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Mac-onal-s Amerikasahrt. Das größte Ereignis des politischen Augenblicks ist ohne jeden Zweifel die Reise Macdonalds nach Amerika. Am 28. September betritt der britische Mi nisterpräsident das Schiff, das ihn über den Atlantik führt. Am 4. Oktober wird er seine Verhandlungen mit Präsident Hoover beginnen. In englisch-politischen Kreisen wird die Reise Mac donalds mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt. Man ist sich darüber im klaren, das; von dieser Reise einer seits das Schicksal englisch-amerikanischer Beziehungen abhängt, andererseits das Schicksal der Arbeiterpartei- Regierung. Das Kabinett Macdonalds, das über keine sichere Mehrheit im Parlament verfügt und schon aus diesem Grunde auf Verwirklichung seines sozialistischen Programms verzichten muß, ist wie keine andere Re gierung Englands gezwungen, Erfolge auf dem außer politischen Gebiet zu suchen, um die Wähler nicht zu enttäuschen. Es kann nicht behauptet werden, daß Macdonald auf seiner Reise von allzu zahlreichen Segenswünschen gewisser Großmächte geleitet wird. Frankreich auf jeden Hall macht kein Hehl daraus, daß es das Scheitern der Amerika-Mission Macdonalds herzlich begrüßen würde. Frankreich will keine Abrüstuna und keine auch noch so bescheidene Nüstungsreqelunq. Es genügt, um sich darüber erstmals zu überzeugen, den hochoffiziösen „Tcmps" in die Hand zu nehmen. In diesem Leiborgan des französischen Außenministers werden täglich anti-englische Leitartikel von solcher Gehässigkeit und solcher Unverfrorenheit ver öffentlicht, wie es in der Geschichte der englisch-fran zösischen Beziehungen im Laufe der letzten Jahrzehnte nicht vorgckommen ist. Dabei wird der „Temps" nicht müde, immer wieder zu unterstreichen, daß Frankreich in keinem Fall einem allgemeinen Uebereinkommen bei ¬ stimmen wird, das ja nur im Interesse der angel sächsischen Mächte geschlossen sein soll. Allem Anschein nach ist Frankreich fest entschlossen, die kommende Seeabrüstungskonferenz zu sprengen. Es wäre denn, daß es feste Zusicherungen bezüglich der Rüstungen zu Lande erhält. „Eine Verständigung über die gleiche Stärke der britischen und amerikanischen Flotte ist eine Sache für sich: eine ganz andere Sache ist dagegen eine allgemeine Verständigung zwecks Ein schränkung der Rüstungen." Man sieht klar daraus, wo hin Frankreich will. Während Macdonald auf dem Wege nach Amerika ist, um ein großes Friedenswerk zu vollbringen, sucht Frankreich von vornherein die Be mühungen des englischen Ministerpräsidenten zu ge führten. Die Veröffentlichungen über den amerika nischen Nüstungsskandal. dürften jedoch geeignet sein, Macdonald drüben den Boden zu ebnen. Ein offener Brief Macdonalds. London, 27. Sept. Ministerpräsident Macdonald richtete einen offenen Brief an den „Daily Herald", in dem er seinem Bedauern darüber Ausdruck gibt, daß er infolge seiner Reise nach Amerika nicht an den wichtigen Verhandlungen der Jahresversammlung der Arbeiter partei teilnehmen könne. Er gehe auf eine „Forschungs reise". Den größten Beitrag, den die gegenwärtige Generation der Menschheit liefern könne, sei die Siche rung des Friedens unter den Völkern. Diese müßten soweit gebracht werden, daß sie sich unter dem Schutz politischer Abkommen sicher fühlten. Die Vereinigten Staaten und England hätten die gleichen Ziele. Gute und herzliche Beziehungen zwischen diesen beiden Län dern könnten die Friedensaussichten verbessern. Er reise, um zu sehen, was erreicht werden könne. Der Brief schließt mit der Frage: „Wer wagt die Behauptung, daß ein Erfolg unmöglich ist?" Der amerikanische Abrüstungs skandal. Beschuldigungen gegen amerikanische Admiräle. Neuqork, 27. Sept. Vor dem Senatsausschuß der gegenwärtig die Angelegenheit Shearer untersucht, erhob der