des Ofens und dessen Behandlung abhängt, hängt das weitere Geraten der Pud dings von der richtigen Zeit des Kochens ab. Pudding kann eher etwas zu lange als zu wenig gekocht werden, auch muß das Wasser gut kochen ehe der Pudding hinein kommen darf. Zu einem guten Pudding nimmt man etwa 1 Pfund körnerfreie große und 1 Pfund kleine Rosinen, 1/2 Pfund fein geschnittenen Zitronat, Pfund gezuckerte Zitronenschale, 1/2 Pfund Mehl, 1 Pfund Weißbrotkrume, 4 Eier, I Pfund sehr feingeschniltenen rohen Rindertalg, 'Z« bis '/z Liter Rum und etwa 1 Taffe voll Milch. Wer Mandeln liebt, kann diese noch hinzugeben. Wenn der Teig ge hörig durchgearbeitct ist, wird derselbe etwas auögebreitet und nachdem die nötige Menge (etwa 2 große Eßlöffel voll) Backpulver darüber- geschültet und mit dem Teig innig vermengt ist, wird eine Kugel daraus geformt, welche gut mit Mehl bestreut in ein Leinentuch ge bunden, sofort in richtig kochendes Waffer kommt, in welchem sie, d. h. der Pudding im gewöhnlichen Haushalt erst 4—5 Stunden und am folgenden Tage noch 2—3 Stunden ge kocht wird. Letzteres geschied gewöhnlich an dem Tage wo der Pudding gegessen werden soll, deshalb, weil man denselben gern warm verspeist. — Die zwölf Nächte, die mit dem heiligen Abend beginnen und mit dem Hoh neujahrstag enden, gehören zu jenen Schicksals zeiten, die nach uraltem Volksglauben für die Zukunft des Menschen bestimmend sind. Die Träume, die man in diesen Nächten hat, sollen der Reihe nach für die kommenden zwölf Monate von besonderer Bedeutung sein, und bezüglich des Wetters gilt der alte Satz: „Wie sich das Wetter von Christtag bis heiligen Dreikönig erhält, so ist's das ganze Jahr be stellt." Während der Zwölften treiben auch Hexen, Dämonen und vor allem Frau Holle und der wilde Jäger ihr Unwesen, so daß man die Alltagsarbeit am besten ganz ruhen läßt. Der Drudenfuß, das Kreuz und Stroh seile schützen das Vieh und die Wirtschaft, wo zu im katholischen Oberdeutschland der Vorsicht wegen auch noch eine Besprengung mit Weih wasser oder die Anwendung von Weihrauch kommt. Im Hinblick auf letzteren Brauch spricht man von Rauch- oder Rauhnächten. In Mecklenburg dürfen in dieser Zeit bestimmte Tiere nur durch einen außergewöhnlichen Na men bezeichnet werden, z. B- der Fuchs durch Langschwanz und die Maus durch Bönlöper. Als besonders wichtig gelten die drei Heilig nächte, das heißt Christ-, Neujahrs- und Drei königsabend. Ursprünglich hatten die zwölf Nächte gar nichts mit Spuk und Gespenster geschichten zu thun, sondern sie waren lediglich eine Zeit des sorglosen Ausruhens, wie man denn auch die Sonne in solcher Ruhe dachte. Die bekannte Sagengestalt des getreuen Eck hart wucht auch in den zwölf Nächten auf, warnend, daß die Menschen den Göllern ja keinen Anlaß zum Zorn geben möchten! Ein Telegramm um die Erde. Einem „Times" Telegram aus Ottawa zu folge hat man die Brauchbarkeit des neuen britischen Kabels, durch welches eine tele graphische Verbindung um die ganze Erde her ¬ gestellt ist, am 6. Dezember erprobt. Sir S. Flemming daselbst sandte um die Erde herum ein Telegramm an den Major — Bürger meister — von Ottawa. Das Telegramm ge brauchte zu diesem Wege 6 Stunden und 3 Minuten. Zwischen der Aufgabe in Brisbane und London verstrichen 18 Minuten. Die Strecke zwischen London und Brisbane über die östliche Linie nahm 5 Stunden und 45 