Suche löschen...
Ottendorfer Zeitung : 17.10.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-10-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-190210172
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19021017
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19021017
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-10
- Tag 1902-10-17
-
Monat
1902-10
-
Jahr
1902
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 17.10.1902
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Ueber ei« Haberfeldtreibe», das kürzlich in Lampferding vei Ostermünchen vorpenommrn worden ist, wird den Münchener Neuest. Nachr/ berichtet: Das Treiben wurde von etwa 18 Personen veranstaltet, die nachts zwischen 12 und 1 Uhr unter Abgabe von Gewehr schüssen im Dorfe einzogen, dessen Bewohner in nicht geringe Aufregung versetzt wurden. Sodann zogen die Haberer an das Ende des Dorfes, wo wieder lebhaft geschossen wurde. Der Anführer verlas mit lauter Stimme eine Anzahl wahrlich nicht erbaulicher „Verse", in weichen Einwohnern von Lampferding und Dettendorf verschiedene Uebelthaten vorgehalten wurden. Die Haberer applaudierten auf jeden Vortrag des Haberermeisters mit ihrem bekannten Spruch: „Ja wahr isl" Sodann zogen fie unter fortwährenden Schüssen wieder ab. Auf dem Platze, wo getrieben wurde, lagen die Hülsen der abgeschossenen Patronen massen haft. Es waren etwa 200 scharfe Schüsse ab gegeben worden. Graf trugen Esterhazy ist aus dem Jesuitenorden ausgetreten und hat gegen den Ocoen einen Prozeß auf Rückerstattung seines ihm üb:rg'?b-nen Vermögens von 800 000 Kronen angestrengt. Die Prager Millioue« - Unterschleife. Die bisher bei der St. Wenzels-Vorschußkasse gepflogenen Erhebungen ergaben das Fehlen von 1537 061 Kronen in bar und 2 Millionen Kronen in Wechseln. Zur Deckung wurde bisher ein Betrag von 97 000 Kronen ausgebracht. Auch die Wirtschafterin des Direktors Drozd wurde verhaftet; Man fand bei ihr zahlreiche Pretiosen, an barem Gelde über 30 000 Kronen. Drozd führte einep verschwenderischen Lebenswandel. Seit Freitag früh herrscht ein großer Ansturm auf die Vvlschußkasse. Es wird jedoch nichts zurückgezaM, da die Revisionen noch nicht ab geschlossen find. Schutzleute halten mit Mühe die Ordnung vor dem Bankgebäude aufrecht. Geschädigt find zumeist Kleingewerbetreibende und Geistliche. Ein Honved-Regiment in Hausarrest. Aus Budapest wird gemeldet: In der hiesigen Franz Josephskaserne, in der das erste Honved- Infanterieregiment nntergebracht ist, wurden seit Monaten in den Amts- und Kaffenlokalitäten Einbruchsdiebstähle verübt. Da es bisher nicht gelang, der Thäter habhaft zu werden und die Diebstähle sich fast täglich wiederholten, hat das Regiments-Kommando über die gesamte Mann schaft Kasernenarrest verhängt und seit dem 11. d. dürfen etwa tausend Mann, darunter ZOO eben erst eingerückte Rekruten, die Straßen nicht betreten. Explofio« im Kafinogebäude. Im Kasino zu Orsova in Ungarn explodierte am Freitag nachmittag die neu eingerichtete Acetylenbeleuchtungsanlage, wobei der größte Teil des KafinogebäudeL einstürzte. Vier Personen, darunter der Hotelbesitzer und Ober kellner, wurden verschüttet. Eine Person wurde in hoffnungslosem Zustande geborgen; später wurde einer der Verunglückten aufgefunden. Entzücken der Briefmarkensammler! Ein verschwunden gewesenes Exemplar einer