Journalist Drew Pearson schwere Beschuldigungen gegen die amerikanischen Flottensachverständiqen, die bei der Seeabrüstungs- konferenz in Genf im Jahre 1927 der amerika nischen Abordnung zugeteilt waren. Diese Marineoffiziere hätten viel zum Mißlingen derKonferenz beigetragen. Pearson äußerte sich folgendermaßen: Es befremdete mich, zu sehen, daß zwischen den Flottensachverständigen und William Shearer ein Einvernehmen gegen ein Ge lingen der Konfrenz bestand und daß zu diesem Zweck allerlei Vorwände benutzt wurden. Zwischen Shearer und dem amerikanischen Flottensachverständigen fanden rege Besprechungen statt. Ich selbst habe an einigen teilgenommen und der Mann, der am lebhaftesten die Hoffnung äußerte, die Konferenz möchte scheitern, war der Konteradmiral I. M. Reeves, Mitglied des amerikanischen Flottenstabes. Denselben Standpunkt vertraten Konteradmiral Frank Schofield und die Kapitäne H. H. F ro st und H. C. Train. Alle diese Offiziere stimmten mit Shearer dahin überein, daß die Verhandlungen scheitern sollten. Ueber Shearer selbst sagte der Zeuge Pearson, er habe einen sehr verschwenderischen Lebenswandel ge führt, sei sehr glänzend aufgetreten und habe es ver standen, seine Nachrichten so an die Presse gelangen zu lassen, daß sie ihre Zwecke erfüllten. Die WMerWW der MI m AM. London, 27. Sept. Die Morgenpresse nimmt all gemein an leitender Stelle zu der Erhöhung des Dis kontsatzes der Bank von England StellNng und betont, daß sie zwar außerordentlich bedauerlich, aber im Inter esse des Landes notwendig gewesen sei. Die Blätter weisen aus die Rückwirkungen hin, die dieser Schritt für Handel und Industrie in England haben werde. Der Mitarbeiter des „Daily Telegraph" schreibt, auch die Negierung habe unzweifelhaft mit Bedauern von der Erhöhung Kenntnis genommen. Das Blatt weist insbesondere auf die erhöhten Schwierigkeiten hin. die Schatzkanzler Snowden haben werde, um die schwebende Schuld und die Arbeitslosenunterstützung zu finanzieren. Dies würde sich natürlich auch im Haushalt auswirken. Eine Abwehrmaßnahme gegen das finanzielle Uebergewicht Amerikas. Neuyork, 27. Sept. Die gesamte amerikanische Presse nimmt zur Diskonterhöhung durch die Bank von England Stellung. Die Blätter bezeichnen diese Maß nahme als unvermeidlich. Das schnelle Folgen skandi navischer Banken wird als Anzeichen dafür angesehen, daß die Diskontraten in Europa bald allgemein höher liegen werden mit Ausnahme des französischen Dis kontsatzes. Die „New-S)ork Times" erklärt, die englische Diskonterhöhung für eine unvermeidliche Maßnahme gegen die überragende finanzielle Machtstellung des amerikanischen Geld marktes, die das Gleichgewicht Europas zu bedrohen scheine. Kopenhagen, 27. Sept. Die Dänische Nationalbank erklärt, daß am Freitag, dem 27. September, der Bank diskont von 5 aus 51/2 v. H. erhöht wird. Aus aller Welt. * „Graf Zeppelin" wieder zu Hause. Das Luft schiff „Gras Zeppelin" ist am Donnerstag abend nach glücklich verlaufener Fahrt glatt gelandet. * Sonnabend zweite Schweizerfahrt des Zeppelin. Das Luftschiff „Graf Zeppelin" wird am 28. Sep tember eine zweite Fahrt nach der Schweiz durchführen, da die erste bereits kurze Zeit nach ihrer Bekanntgabe völlig ausverkauft war. Angesichts der zahlreichen Vor merkungen können jedoch auch für die zweite Fahrt keine weiteren Buchungen mehr erfolgen. Plätze sind lediglich noch für die Süddeutschlandfahrt des Luftschiffes frei, die auf den 1. Oktober verlegt worden ist. * Kommunistenüberfall auf eine nationalsozialistische Versammlung. — 2V Personen verletzt. Aus Anlaß einer am Donnerstag abend von den Nationalsozialisten nach der Tonhalle in Neumünster einberufenen Versammlung unternahmen die Kommunisten, verstärkt durch eine große Anzahl- mit der verbotenen Rotfrontuniform bekleideter auswärtiger