Minuten in Anspruch. Unter besonders günst igen Verhältnissen würde indeß ein solches Telegramm seine weltumspannende Reise in nicht mehr als 40 Minuten vollenden können. Das phantastische und kühne Wort les eng lischen Dichters Shakespeare in seinem Lust spiel „Der Sommernachtstraum" „Ich will einen Gürtel legen rund um die Erde in 40 Minuten" scheint demnach in Erfüllung ge gangen zu sein. Krakau bei Königsbrück, 27. Dezember. Hier gingen am ersten Weihnachtsfeiertag abends mehrere Güter und die Pfarrscheune in Flammen auf. Dresden. Am Mittwoch starb hier ein drei Tage altes Kind an Blutvergiftung. Diese war durch Kratzwunden einer Katze ein- getreten, die das Tier am Tage der Geburt dem Kinde im Gesicht beigebracht hatte. Dresden. Mit Ende dieses Jahres tritt der älteste Diener am königlichen Hofe, der Schloßportier Karl August Franz, in den wohl verdienten Ruhestand. Franz hat in 58 jähriger Dienstzeit vier Königen gedient. Als 20jähriger Mann trat der jetzt 78 jährige als Kutscher bei König Friedrich August in Dienst, wurde später königlicher Hofheiduck, bis er in seine jetzige Stellung aufrückte. Der treue Diener ist eine 'weithin bekannte Persönlichkeit, die sich allgemeiner Beliebtheit bei allen, die mit ihm in Berührung kamen, erfreut. Eine Reihe Ordensauszeichnungen, darunter auch solche von fremden Fürstlichkeiten, schmückten seine Brust. Möge dem wackeren Mann noch ein langer, heiterer Ruhestand beschieden sein. .Weinböhla- Dieser Tage berührte eine größere Zigeunergesellschaft die hiesige Gegend. Sie lagerten sich im Moritzburger Walde und zwei Frauen begaben sich in das Restaurant Neuer Anbau, wo sie ihre Wahrsagekunst aus übten. Hierbei beschwindelten sie den Wirt um über 70 Mark. In einem andern Hause schwindelten sie einer Frau 6 Mark ab. Dann verschwand die Gesellschaft und konnte bis jetzt nicht ermittelt werden. — Aus dem oberen Elbthale, 27. Dezember. Der Eisgang hat auch hier infolge des eingetretenen Thauwetters seit gestern Nachmittag so nachgelassen, daß die Elbüberfahrten an ihren Betrieben nicht weiter belästigt werden. Bei der starken Eisfahr vom 21. und 22. dss. Mts. sind auf der Elbstrccke Schandau—Melnik inSgesammt 7 oder 8 Deckkähne vollständig zerbrochen und 23 Elbfahrzeuge mehr oder weniger so be schädigt worden, daß deren Ueberführung nach Schiffsbauplätzen erfolgen muß. Außerdem liegen 40 Schiffe auf den an den Ufern auf getürmten Eismauern oder auf freier Fläche, die durch das Stauwasser und Treibeis über die Ufer hinausgedrückt wurden. Zittau, 28 Dezember. Der hier wohnende -Schneider Antusch ist am zweiten Weihnachtsfeiertage unter dem Verdachte ver haftet worden, seine schwächliche sechs Jahre alte Tochter seit längerer Zeit derart miß handelt zu haben, daß sie im hiesigen städtischen Krankenhause gestorben ist. Lommatzsch. In die Gefahr des Er frierens geriet am Montag Nachmittag der Steinsetzer Pollnick von Lommatzsch. Derselbe wurde, als er auf seinem Rade von Striegnitz nach Hause zurückkehrte, von einem Unwohl- sein befallen und stürzte zur Erde, wo er liegen blieb. Lenker vorüberfahrender Fuhr werke hielten den Verunglückten für betrunken und überlteßut ihn seinem Schicksale. Als andere sich des Kranken schließlich annahmen, war er bereits völlig erstarrt und es bedurfte erst stundenlangen ärztlichen Bemühens, ihn in das Leben zurückzurufen. Mühlberg