außerordentlich seltenen Briefmarke, die be rühmte O'Connell-Marke, ist wieder gesunden worden, und unter den Briefmarkensammlern herrscht Freude und Jubel! Die O'Connell- Marke war einst nur wenige Stunden im Umlauf und das erklärt ihre große Seltenheit. Die Geschichte dieser Marke ist höchst seltsam. Der Direktor der Posten von Neu-Braun schweig, Charles O'Connell, wollte diese britische Kolonie mit einer neuen Briesmarken-Reihe be glücken ; da ihm aber das Bildnis der Königin Viktoria genügend bekannt zu sein schien, be schloß er, sein eigenes Bild an Stelle des BtldeS der Königin auf den Neu-Braunschweiger Marken zu verewigen. Er beauftragte dann eine GLsrllschaft in New Jork.,die neuen Post wertzeichen zu drucken. Balo darauf erschien die 5 LentS-Marke mit einem prächtigen Bilde des Direktors der Posten, der sich ungeheuer freute, daß es so ähnlich war. Aber die Neu- Braunschweiger betrachteten in ihrer großen Loyalität die eigenartige Markengeschichte als em Verbrechen gegen die Majestät der Königin. Es wurde sofort eine Riesenprotestversammlung veranstaltet und der Direktor des Postwesens wurde energisch aufgefordert, auf der Stelle seine Entlassung zu nehmen. Die neue Marke ver schwand mit ihrem Schöpfer. Ein Serum gegen Keuchhusten. Dem Brüsseler Arzt Leurioux gelang angeblich die Herstellung eines Heilserums gegen Keuchhusten. Revolveraiteutat. Aus Genua wird be richtet: Marchese Scala, der D-rektor der Baumwollspinnerei in Varazze, empfing Frei tag abend beim Verlassen der Fabrikanlagen von unbekannter Hand drei Revoloerschüsse in die Brust und in den Hals. Vom Thäter fehlt einstweilen jede Spur. Ein falsches Pferdegebist ist wohl das Neueste auf dem Gebiete des Schwindels. Rigaische Blätter melden, daß der Käufer eines anscheinend sechsjährigen Gaules — Kaufpreis 285 Rubel — nach einigen Tagen entdecken mußte, daß dem Tiere alle Zähne ausgefallen waren, weshalb es feste Nahrung nicht fressen konnte. Bei genauerer Nachforschung zeigte sich, daß das Tier ein falsches, vortrefflich gearbeitetes Gebiß gehabt hatte. Ermordung eines Deutschen in Vene zuela. Aus Caracas wird gemeldet: Der Verwalter der Venezuela-Plantagen-Gesellschast Adam Russel ist auf dem Wege nach der Plan tage Caracas ermordet und beraubt aufgefunden worden. Die Regierung hat sofort einen Staatsanwalt für die Untersuchung bestimmt. Es heißt, daß die That von Revolutionären begangen sei. Man wird immerhin gut thun, die weitere Entwickelung der Angelegenheit im Auge zu behalten. Gerichtslmile. Groudenz. Das Schwurgericht hatte am 23. Juni den Kätner Lorenz Wessolowski aus Heinrichsdorf wegen Beihilfe zum To-schlag zu zehn Jahr Zuchthaus verurteilt. Auf Revision des Ver urteilten hob daS Reichsgericht das Urteil wegen eines Formfehlers auf und verwies die Sache an dar Schwurgericht zurück. In der neuen Verhandlung wurde Wessolowski freigesprochen. Heilbronn. Da» Schwurgericht verurteilte nach zehntägiger Verhandlung den Direktor Fuchs von der dortigen Gewerbebank zu 8 Jahr Zuchthaus und 8 Jahr Ehrverlust, den Direktor Keefer zu 4 Jahr 3 Monat Zuchthaus und den Prokuristen Krug zu 8 Jahr 2 Monat Zuchthaus. Jedem der Ange klagten wurden 10 Monat als durch die Untersuchungs haft verbüßt angerechnet. Köln. Skandalöse Enthüllungen kamen ge legentlich der zweitägigen Gerichtsverhandlung gegen einen hiesigen Metzger ans