Stoßtrupps, eine Eegenkundgebung. Ein Marsch der Eruppenkolonnen durch die Hauptstraßen der Stadt unter Absingen aufreizender Lieder ging dem Ueberfall voraus. Als der Zug kurz vor 20 Uhr die Tonhalle erreicht hatte, stürmte ein Trupp von etwa 200 Kommunisten mit Gejohle in den Saal. Da die Versammlung noch nicht begonnen hatte, waren erst 20 Nationalsozialisten anwesend. Diese wurden von den Kommunisten niedergeschlagen und zum Teil schwer ver letzt. Die sofort herbeigerufene Polizei räumte den Saal und nach Eintreffen von Verstärkungen aus Kiel auch die Umgebung der Tonhalle. Unter dem Schutz der Polizei wuxde später die Versammlung äbgehalten. * Oberbürgermeister Boeß im Flugzeug über Neu york. Oberbürgermeister Boeß hat am Donnerstag einen Rundflug über Neuyork unternommen. Das Flugzeug wurde von dem Ozeanslieger Clarence Chamberlin geführt. * Großfeuer im Hafen von Leningrad. Wie aus Leningrad gemeldet wird, brach am Donnerstag abend in den Speichern des Leningrader Hafens ein Eroß- feuer aus, durch das vier große Speicher vollkommen eingeäschert wurden. Es bestand Gefahr, daß der Brand auf einen in der Nähe befindlichen Benzintank und ein Oellager Übergriff. Es gelang aber den Bemühungen der Feuerwehren, den Brand aus seinen Herd zu be schränken. * Neuer Heiratsplan König Boris. Der Prioatsek- retär des Königs Boris vonBulgarien, Hagjenow weilte in Bukarest und überbrachte, wie man erfährt, ein Handschreiben des Königs Boris an die Königin Witwe Maria, in dem er um die Hand der Prinzessin Ileana bittet. Man glaubt, daß dem Heiratsplan noch gewisse Schwierigkeiten entgegenstehen. " Ein Vestechungsskandal in Japan. Der General- staatsanwalt hat gegen den ehemaligen Verkehrs minister Ogawa, der in dem Kabinett Tanaka auch den Posten des stellvertretenden Ministerpräsidenten inne hatte, Anklage erhoben. Ogawa wird verschiedener Bestechungen und unsauberer Geldgeschäfte beschuldigt. So soll er von einer japanischen Gruppe 1200 000 Goldmark zur Beeinflussung der im Jahre 1930 statt findenden Wahlen erhalten haben. Ogawa gehörte zum rechten Flügel der Oppositionspartei Sejukai. Die Beschuldigung hat in Tokio großes Aufsehen hervor gerufen. * 14 Todesopfer bei einem Brandunglück. Wie der Lokalanzeiger aus Tampico (Mexiko) meldet, for derte ein Brandunglück auf dem Panucco 14 Todes opfer, darunter sieben Kinder. Eine in Fahrt befind liche Barkasse fing aus noch unaufgeklärter Ursache plötzlich Feuer, das sich schnell über das ganze Schiff ausbreitete. 14 Fahrgäste konnten sich nicht mehr reiten und kamen in den Flammen um. Ein Sturmvogel. Roman von Bernt Lie. Einzig berechtigte Übersetzung aus dem Norwegischen von F. Gräfin zu Reventlow. 27» (Nachdruck verboten.) Dagny ging ein paar Schritte zurück, so daß sie ihm gegenüber am Tisch stand. „Und ich sage es auch nicht, damit es dir wobl tun soll, aber du hast mich jetzt so lange und so lies gekränkt, daß ich kalt dagegen geworden bin. Ganz kalt. Du mußt wissen, Kasper, daß ich das jetzt nicht mehr will. Du niagst ja sortsadren, mit dir selbst umzugehen, wie du es für gut findest. Du sagst mir ja auch jeden Tag, daß ich dir nichts mehr bin/ „Dagny!" „Ah — glaubst du etwa, daß dieses Spiel so weiter- gehen kann? Daß du mir die grausamsten Worte sagst und mich dann wieder um Verzeihung bittest, um sie ungesagt zu machen? Glaubst du, daß ich diese Erbärmlichkeit mit dir teilen kann? Glaubst du, daß meine Gefühle ebenso billig sind wie deine? Glaubst du, ich lasse mich noch länger behandeln wie einen .Hund, den man erst schlägt und dann wieder streichelt, um ihn zu beruhigen? Du hast ein Spiel getrieben, das ernster war, wie du selbst es glaubtest. Du hast mir das Leben verächtlich gemacht, mir ein Hunde leben zugemutet. Äbei ich bin ein freier Mensch. Wenn es mir auch so vorkomml, als