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Niendorfer Zeitung. Die „Ottendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners, tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich 1 Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mir Aloritzdorf und Umgegend. rilit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Leid nnd Garten", „^piel und öport" und „Deutsche Alode". Annahmt van Inseraten bi» varmittag io Uhr. Inserate werden mit w Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in <8roß-Vkrilla. Nr. 15. Freitag, den l7. Oktober 1902. 1. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Ottendorf-Okrilla, 16. Oklober 1902. Dresden, 16. Oktobe. Se. Majestät der König hat sich gestern Äbend mit Sonder- zug 6 Uhr 39 Minuten ad Niedersedlitz nach Wermsdorf begeben, nm in den nächsten Tagen auf dortigen Revieren zu jagen. — Im Oktober finden zwei Finsternisse statt, die teilweise auch bei uns sichtbar sind, die erste ist eme totale Mondfinsternis den 17. Oktober, die sich auf die Zeit von früh 5 Uhr 17 Minuten bis vormittags 8 Uhr 50 Minuten erstreckt. Da ter Mond bereits vormittags 6 Uhr 39 Minuten unlergeht, werden nur wenig von der Finsternis zu sehen bekommen. Die zweite Finsternis ist eine partielle Sonnenfinsternis am 3t. Ok tober. Sie beginnt vormittags 6 Uhr 59 Minuten im Süden von Stockholm und endet um 11 Uhr 9 Minuten in der Gegend von Hantschung im Innern Chinas. In Deutsch land, dessen süowestliche Gebiete nahe der Grenze dec Finsternis liegen, beträgt die Ver finsterung nur 1 bis 3 Zehntel Sonnendurch messer, in Westdeutschland hat die Sonnen finsternis bei Sonnenaufgang bereits begonnen. — Der heutige 16. Oktober wird ^der Sankt-Gallus-Tag genannt. Dieser Tag soll an üen Tod des Stifters des Klosters von St. Gallen erinnern. Ader auch als Wende punkt in der Nickte des Oktobers wird der Tag besonders beachtet. Er soll die letzte schöne H.rvsnvitlerung dringen. Der Landmann sagt: „Auf St. Gallentag den Nachsommer erwarten mag"; denn ost geht dem Eintritt des Winters noch eine schöne Periode voran, der aber nicht zu trauen ist, denn: „St. Galles, schaff Häm alles" oder: „Auf St. Gallustag muß jeder Apfel in deii Sack. Auf St. Gallus muß das Kraut herein, sonst schneien Simon und Jüd (28.) hinem usw. Weil der St. Gallus tag in die Zeit fällt, da der Winter mit dein Sommer ringt, so hat gerade diese Zeil un heimlicher Stürme, die für eine zauberische galt, Veranlassung zu manchem Aberglauben gegeben. Im Oldenburgischen und Ostfcles- länbifchen hat man die Meinung, daß an diesem Tuge nicht gesäet werden darf und daß Kinder, die um diese Zeit geboren (drei Tage vorher oder nachher) Allste oder Nachtwandler werden. Königsbrück, 13. Oktober. Am heutigen Vlehmarkt gelangten 81 Rinder, 40 Läuferschweine und 167 Ferkel zum Auftrieb. Der Markt Ivar stark besucht. Der Geschäfts gang war gut- Der Preis für Rinder stellte sich pro Stück auf 220—300 Mark, für Läu ferschweine pro Paar auf 65—100 Mark und für Ferkel pro Paar auf 25—46 Mark. Kleinwolmsdorf bei Radeberg, 14. Ok tober. Durch Feuer wurde hier gestern das ganze Eigentum der Frau verwiltwete Mätcher und ihrer im selben Hause wohnenden ver heirateten Tochter zerstört. Durch Spielen zweier Knaben mit Feuer kam der Brand gegen 5 Uhr nachmittags aus und hatte bald an dem alten, slrohgedecklen Häuschen reiche Nahr ung gefunden. Die benachbarten Gebäude von Forke und Meißner sind ebenfalls beschädigt. Beide erstgenannten Kalamilosen Haven nicht versichert. Dresden, 14. Oklober. Am 24. Juli fuhr der Barbier Fiedler aus Meißen auf seinem Rade nach Wilsdruff. In Sieben eichen fuhr er an eine Leiter, auf der der Kirschenpflücker Mückel stand. Die Leiter