Tageslicht, der wegen Verkauf» verdorbener Wurst unter Anklage stand. Nach Ansicht des Obermeisters der Metzgerinnung war der Wurst Schweinekot zugesetzt. Stadtbau- meister Schmidt sagte aus, daß der Fleifchsarg. in dem die Wurst zubereitet wurde, einen Riß gehabt hatte, wodurch aus der benachbarten Latrine Flüssig keit durchgestckert sei. Der Metzgermeister erhielt eine Woche Gefängnis. Er steht ferner unter der An klage, wissentlich verdorbenes Fleisch an di: Militär verwaltung von Köln, Deutz, Kalk und Mülheim geliefert zu haben, ferner Fletsch von bei der Geburt erstickten Kälbern, tuberkulöses Fleisch w. Hierüber steht das Urteil noch aus. Das Urteil im Könitzer Krlridiga«gs-Vr»?rß. In dem Prozesse gegen die ,Staatsbürger- Zeitung' wegen Beleidigung von Staatsbeamten und Privatpersonen (in Sachen der Könitzer Mord- Affäre) wurde der Redakteur Dr. Bötticher zu 1 Jahr, der Verleger Bruhn zu 6 Monat Gefängnis verurteilt. Die Urteilsbegründung führt aus: Gegen Dr. Bötticher find 26 verschiedene Artikel, gegen den Angeklagten Bruhn zwei Artikel unter Anklage gestellt In diesen Artikeln find Beleidi gungen gegen Beamte, Behörden und Privatpersonen, nämlich gegen den Fleische rmeister Adolf Levy, gegen Moritz Levy, gegen Herrn Großmann und Herrn Caspary, gerichtet. In zwei Fällen ist eine, be sondere Anklage wegen Beleidigung des Bürger meister» DedittuS erfolgt. Da» Gericht hat an genommen, daß in einem Falle (Fall Block) Be leidigungen in dem betr. Artikel nicht enthalten und die darin behaupteten Thatsachen als wahr erwiesen find. In allen andern Fällen hat da» Gericht den Thatbestand der Beleidigung im Sinne des 8 188 in Verbindung mit dem 8 185 für vorliegend er achtet. Die Beleidigung der Privatprrsonm liegt darin, daß in den Artikeln dem Schlächtermeister Levy, dessen Sohn und den beiden andern Neben klägern der Vorwurf gemacht wird, daß fie an der Tötung des Ernst Winter beteiligt seien. Dieser Borwurf ist zum Teil ausdrücklich ausgesprochen, zum Teil ist er nur deduktiv aus den hervor- gehobenen Thatsachen zu entnehmen. Gegenüber den Beamten gehen die Vorwürfe zum Teil dahin, daß sie pflichtwidrigerwtise die Untersuchung nicht unparteiisch, sondern tendenziös und besangen ge führt haben, teilweise liegen auch Wortbeleidigungen im Sinne des 8 185 vor. Dem Bürgermeister Deditiu» gegenüber sind Behauptungen ausgestellt, in denen ihm aus seiner früheren THStigkeit ganz grobe Pflichtverletzungen zum Vorwurf gemacht werden. In allen Fällen find Thatsachen behauptet worden, die geeignet sind, die betreffenden Personen in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Nach Ansicht des Gerichts ist dem Angeklagten der Schutz des § 1S3 zu versagen. Die Presse hat nach dm bekannten Reichsgerichts-Entscheidungen nicht das Recht, bei Besprechung öffentlicher An gelegenheiten die Ehre von Privatpersonen anzu- trsten; nur soweit eine individuelle Beziehung ob waltet, ist ihr ein berechtigtes Interesse zujubilligen. Dieses Recht können die Angeklagten auch nicht daraus herleiten, daß, wie der Gerichtshof als wahr unterstellt, der Schlächtermeister Hofmann dem An geklagten Bruhn gesagt hat, er möge seine Inter essen wahrnebmen. Aus diesem allgemeinen Er suchen kann da? Recht zu einer persönlichen Ver tretung des Hofmann nicht hergeleitet werden, denn sonst würde jede Zeitung sich leicht ein Recht