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Deutscher Reichstag. Sitzung vom 9. Februar 1928. Die zweite Lesung der Vorlage zur Aenderung des Mieterschutzgeletzes wird fortgesetzt. Ein sozialdemokratischer Antrag des 1 des Mie- terschutzgesetzss unverändert in der alten Fassung zu be lassen, die zwar eine Aufhebungsklage vorsieht, über kein Kiindigungsvcrfahren, wird in namentlicher Abstim mung mit 159 gegen 148 Stimmen der Sozialdemokra ten, Demokraten und Kommunisten abgelehnt. 8 1 wird in der neuen Fassung mit dem Kündigungsverfahren angenommen. In namentlicher Abstimmung wird ein weiterer sozialdemokratischer Antrag, der auch nach Ver säumnis des Widerspruchs gegen die Kündigung durch den Mieter die gerichtliche Nachprüfung der vom Ver mieter geltend gemachten Küstdigungsgründe zulassen und die Weigerung des Mieters, die Wohnung zu räu men, als Widerspruch gelten lassen will, mit 165 gegen 154 Stimmen abgelehnt. In der weiteren Einzelaussprache beantragt Abg. Ferl (Soz.) die Festlegung, das; Mietsrückstände aus sozialer Not kein Kündigungsrecht geben sollen. Auch sollen Ateliers nicht als gewerbliche Räume gelten. Untervermietung soll allgemein zulässig sein. Den Län dern soll das Recht zum Lockern der Wohnungszwangs wirtschaft genommen werden. Abg. Ronneburg (Dem.) fordern ebenfalls Erleichterungen für bildende Künstler. Abg. Obendiek (Komm.) beantragt Strei chung der Bestimmungen, die eine Kündigung von Werkswohnungen zulassen. Abg. Dr. Jörissen (Wirsch. Vg.) beantragt, der Klage auf Räumung in jedem Falle stattzugeben, wenn der Vermieter auskömm lichen Ersatzraum zur Verfügung stellt und sich bereit erklärt, die entstehenden Umzugskosten zu tragen. Fer ner soll bestimmt werden, daß mit dem Hauptmieter stets auch der Untermieter räumen soll. Abg. Winne feld (D. Vp.) erklärt seine Zustimmung zu den An trägen der Wirtschaftlichen Vereinigung. Ein Vertagungsanirag der Wirtschaftlichen Verei nigung wird abgelehnt. Angenommen wird ein Antrag der Regierungspar teien, wonach auch die Kündigung von Wohnungen zu lässig sein soll. Diese Kündigung darf aber nur unter gewissen Sicherungen erfolgen, zu denen die Mitwirkung der Betriebe gehört. Abg. Lipinski (Soz.) erklärt dazu, das; seine Freunde gegen diesen Antrag seien, da statt der Zustim mung des Betriebsrats nur ein Verhandeln mit dem Betriebsrat festgesetzt worden sei. Beschlossen wird weiter, daß das Gesetz am 1. April d. Z. in Kraft tritt. Bis dahin bleibt das Gesetz über Mieterschutz und Mieteinigungsämter in seiner bis herigen Fassung in Geltung. Unter Ablehnung aller anderen Anträge wird dann die Vorlage zur Aenderung des Mieterschutzgesetzes in zweiter und dritter Lesung angenommen. Die Schlustabstimmung findet erst am Freitag statt. Das Haus vertagt sich auf Freitag 14 Uhr.: Neichs- mietengesetz. Vor Beginn der -euLich-russischen Wirtschasksverhomdlungsn. 10. Februar 1928 Wie die Tclegraphcn-Union erfährt, werden die deutsch-russischen Besp r e ch u n g e n formell am Sonnabend eröffnet werden. In die Einzelbespre- chungcn wird sodann am Montag der kommenden Woche eingetreten werden. Die Verhandlungen werden deut scherseits von Ministerialdirektor Wallroth, Ge heimrat von Dirkson, Gesandtschastsrat Hahn, Generalkonsul S ch l e s i n g e r und Geheimrat M a r tius voraussichtlich unter Hinzuziehung deutscher Wirtschaftssachverständiger geführt werden. Russischer seits werden an den Verhandlungen das Mitglied des Kollegiums des Handelskommissariats. Schleifer, der Leiter der Vortragsabtcilung im Handelskommis sariat, Kaufmann, der Abteilungsleiter für Han Lvhnbewegungen uns Streiks. 