schlug um und Mückel wurde so schwer ver letzt, dag er starb- Heute ivurüe Fiedler vom Landgericht Dresden wegen fahrlässiger Töt ung zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt- Dresden, 16. Oktober. Die Buden zu dem am kommenden Sonntag, Montag und Dienstag hier jlallsin0en0en dritten diesjährigen Jahrmärkte, sogenanntenMichaellsmartte, werden jur Zeck wieder ausgebaul. — Gleichzeitig mit dem Jahrmärkte wird auch in der Zeit vom 18. bis 21. Oktober in und an der städt ischen Haupimarkthalle in der Friedrichstadt der diesjährige Zwiebel- und Meerretligmarkt ab gehalten. — Gestern Vormittag kurz nach r/,12 Uhr rückte ein Löschzug der Feuerwehr zu einem in der Friedrichstraße im Kammergul Ostra ausgebrochenen Schadenfeuer aus. Der ersten >n der Hauptfeuerwache I eingegangenen Tele phonmeldung folgte nur wenige Minuten später vom Stadtkrankenhause aus eine zweite auf „Großfeuer", woraufhin dem zuerst agK- gerück.en Zuge bald weitere Fahrzeuge, sowie beide Dampfspritzenzüge folgten. Das Feuer ivar im Erdgeschoß eines an der Straßenfront stehenden früheren Stallgebäudes, in welchem etwa 360 Zentner Stroh und 400 Zentner Torfstreu, auf dem Dachboden aber große Mengen Heu untergebracht waren, entstanden und hatte infolge des leicht brennenden Ma terials in kurzer Zeit einen ganz bedeutenden Umfang angenommen. Mil Hilfe von 7 Schlauchleitungen von Feuerhähnen und zwei Leitungen von einer Dampfspcitze vermochten indessen die unter dem Kommando des Brand direktors arbeitenden Feuerwehrmannschasten die Gefahr bald zu beseitigen. Das Feuer blieb auf einen Teil des gewölbten Erd geschosses beschränkt, das dort aufbewahrte Stroh und die Streu wurden aber m der Hauptsache vernichtet. Auch an Gebäudeteilen war verschiedentlicher Schaben angerichtet woiden. Nachdem die Hauplgefahr ve^ligt war, wurden die über die Friedrichstraße liegenden Schlauch linien zurückgezogen und der gestörte Slraßen- vahnbemeb wieder freigegeven. La aber zum völligen Ablöschen noch immer Wasser in ziemlichen Mengen gebraucht wurde, wurde eine über 200 Meter lange Leitung von der Wallherstcaße her ausgelegt und an diese, mit Hilfe eines Verteilungsstutzens, zwei weitere Rohre im Hofe angeschlossen. Ueber die Ent stehungsursache des Brandes verlautet, daß Knaben dort Bediensteter in dem Stalle mit Streichhölzern gespielt und Zigaretten geraucht haben sollen. Die umfänglichen Abräumungs- arbeiten nahmen die Thätigkeit der Feuerwehr bis stark in die vierte Stunde in Anspruch. Der Decernent des Feuerlöschwesens, Herr Stadtrat Leutemann, besichtigte, noch während die Löschurbeilen im vollen Gange waren, unter Führung des Herrn Branddirektors die Brand stelle eingehend. Oschatz, 15. Oktober. Der mittags gegen 12 Uhr von Mügeln bei Oschatz her hier fällige Gülerzug ist gestern auf der hiesigen Hallestelle — vermutlich infolge falscher Wei chenstellung — auf ein Nebengleis emgefahren und Hal mehrere dort stehende Wagen be schädigt. Personen wurden nicht verletzt. Großenhain. Das radfahrende Pub likum kann noch so vorsichtig sein. Gegen über den Kindern, die nicht hören und nicht sehen, hilft alle Vorsicht nichts und — es kommt zu solchen Unglücksfällen, wie eurer in den heutigen Mittagsstunden leider zu beo bachten war. Am Gartengäßchen kreiselten eine ganze Reihe Jungens. Ein Radfahrer kam des Weges gefahren. Er klingelte nach Leibeskräften. Umfonst. Einer der Jungens, namens Rensch, rannte geradezu in das Rad hinein und wurde so unglücklich überfahren, daß er eine schwere Gehirnerschütterung und andere Verletzungen davontrug. Er mugte nach dem Krankenhause verbracht werden. Auch dieser Vorfall dürste eme Mahnung sein, Kinderspielplätze einzurichlen, auf denen