ver schaffen können, mit der Ehre der Mitmenschen nach Belieben umzuspringen. In allen Fällen ist der Wahrheitsbeweis nicht gelungen und in keiner Beziehung als geführt zu erachten. Die Angeklagten haben im Laufe der Ver handlung selbst erklärt, daß sie den Wahrheitsbeweis gegen DeditiuS aus seiner früheren AmtSthätigkcit nicht führen können und auch gegen Großmann ist der Wahrheitsbeweis fallen gelassen. Der Ange klagte Bötticher hat die Erklärung abgegeben, daß er auch gewiße Vorwürfe gegen di« Regierung fallen lasse. In letzterer Beziehung war aber eine Anklage gar nicht erhoben worden. Dagegen ist von dm Angeklagten der Wahrheitsbeweis gegen die Beamten und gegm Levy noch ausrecht erhalten worden, allerdings gegen die Beamten nur insoweit, als die Angeklagtm aus thatsächlichen Momenten beweisen wollten, daß sie in gutem Glauben ge handelt haben. Bezüglich des Fleischermeisters Levy haben sie geglaubt, noch in diesem Prozesse eine ge wiße Mitschuld Levys nachweisen zu können. In dieser Beziehung ist den Angeklagtm keine Spur von Beweis gelungen, weder nach der Richtung einer Thäterschaft Levys, noch nach anderer Rich tung, aus der sie sich zur Erhebung der Vorwürfe berechtigt erachten konnten. Die Vorwürfe gegen die Beamten richteten sich gegen alle Beamte, die mit der Untersuchung betraut warm. Die eingehende Verhandlung hat erkennen lassen, daß sämtliche Beamte mit dem größten Eifer bestrebt gewesm find, alles zu thun, was in ihren Kräften stand, um das scheußliche Verbrechen aufzu klären und den Thäter zur Bestrafung zu ziehen. Wenn Ungeschicklichkeiten mit untergelaufen sein mögen, so waren sie so klein und unerheblich, daß aus ihnen keineswegs die Vermutung eines pflicht widrigen Handelns gezogen werden kann. Die Thätigkeit der Beamten ist gewissermaßen unter die Lupe genommen, aus jeder Mücke ein Elefant ge macht wordm. Auf Einzelheiten einzugehen erübrigt sich. ES muß darauf hingewiesm werden, wie in Berlin bei Mordthatm manchmal schon Versehen der Polizeibehörden aufgedeckt sind, mit denen die Könitzer kleinen Angriffspunkte garnicht zu ver gleichen find. Man Hot hier wiederholt Beratungen darüber abgehaltm, wie solche Versehen in Zukunft zu vermeiden sind, aber niemand ist es doch einge fallen, daraus der Behörde einen Strick zu drehm und den Vorwurf zu erheben, daß sie mit Mördern und anderen Verbrechern unter einer Decke stecke. Nichts anderes wird aber in dem Könitzer Fall dm Beamten und Behörden zum Vorwurf gemacht. Einer durch eine scheußliche Mordthat in Erregung gesetzten Bevölkerung kann ein solcher Gedanke bis zu einer gewißen Grenze nachgesehen werden, unter keinen Umständen aber einem Redakteur, der doch einen weiteren Blick für die Thätigkeit der Behörden haben müßte. Was den Bürgermeister DeditiuS betrifft, so ist er mit einer geradezu rührenden Sorgfalt vor gegangen. Beweis dessen ist sein einzig in seiner Art dastehendes Tagebuch. Dasselbe gilt vom Kom missar Wehn. Der Hauptangrtff richtet sich gegen den Kriminal-Inspektor Braun, weil er die Unter suchung gegen den Schlächtermeister Hofmann ver anlaßt hat. Es muß doch auch hier vorauf hin- gewiejen werdm, daß er in seinem Bericht doch ganz bestimmte Unterlagen für seinen Verdacht an gegeben hatte und daß sich dann doch sehr schnell die Schuldlosigkeit HosmannS herauSgestellt hat. Noch unbegründeter sind die