ob du mir viel von meiner Selbstachtung genommen hast, so bin ich doch noch nicht ganz fertig damit." Er saß zurückgelehnt in seinem Stuhl und hörte ihr mit ruhigem, gedankenvollem und traurigen Blick zu. „Du sagtest mir neulich, daß ich dir das Leben zur Qual mache. Ich hätte deine Mutter aus dem Hause ver scheucht und dir Schwierigkeiten gemacht, wenn du deine Freunde und deine Vergnügungen aufsuchen willst. Ich werde dir jetzt nicht länger im Wege stehen, Kasper, du sollst dir von jetzt an dein Leben selbst einrichten - ohne mich." Eine Zeitlang stand sie da und sah ihn mit brennen- den Augen an. In ihr wogte und arbeitete es. Aber dann stiegen ihr Tränen in die Augen; sie war nahe daran, in Schluchzen auszubrechen Und nun wandte sie sich jäh ab und ging hinaus Kasper Bugge blieb allein. Das Mädcken kam mit dem Frühstück Ei stürzte eine Tasse Kaffee hinunter und ging dann in das Badezimmer, kleidete sich aus und nahm dann eine kalte Dusche. Nach einiger Zeil kam er wieder in das Zimmer Er suchte überall nach Dagny. Schließlich fragte er das Mädchen. « Die gnädige Frau wäre vor einiger Zeit ausgegangen und hätte gesagt, vor Mittag würde sie Wohl nicht nach Hause kommen. Eine halbe Stunde lang ging er durch alle Zimmer Die Kleine schlief so schön aus ilnd ab. Endlich blieb er stehen und nickte mit dem Kopf. Ja, es war wohl am besten so. Er wollte Dagny schriftlich Lebewohl sagen und dann fortgehen, ohne sie wiederzusehen. Er beorderte seinen Handkoffer und packte ihn wie für eine seiner kleinen Geschäftsreisen. Dann setzte er sich an den Schreibtisch und schrieb an Dagny Als er fertig war, ging es aus Mittag. Er steckte den Bries in ein Kuvert und adressierte ihn. Dann saß er lange da, das Kinn in beide Hände gestützt, und sah vor sich hin Endlich rasjte er sich aus und ging in das zimmer Ec- war ganz still darin, die Kleine schlies an, das Mädchen saß am Feustel und nable Ei schickte sie hinaus und ging aus das kleine Bell zu Die Kleine schlies so schön. Sie hatte zwei Finger im Mund und ihre Backen glühten wie zwei rote Rosen. Er beugte sich nieder, zog vorsichtig die kleinen Finger aus dem Mund und küßte sie. Da schlug sie die Äugen auf, zwei große, himmelblaue, hellwache Augen, und lächelte ihn an. Dann setzte sie sich im Bett auf und rieb sich die Augen. „Vater, Tulla nicht mehr müde." Er nahm sie aus und setzte sie aus seine Knie „Vater, Tulla Hal keine Schuhe an" Er zog ihr die Schuhe an und knöpfte sie mit vieler Mühe zu Sie lachte und plauderte. Dann plötzlich sah sie ihn ganz ernst an: „Js Vater so traurig?" Die Tränen liefen ihm aus den Augen. .,Q nein, Vater hat seine Tulla nur so lieb. Bist du Vater auch ein bißchen gut?" Sie krabbelte voller Eiser an ihm empor, so daß sie in seinem Schoß stand. Dann legte sie beide Arme um seinen Hals und preßte ihre weiche warme Wange gegen sein Gesicht Er umfaßte sie und drückte sie mit beiden Armen an sich Dann brach er in gewaltsames Weinen aus. Die Kleine faßte ihn um den Nacken und sah ihn erschrocken an. „Vater," ries sie, „Vater! Vater muß nicht so gräß lich weinen," und dann sing sie an, laut zu schreien. Er nahm sich mit einer gewaltsamen Kraftanstrengung zusammen, lächelte ihr zu, streichelte und klopfte sie, bis sie sich wieder beruhigte und ansing zu plaudern — mit einer Träne aus jeder Wange. „Ja, ja, Vater muß jetzt fortgehen." „Wohin muß Pater?" „Pater muß verreisen." „Aber dann kommt Pater wieder zu Tulla und zu Mutter und zu Dadda und zu Sistine und zur Miezekatze und zu Tulla kommt Pater wieder — wieder." „Ja, das tut er, kleiner Liebling, das tut Vater ganz gewiß." Der Wagen mit seinem Koffer stand draußen vor der Treppe. „Fahr den unteren Weg, Johann," sagte er beim Ein stetgen. Es war ein Umweg, aber er würde Dagny dort nichi begegnen (Forlsetzung folg!.)