geballt, gekreiselt usw. werden darf, sonst aber auf Straßen und Plätzen und der Promenade im Interesse der Erwachsenen und der Kinder selbst alles Kreiseln, Ballwerfen u. s. w. zu verbieten. — Tätlich verunglückt ist gestern Vor- mcklag in Oschatz auf dem Reitptatz der 4. Eskadron der Bursche des Herrn Major von der Decken, der Ulan Wege aus Hamburg, der bei der 3. Eskadron und im zweiten Dienst ahr stand. Der Ulan ritt das Pferd der Frau Majorin, ein ganz ruhiges, frommes Damenpferd, kam aber beim Gehen durch den Sprunggarten aus dem Sattel und verlor einen Steigbügel. Bei dem dadurch bedingten un- icheren Sitz mag er versehentlich das Tier mit den Sporen berührt haben, sodaß das selbe, kurz vor der Mauer ausbiegend, noch einen gewaltigen Satz that, wobei der Ulan Wege, nunmehr ohne jede Macht über das Tier, ans dem Sattel flog und sich an der Mauer den Schädel zertrümmerte. Leipzig, 13. Oktober. Weil der „Liebste" mit einer Nebenbuhlerin getanzt hatte, lief in der Sonntagnacht ein 2ojähriges Mädchen vom Tanzboden weg direkt in die Parthe. Jedenfalls war aber dao Wasser „zu kalt" ; das Mädchen rief um Hilfe und ward noch gerettet. Wenn nun der „Liebste" noch nicht von der Liebe des Mädchens über zeugt ist, ist ihm nicht zu helfen. Leipzig, 13. Oktober. Drei gemein gefährliche Schwindler allergefährlichster Sorte, der Reisende Ludwig aus Herzberg, der Kauf mann Stoll aus Eisleben und der Handels mann Samverger aus Rohrbach, sind vom Landgericht zu schweren Zuchthausstrafen ^9, 8 und 5 Jahre) verurteilt worden. Auf raf- finirte Art suchten sie u. a. von auswärts wohnenden Angehörigen in Leipzig studirender junger Leute größere Summen zu erschwindeln. So schrieb SwU an den Pianofortefabrikanten O. v- S. m Thorn, sein Sohn habe sich eines Verbrechens n,ch Z 176,3 schuldig gemacht. Der junge Mann habe ein Schweigegeld von 800 Mark versprochen. Dem Briefe lag ein von den Studenten unterzeichnetes Schriftstück bei, in welchem der Privatdetektiv v. H. ge beten wird, eine von Herrn von S. aus Thorn eingehende Geld Gilbung anzunehmen und einem Boten auf das Stichwort „Saxonia" aus zuhändigen. An Or. Z. in Plön ging fol gendes Telegramm ab: „Furchtbares Unglück geschehen, per Draht bis 8 Uhr Mittel, um ins Ausland zu flüchten, sonst verloren. Paul." An die Ettern des Studenten H. in Eisleben wurde gedrahtet: „Wechsel sättig, verlängert nicht mehr. j20 Mark an Privatmann R- senden. Ernst." Nach diesen Mustern waren auch die übrigen Erpressungsoersuche zuge- schnckten. Freiberg, 14. Oktober. Die Vor gänge auf der Brandstelle auf der Weingasse halten die Gemüter der hiesigen Einwohner- jchast in beständiger Aufregung, da sie am Sonnlag gegen Abend die Veranlassung war, daß abermals eine größere Abteilung unserer Feuerwehr alarmirt werden mußte. Es hatte sich unter den Trümmerhaufen ein neuer Brandherd gebildet, der energischen Eingreifens bedurfte, ehe er abgelüscht werden konnte. Auch Montag Vormittag war man wiederum mit einer Schlauchleitung mit Ablöschen der noch rauchenden Trümmer beschäftigt. Ferner ist das anstoßende Gebäude des Herrn Stadt- rats und Branddirektors Braun von den aus dasselbe gestürzten Gebäudeteilen und den Wassermassen, die darauf gespritzt worden sind, um es vor dem Feuer zu schützen, der maßen mckgenommen worben, daß es auf po lizeiliche Anoronung sofort geräumt und ab gebrochen werüeu mug. — Zu der Frage, wie das Unglück des Wandeinsturzes geschehen konnte, sei folgendes milgeteilt: Als man be gann, dle Giebelwano abzubrechen, veranlaßte inan die im Hache befindlichen Personen, das selbe zu verlassen. Nachdem ein Stück nieder gegangen ivar rief man den Untenstehenden zu, es sei gut, und unten ivurde ihnen gejagt, sie könnten