Vorwürfe gegen dm Ersten Staatsanwalt Settegast, der jedwede Spur nach jeder Richtung hin verfolgt hat, so daß er sogar vor einem Zuviel gewarnt werden mußte. Es ist anderseits feftgestellt, daß eS dem Oberstaa'Sanwalt Wulff durchaus fern gelegen hat, auf den Gang de: Untersuchung nach einer bestimmten Richtung hin einzuwirken. WaS die Beschuldigung gegen Levy angeht, so hat dar Gericht auS dem, was hier vorgetragen ist, in keiner Weise das Vorliegen eines berechtigten Verdachts, daß Levy oder sein Sohn die Thäter oder Mitwisser deS Mordes feien, irgendwie aner kennen können. Die Angeklagten mögen sich ja darauf berufm, daß in Konitz von vornherein bei der dort herrschenden Stimmung ein gewisser Ver dacht gegen die Juden obgewaltet hat und dieser Verdacht durch das erste medizinische Gutachten eine gewisse Stütze erhalten hatte, namentlich nachdem Maßloff sein sogenanntes Geständnis abgegeben hatte. Aber wenn sich auch der damal» gegen Levy bestandene Verdacht erklärt, so mußte sich doch jede Zeitung sorgfältig hüten, die positive Behauptung der Thäterschaft aufzustellen. Die Angeklagten haben aber geradezu geschwelgt in der Bezichtigung der Familie Levy; in jedem Artikel wurde mit Fingern auf die Levys gewiesen. Ferner ist aus dem nichtigsten VerdachtSgrunde auf eine Mitthäterschaft Casparys geschloffen wordm und in der kraßesten, aufregendsten Weise sind die Gerüchte, die kursierten, verbreitet wordm. In dem zweiten, dem Angekl. Bruhn zur Last fallenden Artikel war allerdings für diesen durch die Untersuchung gegen Hofmann ein Anlaß gegeben, sich auszulaffen. Er hat aber an das Geständnis Maßloff» eine eigene Kritik ge knüpft. Mit solchen Ausstreuungen, wie er sie be liebt, ist er weit über das Maß des Erlaubten hinaus gegangen und hat mit der Ehre eines Mit menschen ein grausames Spiel getrieben. Er mußte sich sagen, welch' böse Folgen solche Aufreizungen haben wußten, wenn auch anerkannt werden mag, daß nicht alle Ausschreitungen in Konitz auf da» Konto der ,Staatsbürger-Zeitung' zu setzen sind. Die Aufregung ist aber jedenfalls in hohem Maße geschürt worden. Dies muß bei der Stra'abmessung berücksichtigt werden. Es kann den Angeklagten nicht zu gute gehalten werden, daß sie auf einem bestimmten Parteistandpunkte stehen. Sie müssen auch vom Parteistandpunkt die Ehre anderer achien. Den Angeklagtm ist im Eingänge der Verhandlung vom Gerichtshöfe nahe gelegt worden, das Unglück, das sie angerichtet, dadurch wieder gut zu machen, daß sie ihr Unrecht eingestehen. Sie haben es nicht ge- than, sondern den Beweis der Wahrheit angetreten und ganz minutiöse Vorwürfe gegen Beamte in solch ausgedehnter Weise zum Gegenstände der Beweis aufnahme gemacht, als ob sie die Beamten ihrerseits zur Rechenschaft ziehen wollten. Sie dokumentieren außerdem, daß sie noch heute auf demselben Stand punkte stehen und auch heute noch glauben, mit der Ehre ihrer Mitmenschen nach Belieben wirtschaften zu können. Bei der Strafabmessung gegen dm Angeklagten Dr. Bötticher ist u. a. auch erwogen worden, daß die Beschuldigung gegen Levy eine außerordentlich schwere und für den Beschuldigten von bedenklichster Tragweite gewesen ist. Bezüglich des Angeklagten Bruhn hat der Gerichtshof zwar angenommen, daß er die übrigen ihm nicht zur Last gelegten Artikel nicht verfaßt und nicht veranlaßt, sondern sogar einen gewißen