a. d. E., 26. Dezember. Nach dem am vergangenen Sonntag plötzlich erfolgten Aufbruch und Abgang des sächsisch böhmischen Elbeises, wobei auch der hiesige gefahrvolle Eisschutz beseitigt worden ist, hat ich durch den Zugang der Eismassen unter ialb Mühlbergs, bei Wittenberg, eine neue «edeutende Eisstopfung gebildet, wodurch der Wafferstand bis auf 4,10 am Pegel ange wachsen ist. Infolgedessen ist für den hiesigen, ich von der sächsischen Grenze bis über Witten- ;erg erstreckenden Baukreis der Eiswachtdienst angeordnet worden. Leisnig, 26. Dezember. Ein Schwindler machte in letzter Zeit die Dörfer unserer Um gebung unsicher. Er stellte sich als Beauf tragter des Militärvereins Leipnitz vor und ammelte unbefugter Weise Gaben für eine angeblich neu zu beschaffende Vereinsfahne unter Vorzeigung seiner gefälschten Zeichnungs liste ein. Der Schwindler wurde verhaftet. Wurzen. Der an der Landstraße bei Machern in fast erfrorenem Zustande aufge- undene Konditorgehilfe ist im Stadtkranken- ;ause zu Wurzen gestorben. Die notwendige Amputation beider Beine hatte der Unglückliche verweigert. Leipzig, 27. Dezember. Den regen Geschäftsverkehr am Mittwoch Abend hatten 'ich ein Lackirer auc Zichochau und seine Pflege- ochter aus Seifersdorf zu nutze gemacht, um die von ihnen hergestellten falschen Zweimark- tücke, die mit dem Bildnisse König Alberts, )em Müuzzeichen L und der Jahreszahl 1898 versehen waren, in Umlauf zu setzen. Ihr Vorhaben war ihnen bereits bei mehreren Ge schäftsleuten geglückt, bis sie endlich noch am selben Tage verhaftet wurden. In ihrem Be sitze wurde noch eine größere Zahl Falschstücke vorgefunden und in ihrer Wohnung hier be schlagnahmte die Polizei die zur Herstellung des falschen Geldes benutzten Formen und Materialien. Olbernhau, 26. Dezember. Ein großer Eistaucher, ein für unsere Gegend überaus große Seltenheit, ging in ermattetem Zustande auf hiesiger Flur nieder und konnte erbeutet werden. Das prächtige Tier, wahrscheinlich in folge Sturmes hierher verschlagen, hatte eine Spannweite von 1 Meter 20 Zentimeter, eine Länge von 84 Zentimeter und ein Gewicht von 21/2 Kilogramm. Der Vogel soll aus- gestopft und der hiesigen Schule überwiesen werden. Reichenbach bei Waldenburg, 28. Dezbr. Unter dem Verdachte des versuchten Gift mordeo wurde hier das 16 Jahre alte, bei dem Gutsbesitzer Friebel in Stellung befindliche Dienstmädchen Freitag verhaftet. Es soll zu wiederholten Malen in den Kaffee seiner Herr schaft Schwefelhölzchen gethan haben. Stollberg i. E., 27. Dezember. Der vormittags 8 Uhr 13 Minuten von Schlettau— Zwönitz hier eintreffende Personenzug ist heute früh bei der Einfahrt in den hiesigen Bahnhof mit einer aus dem Heizhause kommenden Lo komotive zusammengestoßen, wobei beide Loko motiven, sowie mehrere Wagen nicht uner heblich beschädigt wurden. Glücklicherweise sind keine Personen verletzt worden. Sayda (Erzgebirge), 28. Dezember. Am vergangenen L-onnabend früh ^7 Uhr fanden zwei Männer auf Dorfchemnitzer Flur, zwischen Dorfchemnitz und Nassau, einen Toten von etwa 60 Jahren, der anscheinend ein armer Reisender gewesen war. Vermutlich ist er er froren, Zwickau, 28. Dezember. Tötlich verunglückt ist auf einem Kohlenschacht bei Zwickau der Häuer Hermann durch einen Schlag des Has pelhorns auf den Kopf. Ebenfalls lebens gefährlich verletzt wurden zwei Häuer.