10 Februar 1928 AbgelelMe Tarifwünsch« des sächsischen Stein kohlenbergbaues. Die Reichsbahndirektion Dresden lehnte den auch von den sächsischen Handelskammern unterstützten Antrag, die Frachten für sächsische Stein kohle auf Entfernungen bis zu 250 Kilometer um 30 Prozent zu ermäßigen, ab. Es würden sich sonst Wettbewerbsverschiebungen ergeben, gegen die von an derer Seite Einspruch erhoben werden. Eine besondere Benachteiligung des sächsischen Steinkohlenreviers durch die gegenwärtige Gestaltung des Kohlenausnahmciariss 6 sei nicht festzustellen, da die absolute Frachtspanne zwi schen der sächsischen Steinkohle und der außersächsischen Wettbewerbslohle für die sächsische Steinkohle und deren Hauptabsatzgebict sogar günstiger geworden sei als in der Vorkriegszeit. Dagegen ist der Ausnahmetarif für sächsische Steinkohle (einschließlich Briketts und Koks) zur Ausfuhr nach der Tschechoslowakei genehmigt worden. delspolitik im Austenkommissariat, Rosenblum, so- , wie der Leiter der Berliner Handelsvertretung, Begge und Professor Lenguyel teilnehmcn. Zweck der Vcr- j Handlungen ist bekanntlich die Beseiti g u n g d e r Imparität, die sich in der P raxis d e r deuts ch -russischen W irtschaft s b e z i e h u n- g e n herausgebildct hat. Aus aUer Wett. 10. Februar 1928 - " Neue Lombardskandale in Berlin. Gegen den Inhaber eines Lombardhauses in Berlin, Potsdamer Straße 118, Wilhelm Friedländer, sind bei der Krimi nalpolizei zahlreiche Anzeigen wegen Untreue einge- , laufen. Die Anzeigen erscheinen so begründet, dast die Kriminalpolizei sich entschlossen hat, das gesamte Ma terial der Staatsanwaltschaft zu unterbreiten, die über die zu ergreifenden Mastnahmen zu entscheiden hat. Friedländers Aufenthalt ist zur Zeit unbekannt. Ferner sind im Lause des Mittwochabends mehrere Anzeigen bei der Kriminalpolizei eingelausen, die einem der grössten Lombardgeschäfte im Zentrum Ber lins, das durch -seine aufdringliche Reklame viel von sich reden machte, ähnliche Betrügereien vorwerfen. " Schweres Strastenbahnunglück. 12 Tote, 34 Ver letzte. Gestern abend hat sich in der Gegend von Dieden- hofen ein Teil eines Strastenbahnznges der Straßen- bahngesellschaft „Nord et Lorraine" losgelöst und ist mit einem anderen Straßenbahnwagen an einer Ueber- führung znsammengestoßen. Vis 7 Uhr abends ver zeichnete man zwölf Tote und viernnddreitzig Verletzte, die in verschiedenen Krankenhäusern der Gegend unter gebracht worden sind. Der Straßenbahnfchaffner ist verwundet, der Stratzenbahnführer hat die Flucht er griffen. Er scheint irrsinnig geworden zu sein. Die olympische Sprungschanze. * Niesenheringsfang im Weihen Meer. Wie ein russischer Funkspruch aus Archangelsk meldet, hatte ein Heringsfischzug an der Küste des Weisten Meeres in der Onega-Bay ein riesiges Fangergebnis zu verzeichnen. Die Mannschaften der Fischdampfer waren gezwungen, um ein Zerreißen der Fangnetze zu verhüten, sämtliche Reservenetze auszuwerfen, so daß insgesamt mit etwa 800 Netzen gearbeitet wurde. Außerdem mußten noch andere Fischkutter zu Hilfe gerufen werden. Unter Lebensgefahr erreichten die überladenen Fahrzeuge die Ankerplätze. Trotzdem selbst die Straßen der Fischer dörfer mit Heringen überschüttet waren, konnte der Ab transport sichergestellt werden. Die beteiligten Fischerei genossenschaften berichten, daß die Fischer durchschnittlich 4000 Rubel an diesem Fang verdient haben. " Ein Munitionslager in die Luft geflogen. An der Eisenbahnlinie Treviso—Bellno ist ein vom Kriege herrührendes Munitionslager in die Luft geflogen. Von den Arbeitern, die mit der Entladung der Geschosse be schäftigt waren, wurden drei getötet und mehrere andere schwer verletzt. Die Behörden haben eine Untersuchung eingeleitet. "Zu dem Hotelbrand in Salzburg. Bei dem Brand des Hotels de l'Europe in Salzburg erlitten zehn Feuerwehrleute Verletzungen. Die Brandursache ist noch nicht festgestellt, doch vermutet man, daß der Brand durch unvorsichtiges Hantieren eines Arbeiters mit einer Lötlampe entstanden ist. Der Sachschaden ist sehr groß. Zwei Zimmer des gefährdet gewesenen dritten Stockes bewohnte die Witwe des Burgschauspielers Kainz. Die dort aufbewahrten zahlreichen Erinnerun gen an Kainz konnten gerettet werden. " Ein Schiff der holländischen Marine gekentert. — Zehn Personen ertrunken. Bei Surabaya ist das der holländischen Marine gehörende Schiff „Seemöwe" während eines großen Sturmes gekentert. 