wieber in den Laden gehen, da wären sie sicherer, als auf der Straße. Hierauf be gaben sich Bernhardt, Göhler, Gellrich, zwei Schlossecgehrlsen und andere ins Hans zurück. Bei Wiederaufnahme der Arbeiten wurde dann versäumt, die im Hause befindlichen Personen davon in Kenntnis zu setzen. Mit Rücksicht auf diese Vorkommnisse hat dem Vernehmen nach die Staatsanwaltschaft die Untersuchung eingeleitet. — Die Kellnerin Else Grietzmann au» Dresden, welche mit einem Mittweidaer Techmkumsschüler aus Dänemark ein Ver hältnis angeknüpft hatte, ihrem Geliebten trotz seiner Abmahnung nachgereist war und als Leiche im väterlichen Gehöft des Technikers aufgefunden wurde, sollte nach einer Meldung aus Kopenhagen von ihrem Geliebten ermordet worden sein. Die Meldung bestätigt sich nicht. Das Mädchen hat sich, wie jetzt erwiesen ist, selbst entleibt. — Die am Sonnabend von Chemnitz nach Borna fahrenden für das Karabinier-Regiment bestimmlen Rekruten hatten in fröhlicher Sol datenstimmung, wie das so üblich, untereinander geulkt. Hierbei fuhr aus der Siatton Witl- gensdorf-Burgstädt infolge eines erhaltenen Stoßes der Rekrut Prager aus Chemnitz mit dem linken Arme durch die Fensterscheibe des Coupss, woburch er so schwere Verletzungen erhielt, daß die Wiederherstellung der völligen Gebrauchsjähigkeit dieses Armes sehr in Frage stehl- Nick dem nächsten Zuge mußte der Verletzte zurück nach Chemnitz ins Krankenhaus transportiert werden. Chemnitz. Das „Chemnitzer Tage blatt" schreibt: Verschiedene Blätter wissen zu berichten, daß der in Weipert i. B- verhaftete Briefmarlenfälscher Hosmann Falsifikate im Betrage von 50 000 Mart in Vertrieb ge bracht habe. Wie wir aus sicherer Quelle er- sahren, ist diese Nachricht unzutreffend. Hof mann ist es nur gelungen, einen verhältnis mäßig minimalen Betrag uinzusetzen. Chemnttz, 14- Oktober. Der Wech- selfälfcher Hempel, der nach einer von Berlin aus verbreiteten Notiz in Liverpool verhaftet worden sein soll, befindet sich, wie dem „Leipz. Tageblatt" von zuverlässiger Seite mitgeteilt wird, immer noch auf freiem Fuße. Weder der hiengen Staatsanwaltschaft noch den Be hörden von Liverpool ist etwas über die Ver haftung bekannt. Hempel soll sich vielmehr nach wie vor als Impresario einer Damen kapelle in Algier herumtreiben. Meerane, 14. Oktober. Das „Meeraner Tageblatt" schreibt: Der Streik der hiesigen Weber nimmt seinen Fortgang. In einer gestern Nachmittag stattgefundenen Versamm lung der Vorarbeiter wurde die allgemeine Si tuation besprochen. Die Arbeiterschaft ist fest entschloßen, ihre Forderungen unbedingt auf recht zu erhalten, im Höchstfälle soll Punkt 7 der Forderungen (Freigabe des 1. Mai) fallen gelassen werden. Ler Streik Hal sich nunmehr auch aus die Glauchauer Lohnweberei, welche nach Meerane arbeitet, ausgedehnt. An Unter stützungsgeldern find pro Woche circa 30000 Mark erforderlich, welche der Textilarbeiter verband verteilt. Im allgemeinen führen die Streitenden den Ausstand mit großer Ruhe und Besonnenheit, so daß Ausschreitungen noch nicht vorgekommen und auch nicht zu besürchten sind. Da mit der Dauer des Streiks die Aufträge von den Webereien sür die Appretur anstalten, Färbereien und Druckereien aus- bleiben, dürften auch diese Branchen in Mit leidenschaft gezogen werden und damit allge meine Arbeitslosigkeit in unserer Stadt em- treten. Tiefe nbrunn i. V., 14. Oklober. Das 3jährige Söhnchen des Fleischers und Viehhändlers Schäser in Wieden geriet am Freilag üher eine starten, süßen Liquer ent hüllende Flasche und trank daraus. Der Kleine war, als die nur wenige Minuten aus dem Zimmer gegangene Mutter zurückkehrte, bereits bewußtlos und starb kurz darauf an Herzlähmung infolge Alkoholvergiftung.