beruhigenden Einfluß auSzuüben versucht Hai; anderseits ist er aber sür die Tendenz der.Staatsbürger-Zeitung' verantwort lich zu machen und in diesem konkrctm Falle ist sein Einfluß ganz unverkennbar. Aus allen diesen Gründm hat der Gerichtshof den Angeklagten Dr. Bötticher zu einem Jahr Ge fängnis, dm Angeklagten Bruhn zu sechs Monaten Gefängnis verurleilt, die Unbrauchbarmachung der Platten und Formen verfügt und den Beleidigten die Publikationsbefugnis in der ,Staatsbürger- Zeitung', der ,Könitzer Zeitung' und im,Graudenzer Geselligen' zugesprochen. Knnles Allerlei. Vater «nd Sohu. Vater Levy (zu seinem 14 jährigen Sohne): „Sag' mal Simon, was soll ich mit der machen, de willst nischt Kauf mann werden, de willst nischt studieren, was willst de denn werden?" — Simon: „Ich will werden e Beamter." — Levy: „Was for e Amt möch'st de haben?" — Simon: „E Leih amt." c-Luft. W-M.) Bitter. Fräulein A.: „Er sagt, er liebt mich und dabei kennt er mich doch erst seit zwei Tagen!" — Fräulein B.: „Vielleicht ist daS der Grund!" 0»»«».-) -»E selbstsüchtige Geschöpf, das fie in ihr vermutet hatte. Um einer eigenwilligen Laune zu genügen, hatte fie ihr Wort gebrochen und ein neues Band geknüpft. Und dieses Weib liebte Robert l Armer Bruder! Eine solche Kokette konnte ihn nun und nimmer glücklich machen! Und Edgar, er, den fie selber heimlich liebte, mit der ganzen Kraft und Innigkeit ihres stolzen Herzens, er war der Verschmähte, bei seite Geschobene, als Jenny ein anderes Spiel zeug für ihre Laune gefunden hatte! Lucie hob die Hände empor und preßte fie verzweifelt gegen ihre Stirn. „Beide, beide unglücklich durch fie!" ries fie. „Lucie, um Goiteswillen, Sie haben alles «hört?" In schreckensvollen Lauten drangen Lie Worte an ihr Ohr. Müde und gebrochen wandte fie sich zu Edgar. Er stand dicht vor ihr, entsetzlich bleich, aber hoch aufgerichtet, in stolzer Haltung. „Herr von Hohenzil," hauchte fie, „zürnen Sie mir nicht; ich habe fin diesem Augenblick eine unheilvolle Entdeckung gemacht. Jenny Howard ist die Braut meines Bruders!" „Ahl Also ihm habe ich weichen müssen!" Lucie faltete flehend die Hände. „Glauben Sie nicht, daß er fähig gewesen wäre, ein Mädchen zu seiner Frau zu machen, das so leichtfinnig mit einem gegebenen Wort stnelt. Ein unseliges Verhängnis hat Jenny zu uns geführt; als Kranke kam fie in unser Haus; wir wußten nichts von ihr und ihren Lerhällnissen; wir hatten von nichts eine Ahnung; eS ist ein entsetzlicher Schlag für meinen Bruder; — aber ich kann, ich darf jetzt nicht schweigen, ich muß ihm alles sagen!" „Und wenn Jenny ihn wirklich liebte?" Zögernd und langsam kam die Frage von seinen Lippen, aber Lucie schüttelte unwillig das Haupt. „Sie kennen meinen Bruder nicht, Herr von Hohenzil, wenn Sie glauben können, daß er unter solchen Umständen Jenny noch zu seiner Frau machen würde. Wie schwer es ihm auch fallen mag, er wird entsagen und das für immer!" Der Freiherr schwieg; nach einer Pause erst sagte er mit festerer Stimme: „Wem Sie schweigen, wird er nie etwas davon erfahren, daß Jenny mich um seinet willen aufgegeben hat!" Das bleiche Mädchen sah ihn ernst an. „Kann der Besitz einer solchen Frau wirklich glücklich machen?" fragte fie in vibrierenden Tönen. „Sind wir gewiß, daß fie ihren Schwur am Altar besser halten wird, als einst ihr gegebenes Wort? Nein, Herr von Hohenzil, es ist