30 Mann wurden von einem anderen Dampfer gerettet. Der zweite Offizier und neun Mann der Besatzung sind er trunken. * Fernsehen über den Ozean. Die Bilder eines Mannes und einer Frau, die am Mittwoch abend in einem Londoner Laboratorium vor einem „Elektrischen Auge" genannten Apparat für Fernsehen saßen, konnte eine Gruppe von Personen beobachten, die sich in einem dunklen unteridischen Raum in Hartsdale (Staat New port) befanden. Die Beobachter vermochten die Kopf bewegungen der in London sitzenden Personen mahr zunehmen, obwohl die Bilder nicht sehr scharf waren. Das Experiment des Fernsehens über den Ozean ist also zum ersten Male geglückt. Das Ergebnis wurde mit einem schwachen Strom erzielt, das die Hoffnung rechtfertigt, daß das überozeanische Ferschen verbessert werden kann und so deutlich werden wird, wie das Fernsehen bei nicht allzuweiten Strecken. " Scharlachcpidemie in Jerusalem. Wie dem „Popolo di Roma" aus Jerusalem gemeldet wird, ist dort eine Scharlachepidemic ausgebrochcn, der in der Stadt Traam in den letzten 2 Wochen bereits 60 Kinder zum Opfer gefallen sind. Die Bewohner des Ortes fliehen. Das Training in St. Moritz ist schon eifrig aufgenommen worden. Unser Bild zeigt die Olympia-Sprungschanze, die in ihrem Bau von den in Deutschland und Norwegen vorhandenen ' Schanzen abweicht und auf die sich die Läufer daher erst „ein- arbeiten" müssen. Beim Training sind auf dieser Schanze schon Sprünge von 68 bis 79 Meter erreicht worden. Ob bei den Wett kämpfen die einzelnen Läufer so weit aus sich herausgehen wer den, ist aber fraglich, denn ein einziger Sturz dabei würde den schönsten und besten Sprung so stark entwerten, daß der Läufer für einen Preis kaum noch in Frage käme. Infolgedessen wird jeder vorsichtige Läufer mehr Wert auf gutes Abschneiden im Gesamtlauf als auf Rekorde im Springen legen. KOrrrsm vOrr 18. Fortsetzung. Nachdruck verboten . „Hab' ich dir das noch nicht erzählt? Wohl möglich, dast ich nicht daran gedacht!. Allerdings, in Bressendors gehen wir nicht zur Kirche, wohl aber in Sölldors. Wir stimmen nämlich mit unserem Pastor gar nicht überein Er versteht die Leute nicht zu behandeln: er will alles mit leinen strengen, eifernden Ansichten durchsetzen und bedenkt nicht, wieviel mehr er die Leute durch Güte und Liebe zwingt, als durch Furcht, — er bedenkt auch nicht, dast wir müde, abgearbeitete Landleute sind. Nein, da notiert er die Fehlenden in der Kirche, paßt aus, wer während des Gottesdienstes in der Kirche schläft, um es nachher zu rügen, donnert in seinen Predigten dagegen los, nicht be denkend, der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach Und jeden kleinen Fehler, jedes Versehen zerrt er ans Tageslicht — und in jeder Familie kommt doch mal etwas vor Natürlich war Vater gar nicht mit seiner Art und Weise einverstanden und hatte sich erlaubt, ihm, der so jung und unerfahren hierher kam, einige Ratschläge zu erteilen, was ihm aber übel vermerkt wurde. So gehen wir eben einfach nicht mehr in seine Predigten und kom men dabei sehr gut aus, — Man braucht seinen Glauben nicht auf der Zunge zu tragen,, kann dennoch ebenso gläubig sein wie die anderen, wenn wir auch deswegen als „schwarze Schafe" gelten Das ficht uns aber nicht an Heucheln können wir einmal nicht — und der Buchstabenglaube allein tut es nicht — aus dem Herzen must es quellen " „Das hätte ich gar nicht von Pfarrer Kunze gedacht," meinte Gerda, „er sieht doch sonst so harmlos aus. Dar aufhin must ich ihn mir doch mal genau anfehen! — Also so was gibt's hier auch? Ich dachte, es ginge alles jo glatt und geregelt seinen Weg." „Glaube das nur nicht, Gerda," sagte Katharine ernst, „wie mancher Roman spielt sich hinter den kleinen Fenstern der niedrigen Bauernhäuser ab. Denn gerade bei den Bauer wird besonders darauf geachtet, dast Geld zu Geld kommt. Es kommt so selten vor, daß ein Bauernsohn ein mittelloses Mädchen heimführt. Wie manche Träne wird da heimlich geweint, wie manches Herzensglück zu Grabe getragen Ob die Charaktere zusammenpassen, ist Neben sache, und dann leben sie in stumpfer Gleichgültigkeit neben einander her." „Darum nehmen sie es vorher nicht jo genau. Denn einen Schatz haben doch die Mädchen im Dorfe alle! — Wie oft habe ich unser Stubenmädchen schon gesehen, wenn sie sich abends mit ihren Liebsten trifft. Das war dann immer ein Herzen und Küssen, dast man ordentlich gut haben's die Mädchen —." „Aber Gerda, ich bitte dich! Wohin verirrst du dich!" „Warum nicht? — Du freilich, du bist ja die reine Gletscherjungfrau, die turmhoch über menschlichen Fehlern und Leidenschaften steht!" „Weißt du das so gewiß? Ich habe so gut ein Herz wie jede andere! Nur werfe ich es nicht weg — — sondern hebe es auf für den Herrlichsten von allen," warf Gerda übermütig ein, „das wolltest du doch sagen, nicht wahr, Käthe? Kein Feuer, keine Kohle kann brennen so Heist, als heimliche Liebe, von der niemand was weist," sang sie lustig in den Wald hinein. — „Ah, wir sind schon am Ziele? Mir ist die Fahrt aber schnell ver gangen," rief sie, als Bressendors in Sicht war. „Käthe, du mußt mich nun entschuldigen bei Papa und Mama, dast ich mitgefahren bin; Mama hat es nicht gern, wenn ich ohne ihr Vorwissen derartige Ausflüge mache! — Lebri» gens, du bleibst doch zum Abend bei uns?!" „Ich weist noch nicht, Gerda." „Ach, Unsinn, ohne Widerrede, du bleibst! Mir «up- zieren etwas: du bist mir noch immer ein Lied schuldig! Wir schicken zu deinen Eltern, daß all— paomPt M GW. darf besorgt ist, und dast sie sich über dein Ausbleiben nicht ängstigen. Mal wirst du doch abkömmlich sein! Ich lasse dich einfach nicht fort!" „Du bist ja sehr lieb, Gerda." „Nun, also! Hab' ich nur gar kein Lockmittel, dich zu halten? Heute abend gibt's Krebse: Papa hat welche schicken lassen: große, schöne Exemplare sind es! Reizt vich das gar nicht? — Halt, dann vielleicht unser neuer In spektor, wenn der nicht zieht —." „Erst sehen, Gerda," jagte Katharine lächelnd, „übri gens sind Krebse auch nicht zu verachten! — Nun, denn, ich denke, es verantworten zu können. Du bist ein Quäl geist, Gerda." „Siehst du, so muß ma,n es machen, wenn man etwas erreichen will! Wir wollen uns schon amüsieren, und deine Eltern werden dir nicht böse sein!" IV. Nachdem dir jungen Mädchen die Baronin begrüßt, schlenderten sie nach dem Parke. Gerda wollte Katharine den Tennisplatz zeigen, den ihr Vater für sie hatte an legen lasten. „Ist dieser Platz nicht ideal? Du spielst doch auch, Käthe?" „Mir fehlt die Zeit dazu. — Ich habe früher häufig gHpielt, bin aber jetzt ganz aus der Uebung " „Ah, da findet man sich leicht wieder 'rein! — Es wäre dach herrlich, wenn wir zusammen spielen könnten." „Ich habe jetzt zu viel anderes, wichtigeres zu tun — „Du wirst es schon einrichten können, wenn du willst! Nach de» Manöver kommt doch mein Vetter, der ein ge ifer Kieler ist — „O web, da käme ich dann schön in die Brüche — „Deshalb eben müssen wir fleißig üben. Soviel Zeit mcht d« dir «ni-rig»n können! — Ah. da kommt Papa!" (Fortsetzung folgt.)