meine Pflicht, zu sprechen und ich werde es unbedingt thun!" „Sie lieben Ihren Bruder sehr," sagte er, ihr bleiches Gesicht, ihre feuchtschimmernden Augen betrachtend. „Ja, ich liebe ihn sehr," gab fie leise zur Antwort, „ich leide mit ihm, ich fühle sein Weh für ihn, aber dennoch — ich muß sprechen!" Ein eigentümliches Empfinden durchzuckte die Seele des Mannes, als er diese sanfte und doch so entschiedene Sprache vernahm, die ihm zum ersten Mal einen Einblick in das Gemüts leben des ernsten Mädchens gestattete. Er nahm ihre Hand und drückte fie ehrfurchts voll an seine Lippen. Lucie wurde glühendrot bei der stummen Huldigung; ein Beben durchlief ihren ganzen Körper und nur mit Mühe konnte fie sich auf recht halten. Edgar bemerkte ihre Erregung nicht; mit leisen Schritten verließ er das Gemach, das arme Mädchen als eine Beute der heftigsten Empfindungen zurücklafsend. Jenny war in der übelsten Laune heim gekehrt. Die Begegnung mit Edgar hatte fie nicht gerade erschüttert, dazu war die schöne Miß zu kaltblütig, aber dennoch hatte fie eine gewisse beängstigende Empfindung in ihr hervor gerufen. Wenn fie ihrem ernsten Impuls nachgegeben hätte, würde fie sofort abgereist sein; aber fie war zu stolz, um vor dem Manne die Flucht zu ergreifen, von dessem Edelmut es in ihren Augen allein abhing, daß Waldeck nichts von ihrem früheren Verhältnis erfuhr. Und schließlich, — — Sie warf die Lippen trotzig auf bei diesem Gedanken; es konnte ihm ja nur schmeicheln, daß fie es um seinetwillen verschmäht hatte, Freifrau von Hohenzil zu werden. Wohl gab es auch eine Stimme in ihrem Innern, die ihr zuflüsterte, daß Waldeck mit feiner strengen Rechtlichkeit ihrer Handlungs weise verdammenswert finden würde, aber fie wollte fich nun einmal nicht solchen Betrach tungen hingeben und vielleicht noch nie war ihr der Besuch Lord Churchills willkommener gewesen, als eben jetzt, als er fich anmelden ließ, um fie zu begrüßen. Die schöne Amerikanerin empfing den Lord mit einem reizenden Lächeln. Es schmeichelte ihr, daß Churchill ihr unmittelbar gefolgt war, und froh, fich lästigen Gedanken nicht über lasten zu müssen, zeigte fie fich so liebenswürdig wie noch nie zuvor. Der Lord war völlig ent zückt und schied endlich, nachdem er noch die Erlaubnis erhalten hatte, am nächsten Morgen wiederkommen zu dürfen. Jenny hatte jetzt durchaus keine Lust mehr, Lucie aufzusuchen. Die dunklen, forschenden Augen des ernsten Mädchens waren ihr immer schon unbequem gewesen. Sie konnte ja recht put Unwohlsein vorschützen und brauchte bis zu Waldecks Ankunft das Haus nicht verlassen, um sojeder unliebsamen Begegnung auszuweichen. Das hinderte fie jedoch nicht, am andern Morgen Lord Churchill zu empfangen und mit ihm in der heitersten Laune einige Stunden zu verplaudern. Aus diese Weise verging ihr die Zeit auf das angenehmste und schließlich mußte fie lächeln über die Bestürzung, die fie tags zuvor bei Edgars Anblick erfaßt hatte. Es war am Nachmittag. Jenny saß in einem weichen Fauteuil zurückgelehnt am Fenster und blickte auf die Straße hinab, als fie plötz lich unter den Passanten eine ihr wohlbekannte Gestalt auftauchen sah. „Waldeck! So bald habe ich ihn nicht er wartet l" flüsterte fie leise vor fich hin, während ihre Pulse schneller zu schlagen begannen. Nr» (Forts-saur salzt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)